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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.11.1999
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 23.99
Rechtsgebiete: SchwbG F. 1986, SGB X, KSchG


Vorschriften:

SchwbG F. 1986 § 5
SchwbG F. 1986 § 17 Abs. 2 Satz 1
SGB X § 20
SGB X § 41 Abs. 1 Nr. 5
SGB X § 41 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
Leitsätze:

1. Die Einholung der Stellungnahme des Arbeitsamtes im Verfahren über den Sonderkündigungsschutz nach dem Schwerbehindertengesetz kann von der Hauptfürsorgestelle im Widerspruchsverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt werden.

2. Die Hauptfürsorgestelle kann, wenn die vom Arbeitsamt angeforderte Stellungnahme innerhalb gesetzter oder angemessener Frist nicht eingeht, auch ohne sie über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten entscheiden.

Urteil des 5. Senats vom 11. November 1999 - BVerwG 5 C 23.99 -

I. VG Köln vom 05.03.1997 - Az.: VG 21 K 5026/95 - II. OVG Münster vom 10.03.1999 - Az.: OVG 24 A 2164/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 23.99 OVG 24 A 2164/97

Verkündet am 11. November 1999

Müller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel und Dr. Franke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Der 1943 geborene, in N. wohnhafte Kläger, Diplom-Volkswirt, ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50%. Er war seit 1978 bei der Beigeladenen in K. in der EDV-Anwendungs-entwicklung mit außertariflicher Vergütung (Vertragskreis A) tätig. Die Beigeladene ist die Holding-Gesellschaft der D.-Gruppe. Sie bildet mit insgesamt 16 in K. ansässigen, rechtlich verselbständigten Tochterunternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, dessen einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten bei der Beigeladenen liegt.

Am 27. Dezember 1993 beantragte die Beigeladene die Zustimmung des Beklagten zu der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers aus betrieblichen Gründen: Die konjunkturelle Lage zwinge den Konzern zu schwerwiegenden Kostensenkungsmaßnahmen einschließlich Personaleinsparungen. Bei der Beigeladenen kämen Gründe der strukturellen Straffung zugunsten der operativen Geschäftsbereiche hinzu; daraus ergebe sich bei ihr eine Personalreduzierung von insgesamt 62 Mitarbeitern. Der bisherige Arbeitsplatz des als "Projektleiter Organisation" eingesetzten Klägers entfalle durch Neuorganisation und Projektreduzierung. Die Grunddatenpflege und Systembetreuung EDOK - mehr als 80% der Aufgabenstellung des Klägers - entfalle in Zukunft völlig; die restlichen verbleibenden Aufgaben würden auf andere Mitarbeiter verteilt. Eine der Funktion des Klägers vergleichbare Funktion im außertariflichen Vertragskreis A sei im gesamten Gemeinschaftsbetrieb nicht gefunden worden. Dem trat der Kläger vor allem mit der Begründung entgegen, die Betreuung der Systeme EDOK und BDOK entfalle tatsächlich nicht, sondern solle nur auf andere, bereits ohne die neuen Aufgaben überlastete Mitarbeiter verteilt werden.

Nach Einholung von Stellungnahmen der Schwerbehindertenvertretung, des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebes sowie des Arbeitsamtes K. - dieses erhob gegen die beabsichtigte Kündigung aus arbeitsmarktlichen Gründen Bedenken - und erfolgloser Kündigungsverhandlung stimmte die Hauptfürsorgestelle mit Bescheid vom 25. Mai 1994 der Kündigung zu: Die unternehmerische Entscheidung der Beigeladenen, die vom Kläger betreuten EDV-Projekte nur noch in sehr verringertem Umfange fortzuführen und die verbleibenden Aufgaben auf andere Mitarbeiter zu verteilen, sei angesichts des glaubhaft gemachten Produktions- und Umsatzrückgangs nicht offensichtlich willkürlich, unsachlich oder unvernünftig. Es könne auch kein Fehler in der Sozialauswahl nachgewiesen werden, da aufgrund des geltenden Sozialplans nur Mitarbeiter verglichen werden könnten, die der gleichen Vergütungsgruppe angehörten.

