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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: BVerwG 6 C 22.05
Rechtsgebiete: GG, WPflG


Vorschriften:

GG Art. 3
GG Art. 12
GG Art. 12a
WPflG § 12
Ein befristet beschäftigter Wehrpflichtiger, der zum Wehrdienst einberufen wird und mit der Ableistung des Wehrdienstes die bloße Chance auf die Umwandlung seines Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verliert, ist nicht von einer besonderen Härte im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG betroffen. Anders verhält es sich, wenn ihm der erstrebte Dauerarbeitsplatz rechtsverbindlich zugesagt oder aus anderen Gründen ähnlich gewiss ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 6 C 22.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich und Dr. Bier ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. April 2005 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I

Der am 23. Februar 1983 geborene Kläger schloss im Anschluss an seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker einen zunächst bis zum 31. Dezember 2004 befristeten Arbeitsvertrag mit der BP K. GmbH, der später bis zum 31. Dezember 2005 verlängert wurde.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2004 wurde der Kläger als wehrdienstfähig gemustert, und zwar mit Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten (T 2). Mit Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Köln vom 19. November 2004 wurde der Kläger zur Ableistung des Grundwehrdienstes zum 3. Januar 2005 einberufen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 23. November 2004 Widerspruch ein und bat um Zurückstellung bzw. Befreiung vom Wehrdienst. Zur Begründung führte er darin aus, er habe von der BP K. GmbH eine Verlängerung seines Arbeitsvertrages erhalten und sehe diese Tätigkeit als eine große Herausforderung und Chance für sein weiteres Berufsleben an. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Wehrbereichsverwaltung West mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 zurück.

Zur Begründung der von ihm am 3. Januar 2005 erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, falls er den neunmonatigen Grundwehrdienst ableisten müsse, sei davon auszugehen, dass seine Arbeitgeberin ihm im Anschluss an den bis zum 31. Dezember 2005 befristeten Arbeitsvertrag keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten werde. Von den zehn derzeit befristet übernommenen Auszubildenden würden ab dem 1. Januar 2006 höchstens sieben einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten. Es sei davon auszugehen, dass er keinen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalte, falls er dem Einberufungsbescheid Folge leisten müsse. In einer vom Kläger zu den Akten gereichten Bescheinigung der BP K. GmbH vom 14. März 2005 heißt es, dass nach Ablauf der befristeten Arbeitsverträge für die ehemaligen Auszubildenden nicht alle Mitarbeiter in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden könnten. Frühestens im Oktober/November 2005 würde entschieden werden, ob der Kläger nach Beendigung der längstmöglichen Befristungsdauer ab dem 1. Januar 2006 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden könne. Eine Verschiebung des Einberufungstermins werde befürwortet, da dem Kläger durch die Einberufung zum jetzigen Zeitpunkt erhebliche berufliche Nachteile entstehen könnten. Denn bei Heranziehung zum Wehrdienst zum jetzigen Zeitpunkt werde man dem Kläger nach Ableistung des Wehrdienstes mit größerer Wahrscheinlichkeit keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten können.

Mit Urteil vom 15. April 2005 hat das Verwaltungsgericht den Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes K. vom 19. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung West vom 9. Dezember 2004 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Einberufung des Klägers stehe eine die Zurückstellung rechtfertigende besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG entgegen. Als besondere Härte erweise sich dabei nicht die Unmöglichkeit, das befristete Arbeitsverhältnis fortzusetzen, sondern der voraussichtliche Verlust der Möglichkeit, im Anschluss an das befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Die Arbeitgeberin des Klägers werde sich ausweislich ihres Schreibens vom 14. März 2005 erst frühestens im Oktober/November entscheiden, ob der Kläger nach Ablauf der längstmöglichen Befristungsdauer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werde. Derzeit konkurriere der Kläger mit anderen, ebenfalls mit befristeten Arbeitsverträgen ausgestatteten Mitarbeitern der BP K. GmbH um die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dabei habe die BP K. GmbH in dem vorgenannten Schreiben bereits mitgeteilt, dass nicht alle Mitarbeiter in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen werden könnten und der Erwerb eines möglichst hohen Maßes an Berufspraxis während der befristeten Anstellung ein maßgeblicher Faktor für die Übernahme sei. Bei einer Einberufung zum Wehrdienst zum jetzigen Zeitpunkt könne man dem Kläger nach Ableistung der Wehrpflicht mit größerer Wahrscheinlichkeit keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten. Bei dieser Sachlage würde dem Kläger durch die Einberufung zum Wehrdienst mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die konkrete Aussicht auf eine unbefristete Anstellung bei der BP K. GmbH genommen. Auch vor dem Hintergrund, dass die Arbeitgeberin dem Kläger schon angesichts der geschilderten betrieblichen Situation derzeit die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis noch nicht verbindlich zusagen könne, würde die Heranziehung zum Wehrdienst den Kläger schwerer treffen, als es einem Wehrpflichtigen üblicherweise zugemutet werde.

