Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: BVerwG 4 CN 3.06
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 47 Abs. 2a
BauGB § 5 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 15 Abs. 3 Satz 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 35 Satz 3
Darstellungen im Flächennutzungsplan mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (hier: Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen) unterliegen in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der (prinzipalen) Normenkontrolle.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 4 CN 3.06

Verkündet am 26. April 2007

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn, Gatz und Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Die Antragstellerin, ein Unternehmen der Windenergiebranche, wendet sich im Wege der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gegen die 7. Änderung - Teilplan Windenergienutzung - des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin, einer Verbandsgemeinde.

Mit dem angegriffenen Teilplan verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, Windenergieanlagen durch Darstellungen im Flächennutzungsplan auf bestimmte Standorte innerhalb ihres 135 km² großen Verbandsgemeindegebiets zu konzentrieren. Das mit der Planung beauftragte Ingenieurbüro ermittelte 14 potenzielle Eignungsflächen (insgesamt 97 ha) und empfahl u.a. die Ausweisung von zwei Potenzialflächen (Nr. 5 und Nr. 6) östlich von L., die es als überwiegend geeignet bis geeignet eingestuft hatte. Der Verbandsgemeinderat beschloss, die Flächen Nr. 5 und 6 in den Vorentwurf des Teilplans Windenergienutzung aufzunehmen, gab diese Planung jedoch im Verlauf des weiteren Verfahrens auf und beschloss die Darstellung einer Konzentrationszone für Windenergieanlagen auf einer etwa 5 ha großen Fläche nordöstlich von N. Im textlichen Teil des Plans heißt es hierzu unter Hinweis auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, dass außerhalb dieser Fläche im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans keine weiteren Windenergieanlagen zulässig seien. Die Fläche bei N. ist bereits mit drei Windenergieanlagen bebaut, weitere können auf ihr nicht errichtet werden. Die Fläche liegt etwa 600 m vom Siedlungsbereich der Ortsgemeinde N. entfernt. Das mit der Planung beauftragte Ingenieurbüro hatte diese Fläche als für die Windenergienutzung ungeeignet angesehen, weil sie den maßgeblichen Abstand zu den Siedlungsbereichen nicht einhalte.

Nachdem die zuständige Kreisverwaltung die Änderung des Flächennutzungsplans genehmigt hatte, machte die Antragsgegnerin die Genehmigung im Dezember 2005 in ihrem Amtsblatt bekannt. In der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass die genehmigte Planänderung mit der Begründung und dem Umweltbericht bei der Verwaltung der Verbandsgemeinde während der Dienststunden eingesehen werden könne.

Die Antragstellerin beabsichtigt, an anderer Stelle auf dem Gebiet der Antragsgegnerin fünf Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Ihr immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsantrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Flächennutzungsplan nur eine Konzentrationszone für Windenergieanlagen bei N. ausweise. Das Verwaltungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Mit ihrem Normenkontrollantrag hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass die bei N. ausgewiesene Fläche einem Anteil von nur 0,37 Promille des Verbandsgemeindegebietes entspreche und nicht mit weiteren Windenergieanlagen bebaut werden könne. Der Teilplan Windenergienutzung der Antragsgegnerin stelle eine unzulässige Verhinderungsplanung dar.

Das Oberverwaltungsgericht hat den angegriffenen Teilplan für unwirksam erklärt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Normenkontrollantrag sei gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft. Die Darstellung einer Konzentrationsfläche im Flächennutzungsplan, welche den Ausschluss von Windenergieanlagen an anderer Stelle des Gemeindegebiets bezwecke, habe den Charakter einer Rechtsvorschrift i.S.v. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Die Darstellung enthalte eine abstrakt-generelle Regelung, der § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verbindliche Außenwirksamkeit verleihe. Aufgrund dieser Regelung erfüllten Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine dem Bebauungsplan vergleichbare Funktion. Mit der Darstellung einer Konzentrationsfläche für Windenergie fälle die Gemeinde im Flächennutzungsplan eine planerische Abwägungsentscheidung über die Zulassung von Windenergieanlagen. Der Begriff der Rechtsvorschrift in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sei im Hinblick auf Sinn und Zweck der Norm weit auszulegen. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits entschieden, dass auch nicht als förmlicher Rechtssatz erlassene Ziele der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG) als Rechtsvorschriften i.S.v. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu qualifizieren seien. Für die Darstellung einer Konzentrationsfläche mit Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan könne infolge der Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nichts anderes gelten. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Der angegriffene Teilplan Windenergienutzung sei fehlerhaft und unwirksam, weil ihm kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liege. Aus den Planungsunterlagen der Antragsgegnerin, insbesondere aus der Planbegründung, ergebe sich, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin für die Konzentrationsfläche bei N. eindeutig auf eine bewusste und gewollte Verhinderungsplanung für weitere Windenergieanlagen auf dem Gebiet der Verbandsgemeinde hinauslaufe.

