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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: BVerwG 4 C 4.01
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 11 Abs. 2
VwGO § 124
VwGO § 124 a
VwGO § 127
BauGB § 35 Abs. 3
1. Auch nach Einführung der Zulassungsberufung durch Art. 1 Nr. 20 des 6. VwGOÄndG war die Anschlussberufung gemäß § 127 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nicht auf den prozessualen Anspruch beschränkt, der mit der Zulassung der Berufung in die zweite Instanz gelangt war.

2. Ein die Zulässigkeit der Anschlussberufung rechtfertigender Zusammenhang ist gegeben, wenn ein Kläger mit der Anfechtung von zwei bauordnungsrechtlichen Geboten die in demselben Lebenssachverhalt wurzelnde Verpflichtung zur Räumung eines Grundstücks abwehren will.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 C 4.01

Verkündet am 11. April 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. Berkemann, Dr. Lemmel, Prof. Dr. Rojahn und Gatz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Januar 2001 geändert.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als sie sich gegen die Anordnung im Bescheid des Landratsamts Passau vom 3. August 1995, den Lagerplatz für Trockenschrott zu beseitigen, sowie die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung richtet.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu vier Fünfteln und der Beklagte zu einem Fünftel.

Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 3. August 1995 verpflichtete das Landratsamt Passau den Kläger unter anderem, den auf dem Grundstück ... errichteten Lagerplatz für Trockenschrott (Nr. 1) sowie die auf demselben Grundstück errichtete Halle (Nr. 2) zu beseitigen, und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Beseitigung der baulichen Anlagen ein Zwangsgeld von jeweils 1 000 DM an (Nr. 6). Zur Begründung führte es aus, die errichteten Anlagen seien nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig. Sie seien als sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigten. Der Außenbereich solle mit seiner naturgebundenen Bodennutzung für die Allgemeinheit grundsätzlich vor dem Eindringen einer wesensfremden Nutzung bewahrt bleiben. Den Widerspruch des Klägers wies die Regierung von Niederbayern mit der Maßgabe zurück, dass sie die Frist für die Erfüllung der Beseitigungsverpflichtungen auf drei Monate nach Bestandskraft des Bescheides festsetzte. Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf die Beseitigung des Lagerplatzes gerichtete Anordnung nebst Zwangsgeldandrohung aufgehoben, weil der zum Zeitpunkt der Anlegung im Jahr 1969 nicht genehmigungsbedürftige Platz Bestandsschutz genieße. Die Klage gegen das Gebot zur Entfernung der Halle hat es dagegen abgewiesen.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Januar 1999 die Berufung zugelassen, soweit das erstinstanzliche Urteil die Verpflichtung zur Beseitigung der Halle und die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig bestätigt hat. Der Beklagte hat am 3. März 1999 Anschlussberufung mit dem Antrag eingelegt, die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie sich gegen die Anordnung zur Beseitigung des Lagerplatzes richtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Anschlussberufung des Beklagten mit der Begründung verworfen, sie überschreite den Rahmen der zugelassenen Berufung und sei deshalb unzulässig. Die Anschlussberufung ermögliche nach Einführung der Zulassungsbeschränkung für die Berufung nicht mehr in allen Fällen die Überprüfung des gesamten Streitstoffs, über den die erste Instanz entschieden habe. Um zu verhindern, dass der Prozessgegner ohne Beschränkung durch die Zulassungsregeln eine Entscheidung des Berufungsgerichts über den gesamten Streitstoff erreichen könne, komme ein Anschlussrechtsmittel nur hinsichtlich des zugelassenen prozessualen Anspruchs in Betracht. Vorliegend beträfen Berufung und Anschlussberufung indessen zwei unterschiedliche prozessuale Ansprüche, weil es sich bei den Anordnungen, den Schrottlagerplatz und die Halle zu beseitigen, um zwei selbständige Verwaltungsakte handele.

