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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 18.06
Rechtsgebiete: VwGO, ROG 1998, RegBkPlG Brandenburg, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
ROG 1998 § 7 Abs. 7
ROG 1998 § 23 Abs. 1
RegBkPlG Brandenburg § 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Grundstückseigentümer aus dem Abwägungsgebot seine Antragsbefugnis zur Stellung eines Normenkontrollantrags herleiten kann, mit dem er sich gegen die zielförmige Festlegung eines Eignungsgebietes "Windnutzung" in einem Regionalplan wendet.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 BN 18.06

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Hofherr

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.

Gründe:

I

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die als Ziel der Raumordnung erfolgte Ausweisung eines Eignungsgebietes für die Windnutzung im Regionalplan Uckermark-Barnim. Sein im Außenbereich gelegenes Grundstück, das er zu Wohnzwecken und für seinen Beruf als Musiker nutzt, liegt etwa 800 m von der Grenze des Eignungsgebietes entfernt. Der Antragsteller befürchtet insbesondere unzumutbare Immissionen im Falle der Errichtung von Windenergieanlagen.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) als unzulässig abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antragsteller werde durch die Zielfestlegung des Regionalplans noch nicht in seiner Rechtsstellung betroffen; insbesondere könne er sich nicht auf einen eigenen abwägungserheblichen Belang berufen.

II

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache besitzt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1.1 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob und unter welchen Voraussetzungen die Interessen und Belange auch von Privaten im Verfahren zur Aufstellung eines Regionalplans abzuwägen sind und gerichtlich geltend gemacht werden dürfen. In dieser Allgemeinheit würde sich indes diese Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Vielmehr wäre allenfalls von Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen sich bei Fallgestaltungen, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ebenso wie der hier zugrunde liegende Sachverhalt gelagert sind, aus dem raumordnungsrechtlichen Abwägungsgebot eine Antragsbefugnis Privater nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergeben kann. Doch auch mit diesem eingeschränkten Inhalt wird ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan. Die Frage lässt sich eindeutig aus dem Gesetz und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten und bedarf zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

Für die aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot herzuleitende Antragsbefugnis zur Stellung eines Normenkontrollantrags gegen einen raumordnungsrechtlichen Plan gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen wie etwa im Falle eines Normenkontrollantrags gegen einen Bebauungsplan (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215). Ein Antragsteller muss also hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch bestimmte Regelungen des raumordnungsrechtlichen Plans oder deren Anwendung in seinem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung seiner Belange verletzt wird. Das wiederum setzt voraus, dass er einen eigenen Belang als verletzt benennt, der für die Abwägung überhaupt zu beachten war (vgl. BVerwG a.a.O. S. 219).

Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach von diesen - höchstrichterlich nicht weiter klärungsbedürftigen - Grundsätzen ausgegangen und hat eine durch die Zielfestlegung Z.1.1 hervorgerufene abwägungserhebliche Beeinträchtigung des Grundeigentums des Antragstellers und damit die Möglichkeit der Verletzung eines Rechtsanspruchs auf ordnungsgemäße Abwägung verneint. Vielmehr komme eine Verletzung von Rechten des Antragstellers erst in Betracht, wenn in dem fraglichen Eignungsgebiet des Regionalplans in der Nähe seines Wohngrundstücks entweder ein die Errichtung von Windenergieanlagen zulassender Bebauungsplan erlassen oder eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für derartige Vorhaben erteilt werde; insoweit könne er durch einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan oder durch eine Klage gegen die Genehmigungsentscheidung Rechtsschutz erlangen.

1.2 Grundsätzliche Bedeutung erhält die Rechtssache auch nicht durch die von der Beschwerde (Schriftsatz vom 31. Mai 2006, S. 41 ff.) in diesem Zusammenhang angesprochene Regelung in § 7 Abs. 7 des am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Raumordnungsgesetzes vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) - ROG 1998. Nach Satz 1 dieser rahmenrechtlichen Vorschrift ist für die Aufstellung der Raumordnungspläne vorzusehen, dass die Grundsätze der Raumordnung gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Weiter ist vorzusehen, dass sonstige öffentliche Belange sowie private Belange in der Abwägung zu berücksichtigen sind, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind (§ 7 Abs. 7 Satz 2 ROG 1998 bzw. § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG 1998 i.d.F. des Art. 2 EAG Bau vom 24. Juni 2004 <BGBl I S. 1359>). In Ausfüllung dieser rahmenrechtlichen Vorgaben wurde durch Art. 3 des Gesetzes vom 15. März 2001 (GVBl I S. 42) in § 2 Abs. 7 Satz 1 und 3 des Gesetzes zur Einführung der Regionalplanung und der Braunkohlen- und Sanierungsplanung im Land Brandenburg - RegBkPlG - vom 13. Mai 1993 (GVBl I S. 170) eine inhaltsgleiche Regelung in das Landesrecht eingefügt (vgl. auch die Bekanntmachung der Neufassung dieses Gesetzes vom 12. Dezember 2002, GVBl I 2003 S. 2).

Diese auch die privaten Belange erwähnende Fassung des raumordnungsrechtlichen Abwägungsgebots ist indes im hier zu beurteilenden Fall nicht zugrunde zu legen. Mit der Aufstellung des angegriffenen Regionalplans ist, wie die beigezogenen Behördenakten ergeben, im Jahr 1994 und somit vor Inkrafttreten des ROG 1998 am 1. Januar 1998 begonnen worden. Damit war für diesen Plan nach der Überleitungsvorschrift des § 23 Abs. 1 ROG 1998 weiterhin die bis dahin geltende Fassung des Raumordnungsgesetzes anzuwenden. Dass die Antragsgegnerin wegen eines möglichen Fehlers bei der öffentlichen Bekanntmachung des am 4. Oktober 2000 als Satzung beschlossenen Regionalplans am 3. März 2004 ausschließlich zum Zweck einer erneuten - fehlerfreien - Bekanntmachung nochmals einen Satzungsbeschluss (mit Rückwirkung auf das ursprünglich vorgesehene Inkrafttreten) gefasst hat, ändert daran nichts. Denn durch diesen Vorgang ist kein neues Planungsverfahren im Sinne von § 23 Abs. 1 ROG 1998 eingeleitet worden.

