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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.04.1999
Aktenzeichen: BVerwG 6 C 18.98
Rechtsgebiete: GG, WRV, BayEUG
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 3 | |
GG Art. 4 Abs. 1 | |
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1 | |
GG Art. 7 Abs. 1 | |
GG Art. 140 | |
WRV Art. 136 Abs. 3 | |
BayEUG Art. 7 Abs. 3 |
Die Regelung des Art. 7 Abs. 3 BayEUG, wonach in allen Klassenräumen der Volksschulen ein Kreuz anzubringen ist, dem jedoch aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung widersprochen werden kann, verstößt nicht gegen Bundesverfassungsrecht, insbesondere nicht gegen das Neutralitätsgebot und die negative Glaubensfreiheit.
Die Widerspruchsregelung ist bundesverfassungskonform dahin auszulegen, daß sich die Widersprechenden dann, wenn sie sich auf derartige ernsthafte und einsehbare Gründe stützen, eine Einigung nicht zustande kommt und andere zumutbare, nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen, letztlich durchsetzen müssen (vgl. auch BayVerfGH, BayVBl 1997, 686).
Für die Annahme ernsthafter und einsehbarer Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung reicht es aus, wenn aus den Darlegungen der Eltern deutlich wird, daß sie Atheisten sind und/oder aus antireligiösen Auffassungen heraus es als unzumutbar ansehen, daß ihr Kind in der Erziehung religiösen Einflüssen ausgesetzt werde. Weltanschauliche Indifferenz kann dagegen einen Widerspruch nicht tragen. Ein freies Vetorecht besteht nicht.
Die Widerspruchsregelung ist verfassungskonform dahin zu handhaben, daß vorhersehbare Konflikte wegen der Anbringung des Kreuzes möglichst von vornherein vermieden und notfalls schon bei der Klasseneinteilung berücksichtigt werden. Der Schulleiter hat während des gesamten Verfahrens die gebotene Diskretion zu wahren.
Urteil des 6. Senats vom 21. April 1999 - BVerwG 6 C 18.98 -
I. VG München vom 21.10.1996 - Az.: VG M 3 K 95.5323 - II. VGH München vom 22.10.1997 - Az.: VGH 7 B 97.601 -
BVerwG 6 C 18.98 VGH 7 B 97.601
Verkündet am 21. April 1999
Fechter Amtsrat als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues, die Richter Albers und Dr. Henkel, die Richterin Eckertz-Höfer und den Richter Büge
für Recht erkannt:
Tenor:
die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Oktober 1996 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 1997 sowie der Bescheid des Leiters der Holnstainer Volksschule in Bruckmühl vom 11. Juni 1996 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Entfernung der Kreuze in den Räumen der Schule anzuordnen, in denen die Tochter der Kläger regelmäßig unterrichtet wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Tochter der Kläger besucht seit dem Schuljahr 1995/96 die Volksschule Bruckmühl. Sie ist bekenntnislos und nimmt am Ethikunterricht teil. Mit Schreiben vom 13. September 1995 forderte der Kläger die Schulleitung vergeblich auf, die Kruzifixe aus den Schulräumen, in denen seine Tochter unterrichtet werde, zu entfernen. Der Widerspruch ist in Teilen polemisch begründet und weist insbesondere auf angebliche Irrtümer der christlichen Kirchen, ihre Wissenschafts- und Fortschrittsfeindlichkeit sowie ihre ablehnende Haltung zur Körperlichkeit des Menschen und zur Gleichberechtigung der Frauen hin. Er distanziert sich davon, daß das Kruzifix als stellvertretendes Zeichen für Toleranz, Humanismus und andere positive Tugenden stehen soll.
Nachdem die Kläger zunächst eine einstweilige Anordnung erwirkt hatten, erhoben sie im November 1995 Klage zum Verwaltungsgericht, unter anderem mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, sämtliche Kreuze in den Schulräumen, in denen ihre Tochter unterrichtet wird, abzunehmen. Alsbald danach, zum 1. Januar 1996, trat der durch Gesetz vom 23. Dezember 1995 (BayGVBl S. 20850) in Art. 7 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) neu eingefügte Absatz 3 mit der sog. "Widerspruchsregelung" in Kraft. Deren Anwendung führte im Mai 1996 zu einem Gespräch der Kläger mit dem Schulleiter. Dieser entschied durch Bescheid vom 11. Juni 1996, daß in jedem Klassenzimmer ein Kreuz hängen solle. Art, Größe und Plazierung sollten "seiner Würde als christliches Symbol" angemessen sein, für Nichtchristen aber nicht provozierend wirken. Die Umsetzung dieser Entscheidung hat im Verlaufe des Rechtsstreits gewechselt. Während im Klassenzimmer der Tochter der Kläger zunächst nur ein einfaches Kreuz ohne Korpus angebracht wurde, hängt seit einem Umzug der Schule im neuen Klassenzimmer - wie in allen anderen Unterrichtsräumen einschließlich des Ethikunterrichtsraums - neben der Tafel wieder ein Kruzifix mit Korpus. In anderen als den Unterrichtsräumen befinden sich heute keine Kruzifixe oder Kreuze mehr.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 21. Oktober ab. Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, unter Abänderung entgegenstehender Verwaltungsentscheidungen und des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verpflichten anzuordnen, daß die Kreuze in den Räumen der Holnstainer Volksschule in Bruckmühl, in denen sich ihre Tochter regelmäßig aufhält, entfernt werden. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat sie durch Urteil vom 22. Oktober 1997 als unbegründet zurückgewiesen, weil die Kläger keinen Anspruch auf Entfernung von Kreuzen hätten, weder aus Klassenzimmern, in denen ihre Tochter unterrichtet werde, noch aus anderen Räumen. Die angeordnete Anbringung des Kreuzes nach Maßgabe der gesetzlichen Neuregelung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Insbesondere verstoße das gesetzliche Erfordernis, daß ein Widerspruch gegen die Anbringung des Kreuzes nur berücksichtigt werden könne, wenn er auf "ernsthafte und einsehbare Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung" gestützt sei, weder gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG noch gegen Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV. Im vorliegenden Falle genüge das Vorbringen der Kläger den genannten Anforderungen nicht.
