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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.10.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 C 9.97
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, VwVfG
Vorschriften:
BauGB 1986 § 29 Satz 1 | |
BauGB 1998 § 29 Abs. 1 Satz 1 | |
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 2 | |
VwVfG § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 |
Bei der Frage, welche Anlagen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO "der Versorgung des Gebiets dienen", ist auf die Gegebenheiten in dem Zeitpunkt abzustellen, für den die Frage zu entscheiden ist; absehbare künftige Entwicklungen sind zu berücksichtigen.
Für die Qualifizierung einer Anlage als gebietsbezogen (hier: einer Gastwirtschaft mit Kegelbahn) kommt es maßgeblich auf objektive Kriterien an. Der von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO geforderte Gebietsbezug ist gegeben, wenn die Anlage eine Größe hat, die erwarten läßt, daß ihre Kapazität in einem erheblichen Umfang von Bewohnern aus dem umgebenden Gebiet ausgelastet werden wird.
Eine Nutzungsintensivierung allein ist keine Nutzungsänderung.
Urteil des 4. Senats vom 29. Oktober 1998 - BVerwG 4 C 9.97 -
I. VG Münster vom 21.02.1991 - Az.: VG 2 K 1431/89 - II. OVG Münster vom 05.02.1996 - Az.: OVG 10 A 944/91 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 4 C 9.97 OVG 10 A 944/91
Verkündet am 29. Oktober 1998
Kurowski Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch, die Richter Hien, Dr. Lemmel, die Richterin Heeren und den Richter Dr. Rojahn
für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1996 wird aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 21. Februar 1991 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich als Eigentümer eines Einfamilienhauses gegen eine in ihrer Nachbarschaft auf dem Grundstück des Beigeladenen betriebene einläufige Kegelbahn. Sie wurde 1965 als Anbau an eine Gastwirtschaft vom Beklagten bauaufsichtlich genehmigt. Die Gastwirtschaft hat ohne Kegelbahn - nach einer Erweiterung im Jahre 1969 um 14 qm - eine Nutzfläche von etwa 72 20qm. Der geringste Abstand des Kegelbahnanbaus vom Wohngebäude der Kläger beträgt 15 m. Die Baugenehmigung für den Kegelbahnanbau enthält eine Nebenbestimmung, derzufolge durch bauliche Maßnahmen sicherzustellen ist, daß an den Grundstücksgrenzen der vom Betrieb der Kegelbahn ausgehende Lärm bei Tag 55 phon und bei Nacht 35 phon nicht überschreiten darf. Die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Er weist ein allgemeines Wohngebiet aus.
In der Zeit von Ende 1978 bis Mitte 1991 gewann die Kegelbahn aufgrund von Aktivitäten des seinerzeitigen Pächters B., der im erstinstanzlichen Verfahren beigeladen war, zunehmend an Attraktivität für ein auswärtiges Publikum, das mit Personenkraftwagen und Bussen anreiste. Die Kegelbahn wurde häufig auch an Wochenenden, dabei sonntags ab 9 Uhr, sowie abends und nachts über 22 Uhr hinaus betrieben. Die Fahrzeuge der Gäste wurden auch auf dem rückwärtigen, zum Haus der Kläger hin ausgerichteten Teil des Grundstücks des Beigeladenen abgestellt.
