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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.09.1999
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 22.99
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 92 a Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:

Die Kündigung der Krankenversicherung bei nachfolgendem Bezug von Krankenhilfe gemäß § 37 BSHG stellt grundsätzlich ein sozialwidriges Verhalten i.S. von § 92 a Abs. 1 Satz 1 BSHG dar.

Ist der Betroffene nicht mehr in der Lage, die Kosten der Krankenversicherung selbst aufzubringen, so muß er dem Sozialhilfeträger die Entscheidung überlassen, ob dieser die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 13 Abs. 2 BSHG übernehmen oder erst im Krankheitsfall Krankenhilfe nach § 37 BSHG leisten will.

Urteil des 5. Senats vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 22.99 -

I. VG Arnsberg vom 04.03.1996 - Az.: VG 9 K 7142/94 - II. OVG Münster vom 10.03.1998 - Az.: OVG 8 A 2314/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 22.99 OVG 8 A 2314/96

Verkündet am 23. September 1999

Müller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel und Dr. Franke

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1998 wird aufgehoben.

Ferner werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 4. März 1996 und der Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 1994 sowie der Widerspruchsbescheid vom 21. September 1994 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Der im Jahre 1957 geborene Kläger studierte seit dem Wintersemester 1978/79 Elektrotechnik an der Fachhochschule in H. und lebte im Haushalt seiner Mutter, die ein Renteneinkommen in Höhe von rund 1 700 DM bezog.

Im Dezember 1993 kündigte der Kläger seine freiwillige Krankenversicherung bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (im folgenden: AOK). In der Zeit vom 19. Februar bis zum 7. April 1994 wurde er in einem Hospital in H. wegen einer Trümmerfraktur des rechten Unterschenkels, die ihm ein unbekannter Dritter zugefügt hatte, stationär behandelt. Er bevollmächtigte das Krankenhaus, die anfallenden Behandlungskosten beim Sozialamt des Beklagten geltend zu machen. In einem Antrag auf Sozialhilfe vom 24. Februar 1994 gab er unter anderem an, daß er seine Krankenversicherung gekündigt habe, weil er als mittelloser Student nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Beiträge zu zahlen.

Nach der Entlassung des Klägers zahlte der Beklagte auf entsprechende Rechnung des Krankenhauses Behandlungskosten in Höhe von 16 442,40 DM direkt an dieses. Mit "Rücknahme- und Kostenersatzbescheid" vom 24. Juni 1994 forderte der Beklagte den Kläger unter Hinweis auf § 92 a BSHG zur Erstattung von Sozialhilfekosten mit der Begründung auf, daß der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe, denn er habe im Dezember 1993 seine freiwillige Krankenversicherung gekündigt, obwohl er von einer Mitarbeiterin der AOK auf die Folgen des fehlenden Krankenversicherungsschutzes hingewiesen worden sei. Aufgrund seines Bildungsstandes hätte er die Folgen einer fehlenden Krankenversicherung erkennen und entsprechende Schritte einleiten müssen. Es sei ihm möglich gewesen, im Dezember 1993 das Sozialamt aufzusuchen und die Übernahme der Krankenkassenbeiträge zu beantragen. Von einer Beitreibung der Forderung werde aufgrund des fehlenden Einkommens des Klägers derzeit unter dem Vorbehalt abgesehen, seine Leistungsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu überprüfen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die vom Kläger daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. März 1996 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Kündigung seiner Krankenversicherung durch den Kläger sei objektiv als sozialwidrig zu qualifizieren. Der nicht mehr versicherungspflichtige Kläger sei jahrelang freiwillig Mitglied bei der AOK gewesen und habe die Beiträge selbst entrichtet. Wenn jemand in dieser Lage seine Krankenversicherung kündige, setze er sich dem Vorwurf des sozialwidrigen Verhaltens aus. Denn anders als beispielsweise beim Erlöschen einer Krankenversicherung durch das Versäumen der Fristen für eine freiwillige Weiterversicherung komme in der bewußten Aufgabe des Versicherungsschutzes zum Ausdruck, daß die eigene Vorsorge aufgegeben und statt dessen auf die Leistungen der Solidargemeinschaft vertraut werde. Insoweit habe der Kläger selbst eingeräumt, daß er sich bei der Kündigung auf sein Recht auf Krankenhilfe verlassen habe.

