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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: BVerwG 4 C 2.05
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 6
VwGO § 137 Abs. 2
Ein bebauter Bereich im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB ist nur gegeben, wenn und soweit bereits eine vorhandene Bebauung dazu führt, dass der Außenbereich seine Funktion, als Freiraum oder als Fläche für privilegiert zulässige Vorhaben zu dienen, nicht mehr oder nur noch mit wesentlichen Einschränkungen erfüllen kann. Die vorhandene Bebauung muss auf eine weitere Bebauung im Wege der baulichen Verdichtung hindeuten.

Für das erforderliche Gewicht der Wohnbebauung kommt es auf die siedlungsstrukturellen Gegebenheiten in der Gemeinde oder der weiteren Umgebung nicht an.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 C 2.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hofherr ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen der Beklagten und des Beteiligten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2004 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte und der Beteiligte tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

Gründe:

I

Die klagende Gemeinde begehrt die Genehmigung einer von ihr nach § 35 Abs. 6 BauGB erlassenen Außenbereichssatzung.

Die Satzung erfasst mehrere Grundstücke beidseits des Bilsteiner Weges, der südlich der Ortschaft Mecklinghausen in Richtung Osten von der aus Mecklinghausen herausführenden Talstraße abzweigt. Nördlich des Bilsteiner Weges liegen die jeweils mit Wohnhäusern bebauten Flurstücke 28, 106 und 23 (Bilsteiner Weg 3, 3a und 5) sowie zwischen den Flurstücken 106 und 23 ein Abschnitt der in den Bilsteiner Weg einmündenden Steinstraße. Dieser Teil des Satzungsgebiets ist etwa 25 m tief und in west-östlicher Richtung 120 bis 130 m breit. Südlich des Bilsteiner Weges liegen die an die Talstraße grenzenden, jeweils mit größeren Gebäuden bzw. Gebäudekomplexen bebauten Flurstücke 26 und 100. Auf dem Flurstück 26 befindet sich ein gewerblicher Handelsbetrieb für Bürobedarf, Büromöbel und Bürotechnik, auf dem Flurstück 100 ein diesem Betrieb zugeordnetes größeres Wohnhaus (Talstraße 33). An diese Gebäude schließt sich nach Osten unbebautes, teilweise in einer Senke mit Bachlauf gelegenes Gelände an und in rund 65 m Abstand das mit einem Wohnhaus bebaute Flurstück 125 (Bilsteiner Weg 8); der Abstand zu dem nördlich des Bilsteiner Weges gelegenen Wohnhaus Bilsteiner Weg 5 (Flurstück 23) beträgt ca. 45 m. Das südlich des Bilsteiner Weges gelegene Satzungsgebiet ist etwa 40 m tief und in west-östlicher Richtung etwa 150 m breit.

Die Klägerin setzte in § 1 der Satzung fest, dass Wohnzwecken bzw. kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienenden Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 6 BauGB nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2002 versagte die Beklagte der Satzung die Genehmigung, im Wesentlichen weil eine Wohnbebauung von einigem Gewicht, wie sie § 35 Abs. 6 BauGB voraussetze, in der Regel mindestens ca. zehn bis zwölf Wohnhäuser erfordere, hier aber lediglich sieben Gebäude vorhanden seien.

Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht (NuR 2005, 606) das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Klägerin fehle, obwohl Außenbereichssatzungen nach dem am 20. Juli 2004 in Kraft getretenen Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1359) einer Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde nicht mehr bedürften, nicht das Rechtsschutzinteresse für ihr Begehren. Nach § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB würden Verfahren nach dem BauGB, die - wie hier - vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingeleitet worden seien, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen.

