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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2002
Aktenzeichen: BVerwG 4 VR 9.02
Rechtsgebiete: FStrG
Vorschriften:
FStrG § 16 a |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 9.02 (4 A 16.02) (vormals VG 2 E 1065/02)
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 7. August 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Klage gegen die Anordnung von Vorarbeiten wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller, die Eigentümer eines Forstguts sind, wenden sich gegen die Anordnung von Vorarbeiten nach § 16 a FStrG.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 gab das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Eschwege den Antragstellern auf, Untergrunderkundungen in Form von Baugrundaufschlussbohrungen und Schürfungen auf ihren Grundstücken zu dulden. Dabei wurde der Betreff "Planfeststellungsvorbereitung für den geplanten Neubau der BAB A 44 Kassel-Eisenach ..." verwendet. Auf den Widerspruch der Antragsteller erließ das Amt unter dem 6. August 2001 einen neuen Bescheid, der bei im Übrigem gleichem Inhalt den Betreff "Vorarbeiten für den geplanten Neubau der BAB A 44 Kassel-Eisenach ..." enthielt. In seinem den Widerspruch zurückweisenden Bescheid vom 22. April 2002 ordnete das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen den sofortigen Vollzug an. Dabei führte es u.a. aus, auch Vorarbeiten für die Planung der Baudurchführung könnten auf § 16 a FStrG gestützt werden. Durch die jetzige Durchführung der Probebohrungen und Einrichtung der Messstellen ergebe sich voraussichtlich ein zeitlicher Gewinn von ca. sechs bis neun Monaten für die spätere Durchführung der Maßnahme.
Die Antragsteller haben beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Dieses hat den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
II.
1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 VerkBG erstinstanzlich zuständig. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats zutreffend erkannt. Hiervon ist der Senat auch für den weiter westlich liegenden Teilabschnitt der A 44 bei Hessisch-Lichtenau ausgegangen (Urteil vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Der unbedenklich zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat auch in der Sache Erfolg. Beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnis vermag der Senat nicht zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das öffentliche Interesse an der Durchführung der Vorarbeiten das entgegenstehende Interesse der Antragsteller an der ungestörten Nutzung ihrer Grundstücke überwiegt.
Nach § 16 a FStrG haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen durch die Straßenbaubehörde zu dulden. Vorliegend ist nicht weiter erörterungsbedürftig, dass es sich um Boden- und Grundwasseruntersuchungen etc. handelt. Fraglich ist indes, ob und in welchem Umfang die in den angegriffenen Bescheiden und den danach gewechselten Schriftsätzen näher umschriebenen Maßnahmen "zur Vorbereitung der Planung" notwendig sind.
2.1 Erster Anwendungsbereich der Regelung sind diejenigen Erkundungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um die für die Planungsarbeiten des Vorhabenträgers benötigten Erkenntnisse zu gewinnen. Denn der Vorhabenträger hat der Planfeststellungsbehörde in seinem Antrag umfassend die Gründe darzulegen, die ihn bewogen haben, sich für eine bestimmte Trasse und ihren Verlauf im Einzelnen - beispielsweise eine Brücke oder einen Tunnel - auszusprechen. Im Interesse eines bestmöglich erarbeiteten Abwägungsergebnisses wird Eigentümern auch dann die Duldung von Vorarbeiten angesonnen, wenn sich später herausstellt, dass ihre Grundstücke überhaupt nicht in Anspruch genommen werden. Auch nach Eingang des Antrags des Vorhabenträgers bei der Planfeststellungsbehörde kommen Vorarbeiten in Betracht. Insbesondere kann das Ergebnis der Einwendungen und ihrer Erörterung weitere Erkundungen gebieten. Die Auslegung der Planunterlagen bildet daher keine Zäsur, nach der Maßnahmen der Planungsvorbereitung nicht mehr möglich erscheinen (ebenso BVerwG, Beschluss vom 3. März 1994 - BVerwG 7 VR 4, 5. und 6.94 - NVwZ 1994, 483). Dies stellen auch die Antragsteller nicht in Frage.
