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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: BVerwG 4 CN 1.07
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 47 Abs. 5 Satz 2
BauGB § 2 Abs. 3
BauGB § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 233 Abs. 2 Satz 1
BauNVO § 4a
Von der Planung berührte, nicht zutreffend ermittelte oder bewertete Belange betreffen bereits dann "wesentliche Punkte" im Sinne der Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB, wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 CN 1.07

Verkündet am 9. April 2008

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 65440/05, den die Antragsgegnerin für einen Teilbereich der Kölner Neustadt aufgestellt hat.

Das Plangebiet ist praktisch vollständig mit bis zu 6-geschossigen, teilweise noch aus der Gründerzeit stammenden Gebäuden bebaut. In den Obergeschossen wird weit überwiegend, in den Erdgeschossen zu einem großen Teil gewohnt. Vor allem südöstlich des Rathenauplatzes und der Meister-Gerhard-Straße haben sich vornehmlich in den Erdgeschossen Läden, Gaststätten, Restaurants, Bars, verschiedene Diskotheken, Internet-Cafes, Imbissstuben, Kioske und einzelne Handwerksbetriebe angesiedelt.

Der am 20. November 2003 beschlossene und am 10. Dezember 2003 bekanntgemachte Bebauungsplan verfolgt das Ziel, eine weitere, zu Lasten des Wohnens gehende Durchmischung von Wohnungen und gewerblichen Nutzungen zu verhindern. Er setzt für den Bereich nordwestlich der Meister-Gerhard-Straße ein allgemeines, südöstlich dieser Straße ein besonderes Wohngebiet und für den Rathenauplatz eine öffentliche Grünfläche fest. Innerhalb des besonderen Wohngebiets trifft der Plan für als WB/1 bis WB/5 bezeichnete Flächen textlich gesonderte Festsetzungen. In den WB/1-Bereichen sind Schank- und Speisewirtschaften ausgeschlossen.

Die Antragstellerin führt im Erdgeschoss des Hauses H.straße 20 in von ihr gemieteten Räumen eine Cocktailbar. Sie möchte die Bar in das Kellergeschoss hinein erweitern. Das Betriebsgrundstück ist als WB/1 ausgewiesen.

Zur Begründung des Normenkontrollantrags hat die Antragstellerin vorgetragen, die Antragsgegnerin habe das Ausmaß verkannt, in dem vorhandene Betriebe ihre planungsrechtliche Zulässigkeit verlören. Insbesondere habe die Antragsgegnerin acht Betriebe an der Zülpicher Straße, bei denen die Grenzen unterschiedlicher Nutzungsbereiche durch die betreffenden Räumlichkeiten verliefen, sowie drei Diskotheken, die als kerngebietstypische Vergnügungsstätten im besonderen Wohngebiet unzulässig seien, zu Unrecht als weiterhin zulässig gewertet.

Das Oberverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 27. November 2006 zwei textliche Festsetzungen teilweise für unwirksam erklärt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Soweit die Antragstellerin auch die Festsetzung des nördlichen Planbereichs als allgemeines Wohngebiet und als öffentliche Grünfläche angreife, sei der Normenkontrollantrag unzulässig. In Fällen, in denen ein Bebauungsplan aus zwei oder mehreren Teilregelungen bestehe, die offensichtlich unabhängig voneinander bestehen könnten, fehle einem gegen den gesamten Bebauungsplan gerichteten Normenkontrollantrag teilweise das Rechtsschutzinteresse. So liege der Fall hier. Die Ausweisung des südlichen Planbereichs als besonderes Wohngebiet einerseits und des nördlichen Planbereichs als allgemeines Wohngebiet und Grünfläche andererseits lasse ohne weiteres erkennen, dass nach der Konzeption der Antragstellerin beide Teilbereiche ein eigenständiges städtebauliches Schicksal haben könnten und sollten. Diese Trennbarkeit werde augenfällig durch den Straßenzug Meister-Gerhard-Straße/Südseite Rathenauplatz markiert. Der als besonderes Wohngebiet ausgewiesene Teilbereich, gemeinhin als "Kwartier Lateng" bezeichnet, sei durch eine besondere Vielfalt und Dichte von Gastronomiebetrieben als Ausgeh- und Vergnügungsbereich gekennzeichnet.