Seit 1979 wandten sich die Kläger wegen des von der Kegelbahn ausgehenden Lärms mit dem Ersuchen um Einschreiten an das Gewerbeaufsichtsamt und an die beklagte Bauaufsichtsbehörde. Nachdem aufgrund gaststättenrechtlicher Auflagen schalldämmende Maßnahmen durchgeführt worden waren, teilte der Beklagte den Klägern 1981 mit, es bestehe kein Grund zum Einschreiten, weil die im allgemeinen Wohngebiet maßgebenden Immissionsrichtwerte von 55/40 dB(A) Tag/Nacht erheblich unterschritten würden. Auf erneute Beschwerden der Kläger hin ergaben Messungen des Gewerbeaufsichtsamts im September 1985 an der Grundstücksgrenze einen Schalldruckpegel bis zu 37 dB(A). Von den Klägern selbst veranlaßte Messungen ergaben am Schlafzimmerfenster der Kläger auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 2058 für den Tag eine deutliche Unterschreitung des Immissionsrichtwerts und für die Nacht (lauteste Stunde) einen Beurteilungspegel von 40 dB(A). Das Aufsetzen und Rollen der Kugeln sei deutlich hörbar gewesen und mit 38 bis 42 dB(A) gemessen worden. 1988 hatten die Kläger mit einer zivilrechtlichen Klage gegen den seinerzeitigen Pächter B. Erfolg. Dieser wurde bei Androhung eines Ordnungsgeldes verurteilt zu unterlassen, durch das Betreiben der Kegelbahn in der Zeit von 20 bis 23 Uhr Lärm zu verursachen, der auf dem Grundstück der Kläger die Stärke von 35 dB(A) übersteigt.
1989 lehnte der Beklagte ein Ersuchen der Kläger ab, den Betrieb der Kegelbahn zu untersagen. Zur Begründung wies er auf ausreichenden Schutz aufgrund des erstrittenen zivilgerichtlichen Urteils, die durchgeführten schalldämmenden Maßnahmen, die bestandskräftig erteilte Baugenehmigung und den jahrzehntelangen Betrieb der Kegelbahn hin. Der Widerspruch blieb erfolglos.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils entsprechend den Hauptanträgen der Kläger festgestellt, daß die dem Beklagten erteilte Baugenehmigung für die Kegelbahn unwirksam ist, und den Beklagten verpflichtet, die Nutzung der Kegelbahn zu untersagen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Kegelbahn sei nur als Bestandteil der bereits vorhandenen und genehmigten Gastwirtschaft genehmigt worden. Dies sowie weitere Umstände ergäben, daß sie nur der Versorgung des Gebiets habe dienen sollen. Diese planungsrechtliche Beurteilung habe auch mit den seinerzeit herrschenden Auffassungen zur Anwendung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1962 übereingestimmt. Tatsächlich sei die Kegelbahn bis 1978 auch entsprechend dieser Zweckbestimmung betrieben worden. Der gebietsbezogene Charakter sei Ende 1978 unter dem seinerzeitigen Pächter B. mit der erheblichen Erweiterung des Einzugsbereichs aufgegeben worden. Darin liege eine Nutzungsänderung; denn die Variationsbreite, die der Nutzungsart "der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft" vorgegeben sei, sei überschritten worden. Daraus folge der Fortfall der den bisherigen Betrieb legitimierenden Wirkung der Baugenehmigung für die Kegelbahn und damit der Verlust des Bestandsschutzes. Der Beklagte sei nach Fortfall der Baugenehmigung auch zum Einschreiten durch Untersagung verpflichtet. Die Kegelbahn verstoße gegen § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, weil sie bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise generell geeignet sei, Störungen für die Nachbarschaft hervorzurufen, die mit einem allgemeinen Wohngebiet nicht zu vereinbaren seien. Die Vorschrift sei nachbarschützend; das Ermessen sei deshalb in der Regel und mangels besonderer, eine Ausnahme rechtfertigender Gründe auch hier auf eine Pflicht zum Einschreiten reduziert.
Dagegen richten sich die vom Senat zugelassenen Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen. Der Oberbundesanwalt hält die Auffassung des Berufungsgerichts, die Intensivierung einer genehmigten Nutzung führe zu einer Nutzungsänderung im Sinne des § 29 BauGB, für nicht mit Bundesrecht vereinbar.
II.
Die Revisionen sind zulässig und begründet. Das den Hauptanträgen der Kläger stattgebende Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Auch der Hilfsantrag zum ersten Hauptantrag, über den das Berufungsgericht nicht entscheiden mußte, ist unbegründet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es dem Senat, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 20144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).