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Antragsgegnerin die Verletzung von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Der Flächennutzungsplan besitze weder in formeller noch in materieller Hinsicht Rechtsnormcharakter. Er sei nicht verbindlich, sondern nur ein vorbereitender Bauleitplan. Seit der Neufassung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Jahr 1976 unterlägen im Bereich des Baugesetzbuchs nur Satzungen der Normenkontrolle. Flächennutzungspläne würden nicht in Form einer Satzung erlassen. Bei der Schaffung von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB habe der Gesetzgeber den Gemeinden ein Darstellungsprivileg eingeräumt, ohne zugleich die Möglichkeiten der (prinzipalen) Normenkontrolle zu erweitern. Fehlerhaft sei auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Teilplan Windenergienutzung stelle eine unzulässige Verhinderungsplanung dar.

Die Antragstellerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und führt aus: Der Flächennutzungsplan sei nach wie vor kein tauglicher Gegenstand einer Normenkontrolle, da § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Bereich des Städtebaurechts von vornherein unanwendbar sei. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erfasse nur Satzungen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs (und Rechtsverordnungen nach § 246 BauGB), nicht aber Flächennutzungspläne und damit auch keine Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO habe für den Bereich des Städtebaurechts abschließenden Charakter. Darstellungen mit den Rechts-wirkungen von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB seien jedenfalls keine Rechtsvorschriften i.S.d. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.

II

Die Revision der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die 7. Änderung des Flächennutzungsplans - Teilplan Windenergienutzung - der Antragsgegnerin Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen (prinzipalen) Normenkontrolle sein kann. Die Ansicht der Vorinstanz, der angegriffene Teilplan stelle eine unzulässige Verhinderungsplanung dar, verletze das planerische Abwägungsgebot und sei deshalb unwirksam, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

1. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist statthaft.

Der angegriffene Teilplan unterliegt in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Oberverwaltungsgericht auf Antrag über die Gültigkeit von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB. Die durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs vom 30. Juli 1996 (BGBl I S. 1189) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 eingeführte Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB (jetzt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) hat die Darstellungen im Flächennutzungsplan, die Konzentrationsflächen für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhaben festlegen, mit Rechtswirkungen versehen, die - gemessen an den gesetzgeberischen Zielsetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO - nachträglich eine planwidrige Regelungslücke haben entstehen lassen, die im Wege der Analogie zu schließen ist. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der hier umstrittene Teilplan Windenergienutzung sei eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift i.S.d. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, für die das rheinland-pfälzische Landesrecht die Normenkontrolle eröffne, wird den Zielsetzungen, die der Gesetzgeber mit der Einführung der Normenkontrolle im Bereich des Städtebaurechts in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO verfolgt hat, nicht gerecht. Ihr kann deshalb nicht gefolgt werden.

