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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.07.2000
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 18.00
Rechtsgebiete: WPflG
Vorschriften:
WPflG § 8 a |
Mit Blick auf die seit 1. Januar 1995 geltenden Verwendungsgrade nach § 8 a Abs. 2 Satz 1 WPflG ist ein Wehrpflichtiger nicht wehrdienstfähig im Sinne von § 8 a Abs. 1 Satz 1 WPflG , wenn ihm selbst bei Freistellung von der Grundausbildung wegen körperlicher oder geistiger Mängel schlechthin nicht zuzumuten ist, Grundwehrdienst zu leisten.
Beschluss des 6. Senats vom 5. Juli 2000 - BVerwG 6 B 18.00 -
I. VG München vom 16.12.1999 - Az.: VG M 4 K 98.4662 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 6 B 18.00 VG M 4 K 98.4662
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. Juli 2000 durch die Richterin Eckertz-Höfer und die Richter Dr. Gerhardt und Büge
beschlossen:
Tenor:
Das in der Hauptsache erledigte Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Dezember 1999 ist wirkungslos.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens insgesamt dem Kläger aufzuerlegen. Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem klageabweisenden erstinstanzlichen Urteil hätte keinen Erfolg gehabt.
In der Beschwerdebegründung wurde folgende Frage als klärungsbedürftig aufgeworfen: "Darf im Rahmen einer Beurteilung der Tauglichkeit nach § 8 a WPflG nach dem 'Tätigkeitskatalog' als lediglich interner Verwaltungsanweisung Wehrdienstfähigkeit festgestellt werden, wenn nach der ZDv 46/1 als gesetzlich vorgesehener Richtlinie zu § 8 a WPflG der Tauglichkeitsgrad 'nicht wehrdienstfähig' zu vergeben ist." Die Frage wäre eindeutig zu bejahen gewesen. Einer Zulassung der Revision hätte es daher nicht bedurft.
Mit Blick auf die seit 1. Januar 1995 geltenden Verwendungsgrade nach § 8 a Abs. 2 Satz 1 WPflG ist ein Wehrpflichtiger nicht wehrdienstfähig im Sinne von § 8 a Abs. 1 Satz 1 WPflG, wenn ihm selbst bei Freistellung von der Grundausbildung wegen körperlicher oder geistiger Mängel schlechthin nicht zuzumuten ist, Grundwehrdienst zu leisten (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1998 - BVerwG 6 C 5.98 - BVerwGE 108, 122, 125). Die auf der Grundlage von § 8 a Abs. 1 Satz 2 WPflG erlassenen Tauglichkeitsbestimmungen der ZDv 46/1 enthalten wehrmedizinische Erfahrungssätze, die die speziellen Anforderungen des Wehrdiens-tes berücksichtigen und die als solche auch im Verwaltungsrechtsstreit verwendbar sind (Beschluss vom 18. Dezember 1998 - BVerwG 6 B 108.98 - Buchholz 448.0 § 8 a WPflG Nr. 64 S. 13 m.w.N.). Da es sich bei der ZDv 46/1 um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift mit lediglich verwaltungsinterner Wirkung handelt, bleibt maßgeblich für die Beurteilung der Eignung eines Wehrpflichtigen stets das Gesetz (Urteil vom 9. Dezember 1998, a.a.O., S. 128). Daraus ergibt sich, dass die Beurteilung der Wehrdienstfähigkeit nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 WPflG und die Zuordnung gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu den Fehlerziffern und Gradationen der ZDv 46/1 nicht stets deckungsgleich sein müssen. Abweichungen bleiben vielmehr in beiden Richtungen möglich: Im Einzelfall kann die Wehrdienstfähigkeit nach dem Gesetz zu verneinen sein, obschon sie bei einer begrifflichen Anwendung der ZDv 46/1 zu bejahen wäre. Umgekehrt kann deren Anwendung zur Verneinung der Wehrdienstfähigkeit führen, obschon diese nach gesetzlichem Verständnis gegeben ist. Derartige Widersprüche lassen sich nicht gänzlich ausschließen, wenn die nach § 8 a WPflG gebotene Subsumtion unter den unbestimmten Rechtsbegriff der "Wehrdienst-fähigkeit" unter Zuhilfenahme eines typisierenden wehrmedizinischen Regelwerks erfolgt, dessen Anwendung im Interesse einer einheitlichen Verwaltungspraxis wünschenswert ist.
Zu einer anderen Beurteilung hätte auch nicht der sinngemäße Vortrag der Beschwerde führen können, ein Verwaltungsgericht dürfe sich über die Einstufung des klägerischen Leidens nach der ZDv 46/1 im Hinblick auf deren inneren Zusammenhang mit dem Tätigkeitskatalog des Bundesministeriums der Verteidigung vom 3. Dezember 1997 nicht hinwegsetzen. Das Verwaltungsgericht hat nicht in Zweifel gezogen, dass die ZDv 46/1 und der Tätigkeitskatalog aufeinander abgestimmt sind. Es hat vielmehr auf Grund seiner Beweisaufnahme im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Beklagten festgestellt, dass der Kläger den Anforderungen des Alltagslebens und damit den Mindestanforderugnen des Grundwehrdienstes, wie sie im Tätigkeitskatalog dargestellt sind, genügt. Die dem zugrunde liegende Aussage des gerichtlichen Gutachters steht in keinem sachlichen Widerspruch zu den genannten Erlassen. Er hat lediglich - in einem letztlich unerheblichen Zwischenschritt - bei der Bezeichnung des Grades des klägerischen Leidens ein von der ZDv 46/1 abweichendes Begriffsverständnis zugrunde gelegt.
Beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts demnach nicht auf einem unzutreffenden Verständnis der ZDv 46/1 und des Tätigkeitskatalogs, wäre es auf das weitere Vorbringen der Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht angekommen.
Billigkeitsgründe gebieten eine abweichende Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO nicht deshalb, weil die Beklagte im Anschluss an das erstinstanzliche Urteil den Kläger nicht zum Zivildienst einberufen, sondern eine erneute Tauglichkeitsprüfung angeordnet und damit im Ergebnis die Erledigung des Rechtsstreites herbeigeführt hat. Auch wenn die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken unterlegen haben dürften, so durfte die Beklagte aus der tatsächlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts doch schließen, dass es sich beim Kläger um einen Grenzfall handelte. Das Wiederaufgreifen des Verfahrens durch die Beklagte entsprach daher ordnungsgemäßer Verwaltungstätigkeit und zugleich dem wohlverstandenen Interesse des Klägers.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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