Auf der anderen Seite besteht in der Verwaltungspraxis und im Schrifttum Einigkeit darüber, dass unter Vorarbeiten nicht solche Maßnahmen fallen, die bereits einen Teil der Ausführung des Straßenbauvorhabens selbst darstellen (vgl. Nr. 11 Abs. 1 Satz 4 der Planfeststellungsrichtlinien - PlafeR 99 - VkBl 1999, 511; Ronellenfitsch in: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl., Rn. 5 zu § 16 a FStrG; Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl., Rn. 319). Sobald der Planfeststellungsbeschluss erlassen ist, stellt er die Grundlage für die Duldung von Vermessungen und Untersuchungen dar; eines Rückgriffs auf § 16 a FStrG bedarf es dann nicht mehr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. August 1997 - BVerwG 4 VR 7.97 - n.v.). Unter bestimmten Voraussetzungen können auch diejenigen Erkundungsmaßnahmen von § 16 a FStrG gedeckt sein, die für die Erstellung ordnungsgemäßer Ausschreibungsunterlagen erforderlich sind. Denn mit der Ausschreibung späterer Baumaßnahmen wird noch nicht das Vorhaben selbst ausgeführt. Der Gesetzgeber hat das Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Umsetzung einer Richtlinie der EG mit eigenen Verfahrensschritten näher geregelt (vgl. § 97 ff. GWB). Dabei kommt auch eine Ausschreibung mit alternativen Lösungen in Betracht. Dem Senat sind Beispiele bekannt, in denen die Ausschreibung Projektalternativen erbringen sollte und erbracht hat, deren Auswirkungen auf Betroffene sich von denjenigen unterscheiden, die die eine andere Lösung verursacht hätte (vgl. hierzu beispielsweise den dem Urteil des Senats vom 9. November 2000 - BVerwG 4 A 51.98 - NVwZ 2001, 682 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 159 zu Grunde liegenden Sachverhalt). Daher können auch Vorarbeiten im Zusammenhang mit Planungen, die der Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen dienen, nach § 16 a FStrG gerechtfertigt sein. Ob dies hier der Fall ist, bedarf weiterer Aufklärung.
2.2 Zugleich fordert das Gesetz, dass Vorarbeiten notwendig sein müssen. Entsprechendes gebietet auch der mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies bestimmt sich auch nach dem Zeitpunkt oder dem Verfahrensstadium, in dem sie durchgeführt werden sollen. Die die Vorarbeiten anordnende Behörde muss daher die für eine derartige Anordnung sprechenden Gründe darlegen können. Dies gilt umso mehr, je stärker die Maßnahmen in das Eigentum oder ein anderes Recht eingreifen.
Vorliegend tragen die Antragsteller vor, die in den Auswirkungen noch nicht hinreichend einschätzbaren Maßnahmen führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der forstwirtschaftlichen und jagdlichen Nutzung ihrer Grundstücke. Die entsprechenden Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten umstritten und können in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats sind die Beeinträchtigungen für die Antragsteller nicht nur geringfügig; möglicherweise können die Auswirkungen allerdings durch weitere Absprachen gemildert werden.
Auf der anderen Seite vermochte der Antragsgegner den Senat nicht davon zu überzeugen, dass die erstmalig im Juni 2001 angeordneten Vorarbeiten gegenwärtig besonders dringlich wären. Dahingestellt mag bleiben, ob - wie die Antragsteller meinen - dagegen bereits spricht, dass der Widerspruchsbescheid erst im April 2002 erlassen wurde; denn dem gingen ersichtlich weitere Rückfragen und Nachforschungen voraus. Ausschlaggebend ist dagegen, dass der Antragsgegner nichts Substantielles dafür vorgetragen hat, warum der weitere Verfahrensablauf ohne die alsbaldige Durchführung der Vorarbeiten ins Stocken geraten könnte. Der Planfeststellungsbehörde liegt der Antrag des Vorhabenträgers vor. Dafür, dass der Vorhabenträger von sich aus - etwa als Reaktion auf Einwendungen - weitere Untersuchungen für erforderlich hält, ist nichts vorgetragen. Gegen die Planung sind auch von den Antragstellern umfangreiche Einwendungen erhoben worden, die auch die grundlegende Trassenführung betreffen. Über ihre Berechtigung oder auch nur ihr Gewicht kann im vorliegenden Verfahren nicht befunden werden. Die Erörterung der Einwendungen ist noch nicht abgeschlossen. In einer derartigen Situation bedürfte es besonderer Begründung für die Eilbedürftigkeit der vorgesehenen Erkundungsmaßnahmen. Dem genügt ein allgemeiner Hinweis auf die besondere Bedeutung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit nicht. Die weitere Aussage in der Anordnung des Sofortvollzugs, es ergebe sich ein "voraussichtlich zeitlicher Gewinn von ca. sechs bis neun Monaten, was die spätere Durchführung der Maßnahme angeht", ist vom Antragsgegner nicht weiter konkretisiert worden und geht nicht auf die zu erwartende zeitliche Abfolge im Planfeststellungsverfahren ein. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsgegner hierzu nichts vorgetragen.
Bei dieser Sachlage überwiegt gegenwärtig das Interesse der Antragsteller, von Maßnahmen auf ihren Grundstücken verschont zu bleiben, das entgegenstehende öffentliche Interesse an ihrer alsbaldigen Durchführung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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