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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2007
Aktenzeichen: BVerwG 4 VR 3000.07
Rechtsgebiete: LuftVG, Richtlinie 2002/30/EG, VO (EWG) Nr. 2408/92
Vorschriften:
LuftVG § 6 | |
LuftVG § 8 | |
LuftVG § 29b Abs. 1 Satz 2 | |
Richtlinie 2002/30/EG Art. 4 Abs. 1 Satz 1 | |
VO (EWG) Nr. 2408/92 Art. 3 Abs. 1 | |
VO (EWG) Nr. 2408/92 Art. 8 Abs. 2 |
Zur Frage der Vereinbarkeit eines partiellen, auf den gewerblichen Passagierflugverkehr beschränkten Nachtflugverbots mit der VO (EWG) Nr. 2408/92 - Streckenzugangsverordnung - und der Richtlinie 2002/30/EG - Betriebsbeschränkungsrichtlinie -.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 3000.07 In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 1. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe:
I
Die Antragstellerin erstrebt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Beschluss des Regierungspräsidiums Leipzig (im Folgenden: Antragsgegner) vom 27. Juni 2007, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben "Ausbau des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle Start-/Landebahn Süd mit Vorfeld" vom 4. November 2004 ergänzt worden ist.
Der Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004, geändert durch Beschluss vom 9. Dezember 2005, sieht im Kern vor, die als grundsanierungsbedürftig bezeichnete Südbahn um einen Winkel von 20° parallel zur Nordbahn auszurichten und auf 3 600 m zu verlängern. Zentrales Planungsziel ist der Ausbau des Flughafens zu einem Knotenpunkt für den Luftfrachtverkehr. Beide Start- und Landebahnen sollten auf der Grundlage der unbefristeten Nachtfluggenehmigung vom 20. September 1990 in der Gestalt der Genehmigung vom 14. März 2000 im Wesentlichen ohne zeitliche Einschränkung für den Luftverkehr zur Verfügung stehen. Untersagt waren lediglich An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsflügen zwischen 22:00 und 6:00 Uhr (PFB A II. 4.7.1., S. 32 f.). Einer Klage lärmbetroffener Anwohner gab der Senat teilweise statt und verpflichtete den Antragsgegner, unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb weiter beschränkt wird, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht (Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95).
Mit dem vorliegend umstrittenen Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss ordnete der Antragsgegner u.a. an, dass während der Nachtzeit (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) im gewerblichen Passagierverkehr Starts und Landungen von Luftfahrtunternehmen des gewerblichen Linien- und Bedarfsluftverkehrs (außer Lufttaxiverkehr) nur von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr zulässig sind (A. I. 4.7.1.1.). Übergangsweise sind bis zum Abschluss des Winterflugplans 2007/2008 am 29. März 2008 im Einzelnen aufgelistete planmäßige Flüge in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr erlaubt (A. I. 4.7.14.).
Die Antragstellerin führt am Flughafen Leipzig/Halle gewerblichen Passagierluftverkehr in der Form des Touristikverkehrs durch. Sie möchte den Flughafen weiterhin ohne zeitliche Einschränkungen für den Nachtflugverkehr nutzen und hat deshalb am 24. August 2007 gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss Klage erhoben sowie gleichzeitig um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 27. Juni 2007 anzuordnen,
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens in der Zeit zwischen 23:30 Uhr und 5:30 Uhr am Flughafen Leipzig/Halle im Sommerflugplan mindestens 13 Flugbewegungen/Wo-che und im Winterflugplan mindestens drei Flugbewegungen/Woche zu ihren Gunsten zuzulassen,
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens in der Zeit zwischen 23:30 Uhr und 5:30 Uhr am Flughafen Leipzig/Halle eine angemessene, vom Gericht festzulegende Zahl von Flügen auch im Passagier- und Touristikluftverkehr (insbesondere eine begrenzte Anzahl an Starts ab 4:00 Uhr) zu ihren Gunsten zuzulassen,
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens in der Zeit zwischen 23:30 Uhr und 0:00 Uhr sowie zwischen 5:00 Uhr und 5:30 Uhr am Flughafen Leipzig/Halle Flüge auch im Passagier- und Touristikluftverkehr zu ihren Gunsten zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Hauptantrag, der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerichtet ist, ist unzulässig. Der Anwendungsbereich des § 80 VwGO ist im Regelfall auf die Fälle beschränkt, in denen im Hauptsacheverfahren die Anfechtungsklage für den Rechtsschutz die richtige Klageart ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Das Verbot, in der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr gewerblichen Passagierflugverkehr durchzuführen, ist im Hauptsacheverfahren nicht im Wege der Anfechtung selbständig angreifbar. Als Bestandteil der Regelungen über die Betriebszeiten ist es mitbestimmend für deren Reichweite. Mit ihm werden die Zeiträume, in denen gewerblicher Passagierluftverkehr stattfinden darf, inhaltlich beschränkt. Die Antragstellerin erstrebt eine Betriebszeitregelung ohne die Beschränkung. Dieses Ziel lässt sich durch die Anfechtung der Beschränkung nicht erreichen. Die Antragstellerin muss ihr Klagebegehren im Wege der Verpflichtungsklage auf Gewährung der vorenthaltenen Begünstigung verfolgen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 32).