Der Kläger habe die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe (Krankenhilfe) ferner durch schuldhaftes Verhalten, nämlich zumindest grob fahrlässig, herbeigeführt. In Anbetracht seiner langjährigen freiwilligen Versicherungszeit und seines Bildungsstandes als Student könne sich der Kläger unabhängig davon, ob und in welchem Umfang er bei Kündigung der Versicherung belehrt worden sei, nicht darauf berufen, daß ihm die Bedeutung einer Krankenversicherung und des von dieser ausgehenden Schutzes nicht bewußt gewesen sei. Wenn er bei diesem Kenntnisstand die Krankenversicherung dennoch kündige, stelle dies eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar. Denn jedem anderen hätte eingeleuchtet, daß es selbst für einen gesunden Menschen zumindest im Hinblick auf nie vermeidbare Unfälle sowie im Alter auftretende erhöhte Krankheitsanfälligkeit ein besonderes Risiko darstelle, den Krankenversicherungsschutz aufzugeben.

Der schwere Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers erfahre auch dadurch keine andere Bewertung, daß er nach eigenen Angaben nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Beiträge für seine freiwillige Krankenversicherung zu tragen. Denn Anhaltspunkte dafür, daß die Kündigung der Versicherung geradezu zwingende Folge einer Finanznot gewesen sei, die noch nicht einmal mehr die Gelegenheit zur Information beim Sozialamt gelassen habe, sei vom Kläger weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Da dieser jahrelang die Mitgliedsbeiträge selbst entrichtet habe, sei unerfindlich, warum dies plötzlich im Dezember 1993 nicht mehr möglich gewesen sein sollte, zumal zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ein Beitragsrückstand bestanden habe. Vielmehr deute die Argumentation des Klägers (Anspruch auf Krankenhilfe) im Zusammenhang damit, daß Anhaltspunkte für eine plötzliche finanzielle Notlage im Dezember 1993 nicht vorhanden seien, darauf hin, daß er in dem (Irr-)Glauben, im Krankheitsfall Anspruch auf (nicht rückzahlbare) Unterstützung durch die Solidargemeinschaft zu haben, die Krankenversicherung allein zum Zwecke der Ersparnis der Beiträge aufgegeben habe.

Mit Beschluß vom 10. März 1998 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen und ergänzend dargelegt: Soweit der Kläger zur Begründung seiner Ansicht, daß er sich nicht sozialwidrig verhalten habe, auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (vom 13. Februar 1991 - 4 L 190/89 - <FEVS 42, 417>) berufe, lasse sich diesem Urteil nichts zu seinen Gunsten entnehmen. In dem dort entschiedenen Fall gehe es darum, ob ein Hilfesuchender, bei dem kein Krankenversicherungsschutz vorhanden sei, sich sozialwidrig verhalte, wenn er sich nicht bei dem Sozialamt um die Gewährung von Krankenversicherungsschutz bemühe. Bei dem Kläger sei aber Krankenversicherungsschutz durch die AOK vorhanden gewesen. Das sozialwidrige Verhalten des Klägers sei vom Verwaltungsgericht zu Recht darin gesehen worden, daß er diesen vorhandenen Krankenversicherungsschutz gekündigt habe.

Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 92 a BSHG.

Der Beklagte macht sich die Ausführungen der Vorinstanzen zu eigen.

II.

Die Revision hat Erfolg. Zu Unrecht sind die Vorinstanzen der Auffassung, daß der Kläger infolge schuldhafter Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe heranzuziehen ist.

Gemäß § 92 a Abs. 1 Satz 1 BSHG ist zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe an sich selbst oder an seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Wie der Senat im Urteil vom 24. Juni 1976 - BVerwG V C 41.74 - (BVerwGE 51, 61 = Buchholz 436.0 § 92 a BSHG Nr. 2) ausgeführt hat, ist mit dem Erlaß des Bundessozialhilfegesetzes mit dem früheren Rechtszustand gebrochen worden, wonach der Unterstützte grundsätzlich aufgewendete Kosten zu ersetzen hatte, und die Kostenersatzpflicht ist mit der neuen gesetzlichen Regelung (§ 92 Abs. 2 BSHG F. 1961, § 92 a Abs. 1 BSHG F. 1969) auf einen "engen deliktähnlichen Ausnahmetatbestand" beschränkt worden. Es handelt sich um einen quasi-deliktischen Anspruch, weil der Ersatzanspruch von einem schuldhaften Verhalten des Ersatzpflichtigen abhängt (Urteil vom 30. August 1967 - BVerwG V C 192.66 - <BVerwGE 27, 319, 321>). Diese Bezeichnung bringt zum Ausdruck, daß das den Kostenersatzanspruch auslösende Verhalten nicht notwendig ein "rechtswidriges" im Sinne der unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) oder des Strafrechts sein muß. Das Erfordernis des "vorsätzlichen oder grob fahrlässigen" Verhaltens in § 92 a Abs. 1 Satz 1 BSHG ist vielmehr mit der Maßgabe zu lesen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe objektiv "sozialwidrig" herbeigeführt sein müssen. Schuldhaft (vorsätzlich oder grob fahrlässig) verhält sich ferner nur, wer sich der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewußt (oder grob fahrlässig nicht bewußt) ist (Urteil vom 24. Juni 1976 a.a.O.). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, ob ein Verhalten sozialwidrig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Heranziehung zum Kostenersatz als Mittel zur Durchsetzung des Nachrangs der Sozialhilfe die Ausnahme darstellt. Hieran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14. Januar 1982 - BVerwG 5 C 70.80 - (BVerwGE 64, 318 = Buchholz 436.0 § 92 a BSHG Nr. 4) dargelegt, daß eine Beschränkung auf Tatbestände wie Arbeitsscheu, Verschwendungssucht oder vergleichbare Verhaltensweisen zu eng sei. Ein Tun (Unterlassen) begründet einen Anspruch auf Kostenersatz des Trägers der Sozialhilfe (auch) dann, wenn es aus der Sicht der Gemeinschaft, die - was die Sicherstellung von Mitteln für eine Hilfeleistung in Notlagen angeht - eine Solidargemeinschaft ist, zu mißbilligen ist.

