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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 7.05
Rechtsgebiete: SGB VIII, AsylVfG


Vorschriften:

SGB VIII (1996) § 86 Abs. 7
SGB VIII (1996) § 89c
SGB VIII (1996) § 89d
SGB VIII (1996) § 89f
AsylVfG § 50 Abs. 4
Hat der durch Zuweisungsentscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylVfG bestimmte Jugendhilfeträger die Jugendhilfeleistungen nach bestandskräftiger Ablehnung des Asylantrages eines unbegleitet eingereisten ausländischen Minderjährigen und nach Ablehnung der Übernahme durch den ursprünglich zuständigen Jugendhilfeträger des Einreiseortes fortgesetzt, so bleibt die Kostenerstattungspflicht des vom Bundesverwaltungsamt als Kostenerstattungsverpflichteten bestimmten überörtlichen Trägers der Jugendhilfe bestehen. Dahingestellt bleiben kann, ob die örtliche Zuständigkeit des fortgesetzt leistenden Jugendhilfeträgers für Leistungen an "Asylsuchende" gemäß § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) mit der bestandskräftigen Ablehnung des Asylantrages des Jugendlichen weggefallen ist; denn auch bei Ende seiner örtlichen Zuständigkeit wäre der durch die Zuweisungsentscheidung bestimmte Jugendhilfeträger auf der Grundlage des § 86c SGB VIII zur Weiterleistung verpflichtet geblieben und diese daher materiell rechtmäßig.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

BVerwG 5 C 7.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit ohne weitere mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Dezember 2004 wird aufgehoben, soweit die Klage über den Betrag von 1 682,65 € nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Juni 1998 hinaus abgewiesen wurde.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 369 241,55 € nebst 4 % Zinsen aus dem Betrag von 152 892,33 € seit dem 19. Juni 1998 sowie 4 % Zinsen aus dem Betrag von 216 349,22 € jeweils ab Fälligkeit der einzelnen Ansprüche zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten der Jugendhilfe in Höhe von 370 929,20 € für die Unterbringung eines ausländischen Jugendlichen in einem Heim, und zwar für die Zeit nach der Ablehnung des Asylantrages des Jugendlichen.

Der am 8. Januar 1984 geborene M. L., ein äthiopischer Staatsangehöriger, ist am 19. Juli 1992 unbegleitet über den Flughafen Frankfurt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist. Das Jugendamt der beigeladenen Stadt F. nahm ihn gemäß § 42 SGB VIII in Obhut und wies ihn in die Zentrale Landesaufnahmestelle ein. Ab dem 1. Oktober 1992 brachte sie ihn im Haus O. im Zuständigkeitsbereich des Klägers unter und übernahm im Rahmen der Gewährung von Hilfe zur Erziehung die Kosten der Heimunterbringung.

Mit Verfügung vom 1. Juli 1993 wies das Regierungspräsidium D. den Jugendlichen, der inzwischen seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt hatte, gemäß § 50 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes dem Kläger zu. Anstelle des Beigeladenen übernahm daraufhin ab dem 1. August 1993 der Kläger die Kosten der Heimunterbringung im Rahmen der Gewährung von Hilfe zur Erziehung (Heimerziehung, §§ 27, 34 SGB VIII).

Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 15. November 1994 ab. Dem Jugendamt des Klägers, das am 1. September 1993 anstelle des Jugendamtes der Beigeladenen zum Vormund des Jugendlichen bestellt worden war, ging diese Entscheidung am 30. November 1994 zu. Sie wurde nicht angefochten.

Unter dem 4. Oktober 1995 beantragte der Kläger beim Jugendamt der Beigeladenen die Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit, was diese mit Schreiben vom 23. September 1996 unter Hinweis auf einen Erlass des Hessischen Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom 8. Dezember 1994 ablehnte, wonach die örtliche Zuständigkeit des § 86 Abs. 7 SGB VIII neben den Asylsuchenden nach dem Abschluss des Asylverfahrens auch die Asylberechtigten und die abgelehnten Asylbewerber umfasse.