Die Beklagte begründet die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision damit, das Verwaltungsgericht habe den Begriff der besonderen Härte im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG verkannt. Es seien strengere Anforderungen an den allgemeinen Härtetatbestand anzulegen, als dies die Vorinstanz getan habe. Dem Kläger entgehe nicht eine einmalige Berufschance, sondern ihn treffe nur wie alle anderen Wehrpflichtigen auch die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt. Im vorliegenden Fall sei zu beachten, dass es nicht um einen Ausbildungsplatz oder um eine sonstige Form der beruflichen Ausbildung oder Fortbildung gehe, hinsichtlich derer gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten seien.

Der überwiegende Teil der Wehrpflichtigen sei von der bekanntermaßen angespannten Arbeitsmarktlage, unbeschadet der in jedem Einzelfall ggf. aufzuklärenden Besonderheiten, gleichermaßen betroffen. Der Wehrdienst werde in einem Alter geleistet, in dem sich junge Männer üblicherweise noch in der Ausbildung oder in der ersten Phase des Berufslebens befänden. Auch der Abschluss zunächst befristeter Arbeitsverhältnisse mit Berufseinsteigern sei gegenwärtig weit verbreitet. Der zum Wehrdienst heranstehende Wehrpflichtige befinde sich heute typischerweise in der Situation, dass ein avisierter Diensteintrittstermin vor dem Beginn oder während eines befristeten Arbeitsverhältnisses liege, von dem er sich regelmäßig neben der Einkommenserzielung auch den Erwerb von Berufspraxis zur Steigerung seiner Berufschancen bei seinem Arbeitgeber oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt versprechen werde. Es dürfte auch der Regelfall sein, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung zur endgültigen Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erst zum Ende des Befristungszeitraums treffe, um den Arbeitnehmer möglichst lange vor der Übernahme zu "erproben" und flexibel auf etwaige Konjunkturschwankungen reagieren zu können. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, die Heranziehung zum Wehrdienst treffe den Kläger schwerer, als einem Wehrpflichtigen üblicherweise zugemutet werde, sei daher nicht nachvollziehbar, zumal vor dem Hintergrund, dass die Arbeitgeberin dem Kläger schon angesichts der geschilderten betrieblichen Situation die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis noch nicht verbindlich zusagen könne. Es liege auch kein atypischer berufsbezogener Lebenssachverhalt vor, der für eine Beurteilung zugunsten des Wehrpflichtigen nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG offen wäre, ganz abgesehen davon, dass es nicht um eine berufliche Aus- und Fortbildung gehe.

Darüber hinaus bestehe vorliegend keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Übernahme des Klägers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Hinreichende Wahrscheinlichkeit setze eine rechtliche Verfestigung voraus, die hier überhaupt noch nicht gegeben gewesen sei, denn die Arbeitgeberin wolle ausweislich der (Gefälligkeits-)Bescheinigung vom 14. März 2005 erst im Oktober/November 2005 entscheiden, "ob Herr S. nach Beendigung der längst möglichen Befristungsdauer ab dem 1.1.2006 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden kann". Die Bewertung durch das Verwaltungsgericht, es handele sich um eine "konkrete Aussicht" auf ein Anstellungsverhältnis, sei fehlerhaft, denn wenn ohnehin nur ein Teil der ehemaligen Auszubildenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalte, handele es sich allenfalls um eine Chance. Letztlich könne dies aber dahingestellt bleiben, denn in jedem Fall liege noch keine rechtliche Verfestigung im Sinne einer Zusage vor.