2. In Betracht kommt entsprechend dem Hilfsantrag nur die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Form einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Der Senat unterstellt zu Gunsten der Antragstellerin, dass zwischen ihr und dem Antragsgegner ein streitiges Rechtsverhältnis besteht, das schon vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens entstanden ist (vgl. zu diesem Erfordernis: Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, S. 66, § 13 Rn. 146 m.w.N.) und dass sie nach den Maßstäben, die der Senat in den Urteilen vom 26. Juli 1989 - BVerwG 4 C 35.88 - (BVerwGE 82, 246 <251>) und vom 27. September 1993 - BVerwG 4 C 22.93 - (NVwZ-RR 1994, 189) entwickelt hat, antragsbefugt ist. Denn der Eilantrag scheitert jedenfalls daran, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zusteht.
a) Zu Unrecht berühmt sich die Antragstellerin eines Anordnungsanspruchs wegen eines Verfahrensfehlers, der darin liegen soll, dass der Antragsgegner sie entgegen seiner Verpflichtung aus § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 LuftVG nicht von der Auslegung der Unterlagen benachrichtigt hat, die dem Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss zugrunde liegen. Dabei kann unterstellt werden, dass das Anhörungsverfahren nicht ordnungsgemäß verlaufen ist. Daraus resultiert nämlich als Rechtsfolge nicht, dass die Antragstellerin ihre Zulassung zum Nachtflugverkehr am Flughafen Leipzig/Halle auch in der Zeit zwischen 23:30 Uhr und 5:30 Uhr beanspruchen kann, sondern nur, dass die Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht in Gang gesetzt und die Präklusionswirkung des § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG nicht ausgelöst wurde (vgl. Urteil vom 16. August 1995 - BVerwG 11 A 2.95 - Buchholz 404.3 § 3 VerkPBG Nr. 1). Verfahrensvorschriften vermitteln keine materiell-rechtlichen Rechtspositionen. Sie setzen diese vielmehr voraus und haben ihnen gegenüber dienende Funktion (vgl. Beschluss vom 27. Oktober 1997 - BVerwG 11 VR 4.97 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 17).
b) Materiell-rechtlich steht der Antragstellerin ein Anspruch auf Zulassung zum Nachtflugverkehr im Zeitraum zwischen 23:30 Uhr und 5:30 Uhr nicht zu.
aa) Nachtflugbeschränkungen unterliegen als luftverkehrsrechtliche Betriebsregelungen unabhängig davon, ob sie gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG in einem Planfeststellungsbeschluss oder gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 LuftVG in einer Genehmigung getroffen werden, dem Abwägungsgebot (vgl. Urteile vom 26. Juli 1989 - BVerwG 4 C 35.88 - a.a.O. <249 f.> und vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <266 f.>). Zu berücksichtigen, zu gewichten und gegen- und untereinander abzuwägen sind die Interessen des Flughafenbetreibers, gegenläufige Interessen von Flughafenanwohnern und die Belange der Benutzer des Flughafens, soweit sie schutzwürdig sind. Die Zulassung zum Nachtflugverkehr in der Zeitspanne zwischen 23:30 Uhr und 5:30 Uhr könnte die Antragstellerin nur verlangen, wenn jede andere Entscheidung abwägungsfehlerhaft wäre. Das ist nicht der Fall. Das allgemeine, nur für Ausnahmefälle durchbrochene Verbot der Durchführung gewerblichen Passagierluftverkehrs zwischen 23:30 und 5:30 Uhr lässt im Gegenteil keine Abwägungsfehler zu Lasten der Antragstellerin erkennen.