Unter dem 3. November 1995 benachrichtigte der Kläger den Beklagten, dass das Bundesverwaltungsamt diesen mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 als den zur Kostenerstattung verpflichteten überörtlichen Träger der Jugendhilfe bestimmt haben, und bat, ihm die ab dem 1. Dezember 1994 aufgewendeten und die noch aufzuwendenden Kosten der Jugendhilfe zu erstatten. Der Beklagte lehnte den Kostenerstattungsantrag mit Schreiben vom 12. Februar 1998 unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit vom 27. März 1997 mit der Begründung ab, die durch die Zuweisungsentscheidung vom 1. Juli 1993 begründete örtliche Zuständigkeit des Klägers gemäß § 86 Abs. 7 SGB VIII habe nur bis zur Rechtskraft der Asylantragsablehnung bestanden, denn die Zuweisungsentscheidung habe nur für diesen Zeitraum Gültigkeit. Für die Zeit danach sei die örtliche Zuständigkeit insbesondere unter Berücksichtigung von § 86 Abs. 2 und 4 SGB VIII neu zu prüfen mit der Folge, dass die beigeladene Stadt F. zuständig sei, wo der Jugendliche sich vor Beginn der Hilfegewährung nach § 43 SGB VIII im Rahmen der Inobhutnahme aufgehalten habe.

Mit der am 16. Juni 1998 erhobenen Klage hat der Kläger gemäß § 89d SGB VIII Kostenerstattung ab dem 1. Dezember 1994 bis zur Beendigung der Maßnahme begehrt. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte die dem Kläger entstandenen Kosten für die Unterbringung des M. L. im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe im Haus O. ab dem 1. Dezember 1994 zu erstatten habe. Der Kläger habe seine Leistungen auf der Grundlage der Zuweisungsentscheidung als gemäß § 86 Abs. 7 SGB VIII örtlich zuständiger Jugendhilfeträger erbracht, denn die örtliche Zuständigkeit für "Asylsuchende" im Sinne dieser Bestimmung ende nicht schon mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens, sondern erst bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers.

Der Verwaltungsgerichtshof hingegen hat auf die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten diesen - nach zwischenzeitlich erfolgter Bezifferung des Klageantrages - in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils unter Klageabweisung im Übrigen (lediglich) verurteilt, dem Kläger Kosten in Höhe von 1 682,65 € (für die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens) nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Juni 1998 zu erstatten. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII nur wegen der Kosten zu, die er als örtlich (und sachlich) zuständiger Jugendhilfeträger aufgewandt habe. Nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens am 14. Dezember 1994 sei er für den Hilfefall nicht mehr örtlich zuständig gewesen, weil es sich nicht mehr um Leistungen "an Asylsuchende" gehandelt habe. Die insoweit aufgewendeten Kosten seien vom Beklagten nicht zu erstatten, weil die vom Kläger seit dem 15. Dezember 1994 geleistete Hilfe nicht den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entspreche.

Nach der mit Wirkung zum 1. Juli 1998 eingefügten Übergangsvorschrift des § 89h SGB VIII seien Kosten, für deren Erstattung das Bundesverwaltungsamt vor dem 1. Juli 1998 einen erstattungspflichtigen überörtlichen Träger bestimmt habe, nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften zu erstatten, was auch hinsichtlich der vom Kläger ab dem 1. Juli 1998 aufgewendeten Kosten gelte. Nach § 89d SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 15. März 1996 (BGBl I S. 477) seien, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland Jugendhilfe gewährt werde, die Kosten von dem von der Schiedsstelle bestimmten überörtlichen Träger der Jugendhilfe zu erstatten, wenn der Geburtsort - wie hier - nicht im Inland liege. Damit würden die Jugendhilfeträger der Einreiseorte, die in diesen Fällen besonders belastet seien, mit Hilfe eines Kostenerstattungsanspruches entlastet und die Lasten zwischen den überörtlichen Jugendhilfeträgern verteilt. Der Kostenerstattungsanspruch werde in seinem Umfang durch § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dahin eingeschränkt, dass die aufgewendeten Kosten nur zu erstatten seien, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspreche, wozu auch die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften gehöre. Der Kläger sei nur bis zum 14. Dezember 1994 örtlich zuständig gewesen; danach habe er die Leistungen nicht mehr "an Asylsuchende" erbracht. Zwar könne nach allgemeinem Sprachgebrauch unter einem Asylsuchenden auch eine Person verstanden werden, die keinen Asylantrag stelle oder nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens weiterhin Asyl bzw. Zuflucht suche, doch sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das Wort nicht nur in § 86 Abs. 7 SGB VIII verwende, sondern die Rechtsstellung "Asylsuchender" im Asylverfahrensgesetz geregelt habe und auch für § 86 SGB VIII an die Bestimmung dieses Gesetzes anknüpfe, indem die im Asylverfahrensgesetz geregelte Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei § 86 Abs. 7 SGB VIII durch Gesetz vom 16. Februar 1993 (BGBl I S. 239) als Sonderzuständigkeit für Leistungen an Asylsuchende in das Achte Buch Sozialgesetzbuch eingefügt worden, um die jugendhilferechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen auf die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes abzustimmen. Daher könne als "Asylsuchender" im Sinne des § 86 Abs. 7 SGB VIII nur eine Person verstanden werden, die in einem Asylverfahren Schutz vor politischer Verfolgung oder vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehre, in der ihr die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohten. Wären jugendliche Ausländer auch nach Abschluss des Asylverfahrens weiterhin "Asylsuchende" im Sinne dieser Bestimmung, wäre für diese Sonderzuständigkeit keine zeitliche Begrenzung gegeben und der Jugendhilfeträger auch dann weiterhin örtlich zuständig, wenn die betreffende Person längst - ohne dem Zuweisungsverfahren weiter zu unterliegen - ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Jugendhilfeträgers begründet habe. Der Neufassung des § 86 Abs. 7 SGB VIII durch das 2. SGB XI-ÄndG sei nicht nur deklaratorische Wirkung beizumessen, vielmehr werde mit dieser Vorschrift konstitutiv eine konkrete zeitliche Begrenzung der Sonderzuständigkeit neu eingeführt.

