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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.03.1998
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 9.98
Rechtsgebiete: BayEUG
Vorschriften:
BayEUG Art. 52 | |
BayEUG Art. 53 |
Der Schulgesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Ermittlung der Zeugnisnote aus schriftlichen und mündlichen Leistungsnachweisen in einem versetzungsrelevanten Fach selbst zu regeln.
Beschluß des 6. Senats vom 6. März 1998 - BVerwG 6 B 9.98 -
I. VG München vom 30.09.1996 - Az.: VG M 3 K 95.4771 - II. VGH München vom 24.09.1997 - Az.: VGH 7 B 97.100 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 6 B 9.98 VGH 7 B 97.100
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 6. März 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues und die Richter Albers und Büge
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. September 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Der vorliegenden Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die in der Beschwerdebegründung ausdrücklich oder sinngemäß als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, da sie sich anhand vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lassen.
a) Entgegen der Annahme in der Beschwerdebegründung ist die Frage, ob der Gesetzgeber die Ermittlung der Zeugnisnote aus schriftlichen und mündlichen Leistungsnachweisen in einem versetzungsrelevanten Fach selbst regeln muß, eindeutig zu verneinen.
Allerdings berührt die leistungsbedingte Entlassung aus dem Gymnasium das Grundrecht des betroffenen Schülers auf freie Berufswahl und freie Wahl der Ausbildungsstätte gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Sie stellt - zumal wenn sie mit dem Ausschluß vom Besuch einer ganzen Schulart verbunden ist - eine für den weiteren Berufs- und Lebensweg des betroffenen Schülers sehr einschneidende Maßnahme dar. Sie hat in der Regel zur Folge, daß der Zugang zu dem erstrebten Beruf abgeschnitten oder zumindest wesentlich erschwert und dadurch die Chance für eine freie Wahl des Berufs geschmälert wird. Der Verfassungssatz vom Vorbehalt des Gesetzes erfordert deshalb, daß der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen über die zwangsweise Schulentlassung selbst regelt. Dazu sind zu rechnen: Die Voraussetzungen für die zwangsweise Entlassung aus der Schule und den Ausschluß eines Schülers von allen Schulen einer bestimmten Schulart sowie die Zuständigkeiten für eine derartige Maßnahme und die Grundsätze des dabei einzuhaltenden Verfahrens (BVerfG, Beschluß vom 20. Oktober 1981 - 1 BvR 640.80 - BVerfGE 58, 257, 273 ff.).
Hingegen wird durch die bloße Nichtversetzung des Schülers weder die freie Wahl der Ausbildungsstätte berührt, noch werden dadurch schlechthin die Lebens- und Berufschancen maßgeblich beeinträchtigt. Auch wenn die Nichtversetzung das Grundrecht des Schülers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG berührt, ist sie für sich betrachtet (ohne unmittelbare Folge der Schulentlassung) eine erheblich weniger einschneidende Maßnahme. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Versetzung mit der für die praktische Anwendung notwendigen Bestimmtheit und Klarheit selbst zu regeln, ist angesichts der Vielgestaltigkeit und Vielschichtigkeit der Materie und unter Berücksichtigung der erforderlichen Flexibilität dieser pädagogischen Maßnahme von Verfassungs wegen nicht zu fordern. Vielmehr kann die Festlegung der Versetzungsvoraussetzungen in den Ausbildungsgängen der Regelung im Verordnungswege überlassen bleiben. Da das Institut der Versetzung aufgrund langjähriger Praxis eine Ausformung erfahren hat, die auf dem Leistungsprinzip beruht und von dem Erreichen des jeweiligen Ausbildungszieles abhängig ist, erscheint es angesichts der verhältnismäßig geringeren Grundrechtsrelevanz der Maßnahme und der Unübersichtlichkeit der zu regelnden Materie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und mit Blick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht geboten, daß der Gesetzgeber die für eine Versetzung erforderlichen Leistungen selbst umschreibt und festlegt (BVerfG a.a.O. S. 273 ff.).
Ebensowenig ist der Gesetzgeber gehalten, die Einzelheiten der Leistungsbewertung in einem versetzungsrelevanten Fach selbst zu regeln. Die genannten, auf die Nichtversetzung bezogenen Gründe gelten hier auch und erst recht, Die Notengebung im einzelnen Fach ist - wiederum für sich betrachtet - noch weniger als die Nichtversetzung generell geeignet, den Schüler in seiner freien Berufswahl zu beeinträchtigen. Im übrigen ist die Bewertung schulischer Leistungen eine originär pädagogische Aufgabe (vgl. BVerfG a.a.O. S. 264), die im Detail zu regeln wegen ihrer Komplexität und der zu beachtenden Flexibilität den Gesetzgeber überfordern würde. Schließlich handelt es sich bei der Vergabe einer Zeugnisnote - ebenso wie bei der Entscheidung über die Versetzung - um eine pädagogische Maßnahme, deren Abhängigkeit von den im maßgeblichen Zeitraum erbrachten Leistungen des Schülers ohnehin ein selbstverständliches Gebot ist (vgl. dazu Niehues, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 1994 Rn. 41 ff.).
Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Notenvergabe in einem versetzungsrelevanten Fach im einzelnen selbst zu regeln, kann entgegen der Argumentation in der Beschwerdebegründung nicht daraus hergeleitet werden, daß eine einzige Note - wie hier diejenige im Fach Griechisch - zur - wiederholten - Nichtversetzung und damit gemäß Art. 53 Abs. 3 und Art. 55 Abs.1 Nr. 4 BayEUG zur Entlassung aus der Schule führen kann. Allein der unvermeidliche Umstand, daß die Erteilung einer unzureichenden Zeugnisnote am Anfang einer Kausalkette steht, die zur Nichtversetzung und - im Falle der wiederholten Nichtversetzung - zur Schulentlassung führt, begründet nicht dasjenige Maß an Grundrechtsrelevanz, welches eine Detailregelung des Gesetzgebers hinsichtlich der Notenvergabe gebietet. Andernfalls hätte das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung bereits für die Nichtversetzung entsprechende legislatorische Anforderungen stellen müssen, zumal jene im Rahmen der Kausalkette der Schulentlassung näher steht als die Notengebung im einzelnen Fach. Die tatsächlich erfolgte Differenzierung behält ihre Plausibilität bei einer an typischen Gegebenheiten orientierten Betrachtungsweise: Während die mit dem Ausschluß vom Besuch vergleichbarer Schulen verbundene Entlassung im allgemeinen die Freiheft der Berufswahl tangiert, führt die Nichtversetzung als solche in den meisten Fällen nicht zu einer nennenswerten Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs des Schülers. Letzteres gilt erst recht für die Notengebung im einzelnen Fach.
Angesichts dessen mußte der bayerische Landesgesetzgeber nur für die leistungsbedingte Entlassung die materiellen Voraussetzungen selbst abschließend regeln, wie dies in Art. 53 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juli 1994, GVHl S. 689 ("Unzulässigkeit der Wiederholung"), mit der Folge der Beendigung des Schulbesuchs nach Art. 55 Abs. 1 Nr. 4 BayEUG geschehen ist: Hinsichtlich der Versetzung ("Vorrücken") genügt dagegen die allgemeine - dem traditionellen Verständnis verhaftete - Festlegung des Gesetzgebers, daß der Schüler die während des maßgeblichen Zeitraums erforderlichen Leistungsnachweise erbracht und dabei den Anforderungen genügt haben muß (Art. 53 Abs. 7 BayEUG). Darüber hinausgehend ist von der Leitentscheidung des Gesetzgebers auch die Möglichkeit des Notenausgleichs, der Nachprüfung und des Vorrückens auf Probe umfaßt (Art. 52 Abs. 4, Art. 53 Abs. 6 BayEUG). Daß der Landesgesetzgeber die Regelung weiterer Einzelheiten, insbesondere die Bestimmung der versetzungsrelevanten Fächer und Schülerleistungen, der Regelung durch den Verordnungsgeber überlassen (Art. 89 Abs. 2 Nr. 5 BayEUG - vgl. zum Nds. Schulrecht auch Urteil vom 9. August 1996 - BVerwG 6 C 3.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 372 S. 151) hat, ist nicht zu beanstanden.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des Zustandekommens der Zeugnisnote bzw. der dem zugrundeliegenden Leistungsbewertung. Die genannten Anforderungen des Gesetzesvorbehalts bleiben jedenfalls nicht unerfüllt, wenn - wie hier - die Leitentscheidung des Gesetzgebers sich darauf beschränkt, die Art der Leistungsnachweise allgemein zu beschreiben, die Notenskala vorzugeben sowie die bei der Leistungsbewertung zu beachtenden Grundsätze - Vollständigkeit, Gleichbehandlung, pädagogische Verantwortung - festzulegen (Art. 52 Abs. 1 bis 3 BayEUG). Im übrigen durfte der Verordnungsgeber beauftragt werden, Art, Zahl, Umfang, Schwierigkeit und Gewicht der Leistungsnachweise jeweils differenziert nach Schulart; Jahrgangsstufe und Fach zu bestimmen und die dabei zum Zuge kommenden Bewertungsgrundsätze zu regeln (Art. 52 Abs. 1 Satz 2, 89 Abs. 2 Nr. 5 und 7 BayEUG). Die hier in Rede stehende Frage, wie in einem Fach mit schriftlichen Arbeiten ("Schulaufgaben") die schriftlichen und mündlichen Leistungen zu gewichten und auf welche Weise die Gesamtnote zu ermitteln ist, beantwortet sich somit anhand der einschlägigen Bestimmung der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern vom 16. Juni 1983, GVBl S. 681, i.d.F. der Verordnung vom 11. Juli 1994, GVBl S. 665 (vgl. deren §§ 46 Abs. 1 und 2; 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 und 2 sowie Anlage 8). Insoweit handelt es sich um nicht revisibles Landesrecht, dessen Auslegung Sache des Berufungsgerichts ist. Fragen des bundesverfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts werden dadurch nicht berührt.
