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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.10.1999
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 122.98
Rechtsgebiete: ZDG, VwGO, StPO
Vorschriften:
ZDG § 19 | |
VwGO § 43 Abs. 1 | |
vWgo § 144 Abs. 4 | |
StPO § 153 a |
1. Auch bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage kann das Rechtsschutzbedürfnis wegen Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts entfallen, etwa weil der als nichtig behauptete Verwaltungsakt für sich keine Geltungsdauer mehr in Anspruch nimmt.
2. Ein Kläger kann sich nicht ohne weiteres auf ein Rehabilitationsinteresse wegen fortwirkender Beeinträchtigung seines Ansehens aufgrund eines durchgeführten Strafverfahrens berufen.
Beschluß des 6. Senats vom 13. Oktober 1999 - BVerwG 6 B 122.98 -
I. VG Stuttgart vom 27.7.1998 - Az.: VG 13 K 2215/97 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 6 B 122.98 VG 13 K 2215/97
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues und die Richter Albers und Dr. Graulich
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde bleibt trotz unterstelltem Rechtsschutzbedürfnis erfolglos, weil das Feststellungsinteresse für die ursprüngliche Klage entfallen ist.
Das Rechtsschutzbegehren richtet sich gegen den Einberufungsbescheid der Beklagten vom 3. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 1997, demzufolge der Kläger ab dem 20. März 1997 den Zivildienst ableisten sollte. Das Begehren ist hauptsächlich mit einem Nichtigkeitsfeststellungsantrag (§ 43 Abs. 1 VwGO) und hilfsweise mit einem Anfechtungsantrag (§ 42 Abs. 1 VwGO) verfolgt worden. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang in ihrer Beschwerdeerwiderung zutreffend darauf hingewiesen, daß der streitgegenständliche Einberufungsbescheid (§ 19 ZDG) von Anfang an längstens eine Geltung bis zum mutmaßlichen Ende der Zivildienstzeit haben sollte, also bis zum 19. April 1998. Ein angefochtener Einberufungsbescheid erledigt sich mit Ablauf der in ihm festgesetzten Dauer des zu leistenden Zivildienstes. Die dagegen gerichtete Klage wird daraufhin unzulässig (BVerwG, Beschluß vom 10. August 1994 - BVerwG 8 B 85.94 - Buchholz 448.11 § 19 ZDG Nr. 20). Das gilt auch hinsichtlich des Hauptantrages auf Nichtigkeitsfeststellung. So ist etwa bei dem als nichtig behaupteten Verwaltungsakt auf die hypothetische Geltungsdauer abzustellen. Mit ihrem Ablauf entfällt das Feststellungsinteresse. Es wäre nicht verständlich, in dieser Hinsicht die Nichtigkeitsfeststellungsklage an geringere Zulässigkeitsvoraussetzungen als die Anfechtungsklage zu knüpfen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde behauptet der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und macht einen Verfahrensmangel geltend, auf welchem die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhe (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Auf die Entscheidung über dieses Beschwerdevorbringen kommt es indes nicht an, denn die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits deswegen in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen, weil für die Fortsetzung des Klageverfahrens betreffend die Einberufung zum Zivildienst schon im ersten Rechtszug das Feststellungsinteresse entfallen ist und nicht nur der Hilfs- sondern auch der Hauptantrag aus diesem Grund als unzulässig abzuweisen war.
Der Einberufungsbescheid der Beklagten hatte durch zeitliche Begrenzung spätestens mit Ablauf des 19. April 1998 seine Geltung verloren und der Rechtsstreit sich somit in der Hauptsache erledigt. Dies gilt - wie oben bereits erläutert worden ist - auch für die Nichtigkeitsfeststellungsklage aus § 43 Abs. 1 VwGO. Die Fortsetzung des Rechtsstreits setzt in diesem Fall ein berechtigtes Interesse voraus, das vorliegend nicht ohne weitere Darlegung erkennbar ist. Es sind weder rechtliche noch wirtschaftliche oder ideelle Interessen ausreichend dargetan worden, die ein solches Feststellungsinteresse begründen könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 - BVerwG 8 C 126.84). Das trifft auch für den inzwischen im Verfahren nach § 153 a StPO aufgehobenen Strafbefehl wegen Dienstflucht zu, der unter dem Datum des 17. Juli 1998 gegen den Kläger erlassen wurde, nachdem er dem Einberufungsbescheid nicht Folge geleistet hatte.