Mit der Revision, die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, rügen die Kläger eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht und eine Mißachtung der Bindungswirkung, die der Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach § 31 Abs. 1 BVerfGG zukomme. Die Kläger beantragen,
die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 1997 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Oktober 1996 sowie den Bescheid des Leiters der Holnstainer Volksschule in Bruckmühl vom 11. Juni 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Entfernung der Kreuze in den Räumen der Schule, in denen ihre Tochter regelmäßig unterrichtet wird, anzuordnen.
Der Revisionsbeklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision der Kläger ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesverfassungsrecht und ist daher aufzuheben. Die Klage hat Erfolg, weil die Kläger bei verfassungskonformer Auslegung des Landesrechts Anspruch darauf haben, daß der Leiter der Holnstainer Volksschule in Bruckmühl die Entfernung der Kreuze aus den Räumen der Schule anordnet, in denen die Tochter der Kläger regelmäßig unterrichtet wird.
1. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger ist Art. 7 Abs. 3 BayEUG in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 1995 (BayGVBl S. 20850). Er gewährt Eltern bei Vorliegen seiner Voraussetzungen ein subjektives Recht auf Abnahme des Kreuzes. Während Satz 1 der genannten Vorschrift zunächst für alle Volksschulen des Landes anordnet, daß angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht wird, sehen die Sätze 3 und 4 eine Lösung für etwaige Konflikte vor. Danach hat, wenn der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen wird, der Schulleiter eine gütliche Einigung zu versuchen (Satz 3). Gelingt dies nicht, so hat er nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit soweit möglich zu berücksichtigen (Satz 4).
Trotz der scheinbar offenen Formulierung, enthält die Konfliktregelung eine Anspruchsgrundlage für das hier zur Entscheidung gestellte Verpflichtungsbegehren. Die Entscheidung des Schulleiters nach Satz 4 der "Widerspruchsregelung" bezieht sich - angesichts der dabei zu berücksichtigenden "religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen" - auf die Frage, ob ein auch religiös zu verstehendes Symbol in die Erziehung der Kinder einbezogen werden soll. Mit ihr sollen also soweit einander widersprechend Grundrechtspositionen von Eltern aus Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zum Ausgleich gebracht werden. Satz 4 trägt damit unmißverständlich der mehrdimensionalen Grundrechtsrelevanz der Anbringung des Symbols für die verschiedenen Betrachter Rechnung. Hiervon ausgehend ist die Regelung nach Auffassung des Berufungsgerichts (BayVBl 1998, 305, 306, zu II. 3. a) wie auch des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVBl 1997, 686, 689 zu B 1. c) dahin auszulegen, daß sich dann, wenn eine gütliche Einigung nicht zustande kommt und weniger einschneidende Ausgleichsmöglichkeiten nicht bestehen, der Wille des Widersprechenden, wenn er auf ernsthafte und einsehbare Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung gestützt ist, auch gegen eine Mehrheit unter den Eltern durchsetzen muß. Diese Auslegung ist in ihrem landesrechtlichen Ansatz für das Revisionsgericht verbindlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Landesgerichte mit ihrer Auslegung die bundesrechtlichen Grenzen richterlicher Norminterpretation überschritten hätten. Sie haben nicht nur den Gesetzeswortlaut als äußerste Grenze der Interpretation beachtet, sondern ihre Auslegung gerade auch auf den Wortlaut des 2. Halbsatzes des Art. 7 Abs. 3 Satz 4 BayEUG gestützt. So hat der Verfassungsgerichtshof (a.a.O. S. 689) darauf abgestellt, daß nach diesem Wortlaut der Wille der Mehrheit lediglich "auch zu berücksichtigen" sei, und zwar nur "soweit möglich", er also nicht allein ausschlaggebend sei; im 1. Halbsatz sei demgegenüber vorangestellt, daß die Glaubensfreiheit des Widersprechenden zu "achten" sei. Insoweit läßt sich eine sprachliche Hervorhebung gegenüber dem "auch zu berücksichtigen" durchaus nachvollziehen. Zusätzlich hat sich der Verfassungsgerichtshof zur Unterstützung seiner Auslegung auf die Gesetzesmaterialien und die daraus erkennbaren Absichten des Gesetzgebers bezogen (Begründung zum Regierungsentwurf LTDrucks 13/2947 S. 6). Dieses Auslegungsergebnis läßt auch die Regelung im zweiten Halbsatz des Satzes 4 keineswegs leerlaufen. Darauf wird noch näher einzugehen sein. Ist aber die Regelung im dargelegten Sinne auslegungsfähig, dann ist diese Auslegung - wie ebenfalls noch darzulegen sein wird - kraft Bundesrechts als allein bundesverfassungsrechtskonform auch geboten.
