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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 28.00
Rechtsgebiete: BVFG F. 2000


Vorschriften:

BVFG F. 2000 § 5 Nr. 2 Buchstabe b
BVFG F. 2000 § 5 Nr. 2 Buchstabe c
Zu den Statusausschlussvorschriften des § 5 Nr. 2 Buchstabe b und c BVFG (wie Urteil vom 29. März 2001 - BVerwG 5 C 17.00 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 28.00 OVG 2 A 3776/98

Verkündet am 29. März 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Franke und Dr. Jannasch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren ihre Aufnahme als Spätaussiedler bzw. die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid.

Der Kläger zu 1 wurde am 4. April 1967 in Turkmenistan geboren; er ist Sohn des am 22. Februar 1941 geborenen A.S., der in den Streitkräften der früheren Sowjetunion politischer Offizier im Range eines Oberst gewesen war, und der am 18. September 1946 geborenen L.S., geborene St.; seine Eltern sind Kläger des Verfahrens BVerwG 5 C 24.00. Die am 24. Dezember 1966 geborene Klägerin zu 2, eine belorussische Volkszugehörige, ist seine Ehefrau; die am 19. April 1989 geborene Klägerin zu 3 ist ihr gemeinsames Kind.

Der unter dem 20. März 1992 gestellte Antrag auf Aufnahme in das Bundesgebiet wurde am 6. August 1993 vom Bundesverwaltungsamt nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG a.F. abgelehnt, weil der Kläger zu 1 Offizier in der sowjetischen Armee - zuletzt im Range eines Oberleutnants - und von 1988 bis zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst im Jahr 1992 Erziehungsoffizier gewesen war. Den Widerspruch hat das Bundesverwaltungsamt mit der Begründung zurückgewiesen, dass zwar der Kläger zu 1 als Oberleutnant keine herausgehobene berufliche Stellung innegehabt habe, jedoch davon auszugehen sei, dass er von der herausgehobenen Stellung seines Vaters begünstigt worden sei; als Sohn eines Oberst sei er in das sowjetische Gesellschaftssystem integriert gewesen und habe von den sich daraus ergebenden Begünstigungen profitiert. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht dagegen hat die Klage abgewiesen, und zwar im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