Die Beklagte habe die Genehmigung zu Unrecht versagt. Die Satzung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB gedeckt. Außenbereichssatzungen könnten nur bebaute Bereiche erfassen, in denen die bodenrechtliche Situation bereits in Richtung auf eine Bebauung hindeute. Es müsse eine solche Bebauung vorhanden sein, dass wegen dieser Bebauung im betroffenen Bereich dem Schutz des Außenbereichs vor einer Zersiedelung ohnehin nicht mehr in vollem Umfang entsprochen werden könne. Der bebaute Bereich müsse jedenfalls eine gewisse Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit erkennen lassen, die ihn als Weiler, Splittersiedlung oder sonstigen Siedlungsansatz qualifiziere. Ferner dürfe er nur solche Freiflächen aufweisen, die letztlich noch als einer Verdichtung zugängliche Lücken qualifiziert werden könnten. Gemessen hieran sei das Vorliegen eines "bebauten Bereichs" zu bejahen. Die drei mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke nördlich des Bilsteiner Weges ließen eine hinreichende Geschlossenheit im Sinne der Zugehörigkeit zu einem Siedlungsansatz erkennen. Der Außenbereich schiebe sich in den insgesamt gut 50 m breiten Abstand zwischen den Wohnhäusern Bilsteiner Weg 3a und 5 nicht gleichsam trennend; die Lücke sei maßgeblich dadurch bedingt, dass die im Bereich der Einmündung deutlich aufgeweitete Steinstraße einer Bebauung entgegenstehe. Der Bilsteiner Weg stelle nicht etwa eine Zäsur dar, sondern erscheine als eine gemeinsame Erschließungsstraße für die nördlich und südlich des Bilsteiner Weges gelegene Bebauung und verdeutliche damit deren Zusammengehörigkeit zu einem gemeinsamen Siedlungsansatz.

Eine "Wohnbebauung von einigem Gewicht" sei nicht schon zu verneinen, wenn im Satzungsgebiet nicht mindestens zehn - gegebenenfalls auch acht kompakt beieinander stehende - Wohnhäuser vorhanden seien. Das Gesetz gebe eine Mindestzahl vorhandener Wohngebäude nicht vor. Für das Gewicht sei jeweils auf die konkrete Situation abzustellen. Im vorliegenden Fall bestehe kein Anlass, der vorhandenen Wohnbebauung das erforderliche städtebauliche Gewicht abzusprechen. Es handele sich immerhin um fünf Wohngebäude, von denen eines sogar von besonderem städtebaulichem Gewicht sei. Diese Wohnbebauung stelle einen deutlichen Siedlungsansatz dar, der im Satzungsbereich die typischen Außenbereichsfunktionen, vornehmlich der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung sowie als Freiraum zu dienen, bereits weitgehend obsolet gemacht habe.

Dafür, dass die Satzung nicht mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein könnte, liege kein Anhalt vor. Der von der Beklagten angeführte Belang "Entwicklung des Außenbereichs unter Berücksichtigung des Zersiedlungsgrads der näheren Umgebung und der Region" stehe der strittigen Satzung nicht entgegen. Die Anzahl bereits bestehender Siedlungsansätze im Gemeindegebiet oder gar in der Region sei kein Kriterium dafür, ob die Gemeinde von der planerischen Steuerungsmöglichkeit nach § 35 Abs. 6 BauGB Gebrauch machen dürfe oder nicht. Auch im Übrigen seien keine Gründe ersichtlich, die eine Versagung der Genehmigung rechtfertigen könnten.

Die Beklagte und der Beteiligte haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie meinen, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen eines bebauten Bereichs gemessen an den von ihm aufgestellten Kriterien zu Unrecht bejaht habe. Die vorhandene Bebauung lasse eine gewisse Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit nicht erkennen. Einige wenige Gebäude könnten auch nicht das erforderliche städtebauliche Gewicht haben. Die gegenteilige Sichtweise des Oberverwaltungsgerichts sei vor dem Hintergrund der Siedlungsstruktur des ländlichen Bereichs des Regierungsbezirks Arnsberg, in dem viele solcher Siedlungsansätze zu finden seien, abzulehnen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revisionen der Beklagten und des Beteiligten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), sind nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, der Klägerin die Genehmigung der Außenbereichssatzung zu erteilen. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob es sich bei dem Satzungsgebiet um einen bebauten Bereich handelt (1.), in dem eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist (2.). Das Oberverwaltungsgericht hat § 35 Abs. 6 BauGB, der im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Voraussetzungen für den Erlass einer Außenbereichssatzung durch das EAG Bau nicht geändert wurde, zutreffend ausgelegt. Nach seinen bindenden tatsächlichen Feststellungen sind die genannten Voraussetzungen erfüllt (3.).