Die Beigeladene kündigte daraufhin am 20. Juni 1994 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 1994, während der Kläger gegen die Zustimmung Widerspruch erhob. Unter dem 15. Februar 1995 forderte der Beklagte auch von dem für den Wohnsitz des Klägers zuständigen Arbeitsamt M. eine Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 2 SchwbG an. Diese Anforderung blieb ohne Antwort. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 1995 wies der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten den Widerspruch zurück: Trotz der langjährigen unbeanstandeten Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen, seiner Schwerbehinderteneigenschaft und der zu erwartenden erheblichen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt sowie der Tatsache, daß im Betrieb bzw. im Gemeinschaftsbetrieb der Beigeladenen die Verpflichtung zur Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht in ausreichendem Maße erfüllt sei, habe die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erteilt werden müssen. Denn die Beigeladene habe aufgrund einer nicht offensichtlich willkürlichen unternehmerischen Entscheidung beschlossen, nicht unbedingt notwendige Aufgaben einzusparen und damit Personalkosten freizusetzen. Eine Umsetzungsmöglichkeit auf einen anderen freien behinderungsgerechten Arbeitsplatz sei weder im Betrieb der Beigeladenen noch im Gemeinschaftsbetrieb vorhanden. Ferner stehe zur Überzeugung des Widerspruchsausschusses fest, daß die Beigeladene die bei betriebsbedingter Kündigung erforderliche soziale Auswahl nach fürsorgerischen Gesichtspunkten nicht sachwidrig betrieben habe.

Der daraufhin vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung stattgegeben, die Haupt-fürsorgestelle sei bei ihrer Ermessensentscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt (1337 statt 5000 Beschäftigten im Zeitpunkt der Antragstellung) ausgegangen. Mit der Zahl der Beschäftigten falle der relative Personalkostenaufwand für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers und damit auch das betriebswirtschaftliche Gewicht einer Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten bei der Interessenabwägung. Auf die Berufung der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht dagegen die Klage abgewiesen, und zwar im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Der Beklagte habe die Zustimmung zur Kündigung des Klägers verfahrensfehlerfrei erteilt. Die Aufforderung des für den Wohnort des Klägers zuständigen Arbeitsamtes zur Stellungnahme im Widerspruchsverfahren sei noch rechtzeitig gewesen. Daß dieses Arbeitsamt auf die Aufforderung nicht reagiert habe und der Beklagte seine Entscheidung ohne die angeforderte Stellungnahme getroffen habe, sei unschädlich, da der Beklagte davon ausgegangen sei, daß arbeitsmarktliche Bedenken gegen die Kündigung bestünden. Auch materiellrechtlich sei die Kündigungszustimmung als Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Dafür, daß der Beklagte eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn ihm die tatsächliche Zahl der Mitarbeiter des Gemeinschaftsbetriebes bekannt gewesen wäre, gebe es keine Anhaltspunkte. Für die Erwägungen des Beklagten habe angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation der D.-Gruppe und dem daraus folgenden Kostendruck die relative Kostenlast aus der Beschäftigung eines Schwerbehinderten keine Rolle gespielt und sei es letztlich unerheblich gewesen, ob der Gemeinschaftsbetrieb 1337 oder 5000 Arbeitsplätze gehabt habe. Auch bei der Frage nach freien Arbeitsplätzen habe dies keine Rolle gespielt, da der Beklagte sich seine Überzeugung aufgrund von Stellungnahmen gebildet habe, die auf den Gemeinschaftsbetrieb bezogen gewesen seien. Der Beklagte sei auch nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Arbeitsplatz des Klägers sei aus Kostengründen im Wege der Rationalisierung und Umstrukturierung weggefallen. Ebenso habe der Beklagte zutreffend festgestellt, daß für den Kläger kein vergleichbarer Arbeitsplatz im Gemeinschaftsbetrieb frei gewesen sei. Auf dieser zutreffend ermittelten Grundlage sei die Ermessensentscheidung nicht fehlerhaft. Der Beklagte habe die persönliche Lage des Klägers gewürdigt und gegen die Interessen des Gemeinschaftsbetriebes gewogen. Die vom Betrieb getroffene Sozialauswahl habe der Beklagte allenfalls auf eine offensichtliche Unrichtigkeit zu überprüfen gehabt. Die - auf detaillierter Prüfung beruhende - Entscheidung des Beklagten zur sachgerechten sozialen Auswahl verletze keine Rechte des Klägers.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Er rügt Verletzung von § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG und des materiellen Rechts. Die Hauptfürsorgestelle des Beklagten habe ihr Ermessen aufgrund eines unzutreffenden Sachverhalts fehlerhaft ausgeübt. Entgegen der Annahme des Berufungsurteils sei die Anzahl der im Betrieb Beschäftigten sehr wohl abwägungserheblich, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt der relativen Kostenlast als auch unter dem der Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten.

Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Hauptfürsorgestelle des Beklagten habe ihr Ermessen nach § 15 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbe-hindertengesetz - SchwbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I S. 1421) frei von Verfahrensfehlern und materiellen Ermessensfehlern ausgeübt, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG die Hauptfürsorgestelle in Fällen, in denen für den Sitz des Betriebes und den Wohnort des Schwerbehinderten verschiedene Arbeitsämter zuständig sind, verpflichtet, von beiden Arbeitsämtern eine Stellungnahme einzuholen (BVerwGE 99, 262 und Beschluß vom 13. August 1996 - BVerwG 5 B 79.96 - <Buchholz 436.61 § 17 SchwbG Nr. 6>). Dem ist die Hauptfürsorgestelle - was die Einholung der Stellungnahme des Wohnsitzarbeitsamtes anbelangt - zwar erst im Widerspruchsverfahren nachgekommen. Zu Recht ist aber das Berufungsgericht der Ansicht, daß dies noch rechtzeitig war. Bezüglich der von § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG ebenfalls geforderten Einholung der Stellungnahme des Betriebsrates hat der Senat bereits entschieden, daß die unterlassene Verfahrenshandlung mit heilender Wirkung im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden kann (BVerwG, Beschluß vom 10. Februar 1997 - BVerwG 5 B 108.96 - <Buchholz 436.61 § 17 SchwbG Nr. 7>). Für die Einholung der Stellungnahme des Arbeitsamtes gilt nichts anderes (ebenso OVG Münster, Urteil vom 9. Dezember 1983 - OVG 8 A 2632/83 - <AP Nr. 1 zu § 14 SchwbG a.F.> und die einhellige Meinung in der Literatur: vgl. statt vieler Etzel, in: KR, 5. Aufl. 1998, §§ 15-20 SchwbG Rn. 76; Großmann, in: GK-SchwbG 1992, § 17 Rn. 111 m.w.N.). Das ergibt sich aus § 41 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 SGB X; insoweit abweichende Regelungen i.S. des § 37 Satz 1 SGB I enthält das Schwerbehindertengesetz als besonderer Teil (Art. II § 1 Nr. 3 SGB-AT) nicht. Sie folgen auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG, der Hauptfürsorgestelle die für ihre Entscheidung erforderliche Kenntnis der Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Vermittlungsprognose des Arbeitsamtes für den betroffenen Schwerbehinderten zu vermitteln (vgl. hierzu BVerwGE 26, 145 <147>; 99, 262 <265>). Denn die Ermessensentscheidung der Hauptfürsorgestelle gewinnt erst durch den Bescheid des Widerspruchsausschusses ihre abschließende Gestalt, so daß die Einholung von Stellungnahmen des Arbeitsamtes vor Erlaß des Widerspruchsbescheides nicht zu spät kommt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus BVerwGE 26, 148. Dort ist nur die erst im Berufungsverfahren herbeigeführte Äußerung des Arbeitsamtes als verspätet bezeichnet worden.