1.1 Die durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2437) eingeführte sog. prinzipale Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO enthält eine Sonderregelung für den Rechtsschutz im Bereich des Städtebaurechts. Die Vorschrift dient dem Ziel, den Rechtsschutz bei Verordnungen und Satzungen nach dem Bundesbaugesetz einheitlich auszugestalten und zu verbessern. Von der Möglichkeit, die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 VwGO einzuführen, hatten bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 24. August 1976 nur fünf Bundesländer Gebrauch gemacht. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO wird ausgeführt, dass sich das Bedürfnis für eine Verbesserung des Rechtsschutzes durch Normenkontrollverfahren in besonderem Maße bei Satzungen aufgrund des Bundesbaugesetzes (und des Städtebauförderungsgesetzes), insbesondere bei Bebauungsplänen, gezeigt habe (BTDrucks 7/4324 S. 1, 7): Bebauungspläne könnten in sehr einschneidender Weise in die Rechtsstellung der Bürger eingreifen. Hier sei es besonders wichtig, einen effektiven Rechtsschutz gegen die Normen selbst zur Verfügung zu stellen. Eine rechtzeitige Klärung der Rechtslage sei im Interesse aller Beteiligten notwendig, wenn die Wirksamkeit einer Norm dieser Art im Streit sei. Im Übrigen solle es dabei bleiben, dass der Landesgesetzgeber darüber bestimme, ob das Normenkontrollverfahren eingeführt werde (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Dem Landesrecht werde damit die Möglichkeit belassen, im Übrigen von der Einführung eines Normenkontrollverfahrens abzusehen (BTDrucks a.a.O S. 7).

Das von § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO verfolgte Ziel, mit der Einführung eines bundesweiten Normenkontrollverfahrens insbesondere den Rechtsschutz gegenüber Bebauungsplänen im Hinblick auf die privaten Belange Planbetroffener, insbesondere privater Grundeigentümer, möglichst einheitlich auszugestalten, rechtfertigt es, § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf die Darstellung von Konzentrationsflächen in einem Flächennutzungsplan (Sonderbauflächen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 1 Nr. 4 BauNVO) zu erstrecken, mit denen die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen.

1.2 Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach Abs. 1 Nr. 2 bis 6 der Vorschrift in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan (oder als Ziele der Raumordnung) eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Mit dieser Regelung stellt der Gesetzgeber u.a. die Errichtung von Windenergieanlagen im gemeindlichen Außenbereich unter einen Planungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung (und an die Träger der Raumordnungsplanung) richtet. Die Norm setzt gebietsbezogene gesamträumliche Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windenergieanlagen (oder anderer privilegierter Außenbereichsvorhaben) an bestimmten Standorten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Vorhaben und Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Darstellungen rechtliche Außenwirkung gegenüber den Bauantragstellern und Vorhabensträgern mit der Folge, dass Vorhaben an Standorten außerhalb der Konzentrationsflächen in der Regel unzulässig sind.

Demgegenüber greift der Einwand der Revision, ein Flächennutzungsplan stelle - anders als ein Bebauungsplan - für sich betrachtet keine rechtssatzmäßige Regelung zulässiger Bodennutzungen dar, nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besitzen Darstellungen eines Flächennutzungsplans nach der Konzeption, die dem Baugesetzbuch zugrunde liegt, zwar aus sich heraus keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung gegenüber privaten Dritten (vgl. Urteile vom 18. August 2005 - BVerwG 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <141>, vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 57.84 - BVerwGE 77, 300 <305> und vom 20. Januar 1984 - BVerwG 4 C 43.81 - BVerwGE 68, 311 <313 f.>; Beschluss vom 20. Juli 1990 - BVerwG 4 N 3.88 - Buchholz 406.11 § 5 BBauGB/BauGB Nr. 7 = NVwZ 1991, 262). Dieses Verständnis des Flächennutzungsplans entspricht seiner Funktion als vorbereitender Bauleitplan (vgl. § 1 Abs. 2 BauGB), dessen rechtliche Wirkungen sich auf den innergemeindlichen Bereich beschränken und inhaltlich im Anpassungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB auswirken. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht gehindert, den Darstellungen eines Flächennutzungsplans ungeachtet ihrer Steuerungsfunktion im Rahmen der zweistufigen Bauleitplanung eine weitergehende Bedeutung für die Vorhabenszulassung im Einzelfall beizulegen. So erweitert § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB die Wirkungen flächennutzungsplanerischer Darstellungen, indem er sie zu öffentlichen Belangen erklärt, die einem Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können. Mit der Schaffung des § 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB (jetzt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) durch die BauGB-Novelle vom 30. Juli 1996 ist der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter gegangen. Er hat bestimmten Darstellungen des Flächennutzungsplans einen Grad rechtlicher Verbindlichkeit beigemessen, der den herkömmlichen Wirkungskreis des Flächennutzungsplans deutlich überschreitet.