Im Hinblick auf den Ablauf der im Einberufungsbescheid festgelegten Wehrdienstzeit am 30. September 2005 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat der Hauptsacheerledigung widersprochen und ihren Antrag aufrechterhalten, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

II

Mit dem von den Beteiligten erklärten Einverständnis kann der vorliegende Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Zwar hat der Kläger zu Recht die Hauptsache für erledigt erklärt. Dessen ungeachtet hat die Beklagte ein weiterhin anzuerkennendes Sachentscheidungsinteresse. Demgemäß ist die Klage abzuweisen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren.

1. Der Einberufungsbescheid vom 19. November 2004 hat sich durch Zeitablauf erledigt. Der darin bestimmte Zeitraum für die Ableistung des neunmonatigen Wehrdienstes ab dem 1. Januar 2005 ist nämlich inzwischen verstrichen. Da der Kläger die Aufhebung des erledigten Verwaltungsakts mangels Beschwer nicht mehr begehren kann, hat er zutreffend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, um eine Abweisung seiner unzulässig gewordenen Anfechtungsklage zu vermeiden (vgl. Urteil vom 19. Januar 2005 - BVerwG 6 C 9.04 - BVerwGE 122, 331 <332>, insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 448.0 § 21 WPflG Nr. 49). Gleichwohl hat der Senat nicht in Ermangelung einer gleichlautenden Erklärung der Beklagten die Erledigung des Rechtsstreits durch Urteil festzustellen. Denn dem einseitigen Antrag des Klägers, die Hauptsache für erledigt zu erklären, darf trotz Erledigung des angefochtenen Einberufungsbescheides nicht stattgegeben werden, wenn die Beklagte der Erledigungserklärung widerspricht und sie ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat (vgl. Urteil vom 3. Juni 1988 - BVerwG 8 C 86.86 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 174 S. 13). Ein derartiges Sachentscheidungsinteresse der Beklagten ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Annahme eines berechtigten Interesses daran, den in der Hauptsache erledigten Rechtsstreit fortzuführen, setzt ebenso wie die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO voraus, dass die Partei mit dem von ihr erstrebten Urteil in der Sache "noch etwas anfangen" kann. Das gilt mit Blick auf das Verhältnis der Beklagten sowohl zum Kläger als auch zu anderen Wehrpflichtigen (vgl. Urteil vom 27. November 1992 - BVerwG 8 C 2.91 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 251). Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verwaltungsstreitverfahrens, denn zur Frage, ob und inwieweit die Chance auf Übernahme durch den Arbeitgeber nach Ablauf eines ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnisses die Zurückstellung des Wehrpflichtigen rechtfertigt, konnte nach Lage der Dinge eine Entscheidung des Revisionsgerichts erst ergehen, nachdem sich der Einberufungsbescheid durch Ablauf des in ihm festgelegten Zeitraums für die Ableistung des Wehrdienstes erledigt hatte. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben ist die Beklagte auf die höchstrichterliche Klärung dieser Frage angewiesen. Der Senat hat daher in die von der Beklagten erbetene Sachprüfung der angefochtenen Bescheide einzutreten.

2. Die Klage ist abzuweisen, denn der Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes K. vom 19. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung West vom 9. Dezember 2004 war rechtmäßig.

