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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 21/07
Rechtsgebiete: VermG, VwGO, LAG


Vorschriften:

VermG § 11 Abs. 6
VermG § 11a
VwGO § 137 Abs. 1
LAG § 342 Abs. 3
§ 11 Abs. 6 Satz 2 VermG ist entsprechend anzuwenden, wenn ein Kontoguthaben nach dem 1. Dezember 1994 an den insoweit nicht mehr berechtigten unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger ausgezahlt wird.
In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2008

durch

den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit,

die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und

den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Klägerinnen verpflichten darf, an den Entschädigungsfonds annähernd den Betrag zu zahlen, der ihnen nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung über das Kontoguthaben ihres Rechtsvorgängers ausgezahlt wurde.

Die Klägerinnen sind Rechtsnachfolgerinnen der 1989 verstorbenen Frau M.G., die ihrerseits die Witwe und Alleinerbin des 1966 verstorbenen Herrn W.G. war. Dieser war zu 50 v.H. Eigentümer der Firma Kleiderstoff-Fabrikation G. und Co. OHG. Der Betrieb und das dazugehörige Betriebsgrundstück wurden 1948 enteignet. Der Erlös aus der Liquidation der Firma und dem Grundstücksverkauf wurde auf ein zugunsten des Herrn W.G. geführtes, staatlich verwaltetes Konto bei der Staatsbank der DDR - Filiale Z. - eingezahlt.

Im Jahre 1990 übernahm die Gesellschaft für Kommunale Altkredite und Sonderaufgaben der Währungsumstellung mbH - GAW mbH - Berlin die Verwaltung des Kontos. Sie zahlte das vorhandene Kontoguthaben in Höhe von 10 141,75 EUR am 19. Februar 2002 an die Klägerinnen aus, nachdem diese zuvor erklärt hatten, ihnen bzw. ihren Rechtsvorgängern sei weder für das Konto noch für die Firma und das Betriebsgrundstück Lastenausgleich gewährt worden. Die Auszahlung wurde dem Bundesausgleichsamt durch die GAW mbH Berlin mit "Kontrollmitteilung (§ 11 Abs. 6 Satz 3 VermG)" vom 21. Februar 2002 angezeigt.

Mit "Verwaltungsinterner Mitteilung zur Verrechnung nach § 349 Lastenausgleichsgesetz (LAG) in Verbindung mit § 11 Abs. 6 VermG" vom 4. April 2002 setzte das Landratsamt R. als zuständige Lastenausgleichsbehörde das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen davon in Kenntnis, dass die Witwe des Herrn W.G. für den festgestellten Wegnahmeschaden am Betriebsvermögen der Kleiderstoff-Fabrikation G. und Co. OHG einschließlich des Betriebsgrundstücks Lastenausgleich erhalten hat. Es verwies insoweit auf den von ihm erlassenen Gesamtbescheid über die Zuerkennung von Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz aus dem Jahre 1977. Infolge der zwischenzeitlichen Auszahlung des Kontoguthabens müsse die seinerzeit gewährte Hauptentschädigung neu berechnet und die Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem jetzt errechneten Endgrundbetrag gemäß § 349 LAG zurückgezahlt werden. Der seinerzeit gewährte Zinszuschlag sei grundsätzlich nur teilweise zurückzuzahlen. Der lastenausgleichsrechtliche Rückforderungsbetrag belaufe sich auf 10 077,81 EUR.