2. Art. 7 Abs. 3 BayEUG ist rechtsgültig. Gegen die Widerspruchsregelung bestehen keine durchgreifenden bundesverfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Von einer Verfassungswidrigkeit der Neuregelung ist nicht etwa aufgrund der Bindungswirkung auszugehen, die dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 1995 (BVerfGE 93, 1, "Kruzifix") nach § 2031 BVerfGG zukommt. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, daß die frühere Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern vom 21. Juni 1983, GVBl S. 597 (VSO), mit Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar und daher nichtig war, weil die (staatliche) Anbringung von Kreuzen oder Kruzifixen in (allen) Unterrichtsräumen zusammen mit der Pflicht zum Besuch der staatlichen Pflichtschule dazu führte, daß die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit mit diesem Symbol konfrontiert waren und so gezwungen wurden, "unter dem Kreuz" zu lernen (a.a.O. S. 18), d.h. sich seiner Präsenz und Anforderung nicht entziehen zu können (a.a.O. S. 24). Nur soweit reicht die Bindungswirkung der Entscheidung. Dies ergibt sich aus den tragenden Entscheidungsgründen. Das Gericht hebt darin ab auf eine nicht zu beseitigende "Unvermeidbarkeit der Begegnung mit dem Kreuz in Schulräumen" (a.a.O. S. 18). Es führt weiterhin aus, daß Art. 4 Abs. 1 GG seine freiheitssichernde Wirkung in einer vom Staat geschaffenen Lage entfalte, "in der der einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluß eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen sich dieser manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist" (a.a.O. S. 16); soweit die Schule im Einklang mit der Verfassung Raum belasse, daß Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG auch innerhalb dieser staatlichen Institution ihre Glaubensüberzeugung betätigten, müsse dies vom Prinzip der Freiwilligkeit geprägt sein und "Andersdenkenden zumutbare, nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeiten lassen" (a.a.O. S. 24). Das Bestehen derartiger Ausweichmöglichkeiten genügt also für die geforderte Freiwilligkeit. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Ausweichmöglichkeiten (noch) als zumutbar und nicht diskriminierend anzusehen sind, hat sich das Gericht hingegen nicht geäußert. Eben an diesem Punkt setzt die Widerspruchsregelung nach der Auslegung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Berufungsgerichts an. Dazu, ob sie zureichend ist, enthält der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zwar Maßstäbe - auf die nachfolgend eingegangen wird -, jedoch keine die Gültigkeit einer solchen Regelung ausschließende Vorentscheidung (a.M. Detterbeck, NJW 1996, 426, 432). Auf die Frage, ob die Bindungswirkung auch Wiederholungsnormen erfaßt, kommt es hier daher nicht an.
b) Die Widerspruchsregelung verstößt nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 33 Abs. 3 und Art. 140 GG herzuleitende Gebot der weltanschaulichen und religiösen Neutralität des Staates. Das gilt auch dann, wenn man als untrennbaren Bestandteil der Regelung die für alle Volksschulen des Landes getroffene Anordnung des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 BayEUG hinzunimmt, wonach in jedem Klassenraum ein Kreuz anzubringen ist. Nicht jegliches staatliche Anbringen von Kreuzen in den Klassenzimmern von Pflichtschulen verstößt schon gegen das Neutralitätsprinzip (vgl. demgegenüber: Schweizerisches Bundesgericht, EuGRZ 1991, 89).
aa) In der Literatur (Böckenförde, ZevKR 1975, 119, 128 ff.; M. Heckel, DVBl 1996, 453, 472 f. m.w.N.) und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 41, 29, 46 ff., 49; 52, 223, 238 ff., 240 ff.) ist seit langem anerkannt, daß die Verpflichtung des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität nicht gleichzusetzen ist mit einer strikten Trennung von Staat und Kirche. Schon dem Wortlaut des Grundgesetzes läßt sich in vielfältiger Weise entnehmen, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht als ein laizistischer Staat verfaßt ist. Hier genügt es, auf die Benennung Gottes in der Präambel des Grundgesetzes (dazu Dreier, GG, Präambel Rn. 15) hinzuweisen, ferner darauf, daß nach Art. 7 Abs. 3 GG der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen, mit Ausnahme der bekenntnisfreien, ordentliches Lehrfach ist (Satz 1), sowie darauf, daß Art. 7 Abs. 5 GG die Errichtung öffentlicher Volksschulen als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen als rechtlich möglich voraussetzt. Hinzuweisen ist ferner auch auf die weitgehende Übernahme des Staatskirchenrechts der Weimarer Reichsverfassung durch Art. 140 GG, wobei hier insbesondere die Regelungen in Art. 137 Abs. 5 und 6 WRV (Status der Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts, Kirchensteuerwesen) und Art. 141 WRV (Zulassung der Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen in öffentlichen Anstalten) zu erwähnen sind.
Demgemäß wird in der schon genannten Literatur und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterschieden zwischen einerseits der distanzierenden Neutralität im Sinne der Nichtidentifikation mit Religionen und Weltanschauungen wie auch mit den sie tragenden Institutionen sowie andererseits der respektierenden, vorsorgenden Neutralität. Nach dem Beschluß vom 16. Mai 1995 (a.a.O., "Kruzifix") stellt sich dies nicht anders dar. Hier wird nicht nur das Identifikations- und Einmischungsverbot erwähnt (BVerfGE 93, 1, 16 u. 17). Es ist auch von der (objektiv-rechtlichen) Pflicht des Staates die Rede, einzelnen wie auch den Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften einen Betätigungsraum zu sichern, in dem sich die Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet entfalten kann (a.a.O. S. 16). In Erfüllung des von Art. 7 Abs. 1 GG erteilten Erziehungsauftrages müsse der Staat nicht etwa auf religiös-weltanschauliche Bezüge verzichten. "Auch ein Staat, der die Glaubensfreiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zur weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichtet", könne "die kulturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeugungen und Einstellungen nicht abstreifen, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen auch die Erfüllung seiner Aufgaben abhängt. Der christliche Glaube und die christlichen Kirchen sind dabei, wie immer man ihr Erbe heute beurteilen mag, von überragender Prägekraft gewesen. Die darauf zurückgehenden Denktraditionen, Sinnerfahrungen und Verhaltensmuster können dem Staat nicht gleichgültig sein. Das gilt in besonderem Maß für die Schule, in der die kulturellen Grundlagen der Gesellschaft vornehmlich tradiert und erneuert werden" (a.a.O. S. 22; vgl. auch Böckenförde in: Festschrift für Forsthoff, 1967, S. 93; M. Heckel, a.a.O. S. 468 mit FN 72).
bb) Der vorsorgenden Neutralität durch Zulassung weltanschaulich-religiöser Einflüsse im staatlichen Bereich sind jedoch - auch in der Schule - allgemeine Grenzen gesetzt. Mit Blick auf die staatlichen Belange ergeben sie sich etwa aus den Prinzipien des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats (vgl. etwa BVerwGE 105, 117); die vorrangige Wahrung dieser Prinzipien begrenzt das staatliche Interesse an der Vorsorge für die positive Entfaltung gesellschaftlicher Kräfte. Sodann gilt in bezug auf das Verhältnis des Staates zu den Institutionen (Kirchen, Weltanschauungsgemeinschaften) das Gleichheitsgebot in Gestalt des Paritätsgedankens (vgl. z.B. BVerfGE 19, 1, 8; 19, 206, 216; 24, 236, 246; 93, 1, 17; ferner M. Heckel, a.a.O. S. 475, FN 4). Mit Blick auf die Individuen und die Unvereinbarkeiten ihrer unterschiedlichen Überzeugungen hat der Staat schließlich vorsorgend darauf zu achten, daß die "friedliche Koexistenz" gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen gewährleistet bleibt; er darf den religiösen Frieden in einer Gesellschaft nicht von sich aus gefährden, weder durch eine Privilegierung bestimmter Bekenntnisse noch durch eine Ausgrenzung Andersgläubiger (BVerfGE 93, 1, 16 f.).