Der Kläger zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides, in den die Kläger zu 2 und 3 einbezogen werden könnten. Dem stehe § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG entgegen. Diese Vorschrift sei mangels Überleitungsvorschriften des Haushaltssanierungsgesetzes das nach den materiellrechtlichen Vorschriften des Bundesvertriebenengesetzes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebende Recht zur Beurteilung des von den Klägern geltend gemachten Aufnahmeanspruches. Der Kläger zu 1 könne sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft durch den Kläger zu 1 sei deshalb ausgeschlossen, weil sein Vater, mit dem er nach eigenen Angaben jedenfalls von 1977 bis 1984 in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe, während dieses gesamten Zeitraums eine Funktion im Sinne des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG ausgeübt habe. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht in Wiederholung seiner Ausführungen in dem Urteil im Verfahren der Eltern des Klägers zu 1 ausgeführt: Jedenfalls die Funktionen, die der Vater des Klägers zu 1 ab 1970 ausgeübt habe, nämlich seine Tätigkeit als Propagandachef des Regiments, als Oberinstrukteur für Agitation und Propaganda, als Inspekteur der Abteilung für Organisation der Parteiarbeit und als stellvertretender Leiter dieser Abteilung, seien alle als bedeutsam im Sinne des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG anzusehen, weil sie alleine die Aufgabe gehabt hätten, das Monopol der Partei und deren Einflussnahme im militärischen Bereich zu festigen und zu sichern. Sie seien von ihrer Funktion und Bedeutung vergleichbar der Tätigkeit von hauptberuflichen Parteifunktionären, die ihrerseits den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG erfüllten. Nach der die politischen Verhältnisse im fraglichen Zeitraum regelnden sowjetischen Verfassung habe das kommunistische Herrschaftssystem in der früheren Sowjetunion in der Herrschaft der KPdSU als "führende und lenkende Kraft der sowjetischen Gesellschaft" und "Kern ihres politischen Systems" bestanden. Demgemäß sei eine Funktion dann für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam anzusehen, wenn die ausgeübte Funktion dazu gedient habe, dem Willen der Partei in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich Geltung zu verschaffen und ihn durchzusetzen, um den Machtanspruch der Partei auf Dauer zu sichern. Eine derartige Aufgabe sei insbesondere auch den politischen Offizieren der Sowjetarmee zugekommen. Da in der Person des Klägers zu 1 jedenfalls der Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG erfüllt sei, bedürfe es keiner Entscheidung, ob zusätzlich auch er den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG erfülle, weil er selbst die Laufbahn des politischen Offiziers in der Sowjetarmee eingeschlagen und jedenfalls kurzfristig auch die Funktion eines Sekretärs des Komsomol-Kommitees innegehabt habe. Da der Senat im Verfahren der Eltern des Klägers zu 1 entschieden habe, dass die Mutter des Klägers zu 1 keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides habe, hätten die Kläger zu 1 und 3 als Abkömmlinge auch keinen Anspruch auf Einbeziehung in diesen Aufnahmebescheid und könne die Klägerin zu 2 nicht als Familienangehörige im Sinne des § 8 Abs. 2 BVFG in einen solchen Bescheid aufgenommen werden.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger Revision eingelegt, mit der sie ihren Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides bzw. Einbeziehung weiterverfolgen. Sie rügen Verletzung des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG. Unter Funktion im Sinne des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG sei der konkrete Tätigkeitsbereich zu verstehen; das Berufungsgericht berücksichtige nicht, dass der Vater des Klägers zu 1 eine Bescheinigung des Verteidigungsministeriums der Republik Usbekistan vom 15. November 1999 vorgelegt habe, in der seine konkreten Tätigkeiten dargestellt seien. Danach sei er zuletzt Kommandeur eines Militärbautrupps gewesen. Auch sei nicht jede hauptamtliche Tätigkeit für die Partei für die Aufrechterhaltung des Systems bedeutsam, vielmehr müssten mit der konkreten Funktion weitreichende Wirkungen und Machtbefugnisse verbunden sein, die Auswirkungen auf das gesamte System der ehemaligen Sowjetunion gehabt hätten. Solche Machtbefugnisse seien erst ab den höchsten Offiziersrängen gegeben und lägen jedenfalls bei der Funktion des Vaters des Klägers zu 1 nicht vor. Zwar sei in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung die Tätigkeit als Berufsoffizier der Streitkräfte - jedenfalls ab der Stellung eines Oberstleutnants - als Beispiel für eine Stellung des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG genannt, doch trage der konkrete Wortlaut des Gesetzes den vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss schon für Angehörige der mittleren Funktionsebene des Systems nicht. Auch die systematische Stellung des § 5 Nr. 2 BVFG spreche für eine einschränkende Auslegung. Da Möglichkeiten der beruflichen Entfaltung auch den deutschen Volkszugehörigen zugestanden werden müssten und eine Anpassung an das System in Verbindung mit dem Ausnutzen der eigenen Begabung noch nicht die Annahme rechtfertigte, das vermutete Kriegsfolgenschicksal sei widerlegt, sei § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG dahingehend auszulegen, dass die erreichte Position nur dann für die Aufrechterhaltung des Systems gewöhnlich als bedeutsam geltend anzusehen sei, wenn damit Entscheidungsbefugnisse auf höchster Ebene der Sowjetunion verbunden gewesen seien.