1. Gemäß § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Ein "bebauter Bereich" ist - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat (UA S. 16 - 18) - nur gegeben, wenn und soweit bereits eine vorhandene Bebauung dazu führt, dass der Außenbereich seine Funktion, als Freiraum oder als Fläche für privilegiert zulässige Vorhaben zu dienen, nicht mehr oder nur noch mit wesentlichen Einschränkungen erfüllen kann. Die vorhandene Bebauung muss auf eine weitere Bebauung im Wege der baulichen Verdichtung hindeuten; erforderlich hierfür ist, dass die Bebauung eine gewisse Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit erkennen lässt, die sie als Weiler, Splittersiedlung oder sonstigen Siedlungsansatz qualifiziert. Die vorhandene Bebauung muss nicht das Gewicht einer Splittersiedlung erreichen; auch kleinere Siedlungsansätze können die genannten Voraussetzungen erfüllen. Anderenfalls ergäbe die Regelung, dass Vorhaben nicht entgegengehalten werden kann, sie ließen die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten, keinen Sinn (vgl. UA S. 20). Die Erweiterung einer Splittersiedlung durch Ausdehnung in den Außenbereich hinein wird durch den Erlass einer Außenbereichssatzung hingegen nicht erleichtert; nur eine zu befürchtende Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung schadet einem Vorhaben nicht. Die vorhandene Bebauung muss deshalb in einem der Verdichtung zugänglichen Zusammenhang stehen; die Freiflächen dürfen diesen Zusammenhang nicht unterbrechen. Ob eine Unterbrechung des Zusammenhangs vorliegt oder nicht, lässt sich ebenso wenig wie bei einem Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - BVerwGE 31, 20 und vom 15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 329 = BRS 59 Nr. 90; Beschlüsse vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 B 238.96 - BRS 59 Nr. 78 und vom 9. November 2005 - BVerwG 4 B 67.05 - ZfBR 2006, 161) oder einer Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 (vgl. Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG 4 C 37.75 - BVerwGE 54, 73 <77>) unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen. Zur Beurteilung bedarf es vielmehr einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts. Ausschlaggebend ist, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Letztlich maßgebend für die Betrachtungsweise ist die Verkehrsauffassung mit der Folge, dass es entscheidend jeweils auf die Lage des Einzelfalles ankommt (vgl. BVerwGE 31, 20 <21 f.>; stRspr). Zu berücksichtigen ist, dass die Bebauung eines bebauten Bereichs im Außenbereich verglichen mit einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil weniger dicht und der Eindruck der Geschlossenheit der Bebauung deshalb von vornherein weniger stark sein kann. Je nach den Umständen des Einzelfalles können deshalb zwischen den Gebäuden auch gewisse größere, einen Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB möglicherweise bereits unterbrechende Freiflächen liegen. Die Gebäude dürfen jedoch - wie das Oberverwaltungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat (UA S. 17) - nicht so weit voneinander entfernt liegen, dass der Eindruck der Zugehörigkeit zu einem Weiler, einer Splittersiedlung oder einem sonstigen Siedlungsansatz nicht aufkommen kann.

