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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 6.06
Rechtsgebiete: BVFG


Vorschriften:

BVFG § 6 Abs. 2 Satz 1
Ein einmal abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum wirkt nicht nur dann nicht fort, wenn sich jemand nach außen erkennbar vom deutschen Volkstum ab- und einem anderen Volkstum zuwendet, sondern auch dann, wenn er sich, ohne ausdrücklich vom Bekenntnis zum deutschen Volkstum abzurücken, nach außen (auch) einem anderen Volkstum zuwendet (wie Senatsbeschluss vom 8. Februar 2005 - BVerwG 5 B 128.04 -).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 3. Mai 2007

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Die 1962 in Kasachstan geborene Klägerin zu 1 lebte dort bis zu ihrer Eheschließung im April 1990 mit dem Kläger zu 3. Von 1990 bis 1993 lebten sie in der Ukraine, wo am 25. September 1990 ihre Tochter, die Klägerin zu 2, geboren wurde. Von 1993 bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland lebten die Kläger in Russland.

Nach den Angaben im Aufnahmeantrag vom 14. März 1995 sind der Vater der Klägerin zu 1 und die Großeltern väterlicherseits deutsche Volkszugehörige, die Mutter der Klägerin zu 1 und die Großeltern mütterlicherseits russische Volkszugehörige. Mit Bescheid vom 27. Juli 1994 erhielt der Vater der Klägerin zu 1 eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG, die Mutter der Klägerin zu 1 eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG.

Mit Aufnahmebescheid für die Klägerin zu 1 als Spätaussiedlerin und für die Kläger zu 2 und 3 als Abkömmling bzw. Ehegatte reisten die Kläger am 25. August 1997 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihren Antrag, der Klägerin zu 1 eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG und den Klägern zu 2 und 3 Bescheinigungen nach § 15 Abs. 2 BVFG (nach der Klägerin zu 1) auszustellen, lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 16. Januar 2001 ab. Die Klägerin zu 1 sei keine deutsche Volkszugehörige, weil sie sich nicht durchgehend zum deutschen Volkstum bekannt habe. Denn sie habe am 19. April 1990 einen Inlandspass mit russischer Nationalitätseintragung erhalten. Folglich könnten die Kläger zu 2 und 3 nicht als Abkömmling bzw. Ehegatte einer Spätaussiedlerin anerkannt werden.

Auf die Klagen der Kläger hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin zu 1 eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG und den Klägern zu 2 und 3 je eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG auszustellen. Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klagen mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Bescheinigungen nach § 15 BVFG, weil die Klägerin zu 1 keine deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG sei. Denn sie habe sich nicht, wie es Satz 1 dieser Bestimmung fordere, bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung nur zum deutschen Volkstum bekannt. Zwar habe die Klägerin zu 1 bei der Beantragung ihres ersten sowjetischen Inlandspasses im Jahre 1979 ihre Nationalität mit deutsch angegeben, aber es spreche viel dafür, dass in der Eintragung der russischen Nationalität in dem der Klägerin zu 1 am 19. April 1990 aus Anlass ihrer Eheschließung in der Ukraine ausgestellten Inlandspasses ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zum Ausdruck komme. Das brauche indessen nicht abschließend entschieden zu werden. Nach § 6 Abs. 2 BVFG sei ein vom Eintritt der Bekenntnisfähigkeit bis zur Ausreise durchgängig positives Bekenntnis zum deutschen Volkstum erforderlich. Zwar wirke ein einmal abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum in der Regel fort, ohne kontinuierlich oder periodisch bekräftigt oder wiederholt werden zu müssen, und decke damit auch Folgezeiträume ab, solange kein Gegenbekenntnis erfolge. Ein 1979 abgelegtes Bekenntnis der Klägerin zu 1 zum deutschen Volkstum habe aber nicht über die Erklärung zur russischen Nationalität im Jahre 1990 hinaus fortwirken können, weil der seinerzeitigen Angabe der deutschen Nationalität damit zumindest die Außenwirkung genommen sei. Gründe, die es nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG rechtfertigten, dass ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum unterbleibe, lägen nicht vor.

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen eine Verletzung von § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG.

Der Beklagte verteidigt den Berufungsbeschluss. Er stehe mit den Rechtssätzen in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2003 in Einklang.

II

Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin zu 1 keine deutsche Volkszugehörige ist, weil sie sich nicht, wie nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG vorausgesetzt, bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete nur zum deutschen Volkstum bekannt hat.

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG kann deutscher Volkszugehöriger nur sein, wer sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat.

Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne von § 6 BVFG setzte schon immer ein Bekenntnis ausschließlich zum deutschen Volkstum voraus (z.B. Urteil vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 110.95 - BVerwGE 101, 205, 208 Abs. 2: "... ausschließlich dem deutschen Volk als einer national geprägten Kulturgemeinschaft anzugehören."). Bereits wegen dieser Ausschließlichkeit, also insoweit unabhängig von der späteren Einfügung des Wortes "nur" in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG, war und ist für § 6 BVFG ein Bekenntnis "nur" zum deutschen Volkstum in dem Sinne erforderlich, dass eine Person damit bekennt, allein dem deutschen Volkstum anzugehören (gegenständliche - auf das deutsche Volkstum bezogene - Ausschließlichkeit des Bekenntnisses).

Mit der Einfügung des Wortes "nur" in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG durch Art. 1 SpStatG vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es nicht genügt, wenn sich eine Person noch im Aussiedlungsgebiet (ausschließlich) zum deutschen Volkstum bekennt, sondern dass es erforderlich ist, sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete nur zum deutschen Volkstum zu bekennen. Damit ist - vorbehaltlich § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG, dessen Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt sind - ein vom Eintritt der Bekenntnisfähigkeit bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete anhaltendes Bekenntnis vorausgesetzt (zeitliche - auf die gesamte Zeit der Bekenntnisfähigkeit im Aussiedlungsgebiet bezogene - Ausschließlichkeit des Bekenntnisses).

Im Urteil vom 13. November 2003 - BVerwG 5 C 41.03 - (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 104 = juris Rn. 20) hat der Senat entschieden, dass ein einmal wirksam abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht bis zur Ausreise kontinuierlich oder periodisch bekräftigt oder wiederholt werden muss, sondern im Regelfall fortwirkt und darum auch Folgezeiträume abdeckt, solange kein Gegenbekenntnis erfolgt.

Ausgehend von der doppelten Ausschließlichkeit (Bekenntnis ausschließlich zum deutschen Volkstum und anhaltend) wirkt ein einmal abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht nur dann nicht fort, wenn sich jemand nach außen erkennbar vom deutschen Volkstum ab- und einem anderen Volkstum zuwendet, sondern auch dann, wenn er sich, ohne ausdrücklich vom Bekenntnis zum deutschen Volkstum abzurücken, nach außen (auch) einem anderen Volkstum zuwendet (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2005 - BVerwG 5 B 128.04 -). Denn mit dieser außenwirksamen Zuwendung zu einem nichtdeutschen Volkstum geht die erforderliche Ausschließlichkeit des früheren Bekenntnisses, ausschließlich dem deutschen Volk als einer national geprägten Kulturgemeinschaft anzugehören, verloren.

Nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die Klägerin zu 1 im Passantrag zu dem ihr 1990 ausgestellten Pass ihre Nationalität zurechenbar mit russisch angegeben. Damit hat sie sich nach außen (jedenfalls auch) zu einem nichtdeutschen Volkstum bekannt und damit ihr Bekenntnis ausschließlich zum deutschen Volkstum aufgegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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