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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 88.01
Rechtsgebiete: BauGB
Vorschriften:
BauGB § 124 Abs. 3 Satz 2 |
Die Anforderungen an die Substantiierung des Angebots richten sich auch nach der Kooperationsbereitschaft der Gemeinde.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 4 B 88.01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paetow und die Richter Dr. Lemmel und Gatz
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. September 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 112 484 Euro (früher: 220 000 DM) festgesetzt.
Gründe:
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Wegen der drei zur Auslegung des § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB formulierten Fragen kann die Revision nicht zugelassen werden, weil sie, soweit sie nicht auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt sind, einer weiteren allgemeinverbindlichen Klärung nicht zugänglich sind.
Nach § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB ist die Gemeinde verpflichtet, im Geltungsbereich eines von ihr erlassenen qualifizierten Bebauungsplans die Erschließung selbst durchzuführen, wenn sie das zumutbare Angebot eines Dritten ablehnt, die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung vorzunehmen. Mit dieser durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz vom 22. April 1993 (BGBl I, S. 466) in das Baugesetzbuch eingefügten Vorschrift hat der Gesetzgeber die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der sich die allgemeine Erschließungspflicht der Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen zu einer aktuellen Pflicht verdichten kann, ausdrücklich übernommen und gesetzlich normiert (BTDrucks 12/3944, S. 30).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist herausgearbeitet worden, dass es für ein zumutbares Erschließungsangebot nicht genügt, dass der Bauinteressent lediglich seine Bereitschaft erklärt, in Verhandlungen über den Abschluss eines Erschließungsvertrages einzutreten. Vielmehr muss sein Angebot so konkret sein, dass es auf seine Eignung überprüft werden kann, eine gesicherte Erschließung zu gewährleisten. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn sich die Gemeinde von vornherein abweisend verhält. Vom Grad ihrer Kooperationsbereitschaft hängt aber ab, welchen Substantiierungsanforderungen das Angebot genügen muss. Verharrt die Gemeinde in einem Zustand der Passivität, so kann es der Bauinteressent im Allgemeinen damit bewenden lassen, der Gemeinde ein Angebot zu unterbreiten, durch das sie in die Lage versetzt wird, sich über den Umfang seiner Leistungsbereitschaft ein Urteil zu bilden (Beschluss vom 18. Mai 1993 - BVerwG 4 B 65.93 - NVwZ 1993, 1101; vgl. auch Urteil vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 7.91 - NVwZ 1994, 281 <282>). Dabei kommt es darauf an, ob das Angebot geeignet ist, die Erschließung tatsächlich und rechtlich verlässlich zu sichern (Urteil vom 10. September 1976 - BVerwG 4 C 5.76 - Buchholz 406.11 § 14 Nr. 8 <S. 23 ff, 29>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Angebot unzumutbar sein, wenn die Herstellung einer funktionsfähigen Erschließungsanlage aus technischen Gründen oder wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bauinteressenten zweifelhaft ist (BVerwG, Urteil vom 10. September 1976, a.a.O.) oder wenn das Angebot von wirklichkeitsfremden zeitlichen Vorgaben für die Herstellung der Erschließungsanlagen ausgeht (Beschluss vom 23. Dezember 1993 - BVerwG 4 B 212.92 - Buchholz 406.11 § 30 BauGB Nr. 35). Die Beispiele zeigen, dass die Zumutbarkeit des Angebots immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängen kann. Denn letztlich geht es um die Frage, ob die Gemeinde nach Treu und Glauben eine Bebauung verhindern darf, obwohl sie sie durch ihren Bebauungsplan im Grundsatz bereits für zulässig erklärt hat und der Bauinteressent geltend macht, für eine angemessene Erschließung selbst sorgen zu wollen. Kommt auch nur in Betracht, dass die Gemeinde verpflichtet sein könnte, ein Erschließungsangebot anzunehmen, so schließt das nach Treu und Glauben die Pflicht oder zumindest die Obliegenheit der Gemeinde ein, an der Klarstellung der Rechtslage mitzuwirken, also über das Angebot in einer Weise zu verhandeln, die eine Beurteilung seiner Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit ermöglicht. Verweigert sich die Gemeinde, so muss sie sich dies zurechnen lassen (Urteil vom 22. Januar 1993 - BVerwG 8 C 46.91 - BVerwGE 92, 8 <24> - NVwZ 1993, 1102).
Angesichts dieser Rechtsprechung ist nicht mehr klärungsbedürftig, dass die bloße Erklärung des Bauinteressenten, einen Erschließungsvertrag abschließen zu wollen, den Anforderungen des § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB im Regelfall nicht genügt. Das hat aber auch das Berufungsgericht nicht anders gesehen. Es führt jedoch aus, dass die Erschließung im vorliegenden Fall nur deshalb nicht gesichert ist, weil zum Baugrundstück noch keine Wasserleitung führt. Nach seinen Feststellungen hat sich die Klägerin zum Abschluss eines Erschließungsvertrages dahin gehend bereit erklärt, dass sie die Wasserleitung auf eigene Kosten verlegen lassen werde. Diese Angaben hat das Berufungsgericht "wegen des geringen Umfangs der Erschließungsmaßnahme (nur 100 m Wasserleitung), den auf der Hand liegenden und der Beklagten auch im Einzelnen bekannten Möglichkeiten, die Wasserleitung zu verlegen, sowie der technischen Kompetenz der Klägerin, die als Generalunternehmerin die Erschließungsmaßnahmen auf dem benachbarten Baumarktgrundstück selbst durchgeführt hatte", als ausreichend angesehen. Diese Beurteilung ist ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend. Zu grundsätzlichen Erwägungen gibt sie keinen Anlass.
Nicht klärungsbedürftig ist ferner, ob das Angebot "die herzustellenden Erschließungsanlagen nach Art, Umfang und Ausführung beschreiben, Ausbaustandards, Baubeginn und zeitliche Abfolge festlegen und Aussagen zur Abnahme, Gewährleistung und Sicherheitsleistung enthalten" muss, wenn die Gemeinde auf das Angebot "weder eine ablehnende Haltung noch Kooperationsbereitschaft signalisiert" hat. Nach der referierten Rechtsprechung hängt die Substantiierungspflicht von den jeweiligen besonderen Umständen ab. Dass diese Angaben im vorliegenden Fall nicht erforderlich waren, sondern allenfalls von der Gemeinde hätten nachgefordert werden können, begegnet keinen Bedenken. Damit erledigt sich zugleich die dritte Frage: Lässt ein - wie zu ergänzen ist: - im Prinzip geeignetes Erschließungsangebot erschließungstechnische Fragen offen, so muss die Gemeinde mit dem Bauinteressenten zwecks Präzisierung des Angebots Kontakt aufnehmen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, nach § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB selbst zur Erschließung verpflichtet zu werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 GKG fest.
Ende der Entscheidung
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