§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB versetzt die Gemeinde in die Lage, die bauliche Entwicklung privilegierter Vorhaben im Außenbereich planerisch zu steuern. Die Vorhaben sind nicht mehr nur dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, sondern auch dann, wenn für sie durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine "Ausweisung" an anderer Stelle erfolgt ist. Die planersetzende Regelung in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB, die bestimmte privilegierte Vorhaben generell dem Außenbereich zuweist, kommt nur mehr nach Maßgabe der gemeindlichen Planungsvorstellungen zum Tragen. Kraft gesetzlicher Anordnung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen auf der Ebene der Vorhabenszulassung rechtliche Außenwirkung. Das gibt der Gemeinde für privilegierte Außenbereichsvorhaben ein neuartiges Instrument der verbindlichen Standortplanung an die Hand. Im Anwendungsbereich von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erfüllt der Flächennutzungsplan mithin eine dem Bebauungsplan vergleichbare Funktion. Wie die Festsetzungen eines Bebauungsplans bestimmen Darstellungen des Flächennutzungsplans mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; wie ein Bebauungsplan müssen sie dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genügen und den Gleichheitssatz sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahren (in diesem Sinne bereits Urteile vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <292 f., 303 f.> und vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 4 C 2.04 - BVerwGE 122, 109 <115 f.>).

Der Umstand, dass die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auf den Regelfall ("in der Regel") beschränkt werden, lässt entgegen der Revision die Rechtsverbindlichkeit der Darstellung von Konzentrationsflächen nicht entfallen. Im Genehmigungsverfahren ist eine Abweichung hinsichtlich der Flächen, die nach dem Planungskonzept der Gemeinde von Windenergieanlagen (oder anderen privilegierten Außenbereichsvorhaben) frei zu halten sind (sog. Ausschluss- oder Negativflächen) nur in Ausnahmefällen zulässig. Der zur Genehmigung gestellte Standort darf das gesamträumliche Planungskonzept der Gemeinde nicht in Frage stellen; es muss sich um eine vom Plangeber so nicht vorhergesehene (atypische) Fallkonstellation handeln (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 a.a.O. S. 302, 304). Die Möglichkeit von Abweichungen dieser Art unterscheidet den Regelungsanspruch, den § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB der Ausweisung von Konzentrationsflächen vermittelt, nicht von anderen gesetzlichen Regelungen, die sich ebenfalls nur Geltung für den Regelfall beimessen und deren unmittelbare normative Wirkung damit nicht in Frage gestellt wird. Auch die satzungsförmigen Festsetzungen des Bebauungsplans stehen unter dem Befreiungsvorbehalt des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. auch Urteil vom 21. Oktober 2004 a.a.O. S. 116).

Der durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1359) eingefügte § 15 Abs. 3 BauGB hat die rechtliche Steuerungskraft des Flächennutzungsplans im Anwendungsbereich von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB weiter gestärkt. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit privilegierter Außenbereichsvorhaben für längstens ein Jahr auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Die Vorschrift soll die gemeindliche Planung von Konzentrationsflächen absichern. Sie verbindet das Steuerungsinstrument der standortbezogenen Flächennutzungsplanung im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB mit dem Sicherungsinstrument der Zurückstellung von Baugesuchen. Damit stellt der Gesetzgeber für die Planung von Konzentrationsflächen ein Sicherungsmittel zur Verfügung, das bisher nur Bebauungsplänen vorbehalten war.

1.3 Mit der gesetzgeberischen Aufwertung des Flächennutzungsplans zu einem im dargelegten Sinne qualifizierten Instrument der gemeindlichen Standortplanung für privilegierte Außenbereichsvorhaben hat sich in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO unter Rechtsschutzgesichtspunkten eine planwidrige Regelungslücke aufgetan. Sie ist entstanden, nachdem der Gesetzgeber Darstellungen des Flächennutzungsplans im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nach ihrem materiellrechtlichen Inhalt und ihrem Regelungsanspruch Rechtswirkungen beigelegt hat, die der Bindungskraft von Festsetzungen eines Bebauungsplans gleichkommen. Es liegt in der Konsequenz dieser materiellrechtlichen Entwicklung, § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Wege der Analogie auf Darstellungen des Flächennutzungsplans mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu erstrecken.