Die Antragstellerin benötigt nach ihren Angaben die Möglichkeit zum unbeschränkten Nachtflugverkehr zur Verwirklichung ihres Verkehrstagekonzepts, das sie an dem Nachfrageverhalten ihrer Kunden ausgerichtet hat. Diese fragten die Reisen so nach, dass sie durch An- und Abreise möglichst wenig Urlaubszeit einbüßten. Touristen, die den Mittelmeerraum, die Kanarischen Inseln, den Nahen Osten und die Türkei zum Ziel hätten, seien besonders daran interessiert, in den ersten Stunden des Urlaubstages zu reisen und ihren Zielort zu erreichen. Da sie schon den ersten Urlaubstag komplett nutzen wollten, müsse ihre Ankunft im Zielgebiet zwischen 8:00 Uhr und 9:00 Uhr liegen. Bei einer Flugdauer von zwei bis vier Stunden je nach Reiseziel seien termingerechte Ankünfte daher nur möglich, wenn die Abflüge in Deutschland vor 6:00 Uhr stattfänden. Das gleiche gelte spiegelbildlich für die Heimreise. Da auch der letzte Urlaubstag vollständig am Urlaubsort verbracht werden solle, endeten die Rückflüge oft erst in der Kernzeit der Nacht. Eine Rotation der Gäste über eine Nacht hinweg mit der Anreise der neuen Gäste am Abend und dem Rückflug abreisender Gäste erst am nächsten Morgen scheide aus. Wenn die ankommenden Gäste bereits am Reiseziel seien, die heimkehrenden Gäste aber erst am nächsten Morgen abflögen, müssten für eine einzige Nacht die doppelte Hotelkapazität und für den Bustransfer vom Hotel zum Flughafen die doppelte Buskapazität vorgehalten werden. Dies sei nicht möglich. Hinzu komme, dass an den Zielflughäfen vor allem in Griechenland, Spanien und der Türkei häufig keine Slots zur Verfügung stünden, die es erlaubten, unter Beachtung der von den Reiseveranstaltern und Kunden geforderten Ankunfts- und Abflugzeiten einen Teil der Flugbewegungen aus dem Kernbereich der Nacht bzw. aus der Nacht heraus in die Tagesrandstunden zu verlegen.
Das Nachfrageverhalten der Kunden bedinge, dass Flüge bei Nacht tendenziell teurer verkauft werden könnten als Flüge am Tag. Letztere seien aus Sicht gerade der Pauschalreiseveranstalter weniger interessant und deckten im Wesentlichen Nachfragespitzen ab. Ein marktfähiges Angebot könne in Zeiten sinkenden Realeinkommens und zunehmender Preissensibilität nur unterbreitet werden, wenn die Flugzeugkapazität effizient eingesetzt würde. Das sei der Grund für die so genannten Dreifachumläufe zu den Balearen, d.h. der Bedienung des Flughafens Palma de Mallorca mit drei Hin- und Rückflügen am Tag, bzw. die Zweifachumläufe zu anderen Zielgebieten. Die Realisierung dieser Umläufe erfordere die Inanspruchnahme der Nachtzeit. Fehlten die Nachtflugmöglichkeiten, seien touristische Anbieter in ihrer Existenz gefährdet. Dies gelte auch für sie, die Antragstellerin.