Nach diesen Grundsätzen kann sich die Kündigung der Krankenversicherung bei nachfolgendem Bezug von Krankenhilfe als sozialwidriges Verhalten darstellen. Krankheit ist bekanntermaßen eines der Hauptrisiken des Lebens, das jeden jederzeit unvorbereitet und mit beträchtlichen finanziellen Folgen treffen kann (so zutreffend OVG Berlin, Urteil vom 5. Juni 1980 - 6 B 98.78 - <FEVS 29, 138, 141>; OVG Lüneburg, Urteil vom 13. März 1985 - 4 A 64/83 - <FEVS 36, 196>). Deswegen muß, soweit keine Pflichtversicherung besteht, von dem nicht anderweit gesicherten Bürger erwartet werden, Vorsorge für den Krankheitsfall durch Krankenversicherungsschutz zu treffen oder diesen aufrechtzuerhalten. Mit Recht haben die Vorinstanzen es mißbilligt, wenn jemand einen vorhandenen Versicherungsschutz aufgibt und sich statt dessen auf sein Recht auf Krankenhilfe verläßt. Wer sich nicht krankenversichert, obwohl er finanziell dazu in der Lage ist, hat die Folgen dieses Verhaltens selbst zu tragen. Nimmt er die von der Allgemeinheit für den Notfall zur Verfügung gestellten Mittel in Anspruch, so trifft ihn eine Ersatzverpflichtung. Auch wenn jemand für den Krankheitsfall etwa durch finanzielle Rücklagen eigenständig Vorsorge trifft, so ist es gerechtfertigt, daß er, sollte diese Vorsorge im Krankheitsfall nicht ausreichen und er auf Sozialhilfe in Form von Krankenhilfe angewiesen sein, diese nach § 92 a BSHG im Wege der finanziellen Nachsorge zu ersetzen hat.

Zu Unrecht meint die Revision demgegenüber, das Verhalten des Klägers sei "wertungsmäßig nicht ursächlich" gewesen für die Gewährung der Sozialhilfe an ihn, weil die Aufgabe des Versicherungsschutzes allein noch nicht dazu geführt habe, daß Heilungskosten entstanden seien, sondern erst der "eigentlich unwahrscheinliche" Umstand einer dem Kläger zugefügten Körperverletzung. Indessen kommt es nicht auf die Verursachung der Heilungskosten an, sondern auf die Verursachung der Sozialhilfeleistung. An der Kausalität der Kündigung der Krankenversicherung für die Hilfebedürftigkeit des Klägers kann aber auch angesichts der Mitverursachung durch die Verletzung des Klägers kein Zweifel bestehen.

Aber auch, soweit der Kläger meint, sein Verhalten sei wegen der Unvorhersehbarkeit der Verletzung durch einen Dritten nicht sozialwidrig, kann dem nicht gefolgt werden. Nicht nur derjenige, der bereits erkrankt ist oder der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung bereits absehen kann und gleichwohl ohne sonstige Vorsorge die Krankenversicherung kündigt, handelt sozialwidrig, sondern grundsätzlich auch der, der den Versicherungsschutz in der Hoffnung aufgibt, daß keine Krankheit auftritt, deren Kosten er nicht bestreiten kann. Auch wer jung und gesund ist, handelt leichtfertig, wenn er ausschließlich auf seine fortdauernde Gesundheit vertraut. Das Handeln eines Schädigers ist regelmäßig ebensowenig konkret vorhersehbar wie etwa ein Unfall oder eine plötzliche Erkrankung. Hier wie dort wird die Hilfebedürftigkeit nach der Aufkündigung des Krankenversicherungsschutzes durch das Hinzutreten einer vom Willen des Betroffenen unabhängigen Ursache herbeigeführt.