Dieser Lückenschluss entspricht dem Zweck des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, einen möglichst effektiven, rechtzeitigen und bundeseinheitlich ausgestalteten Rechtsschutz gegen planerische Festlegungen zu schaffen, die in sehr einschneidender Weise in die Rechtsstellung der Planbetroffenen eingreifen (vgl. BTDrucks 7/4324 S. 7). Der Ausschluss privilegierter Außenbereichsvorhaben in weiten Teilen des Gemeindegebiets, der in der Regel mit der Darstellung von Konzentrationsflächen im Flächennutzungsplan verbunden ist, schränkt die Nutzungsansprüche potenzieller Betreiber privilegierter Außenbereichsanlagen in erheblichem Umfang ein. Durch eine einzige Entscheidung im Normenkontrollverfahren kann einer Vielzahl von Einzelprozessen vorgebeugt werden, in denen die Wirksamkeit der Darstellung von Konzentrationsflächen als Vorfrage zu prüfen wäre. Das trägt zur Entlastung der Verwaltungsgerichte bei. Voneinander abweichende Entscheidungen im Rahmen der gerichtlichen Inzidentkontrolle können auf diese Weise verhindert werden. Das Normenkontrollverfahren dient der Beschleunigung des individuellen Rechtsschutzes ebenso wie der Rechtsklarheit und der ökonomischen Gestaltung des Prozessrechts. Die entsprechende Anwendung von § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO stellt zugleich sicher, dass der Rechtsschutz Betroffener im Anwendungsbereich von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bundeseinheitlich ausgestaltet ist. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass es dem Zweck der bundeseinheitlichen Öffnung der Normenkontrolle für das Städtebaurecht im Jahr 1976 widerspräche, wenn für dieses Rechtsgebiet gleichwohl ergänzend auch § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO mit der Möglichkeit unterschiedlicher Regelungen in den einzelnen Bundesländern anwendbar wäre.

§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entfaltet gegenüber diesem Analogieschluss keine Sperrwirkung. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Zielsetzungen dieser Vorschrift lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass der Gesetzgeber Darstellungen des Flächennutzungsplans, die nach ihrem materiellrechtlichen (planerischen) Inhalt und ihrem Regelungsanspruch eine den Bebauungsplan vergleichbare Funktion erfüllen, von der bundeseinheitlichen Öffnung der Normenkontrolle im Städtebaurecht hat ausnehmen wollen und in diesem Sinne eine abschließende und erschöpfende Regelung getroffen hat. Der erkennende Senat hat zwar in seinem Beschluss vom 20. Juli 1990 - BVerwG 4 N 3.88 - (Buchholz 406.11 § 5 BBauGB/BauGB Nr. 7 = NVwZ 1991, 262) den Standpunkt vertreten, § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO habe ein bundeseinheitliches Normenkontrollverfahren im Bereich des Städtebaurechts nur für Satzungen (bzw. Rechtsverordnungen in den Stadtstaaten) geschaffen und sei damit der im Zeitpunkt der Novellierung des § 47 VwGO im Jahr 1976 nahezu einhelligen Auffassung gefolgt, dass ein Normenkontrollverfahren im Städtebaurecht gegen andere Regelungen als Satzungen, insbesondere gegen den Flächennutzungsplan, nicht möglich sei. Es trifft zu, dass der Gesetzgeber des Jahres 1976 vor dem Hintergrund der seinerzeit geltenden Rechtslage im Städtebaurecht und der vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft keinen Anlass gesehen hat, den Flächennutzungsplan als solchen oder einzelne seiner Darstellungen einer bundeseinheitlichen Normenkontrolle zu unterwerfen (vgl. hierzu auch die Schrifttumsnachweise in BTDrucks 7/4324 S. 7). Rechtswirkungen der Art, wie sie der am 1. Januar 1997 in Kraft getretene § 35 Abs. 3 Satz 4 (jetzt Satz 3) BauGB bestimmten Darstellungen des Flächennutzungsplans vermittelt, lagen bei der Novellierung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Jahr 1976 nicht im Blickfeld des Gesetzgebers. Erst mit der Rechtsänderung im Jahr 1997 hat sich § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO - gemessen an den Zielsetzungen dieser Vorschrift - hinsichtlich der Ausweisung von Konzentrationsflächen im Außenbereich als unvollständig und ergänzungsbedürftig erwiesen. Der im Senatsbeschluss vom 20. Juli 1990 vertretene Standpunkt, Darstellungen des Flächennutzungsplans seien kein tauglicher Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, ist in dieser Allgemeinheit durch die spätere Rechtsentwicklung überholt worden. Hinsichtlich der Darstellungen im Flächennutzungsplan, die in den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB fallen, kann dieser Standpunkt nicht aufrechterhalten werden.