Von den Festsetzungen für den südlichen Planbereich seien nur zwei abtrennbare textliche Festsetzungen teilweise unwirksam. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Die Antragsgegnerin habe nicht in beachtlicher Weise das Ausmaß der Überplanung der vorhandenen wohnfremden Nutzungen verkannt. Ein solcher Mangel wäre nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB lediglich beachtlich, wenn die Belange "in wesentlichen Punkten" nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden wären. Diese Voraussetzung liege nicht vor. Zwar sei die Antragsgegnerin bei der rechtlichen Beurteilung der überplanten wohnfremden Nutzungen in Einzelfällen möglicherweise einer Fehleinschätzung unterlegen. In Betracht komme dies insbesondere bei der Beurteilung der Diskotheken als nicht kerngebietstypisch. Einer näheren Überprüfung bedürfe dies nicht. Mängel bei der Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials seien nur dann wesentlich, wenn es sich um gravierende Fehleinschätzungen in für die Planung wesentlichen Fragen handele. Davon könne hier keine Rede sein. Die Antragsgegnerin habe zutreffend erkannt, dass sie eine Vielzahl vorhandener wohnfremder Nutzungen auf den passiven Bestandsschutz setze. Ob es sich dabei um insgesamt 33 Betriebe handele, wie aus der Karte zu ihrer Bestandsaufnahme folge, oder einige Betriebe mehr oder weniger, sei nur eine Marginalie. Das gelte namentlich für das Festhalten an der Ausweisung als besonderes Wohngebiet wie auch für die Abgrenzung der unterschiedlichen Nutzungsbereiche.

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision das Begehren, den Bebauungsplan insgesamt für unwirksam zu erklären, weiter. Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revision der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan zu Recht nicht weitergehend für unwirksam erklärt. Das Urteil verstößt zwar gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der Unterstellung, die Antragsgegnerin habe die von der Planung negativ berührten Belange nicht zutreffend ermittelt und bewertet, diesen Fehler für unbeachtlich hält, weil die betroffenen Punkte nicht im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB wesentlich seien. Die Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil der unterstellte Mangel auf das Ergebnis des Verfahrens nicht von Einfluss gewesen ist.

1. Dass das Oberverwaltungsgericht die Zulässigkeit des Antrags verneint hat, soweit er über das besondere Wohngebiet hinausgreift, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1.1 Die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht nicht in Frage gestellt (UA S. 13). Die Antragstellerin hat geltend gemacht, in ihrem Recht auf Abwägung der eigenen Belange verletzt zu sein. Eine Verletzung dieses Rechts ist möglich, denn das Interesse der Antragstellerin, dass die Nutzung der von ihr gemieteten Räume als Bar bauplanungsrechtlich zulässig und damit erweiterungsfähig bleibt, ist abwägungserheblich.

