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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.10.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 94.98
Rechtsgebiete: VwGO, BBergG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
BBergG § 11 Nr. 10
BBergG § 15
BBergG § 48 Abs. 1
BBergG § 54 Abs. 2 Satz 1
Leitsätze:

Zu den Behörden, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 BBergG gehört und denen deshalb gemäß § 15 BBergG vor der Entscheidung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, gehört auch die Gemeinde, insbesondere im Hinblick auf die Belange des Städtebaus.

Mit der Rüge mangelnder Beteiligung gemäß § 15 BBergG allein kann die Gemeinde eine Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO nicht geltend machen.

Beschluß des 4. Senats vom 15. Oktober 1998 - BVerwG 4 B 94.98 -

I. VG Chemnitz vom 21.06.1995 - Az.: VG 4 K 1150/92 - II. OVG Bautzen vom 10.06.1998 - Az.: OVG 1 S 349/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 B 94.98 OVG 1 S 349/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 15. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch sowie die Richter Hien und Halama

beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Juni 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 300 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Das Vorbringen der Klägerinnen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Der Schriftsatz vom 21. September 1998 hat außer Betracht zu bleiben, da er nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist. Außerdem ist er nicht geeignet, die Entscheidung in der Sache zu beeinflussen.

1. Die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob es einen Rechtsverstoß darstellt, wenn eine Gemeinde vor der Entscheidung über eine bergrechtliche Bewilligung nicht angehört wird, nötigt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, da sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Berufungsgericht hat die Klagebefugnis verneint. Es bedarf nicht der Bestätigung in einem Revisionsverfahren, daß sich daran auch dann nichts ändern würde, wenn die Klägerinnen im Bewilligungsverfahren hätten beteiligt werden müssen.

Nach § 15 BBergG hat die zuständige Behörde vor der Entscheidung über den Antrag den Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 BBergG gehört. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß die bergrechtliche Erlaubnis u.a. zu versagen ist, wenn überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen. § 12 Abs. 1 Satz 1 BBergG bestimmt, daß für die Versagung der Bewilligung § 11 Nr. 10 BBergG entsprechend gilt. Indem § 15 BBergG an diese Vorschrift anknüpft, stellt er klar, daß die Behördenbeteiligung dazu dient, die öffentlichen Interessen zur Geltung zu bringen, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Nach § 11 Nr. 10 BBergG zählen hierzu öffentliche Interessen, die einen Bezug zu dem in Betracht kommenden Feld haben, gegenüber den volkswirtschaftlich-bergbaulichen Interessen zu überwiegen geeignet sind sowie die Aufsuchung oder die Gewinnung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen können. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber verhindern, daß Bergbauberechtigungen verliehen werden, die nicht die Erwartung rechtfertigen, jemals ausgeübt werden zu können. § 11 Nr. 10 BBergG steht in einem sachlichen Zusammenhang mit den Vorschriften, die die eigentliche Bergbautätigkeit unter einen Zulassungsvorbehalt stellen. Nach § 51 BBergG bedarf es für die dort bezeichneten bergbaulichen Maßnahmen der vorherigen Zulassung durch einen Betriebsplan, der zwingend zu versagen ist, wenn die in § 55 BBergG genannten spezifisch bergbaubezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG eingreift, wonach die Aufsuchung oder die Gewinnung von Bodenschätzen zu untersagen ist, soweit sonstige überwiegende öffentliche Interessen ihr entgegenstehen. Als öffentliche Interessen, die einem Bergbauvorhaben entgegenstehen können, werden im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 8/1315, S. 87) beispielhaft die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege, der Raumordnung, des Verkehrs und des Gewässerschutzes genannt. Jedenfalls bei Abgrabungen kann dies auch für die Belange des Städtebaus zutreffen. Das Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung braucht, sofern die in § 11 Nr. 10 BBergG genannten Voraussetzungen erfüllt sind, nicht generell hinter den Belangen des Bergbaus zurückzutreten. Zwar ist diesen Belangen aufgrund der Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG bei städtebaulichen Planungen besonders Rechnung zu tragen. Das bedeutet aber keine absolute Vorrangregelung zugunsten des Bergbaus. Planungsträger sind im Bereich des Städtebaus nach § 2 Abs. 1 BauGB die Gemeinden, die in § 15 BBergG freilich nicht ausdrücklich aufgeführt werden. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, daß sie im Bewilligungsverfahren nicht zu beteiligen sind. § 15 verwendet den Begriff der Behörde in einem funktionalen Sinne. Behörden sind alle Stellen, die öffentliche Interessen der in § 11 Nr. 10 BBergG bezeichneten Art wahrnehmen. Mit § 11 Nr. 10 BBergG bezweckt der Gesetzgeber, schon im Stadium der Entscheidung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung zu verhindern, daß eine Berechtigung begründet wird, die sich im nachhinein als substanzlos erweist. Das setzt eine breite Informationsbasis voraus, damit in den Entscheidungsprozeß sämtliche öffentlichen Interessen einfließen können, die gemäß § 11 Nr. 10 BBergG relevant sein können. Dazu gehören auch die Belange des Städtebaus, die von den Gemeinden wahrzunehmen sind. Gegenteilige Schlüsse läßt auch § 54 Abs. 2 Satz 1 BBergG nicht zu, der ausdrücklich eine Beteiligung der Gemeinde vor der Zulassung eines Betriebsplans vorschreibt, wenn durch die in diesem vorgesehenen Maßnahmen der Aufgabenbereich der Gemeinde als Planungsträger berührt wird. Das Gesetz benennt den Fall der Betroffenheit der gemeindlichen Planungshoheit durch einen Betriebsplan als einen Fall notwendiger Beteiligung der Gemeinde nur deshalb ausdrücklich, weil es unter der Vielzahl von Betriebsplänen etliche gibt, die zwar den Aufgabenbereich anderer Behörden als der zuständigen Bergbehörde berühren, nicht aber zugleich auch den Aufgabenbereich der Gemeinde als Planungsträger.

