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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.10.1999
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 69.99
Rechtsgebiete: GG, Richtlinie


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Richtlinie 89/48/EWG
Gesetz über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Leitsatz:

Zur Rechtsanwaltseignungsprüfung sind nur solche Personen zugelassen, die in einem EU-Mitgliedstaat mit ihrem Qualifikationsnachweis die formalen Voraussetzungen für den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf erfüllen.

Beschluß des 6. Senats vom 26. Oktober 1999 - BVerwG 6 B 69.99 -

I. VG Stuttgart vom 23.06.1997 - Az.: VG 10 K 150/95 - II. VGH Mannheim vom 29.06.1999 - Az.: VGH 9 S 2919/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 B 69.99 VGH 9 S 2919/97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Oktober 1999 durch die Richter Albers, Büge und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Der vorliegenden Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach zur Eignungsprüfung nach dem Gesetz über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (EigPrG) vom 6. Juli 1990, BGBl I S. 1349, nur zugelassen werden kann, wer die Voraussetzungen für den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfüllt, ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Gesetzes zutreffend und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Dies ist offensichtlich und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren.

1. Daß Personen, die mangels Befähigung zum Richteramt nicht über die Voraussetzungen für die Zulassung zum Anwaltsberuf in Deutschland verfügen (§ 4 BRAO in Verbindung mit § 5 DRiG), nicht zur Eignungsprüfung zugelassen werden, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zum Kreis derjenigen Personen, die nach §§ 1, 4 Abs. 2 EigPrG in Verbindung mit der Anlage des Gesetzes zur Eignungsprüfung zugelassen sind. Diese sind nämlich alle Inhaber eines formalen Qualifikationsnachweises, die ihnen in einem EU-Mitgliedstaat den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf erlaubt. Wie den Erwägungen der Richtlinie 89/48/EWG (ABl EG Nr. L 19 vom 24. Januar 1989 S. 16 = NVwZ 1990, 45) zu entnehmen ist, deren Umsetzung für den Anwaltsberuf in Deutschland das genannte Gesetz vom 6. Juli 1990 dient, sieht der europäische Normgeber die in den EU-Mitgliedstaaten formal abgeschlossenen mindestens dreijährigen Hochschulausbildungen als prinzipiell gleichwertig an, ohne sich zugleich für den Bereich der staatlich reglementierten Berufe der Einsicht zu verschließen, daß der Diplomerwerb in dem einen Land nicht ohne weiteres zur erfolgreichen Berufsausübung in einem anderen Land befähigt. Das Erfordernis der Eignungsprüfung gerade für den Bereich der juristischen Berufsbilder dient daher dem Ausgleich von Defiziten, ohne damit das prinzipiell gleiche Qualifikationsniveau aller in einem EU-Staat zum Anwaltsberuf berechtigenden Nachweise in Frage zu stellen. Von dieser Grundkonzeption, die der Herstellung beruflicher Freizügigkeit unter den Unionsbürgern dient, von vornherein nicht erfaßt sind Personen, die wie der Kläger in keinem EU-Mitgliedstaat über einen formalen Qualifikationsnachweis für den unmittelbaren Zugang zum gewünschten Anwaltsberuf verfügen. Die noch nachzuweisende tatsächliche Qualifikation ist demgegenüber kein Gesichtspunkt, aus dem sich ein Gleichheitsgebot in dem vom Kläger gewünschten Sinne herleiten läßt. Wegen der unterschiedlichen Ausbildungsgänge, die in den EU-Mitgliedstaaten jeweils den Zugang zum Anwaltsberuf eröffnen, insbesondere aber aufgrund der Tatsache, daß sich Ausbildung ebenso wie anschließende Berufstätigkeit im allgemeinen überwiegend auf das jeweilige nationale Recht beziehen werden, ist ein aussagekräftiger Qualifikationsvergleich nur schwer möglich. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit aller den Berufszugang eröffnenden Hochschuldiplome beruht auf einer generalisierenden Entscheidung zur Herstellung von Freizügigkeit und Beseitigung von Diskriminierung auf der Grundlage formaler Nachweise. Für den Anwaltsberuf wird so ein Leitbild erzeugt, welches in bezug auf die Fähigkeit zum juristischen Denken von einem prinzipiell gleichen Niveau ausgeht. Angesichts dieses unvermeidlich abstrakten Gleichheitspostulates wäre es systemwidrig, wollte man den Versuch unternehmen, die formal unterhalb der Anwaltszulassung bleibende Qualifikation in dem einen Mitgliedstaat mit der berufseröffnenden Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat zu vergleichen. Es ist daher unerheblich, ob und in welchem Umfang die Kenntnisse des deutschen Rechts auf der Seite eines langjährigen deutschen Rechtsbeistandes größer sind als diejenigen eines jungen Rechtsanwaltes aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, der sich auf die Eignungsprüfung vorbereitet.

2. Der Ausschluß von Personen, die in keinem EU-Mitgliedstaat die Voraussetzungen für den Zugang zum Anwaltsberuf erfüllen, von der Eignungsprüfung verstößt ferner nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat zu beachten, daß das Aufstellen von Zulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die Berufsfreiheit bedeutet und daß deshalb seine Regelungen verhältnismäßig, das heißt geeignet und erforderlich sein müssen, um überragende Gemeinwohlinteressen zu sichern, und daß sie keine übermäßige, unzumutbare Belastung enthalten dürfen. Das in § 5 DRiG in Verbindung mit § 4 BRAO für die Aufnahme des Anwaltsberufs vorgesehene Qualifikationsniveau (erste Staatsprüfung nach rechtswissenschaftlichem Studium an einer Universität, zweite Staatsprüfung nach Vorbereitungsdienst) dient einem hochwertigen Gemeinschaftsgut, nämlich dem Schutz der rechtssuchenden Bevölkerung und der in der Rechtspflege Tätigen vor ungeeigneten Rechtsberatern. Die zunehmende Komplizierung des Rechtswesens im Zusammenhang mit der wachsenden Verrechtlichung der Lebensverhältnisse legen es nahe, als Grundlage für eine umfassende Rechtsberatungsbefugnis die Vertrautheit mit der Rechtsordnung insgesamt und das Verständnis übergreifender rechtlicher Zusammenhänge, so wie es in der juristischen Ausbildung vermittelt wird, zu fordern (vgl. BVerfG, Beschluß vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. - BVerfGE 75, 246, 266 ff.). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung des Klägers nicht, außerhalb der rechtlich geregelten juristischen Ausbildung die Gelegenheit zu geben, den Zugang zum Anwaltsberuf durch Ablegung einer Eignungsprüfung zu erlangen. Zur Erhaltung des für den Anwaltsberuf erforderlichen hohen Qualifikationsniveaus muß sich der Gesetzgeber nicht damit begnügen, Kenntnisse und Fähigkeiten punktuell im Rahmen einer Prüfung festzustellen. Er darf vielmehr zusätzlich verlangen, daß die Prüfung erst nach Durchlaufen einer geregelten Ausbildung stattfindet, zu welcher neben der praktischen Ausbildung auch ein rechtswissenschaftliches Universitätsstudium als unverzichtbarer Bestandteil zählt. Den Absolventen einer Ausbildung für den gehobenen Justizdienst kommt der Gesetzgeber im übrigen durch die in § 5 c DRiG vorgesehene Anrechnungsmöglichkeit entgegen.

3. Die Nichtzulassung von Bewerbern ohne Qualifikation für den direkten Zugang zum Anwaltsberuf verstößt schließlich nicht gegen die Diskriminierungsverbote des Europäischen Gemeinschaftsrechts (Beschluß vom 20. Juli 1999 - BVerwG 6 B 51.99). Der Hinweis des Klägers auf das Verbot der Benachteiligung wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 12 EG; früher Art. 6) verkennt, daß die Ungleichbehandlung hier nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die formal nachgewiesene Qualifikation anknüpft. Nicht zur Eignungsprüfung zugelassen sind auch Personen mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Staates, die die Voraussetzung für den Zugang zum Anwaltsberuf in ihrem Heimatstaat nicht erfüllen (vgl. für den Fall eines österreichischen Staatsangehörigen mit langjähriger Mitarbeit in einer deutschen Anwaltspraxis: Beschluß vom 20. Juli 1999 - BVerwG 6 B 51.99).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Absätze 1 und 3 GKG und entspricht Nr. 35.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtbarkeit (NVwZ 1996, 563, 566).

Ende der Entscheidung

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