cc) Das Berufungsgericht hält das Anbringen von Kreuzen in den Klassenzimmern auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung aus zwei Gründen für mit dem Neutralitätsgebot vereinbar. Zum einen habe der Gesetzgeber diesem Symbol im Gesetz einen unverfänglichen Sinn beigegeben; es solle Ausdruck christlich geprägter Bildungsziele auf der Grundlage christlicher und abendländischer Werte sein (Art. 7 Abs. 3 Satz 2 BayEUG). Dieser Grund betrifft indes nur die distanzierende Neutralität nämlich die Nichtidentifikation mit religiösen Anschauungen über die Bedeutung des Kreuzes. Zum anderen meint das Berufungsgericht, der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, daß die weit überwiegende Mehrheit von Schülern und Eltern entweder das Anbringen von Kreuzen in Klassenräumen ausdrücklich wünsche oder doch jedenfalls billige. Dieses Argument stellt auf die vorsorgende Neutralität ab. Grundsätzlich läßt sich damit auch eine "vorsorgende" Anbringung von Kreuzen rechtfertigen. Dies trägt jedoch dann nicht mehr, wenn zu den beiden Gruppen derjenigen, die das Kreuz fordern bzw. billigen oder dulden, Eltern hinzutreten, die das Kreuz ablehnen, und zwar auch, wenn sie in der Minderheit sind: Die durch das Neutralitätsgebot geschützte "friedliche Koexistenz" gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen läßt sich allein mit dem Hinweis auf Mehrheitsverhältnisse nicht gewährleisten (BVerfGE 93, 1 ff., 24).
Dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis darin zuzustimmen, daß sich der Landesgesetzgeber für die Widerspruchsregelung entscheiden durfte, ohne damit gegen das Neutralitätsgebot zu verstoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber für die Lösung des hier gegebenen Spannungsverhältnisses zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit ausdrücklich den Gestaltungsauftrag erteilt, unter Berücksichtigung des Toleranzgebotes einen für alle zumutbaren Kompromiß zu suchen (BVerfGE 93, 1, 22 f.). Das schließt einen Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ein, in welcher Weise die ihm gestellte Optimierungsaufgabe am besten zu lösen und Gefährdungen der friedlichen Koexistenz gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen am ehesten zu vermeiden sind. Diesen Spielraum hat er eingehalten. Eine Lösung, die im Lichte des Neutralitätsgebots einer verfassungskonformen Handhabung der Widerspruchslösung eindeutig und in jeder Beziehung überlegen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Den Belangen der vorsorgenden Neutralität am nächsten kommen freilich Lösungen, die schon zu einer Konfliktvermeidung beitragen (vgl. BVerfGE 93, 1, 16 ff.), etwa indem sie Konflikten "von vornherein ... die Grundlage entziehen" (Beschluß vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 3 B 98.98 - NJW 1999, 805) oder aber doch für die Betroffenen "von vornherein" eine "Garantie der Freiwilligkeit" enthalten (BVerfGE 52, 223, 241). Auf eine derartig vorbeugende Vorsorge ist die Widerspruchslösung nicht vorrangig angelegt. Mit der vom Gesetzgeber zur Regel erhobenen Anbringung der Kreuze wird zunächst auf der ersten Stufe zwischen Personen mit gegensätzlichen Auffassungen ein Konflikt hervorgerufen, für den das Gesetz dann erst auf der zweiten Stufe eine nachträgliche Konfliktlösung bereithält (vgl. auch BayVerfGH a.a.O. S. 688, zu IV. A. 2. b), bb). Darin liegt ein Nachteil der Widerspruchslösung. Diejenigen, die das Kreuz nicht wünschen, laufen mit dem erkennbar werdenden Verlangen nach seiner Entfernung Gefahr, aus dem Blickwinkel der andersdenkenden Mehrheit in die Rolle von "Unruhestiftern" zu geraten, die eine Veränderung bestehender Zustände anstreben. In die Defensive gedrängt werden sie entweder nachgeben oder sich um so heftiger zur Wehr setzen. Auf diese Weise kann es dazu kommen, daß die "friedliche Koexistenz" gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen im Streit um die Beseitigung des Kreuzes eher gefährdet denn gewährleistet wird.
Der Konfliktvermeidung wäre vielfach eher dienlich, wenn vor der Anbringung des Kreuzes formularmäßig (auf freiwilliger Grundlage) festgestellt würde, wer es wünscht, ferner wer es nicht wünscht und schließlich wer mit beiden Lösungen leben kann, und wenn dann die Klassen entsprechend eingeteilt würden. Kommt es dabei nicht zu Benachteiligungen, ist eine solche Einteilung unbedenklich (vgl. zur Bildung von Bekenntnisklassen innerhalb von Gemeinschaftsschulen BVerfGE 41, 65, LS. 2). Die Frage nach der Zumutbarkeit des Ausweichens würde sich in mehrzügigen Schulen dann oftmals gar nicht erst stellen. Auf diese Weise ließe sich vielfach sicherstellen, daß beide Positionen - die derjenigen, die ein Kreuz wollen, und die derjenigen, die es nicht wollen - ohne Abstriche zur Geltung kommen könnten. Sowohl die Minderheit als auch die Mehrheit käme zu ihrem Recht. Die Widerspruchslösung ließe sich dann auf eine Auffanglösung für verbleibende Konfliktsituationen beschränken.