Aus einer etwaigen Mißachtung ihres Beteiligungsrechts allein können die Klägerinnen indes keine Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO herleiten. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar wiederholt bestätigt, daß das Verwaltungsverfahren insofern dem Rechtsschutz dient, als es gewährleisten soll, daß die materiellrechtlichen Vorschriften beachtet werden. Es hat hierbei aber bekräftigt, daß der einzelne Betroffene die Einhaltung der Verfahrensvorschriften grundsätzlich nicht um ihrer selbst willen ohne Rücksicht darauf erzwingen kann, ob er in einem materiellen Recht verletzt ist oder nicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 1973 BVerwG 4 C 50.71 BVerwGE 44, 235, vom 15. Januar 1982 BVerwG 4 C 26.78 BVerwGE 64, 325 und vom 5. Oktober 1990 BVerwG 7 C 55 und 56.89 BVerwGE 85, 368). Ein subjektiv-öffentliches Recht läßt sich aus einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung nur dann ableiten, wenn die Verfahrensvorschrift nicht bloß der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der Verwaltungsbehörde, dient, sondern dem Betroffenen in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978 BVerwG 4 C 79.76 u.a. BVerwGE 56, 110 und vom 9. März 1990 BVerwG 7 C 23.89 BVerwGE 85, 54). Ob eine Verfahrensnorm eine solche Schutzfunktion hat, bestimmt sich nach ihrer Zielrichtung und ihrem Schutzzweck. § 15 BBergG bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß eine Gemeinde, die zu Unrecht nicht beteiligt worden ist, die Aufhebung der Sachentscheidung ohne Rücksicht darauf gerichtlich soll durchsetzen können, ob das Ergebnis dem materiellen Recht entspricht oder nicht. Die Annahme, daß der Gesetzgeber eine so weitreichende Rechtsposition hat einräumen wollen, liegt schon deshalb gänzlich fern, weil eine Gemeinde durch eine bergrechtliche Bewilligung materiellrechtlich nicht in einer Weise betroffen sein kann, daß die Wahrung ihrer Rechte gegenüber einer künftigen Ausübung der Bergbauberechtigung ausgeschlossen oder erheblich erschwert wäre.

Die gemeindliche Planungshoheit genießt allerdings den Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Sie vermittelt eine wehrfähige Position gegenüber der Ausführung von Vorhaben Dritter auf dem Gemeindegebiet, wenn hierdurch nachhaltig eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung gestört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren eigenen Planung entzogen oder gemeindliche Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1988 BVerwG 4 C 40.86 BVerwGE 81, 95, vom 15. Dezember 1989 BVerwG 4 C 36.86 BVerwGE 84, 209 und vom 27. März 1992 BVerwG 7 C 18.91 BVerwGE 90, 96). Die bergrechtliche Bewilligung ist indes nicht geeignet, in dieser Richtung negative Wirkungen zu erzeugen.