1.2. Kann ein Antragsteller geltend machen, durch Festsetzungen des Bebauungsplans in eigenen Rechten verletzt zu sein, so muss das Normenkontrollgericht die Wirksamkeit des Bebauungsplans grundsätzlich umfassend prüfen. Der gegen den Plan insgesamt gerichtete Normenkontrollantrag darf grundsätzlich nicht deshalb als teilweise unzulässig verworfen werden, weil der Bebauungsplan nur für teilnichtig zu erklären ist (Beschlüsse vom 18. Juli 1989 - BVerwG 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225 <230 ff.> und vom 4. Juni 1991 - BVerwG 4 NB 35.89 - BVerwGE 88, 268 <271 ff.>; Urteil vom 17. Februar 2005 - BVerwG 7 CN 6.04 - Buchholz 451.221 § 12 KsW-/AbfG Nr. 3 = NVwZ 2005, 695). Es darf, wenn das Grundstück des Antragstellers in dem abtrennbaren Teilbereich des Bebauungsplans liegt, der unwirksam ist, auch nicht mit nachteiliger Kostenfolge als teilweise unbegründet zurückgewiesen werden (Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Anders als die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt die Erklärung einer Rechtsvorschrift für unwirksam nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers nicht voraus. Das Verfahren der Normenkontrolle nach § 47 VwGO dient nicht nur dem subjektiven Rechtsschutz; es stellt zugleich ein Verfahren der objektiven Rechtskontrolle dar (Beschlüsse vom 2. September 1983 - BVerwG 4 N 1.83 - BVerwGE 68, 12 <14>, vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <91>, vom 18. Juli 1989 a.a.O. S. 232, vom 6. Dezember 2000 - BVerwG 4 BN 59.00 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 144 = BRS 63 Nr. 47 und Urteil vom 17. Februar 2005 a.a.O.). Auch die Feststellung der Teilunwirksamkeit eines Bebauungsplans ist nicht grundsätzlich davon abhängig, dass der Antragsteller gerade durch den unwirksamen Teil in eigenen Rechten verletzt oder nachteilig betroffen wird (Beschluss vom 18. Juli 1989 a.a.O.). Im Einzelfall kann bei Teilbarkeit des Bebauungsplans dem Normenkontrollantrag, soweit er auch solche Teile des Plans erfasst, von denen der Antragsteller nicht betroffen wird, jedoch das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlen. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Antragstellers, darzulegen, welche Auswirkungen der geltend gemachte Rechtsfehler auf den Plan insgesamt hat. Er wäre regelmäßig überfordert, müsste er das einem Bebauungsplan zugrunde liegende Gesamtkonzept nachvollziehen und daraus Erkenntnisse für die Abhängigkeit einzelner Festsetzungen voneinander bzw. über deren objektive Trennbarkeit und den für die Teilbarkeit ebenfalls erheblichen hypothetischen Willen des Plangebers gewinnen. Der Antragsteller kann mit seinem Antrag lediglich dann trotz Darlegung eines Nachteils bzw. einer Rechtsverletzung ausnahmsweise mit der Folge der (teilweisen) Unzulässigkeit zu weit greifen, wenn er auch solche ihn nicht berührende Teile des Bebauungsplans miteinbezieht, die sich schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich und auch für den Antragsteller erkennbar als abtrennbare und selbständig lebensfähige Teile einer unter dem Dach eines einheitlichen Bebauungsplans zusammengefasste Gesamtregelung darstellen (Beschlüsse vom 18. Juli 1989 a.a.O. S. 234, vom 4. Juni 1991 a.a.O. S. 273 f. und vom 20. September 2007 - BVerwG 4 BN 20.07 - juris Rn. 11).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht ein Rechtsschutzinteresse verneint, soweit der Antrag über das besondere Wohngebiet hinausgreift. Es hat das im südlichen Planbereich ausgewiesene besondere Wohngebiet einerseits und das im nördlichen Planbereich ausgewiesene allgemeine Wohngebiet und die öffentliche Grünfläche andererseits als selbständig lebensfähige Teile der Gesamtregelung qualifiziert. Die Trennbarkeit der beiden Teilbereiche sei offensichtlich und für die Antragstellerin erkennbar; sie sei der Planurkunde in der Zusammenschau mit den örtlichen Gegebenheiten ohne weiteres zu entnehmen. An diese tatrichterliche Würdigung der hier gegebenen Umstände ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Sie lässt einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