Allerdings war die Aufgabe des Krankenversicherungsschutzes durch den Kläger durch seine finanzielle Leistungsschwäche bedingt. Die Vorinstanzen haben zur finanziellen Situation des Klägers festgestellt, daß er als Student im Haushalt seiner Mutter lebe, die ein Einkommen von rund 1 700 DM habe. Aus den Angaben des Klägers, wie sie aus der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Behördenakte ersichtlich sind, ergibt sich, daß er selbst kein eigenes Einkommen hatte; andererseits steht aber aufgrund eines Aktenvermerks des Beklagten vom 29. Juli 1994 fest, daß der Kläger für seinen Versicherungsschutz zuletzt hatte monatlich 179,70 DM zahlen müssen. In einem solchen Fall, in dem der Betroffene nicht in der Lage ist, die Kosten der Krankenversicherung selbst aufzubringen, darf er allerdings unter dem Aspekt des § 92 a BSHG nicht selbst entscheiden, ob er sogleich die Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 13 BSHG beantragt oder erst im Bedarfsfall um Krankenhilfe gemäß § 37 BSHG nachsucht. Wie der vorliegende Fall zeigt, besteht auch für junge, gesunde Menschen wie den Kläger jederzeit das Risiko, an einer kostenaufwendigen Krankheit zu erkranken oder einen hohe Krankenkosten verursachenden Unfall zu erleiden, weshalb es demjenigen zusteht, über die finanzielle Vorsorge für einen solchen Fall zu entscheiden, der die Kosten dafür trägt. Da der Hilfebedürftige die Mittel für eine Versorgung im Krankheitsfall nicht selbst aufbringen kann, obliegt es nicht ihm, zwischen Hilfe nach § 13 BSHG und Hilfe nach § 37 BSHG zu wählen. Vielmehr muß er es dem Sozialhilfeträger, der die Mittel für seine Versorgung im Krankheitsfall aufbringt, überlassen, ob dieser schon vor Eintritt eines Krankheitsfalles die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung als Ermessensleistung (§ 13 Abs. 2 BSHG) übernehmen oder erst im Krankheitsfall Krankenhilfe nach § 37 BSHG leisten will. Wer dem Sozialhilfeträger diese Entscheidung nicht ermöglicht, handelt im Sinne von § 92 a BSHG sozialwidrig, weil er mit seiner Entscheidung dem Sozialhilfeträger die Möglichkeit einer für die Solidargemeinschaft günstigen finanziellen Risikovorsorge nimmt.

Im konkreten Streitfall ist allerdings zu beachten, daß der Kläger wegen § 26 BSHG als Student keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hatte, ihm also Sozialhilfe für seine Krankenversicherungsbeiträge nicht zustand. Der in Rede stehende Bedarf betrifft einen sogenannten ausbildungsbedingten Bedarf. Darunter ist ein Bedarf zu verstehen, der regelmäßig während einer Ausbildung anfällt. Das ist neben dem eigentlichen Ausbildungsbedarf vor allem der notwendige Lebensunterhalt des Auszubildenden. Zu diesem Bedarf gehört auch die Aufrechterhaltung einer Krankenversicherung, denn sie stellt eine typische Vorsorgemaßnahme dar, die regelmäßig jedermann trifft. Auch ist in § 13 Abs. 2 a BAföG ein Zuschuß zur Krankenversicherung vorgesehen. Mithin soll dieser Bedarf nur über das spezielle Ausbildungsförderungsrecht berücksichtigt werden dürfen; eine Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz scheidet daher grundsätzlich aus (zutreffend OVG Hamburg, Urteil vom 9. Juli 1993 - Bf IV 20/92 - <FEVS 45, 7>). Der Anspruchsausschluß des § 26 Abs. 1 BSHG bezieht sich auch auf die Hilfe nach § 13 BSHG, denn die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen gehört zur Hilfeart "Hilfe zum Lebensunterhalt", wie sich aus der Stellung der Vorschrift im Abschnitt 2 des Bundessozialhilfegesetzes ergibt. Angesichts der extrem hohen Semesterzahl scheidet im Fall des Klägers auch die Annahme eines besonderen Härtefalles aus, der in begründeten Ausnahmen die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 26 Satz 2 BSHG ermöglicht. Da der Kläger beim Sozialamt die Übernahme seiner Krankenversicherungsbeiträge sonach nicht erreichen konnte, verhielt er sich nicht sozialwidrig, daß er es nicht versuchte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.



Ende der Entscheidung

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