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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.09.2004
Aktenzeichen: BVerwG 6 C 1.04
Rechtsgebiete: WPflG


Vorschriften:

WPflG § 1
WPflG § 3
WPflG § 12
Der Wehrpflichtige verliert seinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis für einen Auslandsaufenthalt nach § 3 Abs. 2 Sätze 3 und 4 WPflG nicht immer schon dann, wenn er durch sein Verhalten gegen die Genehmigungspflicht nach § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 WPflG verstoßen hat.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 6 C 1.04

Verkündet am 22. September 2004

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich und Vormeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 8. Mai 2003 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Darmstadt zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der am 19. Mai 1982 geborene Kläger legte im Sommer 2001 die Reifeprüfung ab. Er beantragte mit Schreiben vom 12. Oktober 2001, ihm zunächst für ein Jahr das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zu gestatten. Er habe kurzfristig die Möglichkeit erhalten, ein Studium an der European Business School in London aufzunehmen. Es könne sichergestellt werden, dass er für den Fall der Genehmigung des Antrages bei rechtzeitiger Terminierung für die weiteren Musterungsuntersuchungen zur Verfügung stehen könne. Aus der außerdem vorgelegten Studienbescheinigung vom 5. September 2001 ergab sich, dass das Semester am 3. September 2001 begonnen hatte und er verpflichtet war, fünfzehn Stunden in der Woche am College zu verbringen, dass die maximale Dauer des Kurses ein Jahr betrug und dass das sich anschließende Diplomstudium insgesamt dreieinhalb Jahre dauerte.

Das Kreiswehrersatzamt Darmstadt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. November 2001 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung bestimme sich nach § 3 Abs. 2 WPflG. Danach müssten Wehrpflichtige nach Vollendung des 17. Lebensjahres eine Genehmigung einholen, wenn sie die Bundesrepublik Deutschland für mehr als drei Monate verlassen wollten. Eine solche Genehmigung könne nicht im Nachhinein erteilt werden. Der Kläger habe sich mindestens seit dem 3. September 2001 im Ausland aufgehalten. Sein Antrag vom 12. Oktober 2001 sei daher zu spät gestellt worden.

Den dagegen mit Schreiben vom 30. November 2001 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, § 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG sehe die beantragte Genehmigung auch für den Fall vor, dass die dort so bezeichneten "männlichen Personen" über einen genehmigten Zeitraum hinaus außerhalb der Bundesrepublik verbleiben oder einen nicht genehmigten Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland über drei Monate ausdehnen wollten. Er habe die Bundesrepublik bisher überhaupt noch nicht über drei Monate hinaus verlassen. Wenn die Behörde allerdings die beantragte Genehmigung weiterhin verweigere, zwinge sie ihn, ständig zwischen London und seinem hiesigen Wohnsitz hin und her zu pendeln.

Die Wehrbereichsverwaltung West wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16. Januar 2002 zurück.

Die daraufhin erhobene Klage mit dem Antrag,

festzustellen, dass der Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Darmstadt vom 21. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung West vom 16. Januar 2002 rechtswidrig war und, dass der Kläger auf seinen Antrag hin einen Anspruch auf Genehmigung zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland hatte,

hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Mai 2003 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WPflG hätten männliche Personen nach Vollendung des 17. Lebensjahres eine Genehmigung des Kreiswehrersatzamtes einzuholen, wenn sie die Bundesrepublik Deutschland länger als drei Monate verlassen wollten. Das Gleiche gelte, wenn sie über einen genehmigten Zeitraum hinaus außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verbleiben oder einen nicht genehmigungspflichtigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland über drei Monate ausdehnen wollten (Satz 2). Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei die Herstellung von Wehrgerechtigkeit unter allen Wehrpflichtigen und von Rechtssicherheit für den Einzelnen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers liege kein Fall des § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative WPflG vor, da es nicht um die Ausdehnung eines zunächst nicht genehmigungspflichtigen Auslandsaufenthaltes über drei Monate hinaus gehe. Zwar gebe es denkbare Konstellationen, in denen jemand im Ausland ohne die zunächst feststehende Absicht eines drei Monate übersteigenden Aufenthalts verweile, sich der Aufenthalt dann aber darüber hinaus erstrecke. Von dem Wehrpflichtigen müsse jedoch in Anbetracht des Gesetzeszweckes sowie unter Beachtung des Umstandes, dass es sich insoweit regelmäßig um Vorgänge handele, die des strengen Beweises im naturwissenschaftlichen Sinne nicht zugänglich seien, erwartet werden, dass er detailliert und plausibel einen Sachverhalt schildere, der den maßgeblichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess nachvollziehbar mache. Entscheidend sei insoweit die konkrete Zweckbestimmung des Auslandsaufenthaltes. Da der Kläger ein nach Semestern gegliedertes Studium mit Präsenzpflicht aufgenommen habe, halte er sich seit September 2001 ungenehmigt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Aufnahme des Studiums dokumentiere die Absicht, sich für länger als drei Monate dort aufhalten zu wollen. Am Nachweis konkreter Umstände des Einzelfalls, die eine andere Beurteilung nahe legten, fehle es vorliegend.

Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor: Auszugehen sei zunächst vom Wortlaut des § 3 Abs. 2 WPflG. Danach seien drei Fälle einer Antragspflicht bzw. Genehmigungsbefugnis erfasst, nämlich 1. vor Ausreise, 2. nach genehmigter Ausreise, wenn der Aufenthalt verlängert werden solle und 3. bei beabsichtigter Verlängerung einer noch nicht genehmigten, weil nicht genehmigungspflichtigen Abwesenheit. Der "vierte Fall", nämlich die Genehmigung des zum Zeitpunkt des Verlassens bereits genehmigungspflichtigen Aufenthaltes mit nachträglicher Antragstellung - wovon das Verwaltungsgericht im Ergebnis vom Tatsächlichen her ausgegangen sei - sei nicht geregelt. Nach der systematischen Auslegung lasse sich auch nicht der Schluss ziehen, wegen einer fehlenden Regelung sei eine Genehmigung nicht vorgesehen. Vielmehr seien die Voraussetzungen der Genehmigungserteilung dem vom Verwaltungsgericht nicht beachteten § 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG zu entnehmen ("Die Genehmigung ist für den Zeitraum zu erteilen, in dem der Wehrpflichtige für eine Einberufung zum Wehrdienst nicht heransteht."). Dieser materielle Genehmigungsanspruch sei nicht auf die Fälle der Antragstellung nach den Sätzen 1 und 2 beschränkt. Der Gedanke einer Verwirkung des Genehmigungsanspruchs sei der Norm nicht zu entnehmen und auch grundrechtswidrig. Die Sanktion für einen genehmigungslosen Aufenthalt im Ausland liege nicht in einer Verwirkung, sondern in der über das 25. Lebensjahr hinaus verlängerten Möglichkeit der Einberufung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WPflG sowie der Ordnungswidrigkeitenregelung in § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 WPflG. Dieses Ergebnis werde durch die teleologische Auslegung der Regelung bestätigt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 8. Mai 2003 nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Das verwaltungsgerichtliche Urteil sei zutreffend. Schon der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 WPflG sei eindeutig. Dort sei die Rede davon, dass jemand die Bundesrepublik Deutschland länger als drei Monate verlassen "wolle". Dies beinhalte als Genehmigungsvoraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland noch nicht verlassen worden sei. Unzutreffend gehe die Revision davon aus, nicht der ungenehmigte Aufenthalt, sondern allein das Unterlassen der Einholung der Genehmigung sei ordnungswidrig. In der Rechtsprechung werde die Ordnungswidrigkeit nach § 45 Abs. 1 Ziff. 2 WPflG nicht als echtes Unterlassungsdelikt, sondern als Dauerordnungswidrigkeit angesehen. Der Regelungszweck von § 3 Abs. 2 WPflG sei es, zu verhindern, dass Angehörige eines erfassten Geburtsjahrganges, die der Wehrpflicht unterlägen, sich durch Verlegung ihres Aufenthaltes in Gebiete außerhalb des Geltungsbereichs des Wehrpflichtgesetzes ihrer Heranziehung zum Wehrdienst entzögen. Das ungenehmigte Tun, das eine Ordnungswidrigkeit darstelle, stehe einer Genehmigung entgegen. Eine Heilung sei nicht möglich, wenn der Wehrpflichtige sein vermeintliches Recht schon in eigene Hände genommen und sich nicht vorher um eine Genehmigung bemüht habe.