In der somit maßgebenden früheren Fassung des Raumordnungsgesetzes (vgl. Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 1993, BGBl I S. 630) war für den Erlass von Raumordnungsplänen eine Berücksichtigung privater Belange in der Abwägung nicht vorgesehen; somit entfalteten raumordnungsrechtliche Zielfestlegungen auch keine Rechtswirkungen gegenüber dem privaten Einzelnen (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001 - BVerwG 4 C 4.00 - BVerwGE 115, 17 <29>). Dementsprechend enthielt auch die ursprüngliche Fassung des Gesetzes zur Einführung der Regionalplanung und der Braunkohlen- und Sanierungsplanung im Land Brandenburg vom 13. Mai 1993 (GVBl I S. 170) keine Vorschrift über die Berücksichtigung privater Belange in der Abwägung und sah folgerichtig eine Beteiligung im Aufstellungsverfahren nur für Träger öffentlicher Belange vor (vgl. § 2 Abs. 4 RegBkPlG 1993). In zutreffender Anknüpfung hieran hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall auch nur solche Träger beteiligt, wie aus den Behördenakten hervorgeht.

Allerdings konnten schon beim früheren Rechtszustand private Belange nach allgemeinen Grundsätzen bei der Abwägung zu berücksichtigen sein, nämlich dann, wenn raumordnerische Zielfestlegungen infolge raumordnungsexterner Regelungen nachteilige rechtliche Wirkungen für die Rechtsstellung von Privaten zur Folge haben konnten. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 und Abs. 3 BauGB, wonach unter näher bezeichneten Voraussetzungen Ziele der Raumordnung als entgegenstehende öffentliche Belange die Genehmigung eines im Außenbereich gelegenen Vorhabens ausschließen. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Problematik gesehen, aber auch insoweit eine Antragsbefugnis des Antragstellers zutreffend verneint. Denn im Hinblick auf die genannten Vorschriften könnte sich die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf ordnungsgemäße Abwägung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO allenfalls dann ergeben, wenn der Antragsteller selbst Windenergieanlagen errichten wollte und die hierfür erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung an der mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Zielfestlegung Z 1.1 scheitern könnte. Solche Bauabsichten hat der Antragsteller nicht geltend gemacht; er will im Gegenteil die Zulassung solcher Anlagen möglichst verhindern.

1.3 Dass die Ausführungen der Beschwerdebegründung unter der Überschrift "Verkürzung des Rechtsschutzes durch Verweis auf Rechtsschutz in Bauleit- und Genehmigungsverfahren" nicht geeignet sind, den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darzutun, folgt aus dem vorstehend unter 1.2 Gesagten. Eine rechtliche Betroffenheit des Antragstellers und damit auch das Erfordernis einer Rechtsschutzgewährung können sich - je nach Sachlage - erst durch den Erlass eines Bebauungsplans oder die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windenergieanlage ergeben. Von einer Verkürzung des Rechtsschutzes kann in diesen Fällen umso weniger die Rede sein, als im Rahmen eines Normenkontrollantrags gegen einen Bebauungsplan oder einer Nachbarklage gegen die Genehmigung inzident auch die Gültigkeit der Zielfestlegung überprüft werden kann, soweit es entscheidungserheblich darauf ankommen sollte.

1.4 Schließlich führen die Darlegungen der Beschwerde zur Umweltverträglichkeitsprüfung (Beschwerdebegründung Seite 45 ff.) nicht auf einen Zulassungsgrund. Dass ein Privater, der nicht einmal in seinen eigenen Belangen abwägungserheblich betroffen ist, eine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht isoliert aus Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung herleiten kann, liegt auf der Hand.

2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht gegeben.

Die behauptete Abweichung des vorinstanzlichen Urteils vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 4.02 - (BVerwGE 118, 33) liegt schon deshalb nicht vor, weil - wie dargelegt - die Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für die Rechtsstellung des Antragstellers ohne Bedeutung ist.

Ebenso wenig weicht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - (BVerwGE 107, 215) ab. Wie oben ausgeführt, ist das Oberverwaltungsgericht von den in dieser Entscheidung dargelegten Grundsätzen zur Antragsbefugnis ausgegangen. Dass es in Anwendung der Grundsätze zu einem Ergebnis gelangt ist, das die Beschwerde für unrichtig hält, begründet keine Divergenz.

Schließlich besteht mit Blick auf den dargestellten Regelungsgehalt der Zielfestlegung Z 1.1 auch keine Divergenz zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 1978 (BVerfGE 49, 220) und den dort gemachten Ausführungen zur Bedeutung des Art. 14 Abs. 1 GG.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bestehen nicht. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts leidet nicht an den von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlern. Das diesbezügliche Vorbringen variiert im Gewand von Verfahrensrügen die grundlegende These der Beschwerde, dass sich der Antragsteller auf einen aus seiner Eigentümerstellung folgenden, bei der regionalplanerischen Abwägung zu berücksichtigenden Belang berufen könne bzw. es jedenfalls möglich erscheine, dass ihm eine solche die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vermittelnde Rechtsposition zu Seite stehe. Wie mehrfach dargelegt, ist dies nicht der Fall. Weitere Ausführungen hierzu sind nicht veranlasst (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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