Der Senat ist jedoch in Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, daß auch auf der Grundlage dieser Überlegungen ein Modell, das nach dem Neutralitätsgebot eindeutig den Vorzug verdiente, nicht zur Verfügung steht. Es läßt sich nicht ausschließen, daß mit dem aufgezeigten Modell - 20und mit anderen vergleichbaren Lösungsvorschlägen - auch besondere Nachteile verbunden sein können.
Eine Konfliktvermeidung der vorbezeichneten Art würde voraussetzen, die Einstellung zur Anbringung eines Kreuzes frühzeitig - d.h. bei der Schulanmeldung, jedenfalls aber vor der Klasseneinteilung - und für alle gleichsam flächendeckend zu erfassen. Das könnte je nach den Umständen aber auch bewirken, daß mit derartigen Erhebungen bisher nicht vorhandene oder nicht aktuelle Konflikte, womöglich auf breiter Front, geweckt werden, indem der Konfliktstoff auf diese Art und Weise erst ins Gespräch gebracht wird. Andere Modelle, die von regelmäßig wiederkehrenden Abstimmungsprozessen ausgehen (vgl. Goerlich, NVwZ 1995, 1184, 1185), erweisen sich unter den genannten Gesichtspunkten als noch problematischer, wenn die Prozedur ganz oder teilweise in der Klassenöffentlichkeit ausgetragen wird. Hier würde eine ausschließlich geheime Abstimmung die Probleme zwar vermeiden. Dies liefe aber auf ein schlichtes Vetorecht hinaus und schlösse zudem den Vorteil einer nach dem Antwortverhalten differenzierenden Klasseneinteilung als verhältnismäßige Lösung denknotwendig aus. Die mit dem Modell verbundene Öffnung für jedes beliebige Motiv ist als ein Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates schlechterdings nicht zu begründen.
Im übrigen läßt sich Konflikten und Nachteilen, die mit der Widerspruchsregelung verbunden sein mögen, weitgehend vorbeugen, wenn der Schulleiter das Verschwiegenheitsgebot strikt beachtet. Daran aber ist er sowohl aus Gründen des Dienstrechts als auch aus Gründen des Bundesverfassungsrechts gebunden (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 140 GG und Art. 136 Abs. 3 WRV; vgl. BVerfGE 65, 1, 49). Der Schulleiter darf daher niemandem offenbaren, wer der Anbringung eines Kreuzes widersprochen hat, wieviele dies und mit welcher Begründung sie dies getan haben - nicht den Eltern, nicht den Schülern und auch nicht den Lehrern, und sei es auch nur mittelbar. Das gilt ohne Ausnahme für die Zeit ab Eingang des Widerspruchs, schließt also auch die Einigungsbemühungen und die Erklärung für die Abnahme des Kreuzes ein (Art. 7 Abs. 3 Satz 3 BayEUG). Eine Elternversammlung zur Ermittlung des Mehrheitswillens scheidet daher aus Rechtsgründen aus. Vielmehr hat der Schulleiter in die Einigungsbemühungen mit dem Widersprechenden allein das mutmaßliche Interesse derjenigen, die ein Kreuz wünschen, einzubringen, insbesondere wenn es sich dabei um die offensichtliche Mehrheit handelt. Kann er mit dem Widersprechenden auch unter Berufung auf den Toleranzgedanken eine Verständigung über Art und Ort der Anbringung eines Kreuzes nicht erzielen, so kann er den Willen der Mehrheit nur noch dadurch berücksichtigen, daß er die Kinder der widersprechenden Minderheit in einer Klasse zusammenfaßt, um sodann dem Mehrheitswillen in den übrigen Klassen Raum zu geben. Dieser Weg steht ihm allerdings nur offen, wenn und solange dies - insbesondere in pädagogischer Hinsicht - ohne benachteiligende Diskriminierung möglich und zumutbar ist. Er darf also bei einem Scheitern des Einigungsversuchs mit den widersprechenden Eltern nicht zusätzlich in einen Einigungsversuch mit den übrigen Eltern eintreten. Ein solcher Versuch verbietet sich, weil dann dem verfassungsrechtlichen Diskretionsgebot zuwider die Identität der Widersprechenden offenkundig würde. Eine abweichende Verfahrensweise kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Widersprechenden selbst mit ihrem Anliegen die Öffentlichkeit gesucht haben und der Schulleiter eine reale Möglichkeit nicht sieht, durch Gespräche mit und zwischen den "Parteien" den Konflikt zu entschärfen.
Darüber hinaus ist dann, wenn sich im Einzelfall schon frühzeitig - vor der Einteilung der Klassen - abzeichnet, daß Eltern widersprechen werden, dies schon bei der Einteilung möglichst zu berücksichtigen. Die so auch im Rahmen der Widerspruchsregelung mögliche Konfliktvermeidung ist insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn Kinder eingeschult werden, deren Eltern schon früher, in den Klassen älterer Geschwister, der Anbringung eines Kreuzes berechtigt widersprochen haben.
c) Die Widerspruchsregelung verstößt auch im übrigen nicht gegen Art. 4 Abs. 1 GG. Sie bietet Andersdenkenden eine zumutbare, nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeit, so daß dem vom Bundesverfassungsgericht betonten Grundsatz der Freiwilligkeit noch hinreichend Rechnung getragen wird. Das Erfordernis der Darlegung ernsthafter und einsehbarer Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung steht dem bei verfassungskonformer Beschränkung auf das mit Art. 4 Abs. 1, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 WRV vereinbare "Minimum an Zwangselementen" (BVerfGE 93, 1 ff., 23) nicht entgegen.
aa) Nach Art. 136 Abs. 3 WRV ist niemand verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren (Satz 1). Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert (Satz 2). Die Regelung des Satzes 1 ist vom Bundesverfassungsgericht zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 GG herangezogen worden; dieses Grundrecht gebe ein Recht, "auszusprechen und auch zu verschweigen, daß und was man glaubt oder nicht glaubt" (BVerfGE 12, 1, 4).