2. In dem bebauten Bereich muss eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden sein. Für das Gewicht ist nicht die im Satzungsgebiet vorhandene Bebauung insgesamt, sondern allein die Wohnzwecken dienende Bebauung maßgebend. Das gilt auch, wenn die Satzung gemäß § 35 Abs. 6 Satz 2 BauGB auch auf Vorhaben erstreckt wird, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. Die Wohnnutzung muss in dem bebauten Bereich bereits ein städtebauliches Gewicht haben (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 12. März 1990, BTDrucks 11/6636, S. 30); sie darf der anderen Zwecken dienenden Bebauung nicht untergeordnet sein. Vielmehr muss die Funktion des Außenbereichs, als Freiraum oder als Fläche für privilegierte Vorhaben zu dienen, im bebauten Bereich maßgebend durch die vorhandene Wohnbebauung beeinträchtigt werden; die vorhandene Bebauung muss auf eine Entwicklung zu einem durch Wohnnutzung geprägten Bereich hindeuten (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 169 - Stand: April 2000; Degenhart, DVBl 1993, 177 <178>). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 23 f.). Das städtebauliche Gewicht der Wohnbebauung hängt nicht nur von der Zahl, sondern auch von der Größe und der räumlichen Zuordnung der vorhandenen Wohngebäude ab. Eine Mindestzahl lässt sich nicht angeben. Bereits einige wenige Wohngebäude können - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat (UA S. 20) - das erforderliche städtebauliche Gewicht erreichen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Beteiligten kommt es für das erforderliche Gewicht der Wohnbebauung nicht auf die siedlungsstrukturellen Gegebenheiten in der Gemeinde oder der weiteren Umgebung an. Der Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung muss sich - anders als ein Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - BVerwG 4 C 56.79 - juris Rn. 9) - im Hinblick auf das Gewicht der vorhandenen Wohnbebauung nicht von anderen Siedlungsansätzen im Außenbereich der Gemeinde unterscheiden, denn anders als ein Ortsteil bleibt der Geltungsbereich der Außenbereichssatzung - ebenso wie die übrigen Siedlungsansätze - Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB. Ob die Wohnbebauung das für den Erlass einer Außenbereichssatzung erforderliche städtebauliche Gewicht erreicht, hängt von den Gegebenheiten allein im Satzungsgebiet ab. Hat die dort vorhandene Wohnbebauung das erforderliche städtebauliche Gewicht, kann die Gemeinde von der ihr in § 35 Abs. 6 BauGB eingeräumten Ermächtigung unabhängig davon Gebrauch machen, ob und in welchem Umfang an anderer Stelle des Gemeindegebiets oder der Region weitere Außenbereichssatzungen erlassen werden könnten.

3. Gemessen hieran ist das Satzungsgebiet nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ein bebauter Bereich im Außenbereich, in dem Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die vorhandene Bebauung nördlich und südlich des Bilsteiner Weges eine hinreichende Geschlossenheit im Sinne der Zusammengehörigkeit zu einem gemeinsamen Siedlungsansatz erkennen lasse (UA S. 18 f.). Es bestehe auch kein Anlass, der vorhandenen Wohnbebauung das erforderliche städtebauliche Gewicht abzusprechen. Die aus fünf Wohngebäuden bestehende Wohnbebauung stelle einen deutlichen Siedlungsansatz dar, der im Satzungsgebiet die typischen Außenbereichsfunktionen bereits weitgehend obsolet gemacht habe (UA S. 23). Eine Bebauung, die anderen als Wohnzwecken dient und der die Wohnbebauung untergeordnet sein könnte, befindet sich im Satzungsgebiet nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mit Ausnahme des Handelsbetriebs für Bürobedarf, Büromöbel und Bürotechnik nicht. Damit steht auch fest, dass die vorhandene Bebauung auf die Entwicklung zu einem durch Wohnnutzung geprägten Bereich hindeutet.

An diese tatsächlichen, die Anwendung des § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB tragenden Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Tatsächliche Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO sind die Feststellungen nicht nur zu den konkreten Grundstücksgegebenheiten, sondern auch zu den von diesen Gegebenheiten ausgehenden städtebaulichen Wirkungen. Die Einschätzung der städtebaulichen Wirkungen ist zwar das Ergebnis einer wertenden Betrachtung; diese Bewertung ist jedoch nicht - wie offenbar die Beklagte und der Beteiligte meinen - Teil der revisionsgerichtlich zu überprüfenden Anwendung des § 35 Abs. 6 BauGB auf den festgestellten Sachverhalt, sondern, der Rechtsanwendung im Einzelfall vorausliegend, eine Würdigung der örtlichen Gegebenheiten in tatsächlicher Hinsicht. Als Teil der Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist sie revisionsgerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verstößt, zu denen die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 6.01 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 111 und vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>; Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 137 Rn. 170 - Stand: Januar 2002). Ein solcher die Bindung ausschließender Grund ist hier nicht gegeben. Insbesondere beruht die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts nicht auf einem Rechtsirrtum. Anhaltspunkte dafür, dass das Oberverwaltungsgericht bei seiner Tatsachenwürdigung von einer anderen als der von ihm selbst dargelegten zutreffenden Auslegung des § 35 Abs. 6 BauGB ausgegangen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Angriffe der Beklagten und des Beteiligten gegen die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts können ihren Revisionen mithin nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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