Der Vertreter des Bundesinteresses trägt vor: Der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Verlassensgenehmigung bestehe nicht. Ein Auslandsaufenthalt sei überhaupt nur genehmigungsfähig, wenn der Wehrpflichtige für den beanspruchten Zeitraum nach § 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG für eine Einberufung zum Wehrdienst heran stehe. Daran fehle es beim Kläger. Das seit 1999 anhängige Musterungsverfahren sei bislang nicht zum Abschluss gekommen, weil der Kläger Ladungen zur Musterung wiederholt keine Folge geleistet habe. Im Übrigen sei ein aus dem vollzogenen Auslandsaufenthalt heraus gestellter Antrag nicht genehmigungsfähig.

II.

Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Da die vom Verwaltungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen dem Senat keine abschließende Entscheidung in der Sache erlauben, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen (1.), sie aber mit unzutreffenden Erwägungen als unbegründet abgewiesen (2.).

1. Das Begehren des Klägers ist in der Form der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Der Kläger hatte mit Schreiben an das Kreiswehrersatzamt Mönchengladbach vom 12. Oktober 2001 beantragt, ihm zunächst für ein Jahr das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zu gestatten. Mit der ursprünglich erhobenen Verpflichtungsklage hat er einen Genehmigungsbescheid für diesen Zeitraum angestrebt. Dieses Begehren hat sich durch Zeitablauf erledigt. Der Kläger ist daher zu Recht zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergegangen (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1979 - BVerwG 8 C 22.78 - Buchholz 448.0 § 3 WPflG Nr. 10 = BVerwGE 59, 23). Dafür hat er auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, das schon im Hinblick auf ein nicht auszuschließendes Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 WPflG zu bejahen ist (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1979, a.a.O.). Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht aber auch im Hinblick auf eine vom Kläger möglicherweise für die Fortsetzung des Studiums noch einmal einzuholende Genehmigung zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland; er kann mit einer Sachentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit verhindern, dass die Beklagte dann mit derselben Begründung seinen Antrag noch einmal ablehnt. Schließlich besteht das Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch deswegen, weil ihm ohne Sachentscheidung zur Frage der Genehmigungserteilung nach § 3 Abs. 2 WPflG eine verlängerte Heranziehung zum Wehrdienst nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b WPflG bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres droht.

2. Das Verwaltungsgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht den Kläger für verpflichtet gehalten, für die Aufnahme seines Studiums in Großbritannien eine Genehmigung zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland einzuholen; es hat jedoch das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Erteilung der Genehmigung rechtsfehlerhaft verneint.

a) Nach Vollendung des 17. Lebensjahres haben männliche Personen eine Genehmigung des zuständigen Kreiswehrersatzamtes einzuholen, wenn sie die Bundesrepublik Deutschland für länger als drei Monate verlassen wollen, ohne dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 WPflG bereits vorliegen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 WPflG). Das Gleiche gilt, wenn sie über einen genehmigten Zeitraum hinaus außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verbleiben (§ 3 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative WPflG) oder einen nicht genehmigungspflichtigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland über drei Monate ausdehnen wollen (§ 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative WPflG).