Der Zusammenhang der genannten Verfassungsbestimmungen erhellt zunächst, daß hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätze zu Offenbarungspflichten im Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer (BVerwGE 81, 239) oder bei glaubensbedingten Anträgen auf Befreiung vom Schwimm- oder Sportunterricht (BVerwGE 94, 82 ff., 87) nicht heranzuziehen sind. Denn dort geht es jeweils um Fälle, die sich Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV zuordnen lassen; es werden Ausnahmen von allgemeinen Pflichten verlangt. Hier aber ist das nicht der Fall. Die Darlegungspflicht nach Art. 7 Abs. 3 Satz 3 BayEUG läßt sich, da es maßgeblich auf die Wirkungen des Kreuzes auf den jeweiligen Betrachter ankommt, weniger unter Verweis auf den staatlichen Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG) als vielmehr dadurch rechtfertigen, daß das Spannungsverhältnis der einander widersprechenden Grundrechtspositionen, vor allem der Eltern (Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), soweit möglich, im Wege der praktischen Konkordanz (s. dazu bb) aufgelöst wird (BVerfGE 93, 1, 22 ff.; 41, 29, 50 f.). Danach muß es für die Erfüllung der Darlegungspflicht hier ausreichen, wenn die widersprechenden Eltern religionsunmündiger Kinder zu erkennen geben, sie seien Atheisten und wendeten sich deshalb oder aus antireligiösen Auffassungen heraus dagegen, daß ihr Kind in der Erziehung einem als unzumutbar empfundenen religiösen Einfluß durch Anforderung und Präsenz des Kreuzes ausgesetzt werde (s. dazu cc).
bb) Die Herstellung praktischer Konkordanz als Methode zur Auflösung des Spannungsverhältnisses einander widersprechender Grundrechtspositionen ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einer schlichten Güter- oder Werteabwägung. Sie will eine durch das Prinzip der Verfassungseinheit gestellte Optimierungsaufgabe lösen. Damit beide Grundrechtspositionen zu optimaler Wirksamkeit gelangen können, müssen sich beide Grenzziehungen gefallen lassen. Diese wiederum haben im jeweiligen konkreten Falle - gemessen am Optimierungsziel - geeignet, erforderlich und verhältnismäßig zu sein. Das erfordert, daß beide Grundrechtspositionen im Interesse beiderseits größtmöglicher Wirksamkeit einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. BVerfGE 28, 243, 260 ff.; 41, 29, 50; 52, 223, 247, 251; 93, 1, 21 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Auflage, Rn. 72, 318 f.). Gegenüber denjenigen, die einen religiösen Einfluß auf die Erziehung der Kinder nicht wollen, ist daher bei staatlich schu-lischen Pflichtveranstaltungen nur das unerläßliche Minimum an Zwangselementen solcher Art zuzulassen (BVerfGE 41, 29, 51; 93, 1, 23). Das bedeutet zum einen, daß weltanschaulich-religiöse Zwänge in öffentlichen Schulen, die nicht Bekenntnisschulen sind, soweit irgendmöglich auszuschalten sind (BVerfGE 41, 29, 51); zum anderen darf dieses Minimum nicht dazu führen, daß die Grenze zumutbarer, nicht diskriminierender Ausweichmöglichkeiten überschritten wird (BVerfGE 93, 1, 24).
cc) Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu einer verfassungskonformen Auslegung der Widerspruchsregelung.
(1) Das dieser Konfliktlösung eigene "unerläßliche Minimum an Zwangselementen" besteht für den Widersprechenden darin, gegenüber der Schulleitung zu erkennen zu geben, daß er sich gegen die Anbringung eines Kreuzes in der Klasse wendet, und dabei den Zusammenhang dieses Begehrens mit der (positiven oder) negativen Glaubensfreiheit herstellt. Dazu wiederum genügt es geltend zu machen, daß er aus Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung es als unzumutbar ansieht, wenn auf die Erziehung seines Kindes in dieser Weise ein religiöser Einfluß genommen wird. Eine solche Darlegung ist zumutbar. Wird die Widerspruchsregelung einengend so ausgelegt, führt dies auch angesichts der Art. 4 Abs. 1, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 WRV zu keinen diskriminierenden Benachteiligungen. Wer schon den vergleichsweise geringen religiösen Einfluß eines Schulkreuzes auf die Erziehung des Kindes für unzumutbar hält, wird typischerweise zu denjenigen zählen, die ihr Kind nicht am Religionsunterricht teilnehmen lassen. Die Abmeldung vom Religionsunterricht hat sinngemäß stets die Offenbarung zum Inhalt, daß die dort vermittelten Glaubensüberzeugungen nicht geteilt und in der Erziehung nicht geduldet werden. Die Darlegungen zur Begründung des Verlangens auf Beseitigung des Kreuzes - in dem genannten nur eingeschränkten Umfang - bedeuten demgegenüber keine nennenswerte zusätzliche Belastung. Ebenso ist dem Widersprechenden zuzumuten, sich auf die vom Toleranzgedanken geprägten Einigungsbemühungen des Schulleiters einzulassen.
(2) Hingegen würde es eine übermäßige Einschränkung der negativen Glaubensfreiheit bedeuten, von dem Widersprechenden zusätzlich zu verlangen, daß er sich auch soweit offenbart, "daß ein Mißbrauch der Widerspruchsmöglichkeit verneint werden kann", wie dies das Berufungsgericht für zulässig und geboten hält. Zwar ist richtig, daß eine mißbräuchliche Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG nicht schutzwürdig ist (vgl. BVerfGE 12, 1, 4). Insoweit läßt sich dem Grunde nach die Auferlegung einer Pflicht zur Darlegung von Gründen rechtfertigen. Nicht mehr zu rechtfertigen ist jedoch, die Widerspruchsregelung so auszulegen, daß es ausnahmslos und ohne konkreten Anlaß zu einer e r w e i -t e r t e n Offenbarungspflicht unter Umkehr der Darlegungslast kommt. Nur der wirkliche Mißbrauch fällt aus dem Grundrechtsschutz heraus. Es würde die Grenzen eines verhältnismäßigen Ausgleichs im Sinne praktischer Konkordanz überschreiten, den Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV über die vorgenannte Offenbarungspflicht hinaus weiter einzuschränken, um der bloßen Möglichkeit eines Mißbrauchs der negativen Glaubensfreiheit schon im Ansatz vorzubeugen. Die Darlegungs- und Beweislast für einen möglichen Mißbrauch der Widerspruchsmöglichkeit liegt vielmehr beim Schulleiter.