Auch die Revision vermag einen Bundesrechtsverstoß nicht aufzuzeigen. Sie meint, es sei vorschnell, aus der Grobgliederung des Plangebiets in ein allgemeines und ein besonderes Wohngebiet auf zwei voneinander unabhängige städtebauliche Konzepte zu schließen; die Antragsgegnerin verfolge ein einheitliches planerisches Konzept, nämlich die Wohnfunktion zu stärken und gewerbliche Nutzungen zurückzudrängen. Ein solches einheitliches planerisches Konzept steht der Teilbarkeit des Bebauungsplans nicht zwingend entgegen. Ein Bebauungsplan, in dem die Gemeinde unterschiedliche Baugebiete festgesetzt hat, ist an den Gebietsgrenzen teilbar, wenn das jeweilige Baugebiet mit den weiteren für dieses Gebiet geltenden Festsetzungen für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan für nur eines der Baugebiete beschlossen hätte (Beschlüsse vom 18. Juli 1989 a.a.O. S. 232, vom 8. August 1989 - BVerwG 4 NB 2.89 - Buchholz 406.11 § 10 BBauG/BauGB Nr. 17 = BRS 49 Nr. 35, vom 20. August 1991 - BVerwG 4 NB 3.91 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 59 = BRS 52 Nr. 36 und vom 6. Dezember 2000 a.a.O.). Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn die Gemeinde in den verschiedenen Baugebieten ein übergeordnetes städtebauliches Ziel verfolgt, hier eine weitere Durchmischung von Wohn- und gewerblicher Nutzung zu verhindern. Ob die verschiedenen Baugebiete mit den weiteren für sie geltenden Festsetzungen für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und sollen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Beplant die Gemeinde eine bislang weitgehend unbebaute Fläche und dient die Festsetzung der Baugebiete dem Ziel, die Flächen nach dem Störpotential der zugelassenen Nutzungen baugebietsübergreifend zuzuordnen, wird die Unwirksamkeit der Festsetzung eines Baugebiets in der Regel zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans führen. Überplant die Gemeinde hingegen eine vorhandene Bebauung mit verschiedenen Baugebieten, um innerhalb des jeweiligen Baugebiets abgestimmt auf den jeweiligen Gebäudebestand dessen Nutzung steuern zu können, kann dies für die selbständige Lebensfähigkeit der einzelnen Planbereiche sprechen. Das Oberverwaltungsgericht hat hier aus der unterschiedlichen Struktur der in den beiden Planbereichen vorhandenen Nutzungen und den differenzierten Festsetzungen zur Feinsteuerung der baulichen Nutzung in den jeweiligen Baugebieten geschlossen, dass die Ausweisung der unterschiedlichen Baugebiete nicht dem baugebietsübergreifenden Schutz, sondern allein der Steuerung der städtebaulichen Entwicklung innerhalb des jeweiligen Gebiets dient. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht - wie die Revision weiter meint - das in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellte Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt. Besteht ein Bebauungsplan offensichtlich und für den Antragsteller erkennbar aus selbständig lebensfähigen Teilen, ist ein Normenkontrollantrag, soweit er sich gegen den Antragsteller nicht berührende abtrennbare Gebietsteile richtet, unzulässig. Eine über die genannten Voraussetzungen hinausgehende Regel-Ausnahme-Prüfung ist nicht erforderlich. 2. Das Oberverwaltungsgericht hat - ausgehend von dem Vortrag der Antragstellerin - unterstellt, die Antragsgegnerin habe bei ihrer Bestandsaufnahme die im Plangebiet ausgeübten gewerblichen Nutzungen teilweise nicht zutreffend ermittelt und bewertet. Sie habe zum einen möglicherweise verkannt, dass die drei Diskotheken kerngebietstypisch und damit in einem besonderen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig seien (§ 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO), zum anderen, dass die Nutzung rückwärtiger Teilflächen von acht Betrieben an der Zülpicher Straße als Schank- und Speisewirtschaft planungsrechtlich unzulässig werde, weil die Nutzungsgrenze zwischen WB/2 und WB/1 durch die Baulichkeiten verlaufe.

2.1 Die Beachtlichkeit dieses unterstellten Mangels ist - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht entschieden hat (UA S. 35) - nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in der Fassung des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau - EAG Bau - vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1359) zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit der Satzungen nach dem Baugesetzbuch nur beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist auf den am 10. Dezember 2003 und damit vor Inkrafttreten des EAG Bau in Kraft getretenen Bebauungsplan gemäß § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsprechend anzuwenden (Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 <Rn. 23>). Dass auch § 2 Abs. 3 BauGB erst durch das EAG Bau eingefügt wurde, steht der Anwendung der neu gefassten Planerhaltungsvorschrift nicht entgegen, denn § 2 Abs. 3 BauGB stellt keine neuen Anforderungen an das Verfahren bei Aufstellung eines Bebauungsplans. Inhaltlich entspricht die Vorschrift der bisherigen sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 15/2250 S. 42).

2.2 Wesentlich im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sind Mängel bei der Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials nicht erst - wie das Oberverwaltungsgericht gemeint hat (UA S. 37) -, wenn es sich um "gravierende Fehleinschätzungen in für die Planung wesentlichen Fragen" handelt. Von der Planung berührte, durch die Gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertete Belange betreffen bereits dann "wesentliche Punkte", wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren.

§ 214 BauGB ist eine Vorschrift der Planerhaltung. Nr. 1 des § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung des Gebots, die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB), für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlich ist. In diesem Zusammenhang konkretisiert die Vorschrift auch, unter welchen Voraussetzungen eine für die Planerhaltung relevante Verletzung des § 2 Abs. 3 BauGB vorliegt. Das EAG Bau hat gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorgaben, insbesondere der Plan-UP-Richtlinie (Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl Nr. L 197 S. 30), in das Baugesetzbuch integriert. In diesem Zusammenhang wollte der Gesetzgeber das Ermitteln und Bewerten der von der Planung berührten Belange insgesamt als verfahrensbezogene Pflicht ausgestalten und eine hierauf abgestimmte Planerhaltungsvorschrift schaffen (BTDrucks 15/2250 S. 63). Zu diesem Zweck hat er als "Verfahrensgrundnorm" (BTDrucks 15/2250 S. 42) § 2 Abs. 3 in das Baugesetzbuch eingefügt. Weitergehende Pflichten bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials als diejenigen, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot entwickelt hatte, wollte er den Gemeinden nicht auferlegen (BTDrucks 15/2250 S. 42). § 2 Abs. 3 BauGB setzt die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten einschränkenden Voraussetzungen, unter denen von der Planung berührte Belange zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören, stillschweigend voraus. Für die Planerhaltung hat das EAG Bau diese Voraussetzungen in das Gesetz aufgenommen; § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB verlangt nämlich, dass die von der Planung berührten Belange "der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen" und dass sie "in wesentlichen Punkten" nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind.