Mit Bescheid vom 30. August 2002 verpflichtete das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen daraufhin die Klägerinnen nach vorheriger Anhörung, jeweils die Hälfte dieses Betrages an den Entschädigungsfonds zu zahlen. Rechtsgrundlage der Zahlungsverpflichtung sei § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG i.V.m. § 349 LAG. Die Auszahlung des Kontoguthabens gleiche den Schaden aus, für den seinerzeit Lastenausgleich gewährt worden sei. Demzufolge sei der Lastenausgleich nach § 349 LAG zurückzufordern. Der Erfüllung dieses Rückforderungsanspruchs diene der in § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG zugunsten des Entschädigungsfonds angeordnete gesetzliche Forderungsübergang. Danach sei der Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens am 1. Dezember 1994 auf den Entschädigungsfonds übergegangen. Die Klägerinnen seien damit im Zeitpunkt der Auszahlung Nichtberechtigte gewesen und müssten den an sie geleisteten Betrag zurückzahlen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2004 zurück. Es stützte die Zahlungsverpflichtung nunmehr auch auf § 816 Abs. 1 BGB. Der Einwand, die Witwe des Herrn W.G. habe die gewährte Hauptentschädigung verbraucht und sei zum Zeitpunkt ihres Todes vermögenslos gewesen, stehe dem Zahlungsanspruch des Entschädigungsfonds nicht entgegen. Dem lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsanspruch könne der Wegfall der Bereichung nicht entgegen gehalten werden. Nach § 349 Abs. 5 Satz 1 LAG seien auch die Erben der Empfänger von Ausgleichsleistungen zur Rückzahlung zuviel gewährter Ausgleichsleistungen verpflichtet.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Juni 2007 den Ausgangs- und Widerspruchsbescheid aufgehoben. Der Gesetzgeber habe in § 11 Abs. 6 VermG ein schlüssiges System vorgegeben, um in allen Fällen den Rückfluss des Lastenausgleichs zu gewährleisten. Vorliegend handele es sich um einen Anwendungsfall des § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG. Die Vorschrift greife nicht nur ein, wenn das Kontoguthaben vor ihrem Inkrafttreten am 1. Dezember 1994 ausgezahlt worden sei. Bei einer Auszahlung an den lastenausgleichsrechtlichen Rückzahlungspflichtigen könne die mit dem gesetzlichen Forderungsübergang in § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG bezweckte Verfahrensvereinfachung nicht mehr zum Tragen kommen. Damit der Staat auch in einem solchen Fall das ihm zustehende Geld erhalte, habe der Gesetzgeber angeordnet, dass es bei dem üblichen Verfahren der Rückforderung durch die Ausgleichsverwaltung nach den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes bleibe. Für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs- oder Bereicherungsanspruch des Entschädigungsfonds sei kein Raum.

Mit ihrer Revision hält die Beklagte an ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung fest, zu deren Begründung sie ergänzend ausführt, die Auszahlung des Kontoguthabens an die Klägerinnen stehe dem bereits zum 1. Dezember 1994 erfolgten gesetzlichen Forderungsübergang weder entgegen noch lasse sie ihn nachträglich entfallen. Vielmehr trete der Herausgabeanspruch gegen die im Zeitpunkt der Auszahlung nichtberechtigten Klägerinnen an die Stelle des Auszahlungsanspruchs.

Die Klägerin zu 1 verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klägerin zu 2 hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Der Vertreter des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht am Verfahren beteiligt.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Es verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), dass das Verwaltungsgericht einen - mit dem Inkrafttreten der Vorschriften in § 11 Abs. 6 VermG am 1. Dezember 1994 (Gesetz vom 27. September 1994, BGBl. I S 2624) erfolgten - Übergang des Anspruchs auf Auszahlung des Kontoguthabens auf den Entschädigungsfonds gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG verneint (1). Das Verwaltungsgericht hat aber im Ergebnis zu Recht entschieden, dass dem Entschädigungsfonds kein Zahlungsanspruch in Höhe des lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsbetrages gegen die Klägerinnen zusteht (§ 144 Abs. 4 VwGO). Hierfür fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Wird ein Kontoguthaben nach dem 1. Dezember 1994 an den infolge des gesetzlichen Forderungsübergangs nicht (mehr) berechtigten unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger ausgezahlt, hat allein die Lastenausgleichsbehörde gegen diesen in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG einen Anspruch darauf, dass der als Lastenausgleich gewährte Entschädigungsbetrag zurückgezahlt wird (2).

1.