Die Beklagte, das beigeladene Land Baden-Württemberg und der Oberbundesanwalt verteidigen das angefochtene Urteil. Der Oberbundesanwalt trägt vor: Sachgrund für den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG sei eine vom Gesetzgeber typisierend unterstellte besondere Begünstigung aufgrund einer hervorgehobenen Funktion im früheren kommunistischen Herrschaftssystem, die nicht nur dem Funktionsinhaber allein, sondern bei lebensnaher Betrachtung in aller Regel auch seinen nächsten Familienangehörigen zugute kommen dürfte. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG sei nicht mehr die Unwürdigkeit wie in § 5 Nr. 1 Buchstabe a bis c BVFG a.F., sondern das fehlende Kriegsfolgenschicksal der Antragsteller. Eine Übergangsregelung, auf die der Gesetzgeber bewusst verzichtet habe, sei von Verfassungs wegen nicht geboten. Denn der von den Klägern geltend gemachte Anspruch beziehe sich auf einen hypothetischen, in der Zukunft liegenden Statuserwerb.

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass dem Kläger zu 1 kein Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach den §§ 26, 27 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 829), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz - HSanG -) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2534), zusteht, in den die Kläger zu 2 und 3 einbezogen werden könnten, und dass die Kläger zu 1 und 3 mangels Anspruchs der Mutter des Klägers zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides auch keinen Anspruch haben, als Abkömmlinge in diesen Aufnahmebescheid einbezogen zu werden, so dass die Klägerin zu 2 als Familienangehörige im Sinne des § 8 Abs. 2 BVFG in einen solchen Bescheid aufgenommen werden könnte.

Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Aufnahmebegehren des Klägers zu 1 die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Regelung des § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG i.d.F. des Art. 6 Nr. 1 Buchstabe b HSanG entgegengehalten. Diese Vorschrift gilt in Ermangelung einer gesetzlichen Überleitungsvorschrift auch für noch nicht abgeschlossene Aufnahmeverfahren (vgl. BVerwGE 99, 133 <135 ff.>). Nach § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG erwirbt den Status als Spätaussiedler nach § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG nicht, wer für mindestens drei Jahre mit dem Inhaber einer Funktion im Sinne von § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG, d.h. einer Funktion, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt oder aufgrund der Umstände des Einzelfalles war, in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Die Vorschriften knüpfen an das fehlende Kriegsfolgenschicksal des Funktionsinhabers bzw. der Personen an, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten (BTDrucks 14/1523, S. 172 f.; 14/1636, S. 175). § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG macht den Statusausschluss jedoch - ebenso wie die Vorgängervorschrift in § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG a.F. - nicht an dem Erreichen einer bestimmten beruflichen Stellung und der hiermit verbundenen wirtschaftlichen Privilegierung in der Gesellschaft des Herkunftslandes fest. Das Gesetz billigt damit dem deutschen Volkszugehörigen nach wie vor zu, nach seinen Kräften und Fähigkeiten auch eine herausgehobene berufliche Stellung zu erreichen, und zwar auch innerhalb der Staatsverwaltung, der Armee und der staatlich gelenkten Wirtschaftsverwaltung in der früheren Sowjetunion (vgl. BVerwGE 108, 340 <343 f.> zur Vorgängervorschrift). § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG geht vielmehr davon aus, dass das für deutsche Volkszugehörige sonst (möglicherweise) bestehende Kriegsfolgenschicksal nicht mehr fortbestand, wenn der deutsche Volkszugehörige im Aussiedlungsgebiet eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt, weil er damit den Schutz dieses Systems genoss.