Belange, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht abwägungsbeachtlich; was die planende Stelle nicht "sieht" und nach den gegebenen Umständen nicht zu "sehen" braucht, kann und muss sie bei der Abwägung nicht berücksichtigen (Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <103 f>.; Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <219>; Beschlüsse vom 25. Januar 2001 - BVerwG 6 BN 2.00 - BRS 64 Nr. 214 und vom 10. Juli 2006 - BVerwG 4 BN 19.06 - BRS 70 Nr. 47). Einen Verfahrensfehler macht die Gemeinde nur, wenn sie von der Planung berührte Belange nicht ermittelt, die ihr bekannt sind oder bekannt sein müssen. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB stellt dies für die Planerhaltung klar.

Private Belange, die ihr bekannt sind, muss die Gemeinde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Abwägung nur berücksichtigen, wenn die Belange in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben; nicht abwägungsbeachtlich sind ferner geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (Beschluss vom 9. November 1979 a.a.O. S. 102 f.; Urteile vom 24. September 1998 a.a.O. S. 219 und vom 30. April 2004 - BVerwG 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165; Beschluss vom 20. September 2005 - BVerwG 4 BN 46.05 - BRS 69 Nr. 52). Hat die Gemeinde erkannt, dass ein von der Planung berührter Belang hiernach nicht abwägungsbeachtlich ist, muss sie diesen Punkt nicht weiter ermitteln. Steht jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fest, dass der Belang nicht abwägungsbeachtlich war, kommt es für die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht darauf an, ob bereits die Gemeinde dies zutreffend ermittelt und bewertet hat. Ein solcher Fehler ist schon deshalb unbeachtlich, weil ein Belang, der nicht abwägungsbeachtlich war, nicht im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB wesentlich ist. Hat die Gemeinde hingegen einen von der Planung berührten Belang in einem Punkt, der in der konkreten Planungssituation für die Abwägung von Bedeutung war, nicht zutreffend ermittelt oder bewertet, ist dieser Punkt "wesentlich". Ein solcher Mangel ist beachtlich, wenn er offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Letzteres ist der Fall, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Vorgang die Planung anders ausgefallen wäre; eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <39 f.>; Beschluss vom 20. Januar 1992 - BVerwG 4 B 71.90 - Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 5 = BRS 54 Nr. 18). Auch das Gewicht des betroffenen Belangs in der Abwägung kann für die Ergebnisrelevanz von Bedeutung sein (Urteil vom 18. November 2004 -BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <213>). Besteht bei einem offensichtlichen Mangel hiernach die konkrete Möglichkeit, dass die Gemeinde, wenn sie den abwägungsbeachtlichen Belang zutreffend ermittelt und bewertet hätte, im Ergebnis anders geplant hätte, ist der Mangel für die Wirksamkeit des Plans beachtlich. Insoweit hat das EAG Bau die Rechtslage nicht geändert. Vor dessen Inkrafttreten wurden Fehler beim Ermitteln und Bewerten der von der Planung berührten Belange nicht von anderen Mängeln im Abwägungsvorgang unterschieden. Sie waren erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen waren (§ 215 Abs. 3 Satz 2 BauGB i.d.F. des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 - BauROG - vom 18. August 1997, BGBl I S. 2081). Der Gesetzgeber des EAG Bau wollte das Ermitteln und Bewerten der von der Planung berührten Belange nicht mehr als Teil des materiellrechtlichen Abwägungsvorgangs, sondern als verfahrensbezogene Pflicht verstanden wissen und diesen Wechsel der Betrachtungsweise auch für die Planerhaltung nachvollziehen (BTDrucks 15/2250 S. 63); von zusätzlichen Voraussetzungen wollte er die Beachtlichkeit von Mängeln im Abwägungsvorgang nicht abhängig machen.