Der studienbedingte Auslandsaufenthalt des Klägers, der bei Beginn dieses Aufenthalts älter als 17 Jahre war und nicht bereits zuvor seinen Aufenthalt im Sinne des § 1 Abs. 2 WPflG ins Ausland verlegt hatte, war entweder nach § 3 Abs. 2 Satz 1 oder nach § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative WPflG genehmigungspflichtig. Der Inhalt der Bescheinigung der European Business School (EBS) London vom 5. September 2001 - Eingang der Immatrikulationsgebühr am 29. August 2001, Semesterbeginn am 3. September 2001, Anwesenheitspflicht im College: mindestens fünfzehn Stunden pro Woche, Dauer des Einführungslehrgangs: ein Jahr, Dauer des Hauptstudiums: dreieinhalb Jahre - sowie der Vortrag des Klägers im Widerspruchsschreiben vom 30. November 2001, bisher Deutschland noch nicht über drei Monate hinaus verlassen zu haben, sprechen dafür, dass er bereits bei seiner Ausreise Ende August/Anfang September 2001 die Absicht hatte, Deutschland zum Zwecke eines längeren, jedenfalls drei Monate deutlich übersteigenden Studienaufenthalts in Großbritannien zu verlassen. Damit wäre die Genehmigungspflicht nach § 3 Abs. 2 Satz 1 WPflG ausgelöst worden. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, er habe bei der Ausreise sich ernsthaft vorbehalten, das Studium kurzfristig abzubrechen und zurückzukehren, trat jedenfalls die Genehmigungspflicht nach § 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative WPflG spätestens dann ein, als der Kläger sein Studium in Großbritannien über die Dauer von drei Monaten hinaus fortsetzte.

Die Genehmigungspflicht wird nicht durch das Vorbringen des Klägers in Frage gestellt, er habe sich vorbehalten, jeweils vor Ablauf von drei Monaten nach Deutschland zurückzukehren, und dies im streitbefangenen Zeitraum (September 2001 bis August 2002) auch so praktiziert. Entscheidet sich der Wehrpflichtige für die Durchführung eines Auslandsstudiums mit einer Mindestdauer von einem Jahr, so wird der nach § 3 Abs. 2 WPflG maßgebliche Auslandsaufenthalt nicht durch Zwischenaufenthalte in Deutschland - etwa an Wochenenden oder während der Semesterferien - unterbrochen. Diese Annahme gebieten Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie gehen dahin, den Wehrpflichtigen daran zu hindern, sich durch einen längeren Auslandsaufenthalt dem Wehrdienst zu entziehen. Hält der Wehrpflichtige sich zu Studienzwecken im Ausland auf, so werden Bemühungen der Wehrersatzbehörden, ihn der Musterung oder - im Falle der Einberufung - der Truppe zuzuführen, wesentlich erschwert. Folgt man der vom Kläger befürworteten Auslegung, so wäre die Handhabung der Vorschrift in besonderem Maße missbrauchsanfällig. Könnte nämlich der Wehrpflichtige bereits durch die Erklärung, jeweils vor Ablauf von drei Monaten nach Deutschland zurückkehren zu wollen, sich der Genehmigungspflicht entziehen, so würde diese praktisch leer laufen, weil eine Kontrolle mit vertretbarem Aufwand kaum möglich ist. Hinzukommt ein systematischer Gesichtspunkt: Könnte der Wehrpflichtige durch Abgabe der erwähnten Erklärung den Eintritt der Genehmigungspflicht verhindern, so müsste dies auch für die Verlegung des ständigen Aufenthalts ins Ausland gelten mit der Folge, dass die in § 1 Abs. 3 Nr. 2 WPflG normierte Sperre für das Ruhen der Wehrpflicht nach § 1 Abs. 2 WPflG entfiele. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine derartige Möglichkeit eröffnen wollte, sich der Wehrpflicht rechtmäßig zu entziehen.