Infolge der Aufhebung der staatlichen Verwaltung durch § 11a VermG zum 31. Dezember 1992 haben die Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen des Herrn W.G. zwar die Verfügungsbefugnis über das von der DDR zu seinen Gunsten eingerichtete Kontoguthaben erlangt. Der daraus resultierende Auszahlungsanspruch ist aber zum größten Teil gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG bereits mit Wirkung zum 1. Dezember 1994 auf den Entschädigungsfonds übergegangen und stand insoweit den Klägerinnen im Zeitpunkt der Auszahlung des Kontoguthabens am 19. Februar 2002 nicht mehr zu.

§ 11 Abs. 6 Satz 1 VermG ordnet den Übergang von Kontoguthaben und sonstigen privaten geldwerten Ansprüchen, die unter staatlicher Verwaltung standen und zum 1. Juli 1990 auf Deutsche Mark umgestellt worden sind, auf den Entschädigungsfonds an, soweit für sie Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz gezahlt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden, wenn - wie hier - ein Kontoguthaben als Surrogat an die Stelle eines von der DDR entzogenen und mit Lastenausgleich entschädigten Vermögensgegenstandes getreten ist (Urteil vom 18. Mai 2006 - BVerwG 3 C 29.05 - Buchholz 428 § 11 VermG Nr. 4). Zu Unrecht hat daher das Verwaltungsgericht angenommen, das Kontoguthaben sei nicht in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 1 auf den Entschädigungsfonds übergegangen.

An dem kraft Gesetzes eingetretenen Forderungsübergang ändert auch die zeitlich nachfolgende Auszahlung des Kontoguthabens an die Klägerinnen nichts. Dabei handelt es sich um einen Realakt, der den kraft Gesetzes eingetretenen Forderungsübergang nicht berührt. Das Gesetz enthält überdies keine Regelung, die den Übergang des Auszahlungsanspruchs im Falle einer Auszahlung des Kontoguthabens an den Nichtberechtigten für unwirksam erklärt. Auch eine Rückabtretung, die von den Klägerinnen mit dem Entschädigungsfonds hätte vereinbart werden müssen (§ 398 BGB), ist ersichtlich nicht erfolgt.

2.

Bei einer Auszahlung des Kontoguthabens nach dem 1. Dezember 1994 an den nicht mehr berechtigten unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger kann der Entschädigungsfonds aus § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG keine Rechte gegen den Auszahlungsempfänger herleiten. Vielmehr ist § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG entsprechend anzuwenden, der sich speziell zur Rückforderung des im Falle einer Doppelentschädigung zu Lasten der öffentlichen Hand zuviel gezahlten Betrages verhält. Danach ist Gegenstand der Rückforderung die nach dem Lastenausgleichsgesetz gewährte Hauptentschädigung für den Verlust eines Kontoguthabens oder eines sonstigen privatrechtlichen geldwerten Anspruchs (im Fall der unmittelbaren Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG) oder eines Vermögensgegenstandes, an dessen Stelle das Kontoguthaben als Surrogat getreten ist (im Fall der entsprechenden Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG). Zwar greift § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG dem Wortlaut nach nur bei einer Auszahlung des Kontoguthabens an den Berechtigten (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) ein. Die Vorschrift ist aber auf nach dem 1. Dezember 1994 vorgenommene Auszahlungsvorgänge entsprechend anzuwenden, in denen das Kontoguthaben als Folge des zu diesem Zeitpunkt bewirkten Gläubigerwechsels an den nicht mehr berechtigten unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger ausgezahlt wird. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Regelungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 VermG unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielsetzung. Die Rückabwicklung im lastenausgleichsrechtlichen Verhältnis ist systemgerecht und trägt den Besonderheiten der betroffenen Rechtsmaterien Rechnung.