Die Sonderzuständigkeit des Klägers im vorliegenden Hilfefall habe demnach mit Abschluss des Asylverfahrens geendet mit der Folge, dass die örtliche Zuständigkeit ab dem 15. Dezember 1994 nach § 86 Abs. 1 bis 6 SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung neu zu bestimmen gewesen sei. Zuständig sei danach gemäß § 86 Abs. 4 SGB VIII die Beigeladene, in deren Bereich der Hilfeempfänger sich vor Beginn der Leistung zumindest tatsächlich aufgehalten habe. Hätte die Beigeladene den Hilfefall ab 15. Dezember 1994 übernommen und die von ihr ursprünglich begonnenen Leistungen anstelle des Klägers fortgesetzt, hätte sie vom Beklagten die Erstattung ihrer Kosten verlangen können, womit dem Zweck der Kostenerstattung gemäß § 89d SGB VIII, jedenfalls die Netto-Kostenlast von den besonders belasteten örtlichen Jugendhilfeträgern der "Einreise- und Zuweisungsorte" auf die überörtlichen Jugendhilfeträger zu verteilen, genügt worden wäre.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beigeladene Revision eingelegt.

Der Kläger rügt eine Verletzung des § 86 Abs. 7 SGB VIII in der Fassung vom 3. Mai 1993. Diese Bestimmung sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weit auszulegen und umfasse den gesamten Personenkreis ausländischer minderjähriger Menschen, die unabhängig von Dauer und Ausgang eines öffentlichen Asylverfahrens um Asyl nachsuchten bzw. nachgesucht hätten und sich nach wie vor rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten.

Die Beigeladene, die einen dem Antrag des Klägers inhaltsgleichen Antrag gestellt hat, hält die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls für mit § 86 Abs. 7 SGB VIII (1993) unvereinbar.

Der Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern verteidigen das angefochtene Urteil.

II

Die Revision des Klägers und der Beigeladenen, über die das Bundesverwaltungsgericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung des Beklagten unter Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) stattgegeben, indem er die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruches des Klägers nach § 89d Abs. 1 und 2 SGB VIII in den gemäß der Übergangsvorschrift in § 89h SGB VIII, eingefügt mit Wirkung zum 1. Juli 1998 durch Art. 1 Nr. 11 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 29. Mai 1998 (BGBl I S. 1188), für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassungen bis zum 30. Juni 1998 wegen Wegfalls der örtlichen Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) mit Blick auf den unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens des M.L. verneint hat, ohne die - bei unterstelltem Zutreffen dieser Auffassung - infolge (rechtswidriger) Ablehnung der Übernahme des Falles durch die Beigeladene fortdauernde Leistungsverpflichtung gemäß § 86c SGB VIII in Betracht zu ziehen, deren Voraussetzungen in diesem Falle zur Überzeugung des Senats zu bejahen wären. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung des Beklagten entsprechend dem im Berufungsverfahren bezifferten Klageantrag, gegen dessen sachliche und rechnerische Richtigkeit der Höhe nach der Beklagte keine Einwendungen erhebt.