1. Das Berufungsgericht hat die Feststellung der Unwirksamkeit der 1965 erteilten Baugenehmigung (erster Hauptantrag) damit begründet, die ab Ende 1978 eingetretene Intensivierung der Nutzung der Kegelbahn durch die Aktivitäten des Pächters B. sei eine Nutzungsänderung der als Bestandteil der Gastwirtschaft genehmigten Kegelbahn. Diese Rechtsauffassung ist mit § 204 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO und mit dem in § 29 Satz 1 BauGB 1986 (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BauGB 1998) verwendeten Rechtsbegriff der Nutzungsänderung nicht vereinbar.
1.1 § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in der seit 1962 unverändert geltenden Fassung läßt im allgemeinen Wohngebiet unter anderem "die der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaften" (Gastwirtschaften) zu. Das Berufungsgericht hat die unmittelbar mit dem Schankraum verbundene Kegelbahn - aus der Sicht zur Zeit ihrer Genehmigung im Jahre 1965 - als Bestandteil der bereits betriebenen kleinen, auf die Versorgung des umgebenden Wohngebiets bezogenen Gastwirtschaft angesehen und sie deshalb in gleicher Weise wie diese für seinerzeit im allgemeinen Wohngebiet zulässig gehalten. Es hat dazu festgestellt, daß damals auch für die Kegelbahn nur mit Besuchern aus dem umgebenden Wohngebiet zu rechnen war. Ergänzend hat es bemerkt, daß nach damaliger Auffassung - auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung - Kegelbahnen als Bestandteil von Gastwirtschaften wohngebietsbezogen sein konnten und unter dieser Voraussetzung im allgemeinen Wohngebiet zulässig waren.
Dagegen ist im Grundsatz nichts einzuwenden. Bei der Frage, welche Anlagen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO "der Versorgung des Gebiets dienen", ist auf die Gegebenheiten in dem Zeitpunkt abzustellen, für den die Frage zu entscheiden ist. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist zu beurteilen, ob die Anlage generell geeignet ist, diese oder eine darüber hinausgehende Funktion zu erfüllen. Der Verordnungsgeber geht typisierend - davon aus, daß Nichtwohnnutzungen, für die üblicherweise ein Bedarf in Wohnungsnähe besteht, in Gebieten, die vorwiegend dem Wohnen dienen, das Wohnen nicht unzumutbar stören, und läßt sie deshalb dort allgemein zu. Bei der Frage der Eignung bestimmter Anlagenarten im Hinblick auf ihre Wohngebietsverträglichkeit sind allerdings auch absehbare künftige Entwicklungen zu berücksichtigen. Nutzungen oder Nutzungsintensitäten der Anlage, die zu der maßgeblichen Zeit nicht üblich sind und von denen auch nicht abzusehen ist, daß sie in absehbarer Zeit üblich sein werden, brauchen jedoch nicht unterstellt zu werden, auch wenn sie sich im nachhinein wider Erwarten einstellen.
Die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Auffassung, daß Mitte der 60'er Jahre eine einläufige Kegelbahn als Bestandteil einer kleinen Gastwirtschaft in einem Wohngebiet typischerweise nur oder zumindest mit einem ins Gewicht fallenden Umfang (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Januar 1993 BVerwG 4 B 230.92 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 7 = BRS 55 Nr. 54; Beschluß vom 3. September 1998 - BVerwG 4 B 85.98 -) von den Bewohnern des umliegenden Gebiets benutzt worden ist und daß ein mit Personenkraftwagen und Bussen anreisender Besucherkreis aus einem weit größeren Bereich nicht zu erwarten war, rechtfertigt die Annahme, daß die kleine Gastwirtschaft seinerzeit durch den Anbau der einläufigen Kegelbahn nicht den Charakter einer "der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaft" verloren hat. Dies beruht nicht darauf, daß es entscheidend auf die Absichten (das Betriebskonzept) des seinerzeitigen Betreibers der Gastwirtschaft angekommen wäre. Maßgeblich