b) Die in der Beschwerdebegründung ferner aufgeworfene Frage danach, ob und inwieweit der leistungsbedingte Ausschluß eines Schülers vom weiteren Besuch eines staatlichen Gymnasiums mit den Grundrechten, insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 GG, in Einklang steht, ist gleichfalls nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, daß eine gesetzliche Regelung, wonach ein Schülerwegen wiederholter Nichtversetzung aus dem Gymnasium zu entlassen ist, für den funktionsfähigen Schulbetrieb in Gymnasien unerläßlich ist, weil die Schulen zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben und zum Schutz der Rechte der anderen Schüler über Mittel verfügen müssen, sich von zur Mitarbeit ungeeigneten Schülern zutrennen (a.a.0. S. 282). Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß die vergleichbare, im Fall des Klägers zur Anwendung gekommene Bestimmung des Art. 53 Abs. 3 Nr. 1 BayEUG nicht gegen Grundrechte des Schülers verstößt. Die allgemeinen Ausführungen zu II 2 und 4 der Beschwerdebegründung sind offensichtlich ungeeignet, dieses auf der Grundlage gesicherter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung feststehende Ergebnis in Frage zu stellen. Es wird nicht verkannt, daß die leistungsbedingte Entlassung aus dem Gymnasium für einen jungen Menschen eine schwere Enttäuschung darstellt. Die Folgen einer derartigen Maßnahme werden in der Beschwerdebegründung jedoch angesichts der Durchlässigkeit des Bildungssystems überzeichnet. Der Kläger selbst bietet hierfür ein Beispiel, hat er doch bereits zwei Jahre später als Externer die Reifeprüfung bestanden. Im übrigen gestattet Art. 53 Abs. 5 BayEUG Ausnahmen vom Verbot der erneuten Wiederholung, wenn der Mißerfolg nicht auf fehlende Eignung oder schuldhaftes Verhalten des Schülers zurückzuführen ist; insofern können auch mit einem Schulwechsel verbundene Probleme Bedeutung erlangen.
Soweit die Beschwerdebegründung im vorliegenden Zusammenhang auf besondere Umstände im Falle des Klägers (Erlangung des Graecums im vorhergehenden Schuljahr, Rundung der errechneten Note 4,66 auf 5 (mangelhaft), Wegfall des Fachs Griechisch in den noch folgenden Jahrgangsstufen) zu sprechen kommt, wird damit den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht Rechnung getragen. Selbst aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme im Einzelfall ergäbe sich noch nicht ohne weiteres die Klärungsbedürftigkeit einer Frage zum Zwecke der Fortbildung und Vereinheitlichung des Rechts. Im übrigen werfen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Berücksichtigungsfähigkeit des Fachs Griechisch und zur Ermittlung der Note klärungsbedürftige verfassungsrechtliche Fragen nicht auf.
c) Der Hinweis auf weniger scharfe Regelungen zur leistungsbedingten Entlassung aus dem Schulverhältnis in anderen Bundesländern rechtfertigt gleichfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Es entspricht mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß die Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Normen grundsätzlich nicht deshalb in Zweifel gezogen werden kann, weil sie von verwandten Regelungen anderer Länder oder des Bundes abweichen (BVerfG, Beschluß vom 23. Februar 1972 - 2 BvL 36.71 - BVerfGE 32, 346, 360; Beschluß vom 30. Mai 1972 - 2 BvL 41.71 - BVerfGE 33, 224, 231; BVerwG, Urteil vom 20. April 1990 - BVerwG 7 C 34.89 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 103 S. 25; Beschluß vom 7. September 1990 - BVerwG 7 B 127.90 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2; Urteil vom 23. Oktober 1996 - BVerwG 6 C 1.94 - BVerwGE 102, 142, 148 f.).
2. Die Abweichungsrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geht offensichtlich fehl. Das angefochtene Urteil enthält keine Rechtssätze, die von den in der Beschwerdebegründung zitierten Rechtssätzen im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1981 (a.a.0.) und im Beschluß desselben Gerichts vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087.91 - (BVerfGE 93, 1, 21) abweichen. Auch legt die Beschwerde dies nicht dar.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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