Nach der den Beteiligten bereits in dem Beschluss vom 4. Juli 2006 dargelegten Rechtsauffassung des Senats ist die Revision begründet, da dem Kläger der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII (1996) zusteht, und zwar ausgehend entweder von einer Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) oder - alternativ - von seiner fortdauernden Leistungsverpflichtung nach § 86c SGB VIII.

1. Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruches nach § 89d SGB VIII (1996) liegen vor. Dem in die Bundesrepublik Deutschland unbegleitet eingereisten, in Äthiopien geborenen Hilfeempfänger wurde innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt, und der Beklagte ist durch Entscheidung des Bundesverwaltungsamts vom 23. Oktober 1995 als zur Kostenerstattung verpflichteter überörtlicher Träger bestimmt worden. Der Kläger ist auch zur Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruches aus § 89d SGB VIII (1996) berechtigt, da er als örtlicher Jugendhilfeträger in Erfüllung seiner Aufgaben den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend Leistungen erbracht und damit Kosten aufgewendet hat, so dass dem Gebot der Gesetzeskonformität des § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genügt ist, wonach die aufgewendeten Kosten zu erstatten sind, "soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht".

2. Es kann für die Entscheidung des Falles offenbleiben, ob die örtliche Zuständigkeit des Klägers aus § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) folgt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob diese Vorschrift auch nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Asylverfahrens anwendbar ist. Der Anwendungsbereich der Vorschrift hängt von der Auslegung des Begriffs "Asylsuchender" ab. Hierbei kommen zwei verschiedene Interpretationen in Betracht. Zum einen kann der Begriff des Asylsuchenden - wie von der Vorinstanz angenommen - eng ausgelegt werden, so dass nur für die Dauer des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens die Zuständigkeit sich nach der Zuweisungsentscheidung richtet. Zum anderen kann der Begriff als Oberbegriff verstanden werden, so dass unabhängig von Dauer und Ausgang des Asylverfahrens die Vorschrift auf alle Personen anwendbar ist, die um Asyl nachsuchen bzw. nachgesucht haben. Schließlich ist auch denkbar, dass diesem Tatbestandsmerkmal eine zuständigkeitsbegründende, nicht aber zugleich auch eine zuständigkeitsbeendende Funktion zukommt, welcher Gedanke der Neuregelung des § 86 Abs. 7 SGB VIII durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und anderer Gesetze vom 29. Mai 1998 (BGBl I S. 1188) zu Grunde liegt. Diese Auslegungsfragen, die infolge der Novellierung des § 86 SGB VIII im Jahre 1998 ausgelaufenes Recht betreffen, bedürfen im vorliegenden Streitfall keiner Entscheidung, da der Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten als vom Bundesverwaltungsamt zur Kostenerstattung verpflichteten überörtlichen Träger sowohl bei - unterstellter - fortbestehender Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) über den Abschluss des Asylverfahrens hinaus wie bei dem von der Vorinstanz angenommenen Wegfall der Zuständigkeit des Klägers und - erneutem - Zuständigwerden der Beigeladenen auf der Grundlage des § 86 Abs. 4 SGB VIII besteht.

Geht man - wie das Verwaltungsgericht - davon aus, dass die örtliche Zuständigkeit des Klägers auch nach Abschluss des Asylverfahrens auf der Grundlage der Zuweisungsentscheidung vom 1. Juli 1993 fortbestanden hat, sind die rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruches zweifelsfrei erfüllt; gegen die Richtigkeit des vom Kläger vorgelegten Zahlenwerkes hat auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Geht man umgekehrt davon aus, dass der Kläger mit bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht mehr nach § 86 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII (1996) zuständig war, so steht dies einem Kostenerstattungsanspruch des Klägers gleichwohl nicht entgegen. Zwar setzt ein Erstattungsanspruch eine - im Einklang mit dem Gesetz stehende - Aufgabenerfüllung voraus (§ 89f SGB VIII). Der Kläger ist aber, wenn er nicht mehr nach § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) zuständig gewesen sein sollte, jedenfalls nach § 86c SGB VIII als bisher zuständiger örtlicher Träger zur Gewährung der Leistung weiter verpflichtet geblieben, weil die dann zuständig gewordene Beigeladene die Leistung (trotz Bitte des Klägers um Übernahme) nicht fortgesetzt hat. Der Kläger hat also die Leistungen, deren Erstattung er verlangt, auch bei Wegfall der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 7 SGB VIII (1996) im Einklang mit dem Gesetz erbracht, nämlich aufgrund seiner fortdauernden Leistungsverpflichtung nach § 86c SGB VIII.