Nicht verkannt wird, dass auch diese Gruppe deutscher Volkszugehöriger nach dem Ende ihrer Funktionsausübung und insbesondere nach dem Untergang des kommunistischen Herrschaftssystems gegebenenfalls mit Nachteilen wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit rechnen muss. Das für die Rechtsstellung als Spätaussiedler nach § 4 BVFG maßgebliche Kriegsfolgenschicksal knüpft aber nicht nur an die Benachteiligung als deutscher Volkszugehöriger oder deren Nachwirkungen an, sondern setzt weiter einen örtlichen und zeitlichen Bezug, den ständigen Aufenthalt bzw. Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet seit den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BVFG genannten Stichtagen, voraus. Damit stellt § 4 BVFG für die Rechtsstellung als Spätaussiedler mit den sich daraus ergebenden Rechten wesentlich auf eine in den Aussiedlungsgebieten entstandene und fortdauernde Gefahrenlage ab. Fehlt sie, z.B. bei späterer Einreise in das Aussiedlungsgebiet, z.B. zur Heirat, oder ist sie unterbrochen, z.B. bei Aus- und späterer Wiedereinreise, so sind spätere Benachteiligungen aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit kein die Rechtsstellung als Spätaussiedler nach § 4 BVFG begründendes Kriegsfolgenschicksal. Entsprechend betrifft auch der Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG einen Fall, in dem die ursprünglich für den deutschen Volkszugehörigen bestehende Gefahrenlage entfallen ist. Das Gesetz geht davon aus, dass derjenige, der in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt, den Schutz dieses Systems genoss, für ihn also die für Volksdeutsche sonst bestehende Gefahrenlage nicht fortbestand. Wenn dieser Volksdeutsche dann später doch Benachteiligungen unterliegen sollte, z.B. nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Volksdeutscher in einer dann selbständigen Republik der ehemaligen Sowjetunion, so ist doch die ursprüngliche für die Rechtsstellung als Spätaussiedler maßgebliche Gefahrenlage unterbrochen gewesen und vermag eine neu entstehende Gefahrenlage nicht mehr die Rechtsstellung als Spätaussiedler zu begründen.

Was die Bewertung der Funktion des Vaters des Klägers zu 1 als politischer Offizier der Sowjetarmee betrifft, hat der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 5 C 24.00 ausgeführt:

"Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Frage, welche Funktionen i.S. des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG gewöhnlich als bedeutsam galten, nach den zur Zeit des kommunistischen Herrschaftssystems herrschenden politischen und rechtlichen Auffassungen im Aussiedlungsgebiet beantwortet. Diese waren - wie der Senat bereits zur Vorgängervorschrift hervorgehoben hat (BVerwGE 108, 340 <345 f.>) - in der früheren Sowjetunion geprägt durch die führende Rolle, die der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) in Staat und Gesellschaft zukam. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der sowjetischen Verfassung vom 7. Oktober 1977 bezeichnete die KPdSU als die "führende und lenkende Kraft der sowjetischen Gesellschaft" und den "Kern ihres politischen Systems, der staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen". Dem entsprach auch die Verfassungswirklichkeit und die politische Doktrin in der Sowjetunion (vgl. Meissner, in: Handbuch der Sowjetverfassung, redigiert von Martin Fincke, 2. Aufl. 1983, Art. 6 Rn. 8 ff.). Folgerichtig war die KPdSU auch auf allen territorialen Ebenen der Unionsrepubliken (vgl. Art. 79, 145 Sowjetverfassung 1977) bis hinunter zu den Rayons und den ländlichen Ortschaften, Siedlungen, Stadtbezirken und Kleinstädten mit Parteikomitees, Büros und Sekretariaten vertreten, um ihren Führungsanspruch bis auf die unterste staatliche Ebene hinab zur Geltung zu bringen. Zur Durchsetzung ihrer führenden Rolle hatte sich die Partei einen mit hauptamtlich tätigen Funktionären besetzten Apparat geschaffen, der zusammen mit den Parteiorganen das Herzstück des kommunistischen Herrschaftssystems bildete (vgl. Voslensky, Nomenklatura, 3. Aufl. 1987, S. 171 f.). Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine derartige Aufgabe insbesondere auch den politischen Offizieren der Sowjetarmee zukam.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger zu 1 Mitglied der KPdSU und zuletzt im Rang eines Oberst als Propagandachef eines Armeeregiments, als Oberinstrukteur für Agitation und Propaganda, als Inspekteur der Abteilung für Organisation der Parteiarbeit und als stellvertretender Leiter dieser Abteilung tätig. Die Tätigkeit als politischer Offizier im Rang eines Oberst war nach den Ausführungen des Gutachtens des Instituts für Ostrecht, auf das sich das angefochtene Urteil bezieht, nicht nur beruflich, sondern auch politisch eine herausgehobene Stellung. Wegen der unmittelbaren Anbindung und Unterstellung der politischen Verwaltung der sowjetischen Streitkräfte an die zuständigen Parteiorgane und der spezifischen, zum Großteil ideologischen Arbeitsinhalte war die Tätigkeit als politischer Offizier, insbesondere als hochrangiger, eine für die Aufrechterhaltung des sowjetischen Herrschaftssystems bedeutsame Funktion. Dies ergibt sich auch aus den Anforderungen an politische Offiziere gemäß Nr. 65 und 66 der Satzung der KPdSU von 1956 betreffend das Erfordernis der Parteizugehörigkeit und die Verpflichtung zur ständigen Mitarbeit in den örtlichen Parteikomitees, auf die das angefochtene Urteil im Anschluss an das Gutachten hinweist. Es bestehen somit keine Zweifel daran, dass die Position des Klägers zu 1 als bedeutsam für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems galt; gerade die Gewährleistung des Einflusses der KPdSU auf die Streitkräfte der Sowjetunion stellte ein wesentliches Element der Sicherung des kommunistischen Herrschaftssystems dar. Der Umstand, dass der Kläger zu 1 ausweislich der Bescheinigung des Verteidigungsministeriums der Republik Usbekistan vom 15. November 1999 von 1968 bis 1988 durchgehend nicht in der "kämpfenden Truppe", sondern im technischen Bereich (Militärbautrupp, Bauverwaltung, Militärbauabteilung) tätig war, ändert nichts an der Bedeutsamkeit seiner Funktion für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems.

Die Rechtsansicht der Revision, der Ausschlusstatbestand sei mit der Maßgabe einschränkend auszulegen, dass nur bei Machtbefugnissen mit Auswirkungen auf das gesamte System der ehemaligen Sowjetunion und bei Entscheidungsbefugnissen auf höchster Ebene eine für die Aufrechterhaltung des Systems bedeutsame bzw. als bedeutsam geltende Funktion vorliege, trifft nicht zu; die vom Gesetzgeber angenommene Widerlegung eines fortdauernden Vertreibungsschicksals durch Innehabung einer für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems bedeutsamen Funktion greift nicht erst bei Spitzenfunktionen, sondern jedenfalls auch schon auf der Funktionsebene des Klägers zu 1 ein. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Tätigkeiten des Klägers zu 1 als politischer Offizier ihrer Funktion und Bedeutung nach der Tätigkeit eines hauptberuflichen Parteifunktionärs vergleichbar sind.

Auch der Umstand, dass der Kläger zu 1 im Mai 1988 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Militärdienst entlassen und danach in ein ziviles Angestelltenverhältnis übernommen wurde, berührt das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG nicht. Denn § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG verlangt nur, dass der Ausgeschlossene in den Aussiedlungsgebieten eine entsprechende Funktion "ausgeübt hat", schreibt aber - anders als § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG - weder eine Mindestdauer vor noch, dass diese Funktionsausübung bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Herrschaftssystems angedauert haben muss. Zeitliche Mindestanforderungen an die Dauer der Funktionsausübung ließen sich deshalb allenfalls aus dem Zweck des Ausschlusstatbestandes gewinnen, wenn die Funktionsausübung von so kurzer Dauer war, dass sie die gesetzliche Annahme, das fortwirkende Kriegsfolgenschicksal sei unterbrochen, offensichtlich und eindeutig nicht zu rechtfertigen vermochte; eine solche möglicherweise unter teleologischen Gesichtspunkten unbedeutende kurzfristige Funktionsausübung liegt aber bei der über zwanzigjährigen Dauer der Tätigkeit des Klägers zu 1 als Erziehungsoffizier offensichtlich nicht vor."

