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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 72.00
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 165
Leitsätze:

Eine Gemeinbedarfseinrichtung kann auch dann Gegenstand einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme im Sinne des § 165 BauGB sein, wenn sie dazu bestimmt ist, nicht allein den künftigen Bewohnern des den Gegenstand derselben Entwicklungsmaßnahme bildenden Wohngebiets zu dienen, sondern einem größeren Bevölkerungskreis.

Ein der Naherholung der Bevölkerung dienender Landschaftspark ist eine Gemeinbedarfseinrichtung im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB.

Voraussetzung dafür, dass das Wohl der Allgemeinheit die Einbeziehung einer als Gemeinbedarfseinrichtung zu entwickelnden Fläche in einen städtebaulichen Entwicklungsbereich im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB erfordert, ist nicht, dass ein erhöhter Bedarf an Gemeinbedarfseinrichtungen dieser Art zu decken ist.

Beschluss des 4. Senats vom 30. Januar 2001 - BVerwG 4 BN 72.00 -

I. OVG Bremen vom 05.09.2000 - Az.: OVG 1 D 472/99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 BN 72.00 OVG 1 D 472/99

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 5. September 2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 350 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen die ortsgesetzliche Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs in Bremen. Sie sind Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke in dem Bereich. Dieser hat eine Größe von 245 ha und soll mit einem Flächenanteil von etwa 1/2 im Wesentlichen zu einem Wohngebiet für den Einfamilienhausbau (ca. 1 800 Einheiten) und mit einem etwa gleich großen Flächenanteil zu einem Landschaftspark für die Naherholung entwickelt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Beschwerde erstreben die Antragsteller die Zulassung der Revision.

II.

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr).

1.1 Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Ist eine Entwicklungssatzung rechtmäßig, wenn diese eine Gemeinbedarfseinrichtung festsetzt, die die Hälfte des gesamten Entwicklungsbereichs einnimmt und das Wohl der Allgemeinheit sich nur auf die Flächen bezieht, auf denen Wohn- und Arbeitsstätten geschaffen werden sollen?

Diese Frage ist schon deswegen nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen, weil sie auf unzutreffenden Prämissen beruht. Nach § 165 Abs. 3 BauGB kann eine Gemeinde einen städtebaulichen Entwicklungsbereich festlegen, wenn das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordert, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich somit, dass auch vorgesehene Gemeinbedarfseinrichtungen dem Gebot, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, genügen müssen. Davon ist auch das Normenkontrollgericht ausgegangen. Denn es bejaht das Gemeinwohlerfordernis auch für den vorgesehenen öffentlich zugänglichen Landschaftspark, den es als Gemeinbedarfseinrichtung ansieht (Urteil S. 24).

Die Beschwerde stellt allerdings in Frage, ob ein derartiger Landschaftspark eine Gemeinbedarfseinrichtung gem. § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB sein kann. Damit wirft sie jedoch ebenfalls keine Frage auf, die der grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Denn es kann nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass ein der Bevölkerung zur Naherholung zugänglicher Landschaftspark eine Einrichtung des Gemeinbedarfs sein kann. Überdies dient die betreffende Fläche nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zugleich dem naturschutzrechtlichen Ausgleich. Insoweit ist in der Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits geklärt, dass derartige Flächen in einen städtebaulichen Entwicklungsbereich einbezogen werden dürfen (Urteil vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 5.97 - NVwZ 1999, 407 = BRS 60 Nr. 229 = Buchholz 406.11 § 165 Nr. 4). Gemeinbedarfseinrichtungen in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich müssen entgegen der in der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung auch nicht lediglich dazu bestimmt sein, den Bewohnern der in diesem Bereich zu errichtenden Wohnstätten zu dienen; vielmehr können sie auch dem Erholungsbedürfnis der Bewohner anderer umliegender Ortsteile zugute kommen. Insoweit beruft sich die Beschwerde zu Unrecht auf das die Besonderheiten bei voneinander getrennten Teilflächen behandelnde Senatsurteil vom 3. Juli 1998 - BVerwG 4 CN 2.97 - BVerwGE 107, 123. Im Übrigen ist die Frage, in welcher flächenmäßigen Größenordnung die Errichtung von Gemeinbedarfseinrichtungen vom Wohl der Allgemeinheit erfordert wird, einer grundsätzlicher Klärung nicht zugänglich, da bei der Prüfung die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls umfassend zu würdigen sind.