Der Antragsgegner hat die von der Antragstellerin angeführten Gründe für die Notwendigkeit der Abwicklung gewerblichen Passagierflugverkehrs in der Nachtzeit anerkannt (Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss S. 65). Die Ermittlungen der ProgTrans AG hätten ergeben, dass die Befriedigung von Nachfragespitzen zumindest in den Sommermonaten einer der Gründe dafür sei, dass am Flughafen Leipzig/Halle selbst in der Nachtkernzeit Passagierverkehr stattfinde. Ein anderer Grund sei die wirtschaftliche Notwendigkeit für die Fluggesellschaften, durch möglichst viele Umläufe ein maximales Ergebnis zu erzielen, um auf dem stark umkämpften Markt möglichst günstige Preise anbieten zu können. Weitere Gründe seien die Slotrestriktionen an den Urlaubsdestinationen sowie die Einbindung der Flüge (zumindest diejenigen mit einem hohen Pauschalreiseanteil) in die logistische Kette am Urlaubsort (Bustransfers, Gästewechsel in den Urlaubshotels). Der Antragsgegner hat diese Belange gegenüber dem Schutz der Nachtruhe der Bevölkerung, auf die nach § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen ist, als nachrangig angesehen, soweit der gewerbliche Passagierflugverkehr planmäßig in der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr durchgeführt werden soll. Das ist nicht zu beanstanden.
(1) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - (a.a.O. Rn. 71) herausgestellt, dass Verkehre, die keinen standortspezifischen Nachtflugbedarf wie etwa den für Express-Frachtflugverkehr für sich in Anspruch nehmen können, am Flughafen Leipzig/Halle in der Nachtkernzeit, d.h. zwischen 0:00 und 5:00 Uhr, nicht durchgeführt werden dürfen. Das besondere Gewicht der Lärmschutzbelange ergibt sich daraus, dass den Flughafenanwohnern durch den auf die Nachtstunden angewiesenen Frachtgutverkehr schon eine massive Beeinträchtigung ihrer Nachtruhe zugemutet wird. Einen standortspezifischen Nachtflugbedarf reklamiert die Antragstellerin nicht. Leistungen der Antragstellerin im Nachtflugverkehr werden nach den Ermittlungen der ProgTrans AG, die sich der Antragsgegner zu eigen gemacht hat, hauptsächlich von Urlaubsreisenden nachgefragt, bei denen die Ausnutzung von Urlaubstagen und günstige Preise im Vordergrund der Überlegungen stehen (Schlussbericht der ProgTrans AG vom 13. Juni 2007, S. 73). Das Interesse am Gewinn zusätzlicher Urlaubstage und ein ausgebildetes Kostenbewusstsein sind freilich nicht auf Passagiere beschränkt, die über den Flughafen Leipzig/Halle ihre Urlaubsziele anfliegen, sondern kennzeichnen in gleicher Weise auch Flugreisende an anderen Verkehrsflughäfen. Das Bestreben der Antragstellerin nach rentabelster Gestaltung ihres Flugverkehrs ist ebenfalls kein Umstand, der besonderen Verhältnissen des Flughafens Leipzig/Halle geschuldet ist. Vielmehr wird jedes gewerblich tätige Unternehmen an jedwedem Flughafenstandort um die größtmögliche Effizienz des Einsatzes seines Fluggeräts und -personals bemüht sein. Ein solches allgemeines Verkehrsbedürfnis reicht nicht aus, um dem gewerblichen Passagierluftverkehr die Möglichkeit zum Nachtflugbetrieb zu bieten, wenn dem ein auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gegründetes Schutzbedürfnis gegenübersteht (Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - a.a.O. Rn. 71).
Die Zwangspunkte, die durch die Slotknappheit an den Zielflughäfen und die logistischen Gegebenheiten am jeweiligen Urlaubsort gesetzt werden, rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme eines standortspezifischen Nachtflugbedarfs. Sie resultieren aus den Entwicklungen im Touristikflugverkehr. Da dessen Bedürfnisse nicht geeignet sind, einen standortspezifischen Nachtflugbedarf der Antragstellerin zu begründen, vermögen dies auch seine Begleit- und Folgeerscheinungen nicht zu tun.