Mit seiner von der Vorinstanz insoweit zugelassenen Revision beanstandet der Beklagte die Verwerfung seiner Anschlussberufung als rechtsfehlerhaft. § 127 VwGO sei durch das Sechste Änderungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung vom 1. November 1996, durch das die generelle Zulassungsberufung im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt worden sei, nicht geändert worden. Die Bestimmung enthalte keine Einschränkung des Rechtsmittelanschlussrechts für den Fall, dass das Hauptrechtsmittel erst auf seine Zulassung hin zum Tragen komme. Aus Gründen der Waffengleichheit und der Prozessökonomie gestatte das Gesetz die Anschließung eines Prozessbeteiligten nach wie vor auch dann noch, wenn er sein originäres Rechtsmittelrecht nicht ausgeübt habe. Unzutreffend sei auch die Auffassung der Vorinstanz, der angefochtene Bescheid enthalte zwei verschiedene Verwaltungsakte mit der Folge, dass mit seiner Aufhebung auch zwei verschiedene prozessuale Ansprüche verfolgt würden. Mit der Beseitigungsanordnung werde ein einheitlicher Lebenssachverhalt geregelt, weil das Landratsamt Passau die baurechtswidrige Inanspruchnahme des Außenbereichs durch den Kläger insgesamt habe beenden wollen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

II.

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war; denn darauf ist in der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anschlussberufung des Beklagten sei unzulässig, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Verwerfung der Anschlussberufung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es im Hinblick auf die unbeanstandet gebliebenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Aus ihnen ergibt sich, dass der Anschlussberufung hätte stattgegeben werden müssen.

1. Das vorinstanzliche Urteil geht davon aus, dass nach der Einführung der Zulassungsberufung durch Art. 1 Nr. 20 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) die Anschlussberufung nur noch beschränkt zulässig sei. Während unter der Geltung der alten Rechtslage die Anschlussberufung andere Ansprüche als die Berufung zum Gegenstand hätte haben können, sei die Anschlussberufung nunmehr auf denjenigen prozessualen Anspruch beschränkt, der mit der Zulassung der Berufung in die zweite Instanz gelangt sei. Die Auffassung, die Einführung der Zulassungsberufung habe sich in der beschriebenen Weise auf das Institut der Anschlussberufung ausgewirkt, steht in ihrer Allgemeinheit mit Bundesrecht nicht im Einklang.

Maßgebliche Vorschrift ist § 127 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - § 127 VwGO a.F. -. Danach können sich der Berufungsbeklagte und die anderen Beteiligten auch im Laufe der mündlichen Verhandlung, selbst wenn sie auf die Berufung verzichtet haben, der Berufung anschließen. Wird die Anschlussberufung erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt oder hatte der Beteiligte auf die Berufung verzichtet, so wird die Anschlussberufung unwirksam, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

§ 127 Satz 2 VwGO a.F. eröffnet demjenigen, der einen Antrag auf Zulassung der Berufung nicht stellen will oder wegen Versäumens der Antragsfrist des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht einlegen kann, die Möglichkeit, sich der zugelassenen Berufung des Gegners im Wege der hier in Rede stehenden, so genannten unselbständigen Anschlussberufung anzuschließen. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anschließung stellt die Vorschrift nicht auf.

Die Einführung der Zulassungsberufung hat den Zugang zur Berufungsinstanz zu Lasten des Berufungsklägers erschwert. Er muss die in den §§ 124, 124 a VwGO errichtete Zulassungshürde überwinden. Hingegen verlangt § 127 Satz 2 VwGO a.F. vom Berufungsbeklagten keinen erfolgreichen Zulassungsantrag. Diesem Ergebnis meint das Berufungsgericht mit einer teleologischen Reduktion der Vorschrift begegnen zu müssen, die den Vorteil des Berufungsbeklagten ausgleichen soll. Es stellt damit jedoch keinen gerechten Interessenausgleich zwischen den Prozessbeteiligten her, sondern begünstigt nunmehr den Berufungskläger in einer Weise, die im Regelfall dem Sinn und Zweck der Anschlussberufung zuwiderläuft.