(3) Nicht zu fordern ist weiterhin die Darlegung, daß der Widersprechende sich bei seinem Verlangen auf die gefestigte innere Überzeugung von der Richtigkeit der Inhalte einer Glaubensrichtung oder einer - auch individuellen - Weltanschauung stützen muß, wie das Berufungsgericht meint; insbesondere ist der Auffassung entgegenzutreten, es reiche nicht aus, nichts zu glauben, um sich auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit zu berufen und sich gegen die staatliche Schulhoheit und die positive Glaubensfreiheit anderer durchsetzen zu können. Es geht hier nicht um eine Gewissensentscheidung und die Darlegung von Gewissenskonflikten wie etwa bei den Kriegsdienstverweigerern (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG). Art. 4 Abs. 1 GG schützt - wie dargelegt - auch die Freiheit, nichts zu glauben und religiöse Einflüsse von der Erziehung der Kinder fernzuhalten. Darüber hinaus geben die Inhalte eines Glaubens oder einer Weltanschauung als solche kaum jemals einen Anhalt für die Unzumutbarkeit der Konfrontation mit Symbolen anderer Anschauungen. Es werden vielmehr im wesentlichen individuelle Erfahrungen und Überzeugungen sein, welche zur Ablehnung des Kreuzes angeführt werden (vgl. auch die Fallgestaltung BVerfGE 35, 366). Wie die Frage nach den Inhalten eines Glaubens oder einer Weltanschauung ist daher auch die genannte Zumutbarkeitsfrage eine solche, die - als Reflex der Glaubensfreiheit - einer ernsthaften Selbstbestimmung überlassen bleiben muß und nur von daher beantwortet werden kann (vgl. Goerlich, a.a.O. S. 1186). Auch nichts zu glauben, kann daher ein ernsthafter Standpunkt sein, der es individuell-subjektiv als unzumutbar erscheinen lassen kann, daß auf die schulische Erziehung des Kindes durch das Symbol des Kreuzes religiöser Einfluß genommen wird. Art. 4 Abs. 1 GG gibt keine Rechtfertigung, diesen Standpunkt im vorliegenden Zusammenhang anders zu behandeln und eine auf bestimmte Inhalte festgelegte Weltanschauung vorauszusetzen.
Bloße Indifferenz in Glaubensangelegenheiten kann dagegen eine individuell-subjektive Unzumutbarkeit des Glaubenssymbols nicht nach sich ziehen. Sie wird kaum Veranlassung geben, der Anbringung von Kreuzen zu widersprechen. Einem Widerspruch als Ausdruck der Beliebigkeit wird durch das oben zu (1) beschriebene Darlegungserfordernis mit seinem Bezug zur (negativen) Glaubensfreiheit vorgebeugt.
(4) Ebenfalls nicht zu verlangen ist entgegen der Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (a.a.O. S. 690), daß die Darlegungen objektiv nachvollziehbar sein müßten, insbesondere auch, inwieweit sich für den Widersprechenden durch den Anblick des Kreuzes ein ernsthafter Glaubens- oder Weltanschauungskonflikt ergibt; ebensowenig ist der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen, daß der Grad der Betroffenheit im Grundrecht der Glaubensfreiheit dargelegt und objektive Gründe erkennbar gemacht werden müßten, daß die Anbringung des Kreuzes subjektiv aus Gründen der Weltanschauung nicht zuzumuten sei. Damit wird teils etwas Unmögliches vorausgesetzt. Ein Glaubens- oder Weltanschauungskonflikt - im Sinne einer objektiven Unvereinbarkeit mit den Aussagen einer bestimmten religiös-weltanschaulichen Lehre - kann durch den bloßen Anblick des Kreuzes kaum hervorgerufen werden. Wie dargelegt wird die individuell-subjektive Unzumutbarkeit regelmäßig andere Ursachen haben oder sich auch nur auf Fragen der Einflüsse auf die weltanschaulich-religiöse Erziehung des Kindes beziehen. Vielfach wird es um höchstpersönliche Erfahrungen gehen, die sich objektiv kaum nachvollziehen lassen. Vor allem aber würde jene Sichtweise diejenigen Anforderungen überspannen, die an die Darlegung der Widerspruchsbegründung mit Blick auf das Grundrecht der (negativen) Glaubensfreiheit nur zu stellen sind. Das gesetzliche Erfordernis der Darlegung "einsehbarer" Gründe darf daher nur so verstanden werden, daß die Darlegungen des Widersprechenden einen subjektiv ernstlichen Zusammenhang zwischen der individuell-subjektiven Weltanschauung und dem Widerspruch gegen das Kreuz erkennen lassen müssen. Schulleiter und Gerichte müssen bei ihrer Würdigung diesen Einfluß grundrechtlich geschützter Subjektivität hinnehmen und berücksichtigen.