für die Qualifizierung als gebietsbezogene Anlage sind vielmehr objektive Kriterien, wie insbesondere die Größe und sonstige Beschaffenheit der Anlage, die daraus sich ergebenden Erfordernisse einer wirtschaftlich tragfähigen Ausnutzung, die örtlichen Gegebenheiten und die - möglicherweise regional unterschiedlichen - typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung. Danach ist zu beurteilen, ob die Anlage absehbar nur oder zumindest in einem erheblichen Umfang von den Bewohnern des umliegenden Gebiets besucht wird oder ob ein darüber hinausgehender Besucherkreis zu erwarten ist, der zum Verlust des Gebietsbezugs führt. Das Betriebskonzept ist zwar nicht belanglos. Es hat jedoch nur indizielle Bedeutung, etwa im Hinblick auf sich abzeichnende künftige Entwicklungen für die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Anlagen oder für sich ändernde Verhaltensweisen in der Bevölkerung. Auch im Beschluß vom 3. September 1998 - BVerwG 4 B 85.98 - hat der Senat aus der sich aus den Bauantragsunterlagen ergebenden Kapazität der Speisegaststätte auf deren überörtliche Ausrichtung geschlossen. Hat die Anlage eine Größe, die erwarten läßt, daß ihre Kapazität in einem erheblichen Umfang von Bewohnern aus dem umgebenden Gebiet ausgelastet werden wird, dann ist der von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO geforderte Gebietsbezug gegeben. Wenn im Einzelfall aus besonderen Gründen gleichwohl Standortprobleme zu erwarten sind, so bietet § 15 BauNVO eine Steuerungsmöglichkeit.
Verändern sich die Verhaltensweisen in der Bevölkerung, z.B. aufgrund der durch Motorisierung gesteigerten Mobilität der Bevölkerung, und die Voraussetzungen für eine wirtschaftlich tragfähige Bewirtschaftung der Anlage, so kann das dazu führen, daß eine Gastwirtschaft mit Kegelbahn nicht mehr als eine "der Versorgung des Gebiets dienende" Anlage genehmigt werden kann. Trägt sich - bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise - eine Kegelbahn als Bestandteil einer Gastwirtschaft wirtschaftlich in erheblichem Umfang nicht mehr bei einem Besucherkreis, der aus dem umgebenden Gebiet zu erwarten ist, so dient sie nicht "der Versorgung des Gebiets". Das gilt unabhängig von dem Betriebskonzept desjenigen, der eine Baugenehmigung für eine solche Anlage erstrebt; denn nach den objektiven Merkmalen, die in Beziehung zu dem Konsum- und Freizeitverhalten der Bevölkerung zu setzen sind, ist die Anlage geeignet, der übergebietlichen Versorgung zu dienen. Sie fällt deshalb nicht (mehr) unter die nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet zulässigen Anlagen. So mag es sein, daß eine Gastwirtschaft mit Kegelbahn heute regelmäßig keine gebietsbezogene Anlage mehr ist, jedenfalls nicht in ländlichen, durch lockere Bebauung geprägten Bereichen. Anders mag es in großstädtischen, durch Geschoßwohnungsbau geprägten Bereichen sein, in denen sich eine Gastwirtschaft mit (kleiner) Kegelbahn ohne weiteres aus einem Besucherkreis trägt, der im Umkreis wohnt.
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß nach den heutigen Verhältnissen in einem - wie hier - durch Einfamilienhausbebauung geprägten Bereich eine Kegelbahn (als Bestandteil einer Gastwirtschaft) nicht mehr der Versorgung des Gebiets dient und deshalb nicht im allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. Dies gelte unabhängig davon, wie sich ihr Betrieb unter den jeweiligen Pachtverhältnissen darstelle. Sie sei - bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise - generell geeignet, Störungen für die Nachbarschaft hervorzurufen, die mit einem vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebiet unvereinbar sind. Das ist - auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts - eine zutreffende rechtliche Beurteilung.
Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist jedoch die vom Berufungsgericht gezogene weitere Folgerung, ein solcher Wandel führe dazu, daß der weitere Betrieb der Kegelbahn, jedenfalls wenn er im Zuge dieses Wandels intensiviert und ganz überwiegend von gebietsfernen Besuchern aufgesucht werde, eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 BauGB darstelle. Nutzungsänderung ist nur ein solcher Vorgang, der die Merkmale des Vorhabenbegriffs erfüllt. Der Vorhabenbegriff setzt voraus, daß der als Nutzungsänderung zu beurteilende Vorgang von dem Nutzer veranlaßt, ihm zuzuordnen ist. Die bisherige Nutzung muß aufgegeben worden sein. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnissse, die dazu führt, daß eine Anlage nunmehr bebauungsrechtlich anders zu beurteilen ist als bisher, stellt als solche keine Nutzungsänderung dar. Das gilt auch dann, wenn der Betrieb der Anlage intensiviert wird, ohne daß der Betreiber etwas an den für die Bestimmung der Nutzungsart maßgebenden Merkmalen ändert. Zu den Merkmalen, die die Nutzungsart "der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft" bestimmen, gehört, wie das Berufungsgericht selbst zutreffend ausführt, nicht die individuelle Bewirtschaftungsweise und -intensität des jeweiligen Betreibers der Anlage, sondern es kommt auf die - dem allgemeinen Wandel unterliegende - generelle Eignung der Anlage zu bestimmter Nutzung und Nutzungsintensität an. Das Baurecht knüpft an objektive, vor allem in Maß und Zahl ausdrückbare Merkmale baulicher Anlagen an. Wenn es, wie in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, eine besondere Nutzungsart durch eine gebietliche Versorgungsfunktion bestimmt, dann läßt sich dies - baurechtlich - nicht durch Besucherbefragungen, sondern nur dadurch umsetzen, daß - typisierend und aufgrund allgemeiner Erfahrung - von der Größe und sonstigen baulichen Beschaffenheit der Anlage sowie aus der Größe und Struktur der umgebenden Wohnbebauung auf den zu erwartenden Besucherkreis geschlossen wird.
Die Baugenehmigung für die Kegelbahn ist 1965 rechtmäßig erteilt worden, weil nach den damaligen Verhältnissen eine kleine Gastwirtschaft mit angeschlossener einläufiger Kegelbahn noch der Versorgung des Gebiets diente. Daß sich diese Verhältnisse später änderten, und die Anlage nur noch bei einer gebietsübergreifenden "Versorgung" tragfähig war, führte - unabhängig von der dementsprechend auch wahrgenommenen Nutzungsintensivierung - zwar dazu, daß eine Baugenehmigung nun nicht mehr hätte erteilt werden können. Dies stellt eine Entwicklung dar, die gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG unter noch zu erörternden weiteren Voraussetzungen zum Widerruf der ursprünglich erteilten Baugenehmigung führen, nicht jedoch als Nutzungsänderung qualifiziert werden kann. Damit entfällt auch die Annahme des Berufungsgerichts, wegen Aufgabe der ursprünglichen Nutzung habe die 1965 erteilte Baugenehmigung ihre Wirksamkeit verloren.
1.2 Die Feststellung des Berufungsgerichts, die 1965 erteilte Baugenehmigung sei nicht (mehr) wirksam, ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Das Berufungsgericht hat erörtert, ob die Baugenehmigung wegen der in ihr enthaltenen Nebenbestimmung, derzufolge durch bauliche Maßnahmen sicherzustellen ist, daß an den Grundstücksgrenzen der vom Betrieb der Kegelbahn ausgehende Lärm bei Tag 55 phon und bei Nacht 35 phon nicht überschreiten darf, unbestimmt und deshalb von Anfang an nichtig sei. Es hat diese Frage jedoch unentschieden gelassen.
Das Berufungsgericht leitet die Zweifel an der Wirksamkeit der Baugenehmigung daraus ab, daß die Nebenbestimmung das technische Regelwerk zur Ermittlung der Lärmwerte (in phon) nicht angebe, ebenso nicht, ob es sich um Spitzen- oder Mittelungspegel handele, und daß sie die Art der baulichen Maßnahmen zur Lärmbegrenzung nicht benenne.