Die Anschließung ermöglicht dem an sich "friedfertigen" Berufungsbeklagten, auch dann noch selbst in den Prozess einzugreifen, wenn das Rechtsmittel des Gegners erst kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt wird und er darauf mit einem eigenen Rechtsmittel wegen Ablaufs der Rechtsmittelfrist nicht mehr reagieren kann. Dieser Gesichtspunkt der Waffengleichheit und Billigkeit dient überdies der Prozesswirtschaftlichkeit. Zum einen wird vermieden, dass ein Beteiligter, der sich mit dem erlassenen Urteil zufrieden geben will, nur wegen eines erwarteten Rechtsmittelangriffs des Gegners vorsorglich selbst Rechtsmittel einlegt. Zum anderen soll die Anschließung einen möglichen Rechtsmittelführer vor der leichtfertigen Einlegung von Rechtsmitteln warnen, weil er jederzeit mit der Anschließung des Gegners und damit mit der Verschlechterung seiner Position durch das Urteil im nachfolgenden Rechtszug rechnen muss (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 11.94 - BVerwGE 100, 104 <107>).

Der damit umrissene Sinn und Zweck des § 127 Satz 2 VwGO a.F. mag die vom Berufungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion erfordern, wenn der Beklagte eine Anschlussberufung einlegt, nachdem er zuvor mit einem eigenen Zulassungsantrag gescheitert ist. Sie ist jedoch in der typischen prozessrechtlichen Lage, auf die die unselbständige Anschlussberufung zugeschnitten ist, nicht gerechtfertigt. Ein Berufungsbeklagter, dem - wie hier dem Beklagten - ein Antrag des Gegners auf Zulassung der Berufung erst nach Ablauf der für ihn maßgeblichen Antragsfrist (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugestellt wird, kann mit einem eigenen Zulassungsantrag nicht reagieren, weil das Gesetz einen unselbständigen Anschlussantrag auf Zulassung der Berufung nicht kennt (vgl. Meyer-Ladewig in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 127 Rn. 3 c). Auch nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses hat er keine Möglichkeit, sich im Wege eines eigenen Zulassungsantrags in den Prozess einzuschalten; denn ein Antrag auf Zulassung der Anschlussberufung setzt unter den in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen eine von § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO abweichende Frist voraus, die nur der Gesetzgeber bestimmen kann (Bader, in: Bader, VwGO, § 127 Rn. 10). Die einzige gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zum Gegenangriff ist die Anschlussberufung. Würde die Befugnis des Berufungsbeklagten zu ihrer Einlegung weitgehend von einer Identität der Gegenstände von Berufung und Anschlussberufung abhängig gemacht, so würde er dafür, dass seine "Friedfertigkeit" vom Berufungskläger nicht erwidert worden ist, nicht oder nur unvollkommen entschädigt.

Die Vorinstanz beruft sich für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des damaligen 9. (jetzt 1.) Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1996 (BVerwG 9 C 64.95 - Buchholz 310 § 127 VwGO Nr. 7 = NVwZ-RR 1997, 253; ebenso Beschluss vom 18. Mai 1999 - BVerwG 9 B 282.99 - juris). In ihm heißt es, in Fällen, in denen den Beteiligten die Berufung allein nach einer Zulassung zustehe, sei eine Anschlussberufung lediglich im Rahmen der zugelassenen Berufung zulässig, weil andernfalls die gesetzliche Regelung über die Zulassung der Berufung unterlaufen würde. Ob diese Ansicht durch Besonderheiten des Asylrechts geprägt ist, kann offen bleiben. Selbst wenn sie verallgemeinernd zu verstehen wäre, kann sich der erkennende Senat ohne Anrufung des Großen Senats von ihr lösen. Die in § 11 Abs. 2 VwGO vorgesehene Divergenzvorlage soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit sichern. Diese ist nicht mehr in Gefahr, wenn die Entscheidung, von der abgewichen wird, inzwischen überholt ist. Das ist unter anderem der Fall, wenn die Rechtsfrage durch eine Änderung des Gesetzes anders beantwortet worden ist (BGH, Beschluss vom 23. November 1954 - V ZR 18/52 - BGHZ 15, 207 <208>). So verhält es sich hier. Der Gesetzgeber hat in § 127 Abs. 4 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3987) festgelegt, dass die Anschlussberufung keiner Zulassung bedarf. Damit ist der Auffassung, die Einführung der Zulassungsberufung wirke sich insoweit auf die Zulässigkeit einer Anschlussberufung aus, als sie sich im Rahmen der zugelassenen Berufung halten müsse, für die Zukunft die Grundlage entzogen.