1.2 Auch die zweite Frage:

Berechtigt die geplante Ausweisung und Festsetzung einer Gemeinbedarfseinrichtung zur Enteignung, nur weil diese Einrichtung(en) ihrer Rechtsnatur nach geeignet ist, der Allgemeinheit zu dienen?

ist nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen. Der Beschwerde ist zuzugestehen, dass bei der Prüfung, ob das Wohl der Allgemeinheit die Maßnahme erfordert, bereits in Rechnung zu stellen ist, dass im Grundsatz alle unbebauten Grundstücke in das Eigentum der Gemeinde überführt werden sollen. Damit wird die Prüfung der Enteignungsvoraussetzungen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung oder Satzung vorverlagert. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits für Maßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz - StBauFG - entschieden (Urteil vom 15. Januar 1982 - BVerwG 4 C 94.79 - DVBl 1982, 537 = Buchholz 406.15 § 15 StBauFG Nr. 4 = BRS 39 Nr. 244). Es hat allerdings angefügt, dem stehe nicht entgegen, dass es sich noch um eine mehr pauschale Prüfung handele. Die Enteignungsvoraussetzungen könnten noch nicht für jedes Grundstück abschließend geprüft werden. Diese Rechtsprechung hat auch das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt (Urteil S. 19). Es hat sodann ausgeführt, dass die Schaffung von Gemeinbedarfseinrichtungen grundsätzlich dem Allgemeinwohl diene, ohne dass etwa auch insoweit ein erhöhter Bedarf nachgewiesen werden müsste. Soweit die Beschwerde vor diesem Hintergrund ganz allgemein geklärt wissen möchte, ob die Ausweisung und Festsetzung einer Gemeinbedarfseinrichtung in diesem Sinn grundsätzlich eine Enteignung rechtfertigen kann, bedarf dies keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn Wortlaut und Systematik des Gesetzes lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass eine Gemeinbedarfseinrichtung eine Enteignung rechtfertigen kann. Dies entbindet nicht von der Prüfung, ob dieses Ziel auch im konkreten Einzelfall vom Wohl der Allgemeinheit erfordert wird. Dieser Aufgabe hat sich das Normenkontrollgericht nicht entzogen. Insoweit kommt eine Zulassung der Revision jedoch nicht in Betracht, weil keine Frage von grundsätzlicher, also verallgemeinerungsfähiger, Bedeutung aufgeworfen wird. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Festsetzung des Landschaftsparks zugleich mit der Funktion als Ausgleichsmaßnahme begründet; insoweit ist auf die Ausführungen unter 1.1 zu verweisen.

2. Eine Zulassung ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geboten. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Anforderungen einer Divergenzrüge (stRspr, vgl. beispielsweise BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26).

Die Beschwerde stellt zwei rechtliche Aussagen gegenüber, die sich auf unterschiedliche Teile der Regelung in § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB und damit auf jeweils andere Prüfungsschritte beziehen. Das Oberverwaltungsgericht führt aus, das Gesetz bestimme ausdrücklich, dass die Schaffung von Gemeinbedarfseinrichtungen grundsätzlich dem Wohl der Allgemeinheit diene, "ohne dass etwa auch insoweit ein erhöhter Bedarf nachgewiesen werden müßte". Damit legt es dar, dass das gesetzliche Erfordernis des "erhöhten Bedarfs" sich nur auf Wohn- und Arbeitsstätten bezieht. Es stellt keinen Rechtssatz auf, der dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht, wonach die allgemeine Bejahung des Allgemeinwohlbelangs nicht von der Prüfung entbindet, ob dieses Ziel auch im konkreten Einzelfall vom Wohl der Allgemeinheit erfordert wird. Diese Einzelfallprüfung hat das Oberverwaltungsgericht im Übrigen auch vorgenommen. Dass die Beschwerdeführer mit dem dabei gewonnenen Ergebnis nicht einverstanden sind, eröffnet keinen Grund für die Zulassung der Revision.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 VwGO in Verbindung mit § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.



Ende der Entscheidung

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