Das Interesse der Flughafenanwohner, keinen Flugverkehr am Flughafen Leipzig/Halle dulden zu müssen, der in der Nachtkernzeit durchgeführt werden soll, für den es aber keinen standortspezifischen Nachtflugbedarf gibt, ist in der Abwägung mit gegenläufigen öffentlichen Verkehrsinteressen und wirtschaftlichen Belangen der Flughafennutzer nicht überwindbar. Denn die Lärmbetroffenen müssen schon den Frachtgutverkehr hinnehmen, dessen Abwicklung ihre Nachtruhe bis zur Grenze des Zumutbaren stört. Deshalb musste der Antragsgegner nicht ermitteln und in Rechnung stellen, ob und inwieweit die Durchführung von Flügen in der Nachtkernzeit für ein wettbewerbskonformes Angebot touristischer Verkehre unabdingbar ist, welche Bedeutung der Flughafen Leipzig/Halle für die Befriedigung touristischer Nachfrage in Mitteldeutschland hat, welche Betriebszeiten andere Verkehrsflughäfen im In- und Ausland haben, ob die ausgeschlossenen Verkehre sinnvoll an andere Flughäfen verlegt werden können, ob das Verbot vor allem in der Zeit vor 2:00 Uhr und nach 4:00 Uhr, in der hauptsächlich der Frachtverkehr abgewickelt wird, noch einen nennenswerten Schutzgewinn bringt und welche wirtschaftlichen Auswirkungen das Verbot für die Antragstellerin zeitigt. Er musste der Antragstellerin lediglich eine Frist einräumen, die es ihr ermöglicht, sich mit ihrem operativen Geschäft auf die veränderten Betriebsregelungen einzustellen. Dem ist er durch die Übergangsregelung in A. I. 4.7.14. des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses nachgekommen.
(2) Die Antragstellerin muss es auch hinnehmen, dass der Antragsgegner die Nachtrandzeiten (22:00 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr) nur im beschränkten Umfang für den gewerblichen Passagierflugverkehr freigegeben hat.
Die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung der für einen solchen Betrieb sprechenden Interessen mit den Lärmschutzinteressen der Anwohner im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG einer besonderen Begründung. Starts und Landungen von Flugzeugen im gewerblichen Passagierverkehr dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden gelegt werden. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass der Lärmschutz in den Nachtrandstunden nicht dasselbe hohe Gewicht wie für die Nachtkernzeit besitzt, die grundsätzlich von Flugaktivitäten frei zu halten ist. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchsetzen können. Solche für die Nutzung der Nachtrandzeiten sprechenden Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeugumlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abdecken kann. Dabei gilt, dass dem Lärmschutz ein umso höheres Gewicht beizumessen ist, je näher die zuzulassenden Flugbewegungen zeitlich an den Kernzeitraum heranrücken (Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - a.a.O. Rn. 73 f.).
Der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss hält sich an diese Vorgaben. Die Zeitfenster von 22:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr sind für den gewerblichen Passagierverkehr geöffnet, um zum einen sinnvolle Zubringerverkehre zu und von den für das Einzugsgebiet des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle bedeutsamen Drehkreuzen Frankfurt, München, London-Stansted, Wien und Palma de Mallorca und zum anderen eine effektive Flugzeugumlaufplanung der Fluggesellschaften zu ermöglichen. Verspätete Landungen und Starts sind sogar in der Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr und verfrühte Landungen in der Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr zulässig, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Der Senat vermag dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entnehmen, dass sie durch die Sperrung der Zeiträume zwischen 23:30 und 0:00 Uhr und zwischen 5:00 und 5:30 Uhr nachhaltig daran gehindert wird, ihre Flugzeugumläufe effektiv zu planen. Das dargestellte Beispiel für eine Zweifachrotation mit dem Umlauf Leipzig-Heraklion-Leipzig-Teneriffa-Leipzig, die nur möglich sein soll, wenn die Maschine um 5:00 Uhr den Flughafen Leipzig/Halle zum ersten Mal verlässt und ihn um 23:50 Uhr zum zweiten Mal anfliegt, scheint nicht der Realität entnommen zu sein. Die Antragstellerin (Code: DE) ist weder im Sommerflugplan 2007 noch im Winterflugplan 2007/2008, die dem Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss als Anlagen beigefügt sind, mit den genannten Planzeiten und Destinationen verzeichnet. Ihr Interesse, die Nachtrandzeiten in vollem Umfang für den Flugverkehr nutzen zu können, ist allgemeiner Natur. Als solches ist es nicht geeignet, die Lärmschutzinteressen der Flughafenanwohner zu überwinden. Im Übrigen dürfte eine effektive und sinnvolle Umlaufplanung auch dann möglich bleiben, wenn aufgrund eines Flugverbots von 23:30 Uhr bis 5:30 Uhr bestimmte Umläufe nicht realisiert werden können.
bb) Mit Gemeinschaftsrecht ist das partielle Nachtflugverbot vereinbar. Es steht namentlich im Einklang mit der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs vom 23. Juli 1992 (ABl. Nr. L 240) - Streckenzugangsverordnung -.