Der Kläger kann sich insbesondere nicht auf ein Rehabilitationsinteresse wegen fortwirkender Beeinträchtigung seines Ansehens aufgrund des durchgeführten Strafverfahrens berufen. Dabei ist entgegen dem entsprechenden Hinweis der Beklagten nicht entscheidend, daß der Strafbefehl weder auf dem erstinstanzlichen Urteil im vorliegenden Rechtsstreit beruhen kann, noch auf demjenigen zeitgleich anhängig gewesenen und am selben Tag vom Verwaltungsgericht entschiedenen betreffend den Musterungsbescheid, weil diese Urteile beide erst am 27. Juli 1998 verkündet worden sind. Wesentlich kommt es vielmehr darauf an, daß der Kläger seine rechtlichen Interessen primär im Strafverfahren oder bei beantragter Aussetzung dieses Verfahrens (§ 228 StPO) im Verwaltungsstreitverfahren uneingeschränkt hätte wahren können. Das Strafverfahren hätte dem Kläger dann durch einen Freispruch das Höchstmaß an Rehabilitation hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Schuldvorwürfe gewähren können. Statt dessen ist das Verfahren gemäß § 153 a StPO gegen eine Auflage von 3 000 DM eingestellt worden, was nur mit Zustimmung des Klägers selbst möglich gewesen ist. Das allein verbliebene Verwaltungsstreitverfahren wegen der durch Zeitablauf erledigten Einberufung steht im allgemeinen nicht dafür zur Verfügung, solche Fragen noch zu beantworten, deren Klärung im Strafprozeß willentlich vermieden worden ist. Denn es kann zu einer Korrektur der allgemeinen Folgen der Einstellung nach § 153 a StPO nicht beitragen. Gegen einen Einstellungsbeschluß, der aufgrund dieser Vorschrift ergeht, findet eine Wiederaufnahme nach nahezu unbestrittener Auffassung nicht statt (vgl. zu § 153 a StPO: OLG Frankfurt a.M. NJW 1996, 3353, 3354; zu § 153 StPO: OLG Zweibrücken NJW 1996, 2246, 2247; vgl. ferner: Gössel in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Vorb. zu § 395 Rn. 58; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 359 Rn. 5; KK-Schmidt, 4. Aufl., § 395 StPO Rn. 14; HK-Krehl, 2. Aufl., § 153 a StPO Rn. 37 und Vorb. zu § 359 Rn. 3; a.A. zu § 153 a StPO: Hellmann MDR 1989, 952). Dieser herrschenden Auffassung ist zu folgen. Mit der Einstellung ist kein sozialethisches Unwerturteil verbunden, das noch auszuräumen wäre (OLG Frankfurt a.M. a.a.O.). Ebensowenig wird bei einer Einstellung nach § 153 a StPO die Unschuldsvermutung widerlegt; aus der Zustimmungserklärung des Beschuldigten darf nicht geschlossen werden, die ihm zur Last gelegte Tat sei in tatbestandlicher Hinsicht nachgewiesen (BVerfG MDR 1991, 891). Die Einstellung geht erst recht nicht mit dem Makel einer schuldhaften Gesetzesverletzung einher (OLG Frankfurt a.M. a.a.O.). Welchen besonderen schutzwürdigen Interessen die nachträgliche Ausräumung des ursprünglichen Verdachts im Einzelfall des Klägers sonst noch dienen könnte, bedürfte daher gesonderter Darlegung. Dafür jedoch hat die Beschwerde nichts dargetan. Sie beschränkt sich auf allgemeine Erwägungen.
Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Anfechtungsantrages (§ 42 Abs. 1 VwGO) hat das Verwaltungsgericht bereits selbst in zutreffender Weise das Rechtsschutzinteresse verneint. Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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