Zu Unrecht wirft die Revision dem Berufungsgericht vor, es habe Wortlaut und Sinn des § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG dadurch verkannt, daß es eine Entscheidung der Hauptfürsorgestelle über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung des Schwerbehinderten zugelassen habe, ohne daß die angeforderte Stellungnahme des Arbeitsamtes eingegangen sei. Soweit die Revision sich zur Richtigkeit ihrer Auffassung auf die "parallele Rechtsvorschrift" des § 102 BetrVG beruft, übersieht sie, daß der Arbeitgeber dort das vorgeschriebene Anhörungsverfahren lediglich ordnungsgemäß einleiten, nach Ablauf der dem Betriebsrat eingeräumten Frist aber auch ohne die Stellungnahme des Betriebsrats kündigen kann; denn nach fruchtlosem Fristablauf gilt die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt (§ 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG).

Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG selbst ist keineswegs so eindeutig, wie die Revision behauptet. Der Befehl des Gesetzes, eine Stellungnahme des Arbeitsamtes einzuholen, kann - ebenso wie der in § 17 Abs. 2 Satz 2 SchwbG ausgesprochene Auftrag, den Schwerbehinderten zu hören - sowohl auf die verfahrensrechtliche Tätigkeit als solche bezogen verstanden werden als auch auf ihren Erfolg. Ob dem Gesetz bereits durch die verfahrensrechtliche Tätigkeit oder erst durch den Eingang der Stellungnahme und ihre Verwertung Genüge getan ist, läßt sich deshalb erst unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung und unter Berücksichtigung ihres systematischen Umfelds beurteilen.

Die Pflicht zur Einholung von arbeitsamtlichen Stellungnahmen ist eine spezialgesetzliche Ausprägung der in § 20 SGB X allgemein geregelten Amtsermittlungspflicht. Die Hauptfürsorgestelle hat - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (BVerwGE 48, 264 <268>; 90, 287 <294>; 99, 336 <338>) - nach § 20 SGB X, anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers und von ihm ausgehend, von Amts wegen all das zu ermitteln, was erforderlich ist, um die gegensätzlichen Interessen von Arbeitgeber und schwerbehindertem Arbeitnehmer gegeneinander abwägen zu können. Dabei stellt das Gesetz die Hauptfürsorgestelle unter Zeitdruck: Sie soll die Entscheidung über die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung innerhalb eines Monats vom Tage des Antrages an treffen (§ 18 Abs. 1 SchwbG); bei außerordentlicher Kündigung hat sie sogar nur zwei Wochen Zeit, anderenfalls wird ihre Zustimmung fingiert (§ 21 Abs. 3 SchwbG). Vor diesem Hintergrund dient die Einholung von Stellungnahmen der in § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG genannten sachverständigen Behörden und Stellen dem Ziel, das Abwägungsmaterial für die interessenwägende Ermessensentscheidung der Hauptfürsorgestelle möglichst schnell und umfassend zur Verfügung zu stellen. Die Stellungnahme des Arbeitsamtes ist dabei hauptsächlich in dem Sinne für die Willensbildung der Hauptfürsorgestelle entscheidend, als ihr dadurch die erforderliche Kenntnis der Lage auf dem Arbeitsmarkt vermittelt wird und als sie dadurch die Ansicht des Arbeitsamtes über die Vermittlungsfähigkeit des Schwerbehinderten erfährt (BVerwGE 26, 145 <147>; 99, 262 <265>).

Andererseits gibt das Gesetz der Hauptfürsorgestelle trotz des Zeitdrucks, unter den sie bei ihrer Entscheidung über die Zustimmung gesetzt ist, keinerlei Befugnisse, die Abgabe der Stellungnahme durch das Arbeitsamt zu erzwingen. Ebensowenig bindet das Schwerbehindertengesetz, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle an das Vorliegen oder den Inhalt der Stellungnahme des Arbeitsamtes. Es läßt vielmehr die Entscheidungsverantwortung für die Zustimmung bei der Hauptfürsorgestelle, deren Entscheidung folglich auch nicht durch die Verweigerung oder das Ausbleiben einer behördlichen Mitwirkungshandlung bei der Informationsbeschaffung blockiert werden kann. Damit erweist sich die Anforderung der Stellungnahme lediglich als spezialgesetzlich geregeltes, formalisiertes Mittel der Informationsbeschaffung, das zwar von der Hauptfürsorgestelle ergriffen werden muß, das aber, wenn es nicht zum Erfolg führt, die allgemeinen Regeln des Sozialverwaltungsverfahrens zum Tragen bringt. Das bedeutet, daß die Hauptfürsorgestelle nach Fruchtlosigkeit der Anforderung der Stellungnahme aufgrund des § 20 Abs. 1 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen und nach Lage des Einzelfalles darüber entscheidet, ob sie andere Mittel der Informationsbeschaffung nach § 21 SGB X (vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 11. Juni 1992 - BVerwG 5 B 16.92 - <Buchholz 436.61 § 15 SchwbG Nr. 5>) einsetzen muß oder sich selbst eine sachgerechte Beurteilung der Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Vermittlungsfähigkeit des von der Kündigung bedrohten Schwerbehinderten zutrauen kann.