Nach Art. 3 Abs. 1 StreckenzugangsVO wird vorbehaltlich der Verordnung Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft von den betroffenen Mitgliedstaaten die Genehmigung erteilt, Verkehrsrechte auf Strecken in der Gemeinschaft auszuüben. Art. 2 Buchstabe f) StreckenzugangsVO definiert den Begriff "Verkehrsrecht" als das Recht eines Luftfahrtunternehmens zur Beförderung von Fluggästen, Fracht und/oder Post auf einem Flugdienst zwischen zwei Flughäfen der Gemeinschaft. Aus dieser Definition hat die Kommission abgeleitet, dass Art. 3 Abs. 1 StreckenzugangsVO es einem Luftfahrtunternehmen generell erlaubt, auf jedem Flughafen nach seinen eigenen kommerziellen Entscheidungen zu arbeiten (Entscheidung vom 14. März 1995, ABl. EG Nr. L 162, S. 25). Der Erwägung, behördlich verfügte Beschränkungen der Betriebszeiten eines Flughafens griffen nicht in Verkehrsrechte der Luftfahrtunternehmen ein, weil diese nicht Adressaten der Maßnahmen seien, hat sie eine Absage erteilt (Entscheidung vom 22. Juli 1998, ABl. EG Nr. L 233, S. 25): Anordnungen, die an den Flughafenunternehmer gerichtet seien und sich auf die tatsächliche und potentielle Ausübung von Verkehrsrechten durch Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft auswirkten, müssten sich an der StreckenzugangsVO messen lassen.
Ausgehend hiervon können auch Regelungen der Betriebszeiten eines Flughafens die Verkehrsrechte der Luftfahrtunternehmen beschränken. Ermächtigungsgrundlage für derartige Beschränkungen ist Art. 8 Abs. 2 StreckenzugangsVO, wonach die Ausübung von Verkehrsrechten den veröffentlichten gemeinschaftlichen, einzelstaatlichen, regionalen oder örtlichen Vorschriften in den Bereichen Sicherheit, Umweltschutz und Zuweisung von Start- und Landezeiten unterliegt.
Nach Auffassung der Kommission muss in der Situation des Art. 8 StreckenzugangsVO die getroffene Maßnahme u.a. anhand der allgemeinen Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs, d.h. der Kriterien der Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit, überprüft werden (Entscheidung vom 5. Dezember 2003, ABl. EG Nr. L 4, S. 13, Rn. 25). Das stimmt mit dem Judikat des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Januar 2001 - Rs. C-361/98 - (Slg. 2001 I-385) überein, wonach die StreckenzugangsVO auch darauf gerichtet ist, auf dem Gebiet des Luftverkehrs die Bedingungen für die Anwendung des namentlich in den Artikeln 59 bis 61 (jetzt: Art. 49 bis 51) EGV niedergelegten Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs festzulegen, damit sämtliche Fragen des Marktzugangs in ein und derselben Verordnung behandelt werden.
Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ist nicht ersichtlich. Das Nachtflugverbot führt zu keiner Wettbewerbsverzerrung. Da es für alle Unternehmen gilt, die auf dem Flughafen Leipzig/Halle in der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr gewerblichen Passagierflugverkehr durchführen wollen, belastet es alle in gleicher Weise. Die Ungleichbehandlung mit dem Frachtverkehr verzerrt den Wettbewerb nicht, da es sich bei dem Passagierverkehr und dem Frachtverkehr wegen der unterschiedlichen Transportleistungen um unterschiedliche Verkehre handelt, die zueinander nicht in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Mit der Definition des Flugdienstes in Art. 2 Buchstabe c) als ein Flug oder eine Folge von Flügen zur gewerblichen Beförderung von Fluggästen, Fracht und/oder Post erkennt die StreckenzugangsVO den Unterschied zwischen Passagier- und Frachtverkehr an (vgl. auch Art. 2 Buchstabe f). Eine Schlechterstellung von reinen Passagierflügen gegenüber Passagierflügen, auf denen als Beiladung Fracht transportiert wird, lässt der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss nicht zu. Er untersagt die Durchführung jeglichen gewerblichen Passagierverkehrs in der Zeit von 23:30 bis 5:30 Uhr. Das Verbot erfasst daher nicht nur reine Passagierflüge, sondern auch etwaige Flüge mit einem lediglich anteiligen Passagierverkehr. Erlaubt sind zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr Flüge von Luftfahrtunternehmen im gewerblichen Luftfrachtverkehr. Wie den Ausführungen in der Begründung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses zur Integrator-Expressfracht (C. II. 1.1.4., S. 33 - 36) und zur allgemeinen Luftfracht (C. II. 1.1.5., S. 36 - 41) zu entnehmen ist, ist mit Luftfrachtverkehr die Beförderung von Frachtgut durch Luftfrachtgesellschaften in Frachtflugzeugen und nicht auch der Transport beigeladener Fracht in Passagiermaschinen (sog. Belly-Fracht) gemeint. Da sich die Verkehrsarten Passagier- und Frachtflugverkehr vollständig voneinander trennen lassen, bestehen gegen ihre unterschiedliche Behandlung im Anwendungsbereich der verfügten Nachtflugbeschränkung unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots keine Bedenken.
Das partielle Nachtflugverbot verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Das Verbot ist zur Lärmreduzierung geeignet. Dagegen lässt sich nicht einwenden, der durch Passagierflugzeuge verursachte Lärm werde von dem Lärm der zurzeit noch lauteren Frachtflugzeuge überlagert und trage deshalb zum Niveau des Reallärms nichts bei. Fluglärm ist intermittierend auftretender Lärm, d.h. aufgrund ihres zeitlichen Abstands sind die einzelnen Fluggeräusche deutlich voneinander abgrenzbar (Basner/Isermann/Samel, Zeitschrift für Lärmbekämpfung 2005, 109 <111>). Weil aber jede Flugbewegung akustisch und unterscheidbar wahrnehmbar ist, bleibt der Senat bei seiner Aussage im Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - (a.a.O. Rn. 76), dass jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung und jeder Flug, der unterbleibt, eine Entlastung darstellt.
Das Verbot ist zum Schutz der Nachtruhe auch erforderlich. Mit dem Einsatz von Kapitel-4-Flugzeugen durch die Antragstellerin oder einer Begrenzung der Zahl der zulässigen Passagierflüge ist das Ziel des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, die Nacht soweit wie möglich von Lärm freizuhalten, nicht gleich wirksam zu erreichen; denn auch die Verwendung lärmarmen Fluggeräts oder eine Kontingentierung der Flugbewegungen kann die zusätzlichen Lärmbelastungen nicht verhindern.
Das Nachtflugverbot ist schließlich angemessen. Es verstößt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gegen das Konzept des ausgewogenen Ansatzes (balanced approach), der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2002/30/EG - Betriebsbeschränkungsrichtlinie - bei der Lösung von Lärmproblemen auf Flughäfen zu beschließen ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie wegen ihres Art. 2 Buchstabe a) nur für Flughäfen mit mehr als 50 000 Flugbewegungen ziviler Unterschallstrahlflugzeuge im Kalenderjahr unter Berücksichtigung des Durchschnitts der letzten drei Kalenderjahre vor der Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie auf den Flughäfen gilt, der Flughafen Leipzig/Halle diese Marke aber nicht erreicht. Unabhängig davon trifft es nicht zu, dass Maßnahmen des passiven Schallschutzes allein oder in Verbindung mit Einschränkungen des Passagierflugverkehrs, die ihn weniger als das partielle Nachtflugverbot belasten, den Lärmschutzinteressen der Anwohner des Flughafens Leipzig/Halle angemessen Rechnung tragen. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - (a.a.O. Rn. 75 f.) bereits dargelegt. Der Planfeststellungsbeschluss sieht in erheblichem Umfang, nämlich beim Frachtflugverkehr, gänzlich von nächtlichen Flugbetriebsbeschränkungen ab, setzt also keineswegs einseitig auf das Mittel des aktiven Lärmschutzes, sondern verfolgt im Gegenteil ein ausgewogenes, die in Betracht kommenden aktiven und passiven Schutzmaßnahmen differenziert einsetzendes Gesamtkonzept.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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