b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts entfällt der Anspruch des Klägers auf Erteilung der Erlaubnis für den Auslandsaufenthalt nicht schon deswegen, weil er gegen die formelle Genehmigungspflicht verstoßen hat. Wortlaut und Systematik der Gesamtregelung in § 3 Abs. 2 WPflG sprechen gegen eine derartige verwirkungsähnliche Sanktion für die Nichtbefolgung der Genehmigungspflicht. Die Vorschrift ist untergliedert in die Sätze 1 und 2, welche - zusammen mit der systematisch dazugehörigen Ermächtigung in Satz 5 - das Genehmigungserfordernis regeln, sowie die Sätze 3 und 4, in welchen die Voraussetzungen genannt sind, unter denen die Genehmigung zu erteilen ist. Auf diese Untergliederung in einen die formelle Genehmigungspflicht und einen den materiellen Genehmigungsanspruch betreffenden Teil ist schon in den Gesetzesmaterialien zum siebten Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes vom 3. September 1969, BGBl S. 1567, hingewiesen worden, durch welches § 3 Abs. 2 WPflG bereits seine im Wesentlichen bis heute geltende Fassung gefunden hat (vgl. BTDrucks 5/3770 S. 5 zu Nr. 2).

Sinn und Zweck der Regelung in § 3 Abs. 2 WPflG gebieten es nicht, dass der Wehrpflichtige einen etwaigen Anspruch auf Genehmigungserteilung immer schon dann verliert, wenn er die Genehmigung nicht rechtzeitig eingeholt hat. Wie bereits erwähnt, geht es in § 3 Abs. 2 WPflG um die ungehinderte Heranziehung der Wehrpflichtigen zur Wehrpflicht: Die Genehmigungspflicht soll verhindern, dass ohne vorherige wehrbehördliche Prüfung Wehrpflichtige ins Ausland wegziehen und dadurch die Wehrüberwachung und die Heranziehung zum Wehrdienst mindestens erschweren; ihre tatsächliche Verfügbarkeit soll nicht beeinträchtigt werden, ohne dass die Wehrbehörden Gelegenheit zur Überprüfung der maßgeblichen Gründe gehabt haben (vgl. Urteil vom 3. August 1977 - BVerwG 8 C 6.76 - BVerwGE 54, 241).

Die Ausreisefreiheit des Wehrpflichtigen wird mithin im Interesse seiner tatsächlichen Verfügbarkeit für den Wehrdienst in der Weise beschränkt, dass seine Befugnis zur Verlegung des Aufenthalts ins Ausland von der Genehmigung der Wehrbehörde abhängig gemacht wird; dabei sind in der Vorschrift bestimmte Voraussetzungen genannt, bei deren Erfüllung der Wehrpflichtige einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hat (vgl. Urteil vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <53 ff., 59>). Die damit angesprochenen öffentlichen Belange erfordern es nicht, dem Wehrpflichtigen die nicht rechtzeitig beantragte Genehmigung allein aus diesem Grunde zu versagen. Zwar hat der Wehrpflichtige in einem solchen Fall dem gesetzlichen Genehmigungserfordernis zuwidergehandelt; jedoch ist dieser Rechtsverstoß unter dem die Regelung beherrschenden Gesichtspunkt seiner Verfügbarkeit für den Wehrdienst nicht bereits für sich genommen, sondern nur insoweit von Bedeutung, als ihm kein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Seite steht. Soweit solche Ansprüche bestehen, nimmt das Gesetz Hindernisse bei der Durchsetzung der Wehrpflicht in Kauf. Es ist darum nicht einzusehen, dass Wehrpflichtige allein wegen nicht rechtzeitiger Antragstellung ihres materiellen Anspruchs auch dann verlustig gehen sollen, wenn die Bedarfslage der Bundeswehr nicht entgegensteht (§ 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG) oder Härtegesichtspunkte von vorneherein Vorrang genießen (§ 3 Abs. 2 Satz 4 WPflG). Kann in solchen Fällen ausgeschlossen werden, dass der formelle Verstoß die materielle Rechtslage zugunsten des Wehrpflichtigen beeinflusst, so nimmt die Wehrgerechtigkeit keinen Schaden, wenn die Genehmigung nachträglich erteilt wird. Damit steht andererseits fest, dass pflichtwidriges Verhalten des Wehrpflichtigen nicht honoriert werden darf. Diesen Zusammenhang zwischen Genehmigungspflicht und Genehmigungsanspruch hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont. Danach wird eine besondere Härte, die nach § 3 Abs. 2 Satz 4 WPflG eine nachträgliche Erteilung der Genehmigung rechtfertigen würde, nicht durch tatsächliche Umstände begründet, die der Wehrpflichtige zuvor ohne die dafür nach § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 WPflG erforderliche Genehmigung geschaffen hat (vgl. Urteil vom 26. Juli 1996 - BVerwG 8 C 4.95 - Buchholz 448.0 § 3 WPflG Nr. 18 m.w.N.). Das Ziel der Vorschrift, Wehrpflichtige daran zu hindern, sich durch einen Auslandsaufenthalt der Erfüllung der Wehrpflicht zu entziehen, bleibt gewahrt. Sie können nicht erwarten, durch Schaffung vollendeter Tatsachen Rechtsvorteile zu erwerben, sondern müssen damit rechnen, dass sie diejenigen Rechtsnachteile treffen, die das Gesetz als Folge ihres pflichtwidrigen Verhaltens vorsieht (vgl. insbesondere § 45 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b WPflG). Ein Wehrpflichtiger, der ohne die erforderliche Genehmigung das Bundesgebiet verlässt oder ihm länger als drei Monate fernbleibt, ist daher stets wenigstens mit dem Risiko des Eintritts dieser Rechtsnachteile belastet. Bereits dadurch wird dem in § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 WPflG aufgestellten formellen Genehmigungserfordernis Nachdruck verliehen.