2. Die Verwerfung der Berufung stellt sich auch nicht als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dies gilt unabhängig davon, ob sich im Streitfall Berufung und Anschlussberufung auf einen einheitlichen oder - wie das Berufungsgericht angenommen hat - auf zwei selbständige prozessuale Ansprüche beziehen.

Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass das Berufungsgericht ohne die Beschränkungen, die es dem Institut der Zulassungsberufung entnimmt, der im Zivilprozessrecht weithin vertretenen Meinung gefolgt wäre, die Anschlussberufungen (§ 521 ZPO), die einen anderen prozessualen Anspruch als das Hauptrechtsmittel zum Gegenstand haben, für zulässig hält (vgl. neben den Fundstellennachweisen im Urteil des BGH vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00 - BGHZ 148, 156 <159> auch Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 521 Rn. 6; Rössler, in: Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 521 Anm. C III h; Baumbach, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 524 Rn. 8; Klamaris, Das Rechtsmittel der Anschlussberufung, 1975, S. 209; Fenn, FamRZ 1976, 259 <263>). Aus dem Begriff der Anschließung dürfte sich die Beschränkung auf den mit der Hauptberufung verfolgten prozessualen Anspruch in der Tat nicht ableiten lassen. Die vom Gesetz gewählte Formulierung bringt zum Ausdruck, dass die Berufung des Gegners den Anknüpfungspunkt für die Anschließung bildet. Zwischen Berufung und Anschlussberufung muss eine Verbindung bestehen. Sie wird dadurch hergestellt, dass die Einlegung der Berufung den Rechtsmittelgegner zur Anschließung veranlasst und sich die Angriffe gegen dasselbe Urteil richten; ist die Anschlussberufung eine unselbständige, kommt hinzu, dass ihre Wirksamkeit nach § 127 Satz 2 VwGO a.F. von Bestand und Zulässigkeit der Hauptberufung abhängig ist. Hierin erschöpft sich die im Begriff "Anschließung" zum Ausdruck kommende Akzessorietät zum Hauptrechtsmittel. Sinn und Zweck der Anschlussberufung dürften ebenfalls nicht zu der Beschränkung zwingen, weil ein "gespaltenes" Urteil, in dem über mehrere Ansprüche entschieden wird, insgesamt Gegenstand der Überlegungen der Prozessbeteiligten sein wird.

Der Senat kann allerdings dahinstehen lassen, ob der gesamte erstinstanzliche Streitstoff durch Berufung und Anschlussberufung einer weiteren gerichtlichen Prüfung zugänglich gemacht werden kann. Das Berfungsgericht hat die Anschlussberufung auch dann zu Unrecht verworfen, wenn die Gesichtspunkte der prozessualen Waffengleichheit und Billigkeit es nicht gebieten, für verschiedene Ansprüche jeglicher Art die Verbindung durch eine Anschlussberufung zuzulassen; denn einer Anschließung sind jedenfalls solche Ansprüche zugänglich, die in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit den im Wege der Hauptberufung verfolgten Ansprüchen stehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001, a.a.O., <159> für die unselbständige Anschlussrevision). Auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Juni 1996 (6 RKa 24/95), in der die Anschlussberufung bei Verschiedenartigkeit der Ansprüche ausgeschlossen wird, besagt nicht, dass selbst zwei eng miteinander verzahnte Ansprüche nicht Gegenstand von Berufung und Anschlussberufung sein können. Ein die Zulässigkeit der Anschlussberufung rechtfertigender Zusammenhang ist vorliegend gegeben. Denn der Kläger will mit der Anfechtung der Gebote zur Entfernung des Schrottplatzes und der Halle die in demselben Lebenssachverhalt wurzelnde Verpflichtung abwehren, das für sein Gewerbe genutzte Grundstück 422/3 vollständig zu räumen.