Nicht zu beanstanden ist danach die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass der Anspruch des Klägers zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides an § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG scheitert, weil er mit seinem Vater als einem Funktionsträger im Sinne des § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG nach eigenen Angaben jedenfalls von 1977 (drittes Schuljahr) bis 1984 (Beginn des Studiums an der Militärhochschule) in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Auch bei dem in § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG genannten Personenkreis deutscher Volkszugehöriger konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass sie jedenfalls in der Zeit der häuslichen Gemeinschaft mit den Funktionsträgern nach Nummer 2 Buchstabe b den Schutz des Herrschaftssystems genossen, eine Gefahrenlage für sie also nicht fortbestand, vielmehr das fortwirkende Kriegsfolgenschicksal unterbrochen war.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen keine Bedenken. Sie knüpft nicht an der verwandtschaftlichen oder familiären Beziehung der ausgeschlossenen Person zu dem Funkti-onsträger im Sinne von § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG an, sondern an das Zusammenleben mit diesem in häuslicher Gemeinschaft. Die nachteiligen Rechtsfolgen der Norm treffen also Nichtfamilienmitglieder in gleicher Weise wie Familienmitglieder, so dass eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Benachteiligungsverbot ausscheidet (vgl. BVerfGE 28, 104 <112>). § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG übt auch keinen verfassungsrechtlich unzulässigen Zwang zur Auflösung des Familienverbandes aus. Denn die Vorschrift knüpft an in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalten an und besitzt deshalb keine verhaltenssteuernde Wirkung.

Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 95, 143 <154 f.>; stRspr). Dabei ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers weiter bemessen, wenn Regelungen zur Beseitigung von Kriegsfolgelasten betroffen sind (vgl. BVerfGE 95, 143 <155>). Die Gewährung des Spätaussiedlerstatus ist mit weitreichenden finanziellen und sozialpolitischen Vorteilen verbunden. Wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, diesen Status deutschen Volkszugehörigen vorzuenthalten, die zu den Stützen des kommunistischen Herrschaftssystems gehörten oder die mit derartigen Funktionsträgern über längere Zeit hinweg in häuslicher Gemeinschaft lebten, so ist die hierin liegende Ungleichbehandlung gegenüber der Gruppe der nicht in das kommunistische Herrschaftssystem integrierten deutschen Volkszugehörigen sachlich gerechtfertigt. Denn bei der benachteiligten Gruppe der für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems bedeutsamen Funktionsträger und der mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft Lebenden durfte der Gesetzgeber bei typisierender Betrachtungsweise davon ausgehen, dass sie anders als die Mehrzahl der in den Aussiedlungsgebieten lebenden deutschen Volkszugehörigen nicht mehr von den Spätfolgen des Krieges und den damit verbundenen Nachteilen betroffen waren, vielmehr das fortwirkende Kriegsfolgenschicksal unterbrochen war.

Da einem Anspruch der Mutter des Klägers zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach den Feststellungen des Senats in seinem Urteil im Verfahren BVerwG 5 C 24.00 wie im Falle des Klägers zu 1 selbst § 5 Nr. 2 Buchstabe c BVFG entgegensteht, haben die Kläger zu 1 und 3 auch keinen Anspruch, als Abkömmlinge in diesen Aufnahmebescheid einbezogen zu werden, und kann die Klägerin zu 2 als Familienangehörige im Sinne des § 8 Abs. 2 BVFG nicht in einen solchen Bescheid aufgenommen werden.

Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen tragen die Kläger (§ 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 24 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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