c) Der Kläger hatte allerdings keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG. Danach ist die Genehmigung für den Zeitraum zu erteilen, in dem der Wehrpflichtige für eine Einberufung zum Wehrdienst nicht heransteht. Ob ein Wehrpflichtiger zur Einberufung heransteht, ist mit Blick auf den für ihn in Betracht kommenden nächstmöglichen Einberufungstermin sowie darauf zu beurteilen, für welche Dauer und zu welchem Zweck der Wehrpflichtige sich im Ausland aufhalten will. Die Erteilung der Genehmigung ist ausgerichtet am Bedarf der Bundeswehr (vgl. Urteil vom 7. Juni 1972 - BVerwG 8 C 191.70 - BVerwGE 40, 116, Urteil vom 24. Oktober 1979, a.a.O.; Beschluss vom 4. August 1997 - BVerwG 8 C 3.97 - Buchholz 448.0 § 3 WPlfG Nr. 20). Demnach stand der Kläger im streitbefangenen Zeitraum, seinem ersten Studienjahr (September 2001 bis August 2002), zur Einberufung zum Grundwehrdienst heran. Die Kreiswehrersatzämter haben vor und nach Aufnahme des Studiums den Kläger laufend - zuletzt durch Dauerladung - erfolglos zur Musterung geladen. Bereits damit haben die Wehrersatzbehörden die Bedarfslage der Bundeswehr im Sinne einer möglichen Einberufung des Klägers zum Wehrdienst konkretisiert. Bei Bejahung der Tauglichkeit wäre mit einer alsbaldigen Einberufung zu rechnen gewesen; auch die Klage gegen den Musterungsbescheid hätte daran nichts zu ändern vermocht (§ 35 WPflG). In den streitbefangenen Zeitraum fiel der damals für den Kläger in Betracht kommende nächstmögliche Einberufungstermin. Bis zu einer etwaigen Feststellung seiner vorübergehenden oder dauernden Wehrdienstunfähigkeit stand der Kläger zum Wehrdienst heran (vgl. Beschluss vom 4. August 1997 a.a.O.).

d) Ob dem Kläger dagegen ein Genehmigungsanspruch nach § 3 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 WPflG zugestanden hätte, kann anhand der im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Nach dieser Vorschrift ist die Genehmigung über den in § 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG bezeichneten Zeitraum hinaus zu erteilen, soweit die Versagung für den Wehrpflichtigen eine besondere Härte bedeuten würde.