3. Bei einer fehlerhaften Prozessabweisung der Klage kann das Revisionsgericht in der Sache entscheiden, wenn die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine hinreichende Grundlage für eine Sachentscheidung bieten und auch im Falle einer Zurückverweisung kein anderes Ergebnis möglich erscheint (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 16. Mai 1991 - BVerwG 3 C 34.89 - Buchholz 427.3 § 290 LAG Nr. 15 S. 1 <3> m.w.N. und vom 16. Juni 1994 - BVerwG 3 C 31.92 - Buchholz 451.16 § 6 BJagdG Nr. 2 S. 1 <3>, Beschluss vom 22. August 1996 - BVerwG 8 B 83.96 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 61). So verhält es sich hier. Die im angefochtenen Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen ergeben, dass die Anschlussberufung begründet ist. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Anordnung, den auf dem Grundstück ... errichteten Lagerplatz für Trockenschrott zu beseitigen, zu Unrecht stattgegeben. Die Anordnung und die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung sind rechtmäßig.

Das Berufungsgericht hat zu der Beseitigungsanordnung in einem obiter dictum Stellung genommen und sie stillschweigend an Art. 89 Satz 1 Bayerische Bauordnung in der Fassung vom 18. April 1994 (GVBl S. 251) gemessen. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden. Wegen seiner formellen und materiellen Illegalität widerspricht der Lagerplatz für Schrott dem öffentlichen Baurecht.

Der Lagerplatz ist formell illegal, weil der Kläger die erforderliche Baugenehmigung nicht innehat. Ob eine bauliche Anlage einer Genehmigung bedarf, richtet sich nach Landesrecht, das gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 562 ZPO irrevisibel ist. Das Berufungsgericht ist zwar zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass dieser den Lagerplatz zu einem Zeitpunkt angelegt hat, als eine Baugenehmigungspflicht noch nicht bestand. Es hat jedoch ermittelt, dass der Lagerplatz mit seiner Einzäunung zwischen 1984 und 1990 geändert und damit der Genehmigungspflicht unterworfen worden ist. Dies ergibt sich mittelbar aus dem Befund, die Änderung des Lagerplatzes habe die Verpflichtung ausgelöst, das Vorhaben auf die Vereinbarkeit mit den §§ 30 ff. BauGB zu überprüfen; denn bis 1998 war die Anwendbarkeit dieser Vorschriften nach § 29 BBauG/BauGB davon abhängig, dass für das Bauvorhaben eine Genehmigung erforderlich ist. Auch der Vorhalt, der Kläger habe den Lagerplatz jahrelang ohne behördliche Genehmigung genutzt, setzt dessen Genehmigungsbedürftigkeit voraus.

Dass der Lagerplatz zwischen 1984 und 1990 umzäunt worden ist und der Kläger die nunmehr notwendige Baugenehmigung nicht eingeholt hat, hat das Berufungsgericht in seinem Urteil festgestellt. Diese Feststellungen darf der Senat seiner Entscheidung zugrunde legen, obwohl das Berufungsurteil von ihr nicht getragen wird. Der Kläger hat nämlich keine Gegenrüge erhoben, obwohl er dies hätte tun müssen, wenn er die Feststellungen für falsch hielte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es allgemein zu den Obliegenheiten eines Prozessbeteiligten gehört, nicht entscheidungserhebliche Feststellungen der Vorinstanz vorsorglich mit einer Gegenrüge anzugreifen. Hier jedenfalls hätte dazu Veranlassung bestanden, weil das Berufungsgericht im Einzelnen dargelegt hat, dass es der Anschlussberufung im Fall ihrer Zulässigkeit stattgegeben hätte und nur wegen der von ihm verneinten Zulässigkeit der Anschlussberufung die Revision zugelassen worden war.