1.4 Der Hinweis des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht auf die mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl I S. 3316) in § 47 Abs. 2a VwGO eingeführte prozessuale Präklusion rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Nach dieser Vorschrift ist nunmehr der Antrag einer natürlichen oder juristischen Person, der einen Bebauungsplan oder eine Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 oder § 35 Abs. 6 BauGB zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn der Antragsteller nur Einwendungen geltend macht, die er im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) oder im Rahmen der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit (§ 13 Abs. 2 Nr. 2, § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Bei Schaffung dieser Präklusionsvorschrift und den Folgeänderungen in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2, § 13 Abs. 2 Satz 2 und § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist der Gesetzgeber ersichtlich vom Regelungsinhalt des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ausgegangen, der Satzungen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs der Normenkontrolle unterwirft. Mit den Rechtsänderungen soll erreicht werden, dass die Betroffenen ihrer Obliegenheit nachkommen, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung Einwände möglichst frühzeitig zu erheben, und über die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Mitwirkung ausreichend informiert sind (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/2496 S. 18). Flächennutzungspläne im Allgemeinen oder Darstellungen des Flächennutzungsplans mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB werden in § 47 Abs. 2a VwGO nicht genannt. Hieraus kann nach Ansicht des erkennenden Senats jedoch nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe die hinsichtlich der Darstellung von Konzentrationsflächen im Flächennutzungsplan nachträglich eingetretene Regelungslücke in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erkannt und konkludent in dem Sinne schließen wollen, dass Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB von der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle ausgeschlossen sind. Anhaltspunkte für eine derartige Regelungsabsicht des Gesetzgebers lassen sich weder dem Wortlaut noch der aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren beschränkten Zielsetzung des neuen § 47 Abs. 2a VwGO entnehmen.

2. In der Sache ist das Oberverwaltungsgericht in Einklang mit Bundesrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass der angegriffene Teilplan Windenergienutzung der Antragsgegnerin abwägungsfehlerhaft und unwirksam ist. Auf der Grundlage der Aufstellungsunterlagen und der Planbegründung steht zur Überzeugung der Vorinstanz fest, dass der Darstellung der Konzentrationszone nordöstlich von N. und dem Ausschluss weiterer Standorte für Windenergieanlagen im gesamten Gemeindegebiet kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegt. In Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze (Urteile vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 und vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 4 C 2.04 - BVerwGE 122, 109) sieht das Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Teilplan eine bewusste und gewollte Verhinderungsplanung. Dies folge insbesondere daraus, dass die allein ausgewiesene Konzentrationsfläche bei N. bereits mit drei Windenergieanlagen bebaut sei und keinen Raum für die Errichtung weiterer Windenergieanlagen lasse. Außerdem sei die Antragsgegnerin mit der Darstellung dieser Fläche bewusst von ihrem Konzept abgewichen, Siedlungsabstände zu reinen Wohngebieten von 1 000 m und zu allgemeinen Wohngebieten von 750 m einzuhalten; die Konzentrationsfläche bei N. liege lediglich ca. 600 m vom Siedlungsbereich der Ortsgemeinde entfernt und sei daher nach dem eigenen städtebaulichen Konzept der Antragsgegnerin für die Nutzung der Windenergie ungeeignet. An diese vor-instanzlichen Tatsachenfeststellungen und die Sachverhaltswürdigung ist das Revisionsgericht gebunden. Zulässige und begründete Revisionsrügen (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die Antragsgegnerin hiergegen nicht erhoben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück