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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.03.2000
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 8.00
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 19 Abs. 4 |
1. Bundesrecht verbietet es nicht, daß der Prüfer eine objektiv mehrdeutige Einzelbewertung im gerichtlichen Verfahren erläutert und die Bewertung in der klargestellten Fassung sodann Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird.
2. Mit Rücksicht auf das föderalistische Prinzip verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn das für den Prüfling maßgebliche Landesrecht die Zulassung zur zweiten Wiederholung der zweiten juristischen Staatsprüfung von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Recht anderer Bundesländer.
Beschluß des 6. Senats vom 30. März 2000 - BVerwG 6 B 8.00 -
I. VG Stuttgart vom 19.02.1999 - Az.: VG 10 K 3574/97 - II. VGH Mannheim vom 30.11.1999 - Az.: VGH 9 S 1277/99 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 6 B 8.00 VGH 9 S 1277/99
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues und die Richter Albers und Büge
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. November 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Der vorliegenden Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorbezeichneten Bestimmung zu.
1. Die in Abschnitt 1 der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen zur Begründungspflicht und zum Nachschieben von Gründen für die Bewertung schriftlicher Prüfungsleistungen sind durch die Senatsrechtsprechung geklärt bzw. lassen sich anhand dieser Rechtsprechung ohne weiteres beantworten, so daß es zu ihrer Klärung nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Das Grundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) erfordern es, daß die Prüfer die Bewertung einer schriftlichen Prüfungsleistung schriftlich begründen (Urteil vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262, 265 ff.). Diese Begründung muß ihrem Inhalt nach so beschaffen sein, daß das Recht des Prüflings, Einwände gegen die Abschlußnote wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie das Recht auf gerichtliche Kontrolle des Prüfungsverfahrens unter Beachtung des Bewertungsspielraums der Prüfer (a.a.O., S. 268). Das Verfassungsrecht verbietet es nicht, die Bewertung einer Prüfungsleistung noch während des gerichtlichen Verfahrens mit entsprechender (neuer) Begründung nachzuholen und auf diese Weise einen früheren Begründungsmangel zu korrigieren (a.a.O., S. 271). Der Grundsatz der Chancengleichheit verbietet die Beibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturmangels nur, soweit sie auf einer Änderung des Bewertungssystems oder einem Nachschieben beliebiger Gründe beruht (Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - DVBl 1999, 1594, 1596).
Im vorliegenden Fall ging es bezogen auf die Aufsichtsarbeit Nr. 7 nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um eine objektiv mehrdeutige Aussage im Votum des Zweitprüfers, die offenließ, ob seine Kritik fachlich zutraf oder von einem falschen Sachverhalt ausging. Da hier die fehlerfreie Bewertung im ursprünglichen Votum bereits angelegt war, beinhaltet die Klarstellung des Zweitprüfers im Berufungsverfahren nicht die Ersetzung eines erkannten Korrekturmangels durch eine neuartige negative Einzelbewertung. War daher das ursprüngliche Votum wegen seiner Mißverständlichkeit allenfalls verfahrensfehlerhaft im Sinne eines formellen Begründungsmangels, so bestehen keine Bedenken gegen die Klarstellung des Zweitprüfers im Laufe des gerichtlichen Verfahrens. Rechte des Prüflings werden damit nicht verletzt. Er kann gegen die Bewertung in der klargestellten Fassung weiterhin Einwände erheben oder seine Beanstandungen fallen lassen, wenn sich diese für ihn mit der Klarstellung erübrigt haben (vgl. zur Nachholung einer ursprünglich fehlenden Begründung: Urteil vom 9. Dezember 1992, a.a.O., S. 272).
Soweit der Kläger die Klarstellung durch den Zweitprüfer unter Hinweis auf dessen angeblich fehlende Neutralität beanstandet, steht dem die ständige Senatsrechtsprechung entgegen. Danach bestehen aus der Sicht des Bundesrechts grundsätzlich keine Bedenken gegen die Heranziehung der bisherigen Prüfer zur - behördlich oder gerichtlich veranlaßten - Neubewertung einer Prüfungsleistung. Abweichendes gilt, wenn sich die Prüfer von vornherein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ändern, oder ihnen die Fähigkeit abgeht, eigene Fehler zu erkennen, einzuräumen und diese mit dem ihnen gebührenden Gewicht zu bereinigen (Urteil vom 9. Dezember 1992, a.a.O., S. 273; Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 278; Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - a.a.O. Nr. 334 S. 35 f.; Urteil vom 30. Januar 1995 - BVerwG 6 C 1.92 - a.a.O. Nr. 343 S. 59; Beschluß vom 11. Juli 1996 - BVerwG 6 B 22.96 - a.a.O. Nr. 369 S. 144 f.; Urteil vom 4. Mai 1999 - BVerwG 6 C 13.98 - a.a.O. Nr. 395 S. 9, 21). In der zitierten Rechtsprechung ist mitbedacht, daß sich die landesrechtlich etwa vorgesehene Anonymität des Prüfungsverfahrens, die ohnehin im mündlichen Prüfungsteil nicht gilt, im anschließenden verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren nicht durchhalten läßt. Erst recht bestehen keine Bedenken dagegen, daß ein Prüfer eine objektiv mehrdeutige Passage seines Votums im gerichtlichen Verfahren erläutert und die Bewertung in der klargestellten Fassung sodann Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird, solange konkrete Anhaltspunkte gegen die Voreingenommenheit des Prüfers nicht vorliegen.
2. Soweit das für den Kläger maßgebliche Landesrecht die Zulassung zur zweiten Wiederholung der zweiten juristischen Staatsprüfung von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Recht anderer Bundesländer, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor. Der Landesgesetzgeber ist nämlich mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland nur verpflichtet, den Gleichheitssatz innerhalb des Geltungsbereichs der Landesverfassung zu wahren. Die Verfassungsmäßigkeit einer landesrechtlichen Norm kann daher grundsätzlich nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil sie von verwandten Regelungen anderer Länder oder des Bundes abweicht (BVerfG, Beschluß vom 23. Februar 1972 - 2 BvL 36/71 - BVerfGE 32, 346, 360; Beschluß vom 30. Mai 1972 - 2 BvL 41/71 - BVerfGE 33, 224, 231).
Abweichendes kann nicht wegen eines angeblich erschwerten Zugangs zum Vorbereitungsdienst für Bewerber mit erstem Examen anderer Bundesländer gelten. Daß eine derartige Praxis, wenn es sie gäbe, rechtlich unzulässig wäre, ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 DRiG, worauf der Beklagte in der Beschwerdeerwiderung zutreffend hingewiesen hat. Etwaige Verstöße gegen jene Bestimmung im Einzelfall, gegen die gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, sind schon im Ansatz nicht geeignet, den Gestaltungsspielraum des Landesnormgebers für den Bereich des für die zweite juristische Staatsprüfung maßgeblichen Prüfungsrechts einzuschränken. Gleiches gilt, soweit in der Person des Bewerbers (familiäre Bindungen) oder in der Sphäre der Einstellungsbehörden (Wartelisten wegen beschränkter Ausbildungskapazität) liegende Gründe die länderübergreifende Mobilität faktisch behindern.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 und 3 GKG und entspricht Nr. 35.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563, 566).
Ende der Entscheidung
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