§ 11 Abs. 6 VermG soll für die Aufhebung der staatlichen Verwaltung über Vermögenswerte in der Abwicklung Kostenausgleichs- und Vermögensrecht verzahnen. Hierfür unterscheidet die Norm für Kontoguthaben und entsprechende Ansprüche systematisch danach, ob sie dem Berechtigten bereits ausgezahlt worden sind. Anlass für die Einführung des § 11 Abs. 6 VermG mit Wirkung zum 1. Dezember 1994 war, dass bei Erlass des Gesetzes valutierende Kontoguthaben vorhanden waren, deren Auszahlung als Schadensausgleich im Sinne des § 342 Abs. 3 LAG anzusehen wäre und damit einen Rückforderungsanspruch nach Lastenausgleichsrecht ausgelöst hätte (vgl. BTDrucks 12/4887 S. 58). Dies hätte einen zweifachen Zahlungsvorgang erforderlich gemacht, nämlich zum einen die Auszahlung des Kontoguthabens an den Berechtigten und zum anderen die Rückzahlung der geleisteten Hauptentschädigung durch den Berechtigten an die Lastenausgleichsbehörde. Letztere hätte eine Neuberechnung der lastenausgleichsrechtlichen Ansprüche bedingt. Dieser Weg ist aufwändig und zudem mit dem Risiko der Durchsetzbarkeit des lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsanspruchs belastet (so bereits Urteil vom 18. Mai 2006 a.a.O.). Mit Rücksicht hierauf unterscheidet das Gesetz in § 11 Abs. 6 VermG zwei Fallgruppen, für die es eine unterschiedliche verfahrensrechtliche Abwicklung vorsieht.

Ist das Kontoguthaben noch nicht an den Berechtigten ausgezahlt worden, wird im Interesse einer raschen und reibungslosen Abwicklung in § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG der Übergang des Auszahlungsanspruchs auf den Entschädigungsfonds in Höhe des gezahlten Lastenausgleichs angeordnet. Im Ergebnis wird hierdurch der mangels endgültiger Einziehung bzw. Enteignung der Kontoforderung nur unvollständige Vermögensentzug durch die DDR in eine vollständige Entziehung umgewandelt. Infolgedessen fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Schadensausgleichs im Sinne des § 342 Abs. 3 LAG.

Ist das Kontoguthaben schon an den Berechtigten ausgezahlt worden, bleibt es dagegen gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG bei dem üblichen Verfahren. Die Auszahlung des Kontoguthabens ist ein Schadensausgleich im Sinne des § 342 Abs. 3 LAG. Dieser verpflichtet gemäß § 349 Abs. 1 LAG die Lastenausgleichsbehörde, die lastenausgleichsrechtlichen Ansprüche neu zu berechnen und die zuviel gewährten Ausgleichsleistungen zurückzufordern. Denn ohne vorhandenes Kontoguthaben fehlt es an einem für die beabsichtigte "gesetzliche Verrechnung des Auszahlungsanspruchs mit der lastenausgleichsrechtlichen Rückerstattungsverpflichtung" (vgl. BTDrucks a.a.O.) erforderlichen Verrechnungsgegenstand. Ein zweiter Zahlungsvorgang kann nicht mehr vermieden werden, nachdem der die lastenausgleichsrechtliche Rückforderung auslösende Zahlungsvorgang bereits stattgefunden hat.

§ 11 Abs. 6 VermG regelt allerdings seinem Wortlaut nach die Fälle nicht eindeutig, in denen der gesetzliche Forderungsübergang nicht beachtet und das Kontoguthaben nach dem 1. Dezember 1994 an einen nicht (mehr) berechtigten unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger ausgezahlt worden ist. Die insoweit bestehende Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG zu schließen. Denn auch die Auszahlung des Kontoguthabens an den nicht (mehr) berechtigten unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger ist ein Schadensausgleich im Sinne des § 342 Abs. 3 LAG. Mögliche Rückforderungsansprüche der auszahlenden Stelle ändern - jedenfalls bis zum Vollzug der Rückabwicklung - nichts daran, dass der lastenausgleichsrechtlich entschädigte Schaden nachträglich ganz oder teilweise ausgeglichen worden ist. Auch in diesem Fall ist eine Doppelentschädigung in Bezug auf das Kontoguthaben zu vermeiden. Zudem macht es für die durch § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG bezweckte Verfahrensvereinfachung keinen Unterschied, ob die Verrechnung daran scheitert, dass das Kontoguthaben vor oder nach dem 1. Dezember 1994 ausgezahlt wurde bzw. wird. Auch bei einer Auszahlung des Kontoguthabens nach dem 1. Dezember 1994 können die Vorteile der in § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG vorgesehenen verfahrensrechtlichen Abwicklung nicht mehr zum Tragen kommen.