Auch das Schrifttum ist einhellig der Auffassung, daß die Hauptfürsorgestelle, wenn die Stellungnahme innerhalb gesetzter oder angemessener Frist nicht eingeht, auch ohne sie entscheiden kann (Etzel, a.a.O. Rn. 73; Großmann, a.a.O. Rn. 112; Cramer, SchwbG, 5. Aufl. 1998, § 17 Rn. 6 ; Gröninger/Thomas, SchwbG, Stand: Juni 1998, § 17 Rn. 4; Neumann/Pahlen, SchwbG, 9. Aufl. 1999, § 17 Rn. 19; Dörner, SchwbG, Stand: 31. Mai 1999, § 17 Anm. II 2; Weber, SchwbG, Stand: Oktober 1998, § 17 Anm. 6 a; Thieler, SchwbG 1987, § 17 Rn. 12; Neubert/Becke, SchwbG, 2. Aufl. 1986, § 17 Rn. 7; Wahrendorf, BB 1986, 523; Zanker, BehR 1987, 25 <26>). Soweit dabei zusätzlich zum Fristablauf eine erfolglose Anmahnung verlangt wird (so z.B. Großmann, Cramer, Neumann/Pahlen, Neubert/Becke und wohl auch Etzel, jeweils a.a.O.), wird hierfür weder eine Begründung gegeben noch ist sie ersichtlich. Denn der Pflicht der Hauptfürsorgestelle nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SchwbG ist mit der Anforderung der Stellungnahme Genüge getan und der danach eingreifende § 20 SGB X überläßt es dem verfahrensrechtlichen Ermessen der Hauptfürsorgestelle, wie sie den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufklärt. Deshalb kann sie - muß aber nicht - versuchen, durch Anmahnung die arbeitsamtliche Stellungnahme doch noch zu erhalten.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht den vorliegend zu beurteilenden Fall im Ergebnis zutreffend entschieden. Ist die Hauptfürsorgestelle bereits im Besitz der arbeitsmarktlichen Stellungnahme des Betriebssitzarbeitsamtes, äußert sich aber das Wohnsitzarbeitsamt nicht, handelt die Hauptfürsorgestelle ermessensfehlerfrei, wenn sie aufgrund der Stellungnahme des Betriebssitzarbeitsamts und ihrer eigenen Kenntnisse der arbeitsmarktlichen Verhältnisse bei Fehlen besonderer Anhaltspunkte davon ausgeht, daß das Wohnsitzarbeitsamt keine über die bereits bekannten arbeitsmarktlichen Bedenken hinausgehenden Einwände gegen die Kündigung des Schwerbehinderten vorzutragen in der Lage ist, und deshalb den kündigungsrechtlichen Sachverhalt insoweit für hinreichend aufgeklärt ansieht. Daß sich der Hauptfürsorgestelle des Beklagten Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer arbeitsmarktlicher Schwierigkeiten des Klägers aufdrängen mußten, hat im übrigen die Revision weder dargelegt noch insoweit mit nach § 137 Abs. 2 VwGO beachtlichen Rügen vorgebracht.

Nach alledem sind demnach die arbeitsmarktlichen Gesichtspunkte in die interessenwägende Ermessensentscheidung der Hauptfürsorgestelle fehlerfrei eingestellt, wenn der Widerspruchsbescheid davon ausgeht, daß die Vermittelbarkeit des Klägers auf dem Arbeitsmarkt nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich sein werde und daher sein sozialer Besitzstand nicht nur vorübergehend erheblich absinken werde.