(5) Höhere Darlegungsanforderungen lassen sich auch nicht damit rechtfertigen, daß sonst der negativen Glaubensfreiheit ein absoluter Vorrang eingeräumt würde, der ihr im Sinne praktischer Konkordanz nicht zustehen darf. Das wäre eine zu enge Sichtweise. Das Spannungsverhältnis in der Beschränkung auf diesen einen Gegenstand zu betrachten und zu lösen, wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren. Im Beschluß vom 16. Mai 1995 (a.a.O., "Kruzifix") hat das Bundesverfassungsgericht den Rahmen weiter gesteckt. Hier hat es darauf hingewiesen, daß auch ohne das Kreuz noch Raum für die Betätigung der positiven Glaubensfreiheit in der Klasse und in der Schule verbleibe, nämlich in der Form des Religionsunterrichts und freiwilliger Andachten (a.a.O. S. 24). Zu erwähnen ist darüber hinaus das freiwillige Schulgebet. Wenn sich also in einzelnen Klassen hinsichtlich des Schulkreuzes die negative Glaubensfreiheit durchsetzt, wird dadurch die Schule nicht zu einer streng laizistischen Einrichtung. Es bleibt Raum für andere Formen der positiven Glaubensbetätigung. Außerhalb des Religionsunterrichts (vgl. Art. 7 Abs. 3 GG) besteht ohnehin kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, daß in den Räumen öffentlicher Schulen Gelegenheit zu religiösen Handlungen gegeben wird. Selbst daran sind Staat und kommunale Gebietskörperschaften solange nicht gehindert, wie die Freiwilligkeit der Teilnahme gewährleistet ist. Setzt der Staat sich bei schulischen Pflichtveranstaltungen jedoch über den Willen einer widersprechenden Minderheit hinweg, ohne dieser zugleich eine nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeit zu eröffnen, so begünstigt er damit eine religiös-weltanschauliche Ausrichtung zum Nachteil einer anderen und verläßt damit im Widerspruch zur Verfassung den Boden religiös-weltanschaulicher Neutralität. Ein solcher Verstoß gegen das Neutralitätsgebot läßt sich nicht dadurch rechtfertigen, daß die begünstigte Gruppierung die Mehrheit und die benachteiligte nur die Minderheit darstellt. Denn das Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) schützt in seinem Kern gerade die weltanschaulichen Minderheiten vor Eingriffen durch staatlicherseits zu verantwortende Maßnahmen, hier der Bildung und Erziehung in den öffentlichen Schulen, denen sich schulpflichtige Kinder nicht entziehen können.
3. Nach allem sind die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben. Mit ihnen werden - wie ausgeführt - an die Darlegung ernsthafter und einsehbarer Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung Anforderungen gestellt, die in mehrfacher Hinsicht über das unerläßliche Minimum hinausgehend in den durch Art. 4 Abs. 1, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 WRV geschützten Bereich eingreifen. Darüber hinaus ist dem Verpflichtungsantrag auf der Grundlage der oben entwickelten Grundsätze stattzugeben. Die Kläger haben ihren Widerspruch auf ernsthafte und einsehbare Gründe ihrer Weltanschauung gestützt. Zu dieser Würdigung sieht sich der Senat anhand der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und des umfangreichen und unstreitigen Aktenmaterials in der Lage. Er nimmt sie daher mit Blick auf das bevorstehende Ende der Schulzeit der Tochter der Kläger an der Volksschule auch im Interesse wirksamen Rechtsschutzes selbst vor. Unstreitig stand (und steht) auch eine andere Ausweichmöglichkeit als die Entfernung des Kreuzes in den Räumen der Schule, in denen die Tochter der Kläger regelmäßig unterrichtet wird, nicht zur Verfügung.
a) Die Kläger haben im Gesamtzusammenhang ihrer Begründung dargelegt, daß sie Atheisten sind und es aus ihrer teils antireligiösen und insbesondere antikirchlichen Auffassung heraus als unzumutbar ansehen und sich deshalb dagegen wenden, daß ihr Kind in der Erziehung religiösen Einflüssen ausgesetzt wird. Sie wollen - auch aus Gründen ihrer unterschiedlichen Herkunft - auf der Grundlage einer weltoffenen und nicht an bestimmte Kulturen und Denkweisen gebundenen Lebensart, jedoch in Anerkennung der Menschenrechte und demokratischer Prinzipien, ihr Kind dazu befähigen, selbst frei zu entscheiden, ob und welchen Glauben es annehmen will. Bei aller Subjektivität haben die Anschauungen der Kläger eine ernsthafte Grundlage. Daran zu zweifeln, besteht kein Anlaß. Auch was sie daraus an Vorstellungen für die weltanschaulich-religiöse Erziehung ihres Kindes herleiten, reicht zur Darlegung eines Widerspruchs aus ernsthaften und einsehbaren Gründen der Weltanschauung aus. Man mag - wie das Berufungsgericht - zahlreiche Einzelheiten der Begründung für trivial, einseitig oder polemisch halten. Damit läßt sich jedoch der Zusammenhang ihres Begehrens mit der negativen Glaubensfreiheit nicht widerlegen. In Glaubens- und Weltanschauungsfragen kann es vorkommen, daß kritische Auffassungen gegenüber Andersdenkenden nicht hinreichend emotionslos und ausgewogen vorgetragen werden. Subjektive Wahrheiten des Glaubens oder der Weltanschauung sind grundrechtlich auch dann geschützt, wenn sie auf Andersdenkende töricht oder geschmacklos wirken. Art. 4 Abs. 1 GG schützt nicht nur seriös oder gar anspruchsvoll dargelegte Auffassungen.
b) Ein Mißbrauch der durch Art. 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit läßt sich hier nicht feststellen. Ein solcher Mißbrauch liegt namentlich dann vor, "wenn die Würde der Person anderer verletzt wird" (BVerfGE 12, 1, 4). Entsprechendes gilt auch, wenn das weltanschauliche oder religiöse Selbstverständnis anderer als wesentlicher Teil dieser Würde mit unlauteren Methoden oder sittlich verwerflichen Mitteln herabgewürdigt wird. Auf Absichten religiöser Provokation und Kränkung, die fernab von jenem Minimum an Toleranz liegen, das in einem Gemeinwesen im Interesse der friedlichen Koexistenz unterschiedlichster Weltanschauungen und Religionen von jedermann erwartet werden kann und muß, braucht daher auch der zur weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichtete Staat keine Rücksicht zu nehmen. Ein solcher Fall liegt hier aber trotz der vom Berufungsgericht erkannten Polemik nicht vor. Eine Provokation Andersdenkender kann damit schon deshalb nicht beabsichtigt gewesen sein, weil die schriftliche Begründung der Kläger nur für den Schulleiter bestimmt war und von diesem an niemanden hätte weitergeleitet werden dürfen, auch nicht an das Kollegium. Seine Aufgabe - und die der Gerichte - war es allein, die Äußerungen der Kläger der Polemik zu entkleiden und auf den eigentlichen Sinngehalt zurückzuführen. Dies hätte zu der obigen Würdigung führen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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