Soweit der Beklagte hiergegen geltend macht, die Bestimmung des § 86c SGB VIII greife deshalb nicht ein, weil es sich bei der Verpflichtung, im Falle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit die Leistung bis zur Fortsetzung durch den nunmehr zuständigen örtlichen Träger weiter zu gewähren, nicht um eine echte Zuständigkeitsregelung handele und die fortgesetzte Leistungspflicht des bisher zuständigen Trägers im Falle einer auf inhaltlichen Gründen basierenden Ablehnung ende, trifft zwar zu, dass § 86c SGB VIII keine Zuständigkeitsregelung enthält, vielmehr einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit voraussetzt; dies führt jedoch nicht zu Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Gebots einer gesetzmäßigen Aufgabenerfüllung (§ 89f SGB VIII), weil § 86c SGB VIII insoweit die Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung gerade nicht vom Fortbestehen der örtlichen Zuständigkeit abhängig macht, vielmehr im Interesse des Leistungsempfängers die fortgesetzte Aufgabenerfüllung trotz Wechsels der örtlichen Zuständigkeit legitimiert. Dies gilt nicht nur im Verhältnis zum örtlich zuständig gewordenen Träger, dessen Erstattungspflicht in § 89c SGB VIII geregelt ist, sondern auch im Verhältnis zu dem vom Bundesverwaltungsamt nach § 89d SGB VIII (1996) als Erstattungspflichtigen bestimmten überörtlichen Träger. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2002 - BVerwG 5 C 51.01 - (BVerwGE 117, 179 ff.) der Auffassung ist, mit der auf inhaltlichen Gründen beruhenden Ablehnung der Weitergewährung der Jugendhilfeleistung durch die Beigeladene sei auch die fortgesetzte Leistungspflicht des Klägers in Wegfall geraten, verkennt er, dass die Verneinung der Leistungspflicht - abgesehen davon, dass sie, anders als in dem der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Fall, nicht in Form eines Ablehnungsbescheides gegenüber dem Leistungsempfänger ausgesprochen worden ist - nach der ausdrücklichen Klarstellung in dem genannten Urteil mit "Konsequenzen für das materielle Recht, nach dem das Leistungsbegehren zu beurteilen ist", verbunden sein kann, "sofern sie nicht tragend damit begründet ist, der neue Träger fühle sich für die Leistung nicht zuständig" (a.a.O. S. 184), wie dies vorliegend der Fall ist. Soweit der Beklagte schließlich meint, der Kläger hätte nach Ablehnung der Übernahme des Jugendhilfefalles durch die Beigeladene die Zuständigkeit im Wege einer Feststellungsklage klären lassen müssen, andernfalls die gleichwohl weitergewährte Hilfe nicht im Einklang mit dem Gesetz stehe, und zur Begründung dieser Auffassung geltend macht, andernfalls werde die Sanktionsvorschrift des § 89c Abs. 2 SGB VIII umgangen, verkennt er, dass diese Regelung nicht eine Entlastung des nach § 89d SGB VIII als erstattungspflichtig bestimmten überörtlichen Trägers, sondern eine Sanktion gegen den zuständig gewordenen örtlichen Träger zum Gegenstand hat. Auch der Interessenwahrungsgrundsatz, nach dem ein hilfegewährender Träger grundsätzlich alles tun muss, um den erstattungsfähigen Aufwand gering zu halten, begründet kein Vorrangverhältnis zugunsten des Beklagten in dem Sinne, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, zur Vermeidung eines Verlustes von Erstattungsansprüchen gegenüber dem Beklagten vorrangig die zwischen ihm und der Beigeladenen streitige Zuständigkeitsfrage gerichtlich klären zu lassen.

Der Kläger, der somit jedenfalls nach § 86c SGB VIII leistungsverpflichtet geblieben war, hat damit nicht nur einen Erstattungsanspruch nach § 89c SGB VIII gegen die nach dem Zuständigkeitswechsel zuständig gewordene Beigeladene, sondern - als rechtmäßig leistender örtlicher Träger - nach § 89d SGB VIII (1996) auch direkt gegen den Beklagten. Dem Kläger stehen beide Ansprüche zu. Ein Rangverhältnis zwischen diesen Ansprüchen (ohnehin zugunsten des Anspruchs nach § 89d SGB VIII) ist erst durch den im Streitfall noch nicht anzuwendenden § 89d Abs. 5 SGB VIII (1998) eingeführt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 369 241,55 € festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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