Unbestimmtheit einer administrativen Regelung ist nur gegeben, wenn sich ihr Aussagegehalt nicht durch Auslegung ermitteln läßt. Dabei ist die für die Auslegung von Willenserklärungen geltende Vorschrift des § 133 BGB analog anzuwenden. Das Berufungsgericht stellt selbst fest, daß die Nebenbestimmung den Zweck verfolgt habe, den von der Kegelbahn ausgehenden Lärm auf das zumutbare Maß für ein vorwiegend dem Wohnen dienendes Gebiet zu begrenzen. Das legt es nahe, die Nebenbestimmung unter Zuhilfenahme der damals üblichen technischen Regelwerke konkretisierend auszulegen. Das Berufungsgericht selbst meint, es spreche vieles dafür, daß es sich um Mittelungspegel, angeknüpft an die Immissionsrichtwerte "Außen" der VDI-Richtlinie 2058 von 1960 handeln sollte. Auch der Umstand, daß die Baugenehmigung dem Bauherrn die Art der von ihm durchzuführenden baulichen Maßnahmen zur Lärmbegrenzung nicht zwingend vorgibt, muß die Regelung nicht unbestimmt und damit nichtig machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - DVBl 1997, 568 = BauR 1997, 440 = ZfBR 1997, 157).
Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an. Selbst wenn die Nebenbestimmung nichtig wäre, führte dies nicht zur Nichtigkeit der Baugenehmigung insgesamt; denn die Erteilung der Baugenehmigung hing nicht derart von der Nebenbestimmung ab, daß sie nicht ohne diese hätte Bestand haben können. Der Zweck der Nebenbestimmung, die Wohngebietsverträglichkeit des Kegelbahnbetriebs zu sichern, konnte auch anderweitig, nämlich durch eine gaststättenrechtliche Auflage aufgrund des § 11 Abs. 1 Buchstabe b des Gaststättengesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung vom 28. April 1930 (RGBl I S. 146) erreicht werden (Schutz u.a. der Bewohner der Nachbargrundstücke sowie der Bevölkerung gegen erhebliche Nachteile oder Belästigungen).
1.3 Der für den Fall der Abweisung des ersten Hauptantrags gestellte Hilfsantrag, den Beklagten zu verpflichten, die für die Kegelbahn erteilte Baugenehmigung aufzuheben, ist nicht begründet.
Als Grundlage für einen Aufhebungsanspruch der Kläger kommt nur § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NW, der mit dem Wortlaut des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG (Bundesfassung) übereinstimmt, in Betracht. Die Anwendung der Vorschrift scheitert jedoch schon daran, daß sich weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Vortrag der Kläger etwas dafür ergibt, daß ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Es handelt sich um einen typischen Nachbarkonflikt, der durch widerstreitende Individualinteressen gekennzeichnet ist. Eine mögliche Beeinträchtigung der Kläger in ihrem Ruhebedürfnis erreicht nicht ein Ausmaß, das in die Nähe einer Gesundheitsgefahr reichen könnte.
2. Das Berufungsgericht hat dem zweiten Hauptantrag, den Beklagten zu verpflichten, die Nutzung der Kegelbahn zu untersagen, mit der Begründung stattgegeben, die Nutzung sei (inzwischen) wegen Verstoßes gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO materiell und infolge Unwirksamkeit der erteilten Baugenehmigung auch formell rechtswidrig. Da die Baugenehmigung jedoch, wie ausgeführt, Bestand hat, steht dies einer Nutzungsuntersagung entgegen. Ob die Kläger einen Anspruch auf bauaufsichtliche oder gaststättenrechtliche Auflagen zu weiteren Maßnahmen der Lärmbegrenzung, etwa auch durch zeitliche Betriebsbeschränkungen haben, ist hier nicht zu entscheiden. Die Verpflichtung des Beklagten zu entsprechenden Anordnungen ist nicht Gegenstand der Klage und könnte dies auch im Revisionsverfahren nicht werden (§ 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht der Billigkeit. Der Beigeladene hat sich, indem er selbst Anträge gestellt hat, einem Kostenrisiko ausgesetzt.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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