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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 82.06
Rechtsgebiete: KWG


Vorschriften:

KWG § 36 Abs. 2
Es ist zulässig und unter dem Aspekt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter Umständen geboten, vor einer der Abberufung des Geschäftsleiters eines Kreditinstituts zwingend vorausgehenden Verwarnung als mildere Maßnahmen Hinweise oder Belehrungen auszusprechen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 B 82.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 6. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.

a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

Die Beklagte wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, "ob eine Missbilligung ein rechtlich zulässiges Aufsichtsmittel im Bereich der Bankenaufsicht ist und ob die Beklagte somit diese Maßnahme in einem bankaufsichtlichen Verwarnungsverfahren nach § 36 Abs. 2 KWG im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen als milderes Mittel in Betracht zu ziehen hat". Diese Frage wird vor dem Hintergrund gestellt, dass der Verwaltungsgerichtshof eine gegenüber dem Kläger ausgesprochene "Verwarnung" im Sinne des § 36 Abs. 2 KWG mit der Begründung aufgehoben hat, die Beklagte habe das ihr in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie die "Handlungsmöglichkeit" einer "einfachen und formlosen Missbilligung" nicht in Betracht gezogen habe.

Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage muss nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts darauf bezogen werden, dass der Verwaltungsgerichtshof, wie er betont, unter der von ihm so genannten Missbilligung eine einfache und formlose Maßnahme im Sinne einer "Belehrung über die aufgetretenen Verstöße und eines Hinweises auf die Möglichkeit einer Verwarnung (sowie eines späteren Abberufungsverlangens)" versteht, "der ein disziplinarischer Charakter und eine Makelwirkung ... fehlt".

§ 36 Abs. 2 KWG bestimmt, dass die Beklagte die Abberufung eines Geschäftsleiters verlangen und diesem Geschäftsleiter auch die Ausübung seiner Tätigkeit bei Instituten in der Rechtsform einer juristischen Person untersagen kann, wenn dieser vorsätzlich oder leichtfertig gegen die Bestimmungen u.a. des Kreditwesengesetzes verstoßen hat und trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt dieses Verhalten fortsetzt. Der Abberufung des Geschäftsleiters geht danach eine Verwarnung voraus.

Angesichts des vom Verwaltungsgerichtshof vorausgesetzten Inhalts der möglicherweise missverständlich so genannten "Missbilligung" können keine Bedenken gegen die Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme im Vorfeld und ggf. zur Vermeidung einer Verwarnung bestehen. Dies kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage des Kreditwesengesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt werden. Ob eine solche Maßnahme in die Erwägungen der Beklagten über den Ausspruch einer Verwarnung nach § 36 Abs. 2 KWG einzustellen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich grundsätzlicher Klärung.

Es spricht schon vieles dafür, dass die vom Berufungsgericht umschriebene Maßnahme auf § 6 KWG gestützt werden kann. Denn diese Bestimmung berechtigt die Aufsichtsbehörde nicht nur dazu, die zum Vollzug und zur Durchführung der Vorschriften des Gesetzes nötigen Verwaltungsakte zu erlassen (s. § 6 Abs. 3 KWG sowie zur früheren Rechtslage Urteile vom 30. September 1975 - BVerwG 1 C 2.71 - Buchholz 451.61 KWG Nr. 7 S. 10 und vom 24. Februar 1976 - BVerwG 1 C 3.72 - Buchholz 451.61 KWG Nr. 8 S. 24), sondern auch zu Maßnahmen im Vorfeld des Erlasses von Verwaltungsakten, wenn sie im Aufgabenbereich der Beklagten liegen und die weiteren Voraussetzungen des § 6 KWG vorliegen (vgl. Fülbier, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 2. Aufl. 2004, § 6 Rn. 23, 55, 61). Zu den Aufgaben der Bundesanstalt gehören auch die Entscheidungen nach dem Dritten Abschnitt des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Institute einschließlich derjenigen nach § 36 Abs. 2 KWG. Nach § 6 Abs. 3 KWG kann die Beklagte im Rahmen der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben auch gegenüber den Geschäftsleitern die dort umschriebenen notwendigen Anordnungen treffen, wenn die weiteren Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.

Aber auch wenn § 6 KWG nicht herangezogen wird, wäre die vom Verwaltungsgerichtshof umschriebene Maßnahme ohne ausdrückliche Ermächtigung als milderes Mittel gegenüber der Verwarnung nach § 36 Abs. 2 KWG zulässig. Nach der angeführten Vorschrift liegt die Erteilung einer Verwarnung als Voraussetzung für ein Abberufungsverlangen ebenso wie das Verlangen selbst im Ermessen der Behörde. Sie steht wie alles Verwaltungshandeln im Bereich der Eingriffsverwaltung unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht im Bereich der Versicherungsaufsicht bereits ausgeführt, dass auch ohne ausdrückliche Ermächtigung namentlich Belehrungen und Hinweise auf mögliche Anordnungen denkbare und zulässige Aufsichtsmaßnahmen sind und unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sogar geboten sein können (Urteil vom 6. Dezember 1999 - BVerwG 1 A 5.98 - Buchholz 452.00 § 81 VAG Nr. 8 S. 10 = GewArch 2000, 197 <198>). Die vom Verwaltungsgerichtshof umschriebene Maßnahme entspricht im Kern derartigen Belehrungen und Hinweisen. Sie können im Bereich der Bankenaufsicht in gleicher Weise in Betracht kommen. Beide Aufsichtsbereiche unterscheiden sich insoweit nicht in erheblicher Weise. Es handelt sich um besondere Gewerbezweige mit erhöhter Aufsichtsnotwendigkeit zum Schutz der jeweiligen Kunden. Auch im Bereich des allgemeinen Gewerberechts ist überdies anerkannt, dass etwa vor dem Widerruf einer Spielhallenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit eine "Abmahnung" geboten sein kann (Beschluss vom 6. September 1991 - BVerwG 1 B 97.91 - Buchholz 451.20 § 33i Nr. 12 S. 24 f. = GewArch 1992, 24 <25>).

Angesichts der Umschreibung der vom Berufungsgericht hier vermissten Maßnahme kann die aufgeworfene Frage nicht auf die Problematik der Zulässigkeit einer gleichsam disziplinarischen oder einen "Makel" bewirkenden Maßnahme führen (vgl. auch dazu Urteil vom 6. Dezember 1999 a.a.O.). Die umfangreichen Ausführungen der Beklagten zu Maßnahmen disziplinarischen Charakters gehen angesichts der inhaltlichen Umschreibung der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Maßnahme fehl.

b) Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist ebenfalls nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellt hat. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es. Der von der Beklagten behauptete Widerspruch zwischen dem angefochtenen Urteil und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1999 besteht auch in der Sache nicht, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.

2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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