Gemessen hieran betrafen die Fragen, ob die drei im südlichen Planbereich vorhandenen Diskotheken nur in einem Kerngebiet planungsrechtlich zulässig wären und ob die Schank- und Speisewirtschaften an der Zülpicher Straße auf den rückwärtigen, als WB/1 ausgewiesenen Teilflächen ihre planungsrechtliche Zulässigkeit verlieren, wesentliche Punkte im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Das Interesse der betroffenen Grundstückseigentümer und Betriebsinhaber daran, dass ihre ausgeübten Nutzungen in vollem Umfang planungsrechtlich zulässig bleiben, war abwägungsrelevant. Dass die in Rede stehenden Nutzungen im vorliegenden Fall nicht schutzwürdig oder nur geringfügig betroffen sein könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auch die Antragsgegnerin selbst ist davon ausgegangen, die von der Planung negativ berührten privaten Belange nur abwägen zu können, wenn im Wege einer Bestandsaufnahme vollständig erfasst worden ist, inwieweit die ausgeübten Nutzungen durch den Bebauungsplan planungsrechtlich unzulässig werden.

3. Der unterstellte, wesentliche Punkte betreffende Mangel bei der Ermittlung und Bewertung der von der Planung negativ betroffenen privaten Belange ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans jedoch gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB deshalb nicht beachtlich, weil er auf das Ergebnis des Verfahrens nicht von Einfluss gewesen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist (UA S. 36, 38). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen, die es zu den örtlichen Verhältnissen und dem Abwägungskonzept der Antragsgegnerin getroffen hat, ist die konkrete Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin anders geplant hätte, wenn sie die hier in Rede stehenden abwägungsbeachtlichen Belange zutreffend ermittelt und bewertet hätte, jedoch auszuschließen.

Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die drei Diskotheken innerhalb eines größeren städtischen Quartiers auf verschiedene Standorte verteilt sind und, selbst wenn sie kerngebietstypisch wären, das Gebiet nicht zu einem faktischen Kerngebiet machen würden (UA S. 20). Nach seinen Feststellungen hat die Antragsgegnerin erkannt, dass sie eine "Vielzahl" vorhandener wohnfremder Nutzungen auf den passiven Bestandsschutz gesetzt hat (UA S. 37). Welche Nutzungen im Einzelnen ihre planungsrechtliche Zulässigkeit verloren, war für die Abwägung mithin nicht entscheidend. Warum die Antragsgegnerin den Diskotheken gegenüber den Interessen der Wohnbevölkerung ein größeres Gewicht als anderen das Wohnen störenden Nutzungen hätte beimessen sollen, hat die Antragstellerin weder dargelegt noch ist dies ersichtlich. Ob die in der Bestandsaufnahme eingetragenen insgesamt 33 Betriebe oder einige Betriebe mehr oder weniger auf passiven Bestandsschutz gesetzt würden, hat das Oberverwaltungsgericht als "Marginalie" qualifiziert (UA S. 37). Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin anstelle eines besonderen Wohngebiets eine andere Festsetzung der Art der baulichen Nutzung beschlossen hätte, wenn sie erkannt hätte, dass die drei vorhandenen Diskotheken - oder einzelne davon - als kerngebietstypisch einzustufen wären, sind vor dem Hintergrund dieser tatrichterlichen Würdigung nicht erkennbar.

Die genannten Schank- und Speisewirtschaften nördlich der Zülpicher Straße werden durch den Bebauungsplan nicht insgesamt, sondern allenfalls in einem rückwärtigen, der Zülpicher Straße abgewandten Teil der Gebäude planungsrechtlich unzulässig. Nach Nr. 14 der textlichen Festsetzungen können in diesen Gebäudeteilen Nebenanlagen und Einrichtungen von planungsrechtlich zulässigen Schank- und Speisewirtschaften im Erdgeschoss und ersten Untergeschoss als Ausnahme zugelassen werden. Soweit die in den betroffenen Gebäudeteilen ausgeübten Nutzungen auf passiven Bestandsschutz gesetzt werden, hat das Oberverwaltungsgericht diese Folge - nunmehr im Hinblick auf die Abgrenzung der unterschiedlichen Nutzungsbereiche - ebenfalls als "Marginalie" eingestuft (UA S. 37). Die Beeinträchtigungen der planungsrechtlich im wesentlichen weiterhin zulässigen Betriebe an der Zülpicher Straße sind hiernach nicht von einem solchen Gewicht, dass die Antragsgegnerin ihr Ziel, die Wohnruhe auch durch Überplanung vorhandener Betriebe zu schützen, möglicherweise weitergehend zurückgestellt hätte, wenn sie diese Beeinträchtigungen in ihrer Bestandsaufnahme noch detaillierter erfasst hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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