aa) Die Erteilung der Genehmigung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 WPflG scheiterte entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits daran, dass nach dem zuvor Gesagten eine Genehmigung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 WPflG ausschied. Die Regelung in Satz 4 knüpft zwar sprachlich an diejenige in Satz 3 an, verlangt aber schon nach ihrem Wortlaut nicht zwingend, dass eine Genehmigung nach Satz 3 vorausgegangen sein muss. Der systematische Zusammenhang sowie Sinn und Zweck beider Regelungen lassen es ohne weiteres zu, dass erstmals und ausschließlich eine Genehmigung nach Satz 4 erteilt wird. Während Satz 3 die Bedarfslage der Bundeswehr im Auge hat, nimmt Satz 4 die persönliche Situation des Wehrpflichtigen in den Blick. Danach kann eine Genehmigung bei Eingreifen einer besonderen Härte auch dann nicht ausgeschlossen sein, wenn der Wehrpflichtige von Anfang an zu Einberufung heransteht. Da die Genehmigungserteilung nach Satz 4 unter Härtegesichtspunkten gerade darauf abzielt, die Genehmigungssperre des "Heranstehens" zum Wehrdienst zu überwinden, kommt es für die Anwendbarkeit der Regelung nicht entscheidend darauf an, ob dem Anliegen des Wehrpflichtigen über Satz 3 bereits teilweise entsprochen werden konnte oder nicht.

bb) Für die Auslegung des Begriffs "besondere Härte" im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 WPflG kann auf die zur Zurückstellung vom Wehrdienst wegen besonderer Härte nach § 12 Abs. 4 WPflG entwickelten Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden. In beiden Fällen geht es gleichermaßen darum, ob und unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Interesse an der alsbaldigen Ableistung des Wehrdienstes gegenüber privaten Interessen des Wehrpflichtigen zeitweilig zurücktreten soll (vgl. Urteil vom 26. Juli 1996 a.a.O., m.w.N.). Eine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ist anzunehmen, wenn eine bereits erschlossene außergewöhnliche Möglichkeit der beruflichen Ausbildung, die für den Wehrpflichtigen eine besondere Chance bedeutet, endgültig verloren geht. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Wehrpflichtigen auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) durch den wehrdienstbedingten Verlust einer Ausbildungsmöglichkeit liegt ferner dann vor, wenn ein bereits zugesagter (gesicherter) Ausbildungsplatz verloren geht und wenn der Betroffene nach Ableistung des Wehrdienstes die Ausbildung für den gleichen Beruf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit weder an derselben Stelle noch anderweitig nachholen kann oder dies nur mit einem zusätzlichen unverhältnismäßigen Zeitverlust möglich ist (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 21.97 - BVerwGE 105, 276, 279 f.).

Nach den vorstehenden Grundsätzen beurteilt sich, ob dem Kläger die Genehmigung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 WPflG für den Aufenthalt in Großbritannien zwecks Aufnahme seines Studiums an der EBS London im September 2001 zu erteilen war. Es bedarf daher der Feststellung, ob der Kläger das gewünschte Studium an der EBS London ohne unverhältnismäßige Wartezeit auch hätte durchführen können, wenn er im Anschluss an die Beendigung seiner schulischen Ausbildung zunächst den Grundwehrdienst abgeleistet hätte. Verneinendenfalls ist aufzuklären, ob der Kläger nach Ableistung des Grundwehrdienstes im gewählten Studienfach ohne unangemessenen Zeitverlust eine gleichwertige Ausbildung an einer anderen inländischen oder ausländischen Hochschule hätte erhalten können. Für die Frage der Gleichwertigkeit wird von Bedeutung sein, ob und inwieweit das Studium an der EBS London Perspektiven bietet, die über diejenigen bei einem "gewöhnlichen" Studium im gewählten Studienfach an einer beliebigen Hochschule im In- und Ausland hinausgehen. Die insoweit zur Entscheidung des Rechtsstreits notwendigen Feststellungen wird das Verwaltungsgericht nach Zurückverweisung zu treffen haben.

3. Die Entscheidung über die Kosten muss der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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