Die entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG gebietet auch das Regelungssystem des § 11 Abs. 6 VermG. Damit wurde eine systematisch geschlossene, sondergesetzliche Regelung getroffen, um Doppelentschädigungen zu vermeiden, die einen Rückgriff auf allgemeine Erstattungs- und Bereicherungsregelungen ausschließt. § 11 Abs. 6 VermG sieht auch ansonsten keinen direkten Zugriff des Entschädigungsfonds auf den unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger vor. In den von Satz 1 erfassten Fallkonstellationen hat der Entschädigungsfonds lediglich einen Anspruch gegen die auszahlende Stelle. Es ist bereits entschieden, dass der kraft Gesetzes eintretende Anspruchsübergang sich nach dem klaren Wortlaut auf die erfassten Kontoguthaben bzw. die sonstigen privatrechtlichen Ansprüche bezieht, nicht aber auch einen lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsanspruch gegen den unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger erfasst. Denn Letzterer gelangt nach der Konstruktion des Gesetzes nicht zur Entstehung, wenn der Auszahlungsanspruch kraft Gesetzes auf den Entschädigungsfonds übergeht und das Kontoguthaben infolgedessen nicht an den unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger ausgezahlt wird (Urteil vom 18. Mai 2006 a.a.O.). Der lastenausgleichsrechtliche Rückforderungsanspruch nach § 349 LAG Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 342 Abs. 3 LAG, bei dem es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs handelt, ist vielmehr Gegenstand der Regelung des Satzes 2 und steht der Lastenausgleichsbehörde zu. Hätte der Gesetzgeber davon abweichend anstelle der Lastenausgleichsbehörde dem Entschädigungsfonds bei einer Auszahlung des Kontoguthabens nach dem 1. Dezember 1994 einen unmittelbaren Anspruch gegen den unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger einräumen oder zulassen wollen, hätte er eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage schaffen müssen. Daran fehlt es aber. Gegen einen unmittelbaren Zugriff des Entschädigungsfonds auf den unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger spricht bei einer systematischen, gesetzesübergreifenden Betrachtung auch, dass der Gesetzgeber mit dem zeitgleichen Erlass des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EntschG im Gegenteil zu erkennen gegeben hat, dass dem Entschädigungsfonds in den Fällen des nachträglichen Schadensausgleichs kein Durchgriff auf den unmittelbar Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger erlaubt sein soll. Der Entschädigungsfonds ist danach lediglich mittelbarer Nutznießer, indem die ab dem 1. Januar 1994 vereinnahmten Rückflüsse aus § 349 LAG vom Ausgleichsfonds auf ihn umgeleitet werden (vgl. BTDrucks a.a.O. S. 37). Die Rückabwicklung der sich im Nachhinein als nicht (mehr) gerechtfertigt erweisenden Vermögensverschiebung hat indessen im früheren lastenausgleichsrechtlichen Leistungsverhältnis stattzufinden. Dies ist die konsequente Folge davon, dass die lastenausgleichsrechtlichen Entschädigungsleistungen im Unterschied zu den vermögensrechtlichen Maßnahmen nur vorläufigen Charakter hatten. Sie standen von Anfang an unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei einer späteren Rückgabe oder Entschädigung des betreffenden Vermögenswertes (Beschluss vom 1. Februar 1996 - BVerwG 3 B 49.95 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 1).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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