Das Bundesberggesetz sieht für den Abbau von Bodenschätzen ein zweistufiges System vor. Der eigentlichen Bergbautätigkeit, der ein Zulassungsverfahren vorauszugehen hat, ist ein Konzessionierungsverfahren vorgeschaltet, das die Voraussetzungen für den Erwerb einer Bergbauberechtigung schafft. Der Gesetzgeber trägt mit den rechtlichen Vorkehrungen, die er auf dieser ersten Stufe getroffen hat, dem Umstand Rechnung, daß sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG das Eigentum an einem Grundstück nicht auf bergfreie Bodenschätze erstreckt. Die Trennung des Grundeigentums von diesen Bodenschätzen setzt ein Rechtsinstitut voraus, das eine Aufsuchung und Gewinnung unabhängig vom Willen der jeweiligen Grundeigentümer und ohne Rücksicht auf Eigentumsgrenzen gewährleistet. Das Bundesberggesetz stellt hierfür die auf die Erlaubnis, die Bewilligung und das Bergwerkseigentum aufgefächerte Bergbauberechtigung zur Verfügung, die dem Inhaber die Befugnis verleiht, Bodenschätze aufzusuchen und ggf. auch zu gewinnen. Was der rechtliche Inhalt einer Bewilligung ist, regelt § 8 BBergG. Sie gewährt dem Inhaber zwar kein dingliches Recht wie das Bergwerkseigentum, verschafft ihm aber ein subjektiv-öffentliches Recht, das gegenüber Dritten Ausschließlichkeitscharakter hat und den Schutz vermittelt, den nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts das Eigentum gewährt. Von der Bewilligung nicht mitumfaßt ist indes die öffentlich-rechtliche Befugnis, von dem erteilten Rechtstitel auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Die Bergbauberechtigung besagt nichts darüber, ob, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die Gewinnung mit den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, der Inhaber die Berechtigung letztlich also ausüben darf. Um eine bergbauliche Tätigkeit aufnehmen zu können, bedarf der Inhaber einer besonderen öffentlich-rechtlichen Zulassung. Allein auf der Grundlage eines zugelassenen Betriebsplans und ggf. weiterhin erforderlicher Parallelgenehmigungen dürfen die Bodenschätze in dem Feld, auf das sich die Bewilligung erstreckt, aufgesucht und gewonnen werden. In der Regel kann es erst auf dieser zweiten Stufe zu einer Kollision zwischen gemeindlichen und bergbaulichen Interessen kommen, die eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit möglich erscheinen läßt und einen Rechtsschutzbedarf auslöst (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. Juli 1994 BVerwG 4 B 102.94 Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 4). Zu einem früheren Zeitpunkt besteht ein solches Schutzbedürfnis noch nicht.

2. Die Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn sich das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat. Die Beschwerde macht geltend, daß sich die Vorinstanz über das Senatsurteil vom 7. Juli 1978 BVerwG 4 C 79.76 u.a. (BVerwGE 56, 110) hinweggesetzt habe. Sie zeigt indes nicht auf, mit welchem Rechtssatz das Berufungsgericht von der Rechtsauffassung abgewichen sein soll, die der Senat in dieser Entscheidung vertreten hat. Sie räumt selbst ein, daß es in dem von ihr zitierten Urteil unter dem von ihr angesprochenen Aspekt nicht um Fragen der Behördenbeteiligung im Rahmen des § 15 BBergG, sondern um die Anwendung des § 6 LuftVG ging. Sie läßt es mit einer Kritik daran bewenden, daß es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die Grundsätze, die der Senat für das luftverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren entwickelt hat, auf das bergrechtliche Bewilligungsverfahren zu übertragen. Dies allein rechtfertigt nicht die Annahme einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die von der Beschwerde ins Feld geführte Parallelität der Regelungen vermag hierüber schon deshalb nicht hinwegzuhelfen, weil sie in Wahrheit nicht gegeben ist. Das bergrechtliche Bewilligungsverfahren unterscheidet sich strukturell wesentlich vom luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren. Wie der Senat im Urteil vom 7. Juli 1978 (a.a.O.) dargelegt hat, ist die Genehmigung nach § 6 LuftVG auch in den Fällen, in denen sie wegen eines nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens nicht als abschließende Planungsentscheidung zu qualifizieren ist, durch einen planerischen Einschlag gekennzeichnet. Der bergrechtlichen Bewilligung nach § 8 BBergG sind derartige Elemente fremd. Soweit die Behörde vor der Entscheidung zu prüfen hat, ob überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 BBergG die Erteilung ausschließen, räumt der Gesetzgeber ihr keinen planerischen Gestaltungsspielraum ein.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO und § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO analog.

Ende der Entscheidung

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