Der Lagerplatz ist auch materiell illegal. Er ist seit seiner Einzäunung mit § 35 BBauG/BauGB nicht vereinbar. Wegen des räumlichen und funktionalen Zusammenhangs zwischen Lagerplatz und Umzäunung hat sich die Prüfung der Vorschrift auf das Vorhaben in seiner Gesamtheit und nicht nur auf den hinzugekommenen Zaun zu erstrecken (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 - NVwZ 1994, 294 <295> und 15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 329 sowie Beschluss vom 4. Februar 2000 - BVerwG 4 B 106.99 - Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 64).

Als nicht privilegiertes Vorhaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1981 - BVerwG 4 C 83.77 - BRS 38 Nr. 89) ist der Lagerplatz nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, da seine Ausführung und Benutzung öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt. Zwar ist dem Vorhaben entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht entgegenzuhalten, dass es die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt; denn ein Schrottlagerplatz vermag den Begriff der Siedlung jedenfalls dann nicht zu erfüllen, wenn er - wie hier - in keinem funktionalen Zusammenhang mit einer zum Aufenthalt von Menschen bestimmten baulichen Anlage steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1983 - BVerwG 4 C 19.81 - BVerwGE 67, 33 <38, 39>). Mit dem Widerspruchsbescheid ist indessen davon auszugehen, dass die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt ist.

Die natürliche Eigenart der Landschaft wird durch ein Bauvorhaben beeinträchtigt, wenn die zur Bebauung vorgesehene Fläche entsprechend der im Außenbereich zu schützenden "naturgegebenen Bodennutzung", nämlich landwirtschaftlich genutzt wird, und nichts darauf hindeutet, dass sie die Eignung für diese Nutzung demnächst einbüßen wird. Erst wenn die landwirtschaftliche Bodennutzung bereits weitgehend durch andere - nicht-bauliche - Nutzungen (Golfplatz, Manövergelände, Auskiesung etc.) verdrängt ist, entfällt der Schutz der natürlichen Eigenart der Landschaft (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1985 - BVerwG 4 C 29.81 - BRS 44 Nr. 87). Nach den nicht mit einer Gegenrüge erschütterten Feststellungen des Berufungsgerichts, die im Protokoll über die Ortsbesichtigung festgehalten sind und auf die das Berufungsurteil in seinem Tatbestand Bezug nimmt, schließen sich rund um den Lagerplatz im Wesentlichen landwirtschaftlich genutzte Flächen an. In nördlicher Richtung ist, jenseits der R. gelegen, auf erhöhtem Gelände das Kurgebiet von Bad G. einsehbar. Südlich des Lagerplatzes verläuft die R.-bahn, deren Trasse von Bebauung begleitet wird. Aus der Beschreibung ergibt sich, dass die Umgebung des Lagerplatzes landwirtschaftlich geprägt ist und der Bereich zwischen dem Kurgebiet Bad G. im Norden und der Bahntrasse mit Randbebauung im Süden nicht durch der landwirtschaftlichen Nutzung wesensfremde Eingriffe vorbelastet ist. Dies rechtfertigt den Befund, dass der Lagerplatz die natürliche Eigenschaft der Landschaft beeinträchtigt.

Die Beseitigungsanordnung lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Es entspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 1980 - BVerwG 4 B 67.80 - BRS 36 Nr. 93). Vorliegend sind solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, Art. 31, 36 Abs. 1, 2, 3 und 5 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit es um die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens geht. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu teilen, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts zu Lasten des Beklagten insoweit unberührt bleibt, als damit die Anordnung, den auf den Flurstücken 307 und 308 errichteten Eisengitterzaun zu entfernen, aufgehoben worden ist. Die vom Senat gewählte Quote entspricht dem Verhältnis, in dem jeder Beteiligte rechtskräftig teils obsiegt, teils unterliegt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 15 300 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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