Zu Unrecht wirft die Revision dem Berufungsgericht vor, es habe die Bedeutung der tatsächlichen Zahl der Mitarbeiter des Gemeinschaftsbetriebes fehlerhaft für entscheidungsirrelevant erklärt. Zwar ist die Hauptfürsorgestelle von einer unzutreffenden Mitarbeiterzahl des Gemeinschaftsbetriebes im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides ausgegangen (1337 statt - wie inzwischen unstreitig - ca. 5000). Das Berufungsgericht hat aber festgestellt, daß die Feststellungen der Hauptfürsorgestelle zur tatsächlichen Mitarbeiterzahl allein dazu dienten, die Erfüllung der Pflicht aus § 5 SchwbG zu prüfen und deren Nichterfüllung in die Interessenabwägung einzustellen. Daß bei Zugrundelegung der tatsächlichen Beschäftigtenzahl die von der Hauptfürsorgestelle in die Ermessensabwägung eingebrachte Schwerbehindertenbeschäftigungsquote (3,59%) zu Lasten der Beigeladenen ungünstiger ausgefallen wäre, ist von der Revision nicht behauptet worden.

Ansonsten aber war die Kenntnis der tatsächlichen Beschäftigtenzahl - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht abwägungsrelevant. Denn die Zahl der Beschäftigten in einem Betrieb ist für die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines nicht mehr benötigten Arbeitnehmers nicht von entscheidender Bedeutung. Die tatsächliche Zahl der Beschäftigten im Gemeinschaftsbetrieb war auch unter dem Gesichtspunkt einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers nicht entscheidungsrelevant. Denn die Hauptfürsorgestelle des Beklagten ist bei ihrer Zustimmungsentscheidung von der aufgrund der im Verfahren eingeholten Informationen gewonnenen Überzeugung ausgegangen, daß ein freier Arbeitsplatz im gesamten Gemeinschaftsbetrieb nicht vorhanden war. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß die Hauptfürsorgestelle damit von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen hat die Revision beachtliche Verfahrensrügen nicht vorgebracht, so daß das Revisionsgericht an sie gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist.

Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden, daß die von der Hauptfürsorgestelle des Beklagten auf der Grundlage des zutreffend ermittelten Sachverhalts getroffene Zustimmungsentscheidung Ermessensfehler nicht erkennen läßt. Der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle hat aufgrund intensiver Prüfung der vom Betrieb vorgenommenen Sozialauswahl die Überzeugung gewonnen, daß die soziale Auswahl auch unter fürsorgerischen Gesichtspunkten nicht sachwidrig betrieben worden sei, also die spezifisch aus der Schwerbehindertenfürsorge herrührenden Gesichtspunkte in die Auswahl eingeflossen seien. Soweit ansonsten das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, daß im übrigen allenfalls eine offenkundige Sozialwidrigkeit zur Verweigerung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle führen könne, entspricht dies der Rechtsprechung des Senats zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit des § 1 KSchG im Verwaltungsverfahren vor der Hauptfürsorgestelle (vgl. BVerwGE 90, 287 <293 f.>; 99, 336 <340>). Von einer offenkundig fehlerhaften Sozialauswahl aber mußte die Hauptfürsorgestelle nicht ausgehen. Das der Beigeladenen Fehler bei der Sozialauswahl vorwerfende Urteil des Arbeitsgerichts K. vom 25. April 1996 ist vom Landesarbeitsgericht bisher nicht bestätigt worden, vielmehr hat dieses sein Verfahren bis zum Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ausgesetzt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 1 Abs. 3 KSchG die soziale Auswahl auf die miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer beschränkt, wobei sich der Vergleich insoweit auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (sog. horizontale Vergleichbarkeit) vollzieht und eine Vergleichbarkeit nach diesen Kriterien nicht nur dann ausscheidet, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers (nur) zu schlechteren Arbeitsbedingungen möglich ist, sondern auch, wenn eine anderweitige Beschäftigung nur aufgrund einer Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen und damit nur durch Vertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt (BAGE 65, 61 <71>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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