Die Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen einen Einberufungsbescheid ist nach dem darin festgesetzten Gestellungszeitpunkt zu beurteilen (Urteil vom 22. Juni 1984 - BVerwG 8 C 83.82 - Buchholz 448.0 § 21 WPflG Nr. 33). Das war hier Anfang Januar 2005. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WPflG werden ungediente Wehrpflichtige von den Kreiswehrersatzämtern in Ausführung des Musterungsbescheides zum Wehrdienst einberufen. Der Kläger stand, nachdem er mit vollziehbarem Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Köln vom 5. Juli 2004 als "wehrdienstfähig" gemustert worden war, für die Heranziehung zum Grundwehrdienst zur Verfügung. Seine Einberufung war nicht aus besonderen Gründen ausgeschlossen. Zwar war der Kläger berechtigt, dem Einberufungsbescheid einen Zurückstellungsgrund im Sinne des § 12 Abs. 4 WPflG verteidigungsweise entgegenzusetzen (vgl. Urteil vom 29. Mai 1991 - BVerwG 8 C 52.89 - BVerwGE 88, 241 = Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 181; Beschluss vom 2. Mai 2006 - BVerwG 6 B 53.05 - NVwZ-RR 2006, 626). Die von ihm vorgebrachte Begründung reichte aber aus Rechtsgründen nicht für eine Zurückstellung aus Härtegründen aus. Denn der Kläger konnte seine Zurückstellung weder auf einen der besonderen Härtegründe des § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG noch auf die allgemeine Härteklausel in § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG stützen.

a) Unter den in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG vom Gesetzgeber speziell umschriebenen Regeltatbeständen einer besonderen Härte kommt hier nur derjenige nach Nr. 3 Buchst. c in Betracht. Eine besondere Härte liegt danach in der Regel vor, wenn durch die Ableistung des Wehrdienstes eine bereits begonnene Berufsausbildung unterbrochen würde. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist zwischen der durch sie in bestimmtem Ausmaß geschützten Ausbildung einerseits und der beruflichen Fortbildung andererseits zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 12. November 1975 - BVerwG 8 C 57.73 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 100 S. 39). Nicht unter den Schutz der Vorschrift fallen solche Lernvorgänge, die keine zusätzliche Befähigung oder Berechtigung verschaffen, sondern lediglich Fortbildung im ausgeübten Beruf sind, mit der das berufliche Wissen und Können vertieft werden soll. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bezweckte die Arbeitgeberin des Klägers mit der Verlängerung der befristeten Arbeitsverhältnisse zwar u.a. den Erwerb eines möglichst hohen Maßes an Berufspraxis durch die Mitarbeiter. Die Erlangung einer zusätzlichen Qualifikation war damit aber nicht verbunden, so dass keine Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG vorlag.

b) Der Kläger konnte auch nicht aufgrund der allgemeinen Härteklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG deshalb zeitweise vom Wehrdienst zurückgestellt werden, weil ihm im Falle der Ableistung des Wehrdienstes die Chance entging, von seiner Arbeitgeberin nach dem Ablauf seines befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden.

Nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG soll ein Wehrpflichtiger auf Antrag zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Wie bereits der Wortlaut der Vorschrift ergibt und durch ihren Sinn und Zweck sowie die Systematik des Gesetzes bestätigt wird, steht der Begriff der besonderen Härte in § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG im Gegensatz zu der allgemeinen Härte, welche die Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes in der Regel für jeden Wehrpflichtigen mit sich bringt. Eine die Zurückstellung rechtfertigende besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann anzunehmen, "wenn die Heranziehung zum Wehrdienst den Wehrpflichtigen anders trifft, als im Allgemeinen Wehrpflichtige davon betroffen werden, und zugleich schwerer, als ihnen üblicherweise zugemutet wird" (Urteil vom 15. November 1972 - BVerwG 8 C 139.71 - BVerwGE 41, 160 <165> = Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 64 S. 124). Das bedeutet zugleich, dass der Wehrpflichtige die mit der Ableistung des Grundwehrdienstes typischerweise verbundenen Nachteile hinnehmen muss. So stellt z.B. der bloße Zeitverlust, den der Wehrdienst bewirkt, keine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG dar (vgl. Klückmann, RdJB 1986, 375 <383>). Darüber hinaus mutet der Gesetzgeber den Wehrpflichtigen auch etwaige wehrdiensttypische Nachteile bei der Ausbildung und im beruflichen Fortkommen zu, soweit sie nicht durch einen benannten Härtegrund im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG erfasst sind. Denn im Konflikt zwischen dem individuellen Interesse des Wehrpflichtigen an einem möglichst ungestörten Ausbildungs- und Beschäftigungsverlauf und dem Interesse der Allgemeinheit daran, dass zur Sicherstellung der verfassungsrechtlich gebotenen Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr die verfügbaren Wehrpflichtigen alsbald zum Grundwehrdienst herangezogen werden, hat grundsätzlich das öffentliche Interesse Vorrang, was namentlich in dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von Wehrdienst einerseits und Wehrdienstausnahme gemäß § 12 Abs. 4 WPflG andererseits zum Ausdruck kommt (vgl. Urteil vom 26. November 1970 - BVerwG 8 C 56.70 - BVerwGE 36, 334 <336 f.> = Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 48 S. 72). Andererseits ist das Wehrpflichtgesetz in seinem § 12 Abs. 4 Satz 1 offen für die Berücksichtigung besonderer Sachverhalte, in denen das Interesse des Wehrpflichtigen an der Zurückstellung das öffentliche Interesse an der Einberufung überwiegt, so dass eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift zu bejahen ist. Von der Vorschrift sind daher - neben außergewöhnlichen Belastungen des Wehrpflichtigen aus sonstigen persönlichen Gründen - (nur) atypische berufsbezogene Fallgestaltungen erfasst (vgl. Beschluss vom 9. Oktober 2001 - BVerwG 6 B 57.01 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 204). Dasselbe ergibt sich, wenn man die besondere Härte aus beruflichen Gründen im Sinne der allgemeinen Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ins Verhältnis setzt zu den speziellen Tatbeständen in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG. Denn typische Fallkonstellationen, in denen dem Interesse des Wehrpflichtigen an seiner beruflichen Entwicklung regelmäßig Vorrang gebührt vor der sofortigen Ableistung des Wehrdienstes, wollte der Gesetzgeber in jenen speziellen Tatbeständen erfassen. Es verbietet sich daher, solche Fallgestaltungen in den Anwendungsbereich der Generalklausel einzubeziehen, denen nach der Regelhaftigkeit ihres Auftretens eine den Spezialtatbeständen vergleichbare Bedeutung zukommt. So liegt es hier:

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG -) vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1966), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 3002) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Hintergrund dieser Regelung sind die derzeit stark angespannten Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Der Gesetzgeber verbindet mit ihr die Hoffnung, dass die befristeten Arbeitsverträge in vielen Fällen in unbefristete Verträge münden; insbesondere soll Jugendlichen nach der Ausbildung der Eintritt in das Arbeitsleben mit guten Chancen auf eine dauerhafte Beschäftigung erleichtert werden (vgl. BTDrucks 14/4374 S. 12 ff., 14). Der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen hat sich auch in der Realität bei Ersteinstellungen in erheblichem Umfang durchgesetzt. Wie der vorliegende Fall verdeutlicht und durch weitere beim Senat anhängige Streitverfahren bestätigt wird, beschäftigen Arbeitgeber in vielen Fällen junge Arbeitsuchende im Anschluss an die Beendigung der Berufsausbildung in einem befristeten Arbeitsverhältnis, sei es, um unter ihnen eine Auswahl für die Übernahme auf einen festen Arbeitsplatz zu treffen, oder auch nur deswegen, weil sie sich nicht schon nach dem Ablauf der Probezeit dauerhaft an den Arbeitnehmer binden wollen. Handelt es sich aber um einen für das heutige Arbeitsleben typischen Sachverhalt, so ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob die Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG zum Schutze befristet Beschäftigter um einen weiteren speziellen Tatbestand ergänzt werden soll, sofern er eine Regelung im Arbeitsplatzschutzgesetz nicht vorzieht (vgl. zum Verhältnis von Zurückstellung und Arbeitsplatzschutzgesetz: Urteil vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 21.97 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 202 S. 48; insoweit in BVerwGE 105, 276 nicht abgedruckt). Die Herleitung eines solchen neuen und weitreichenden Härtetatbestandes auf der Grundlage der Generalklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG durch das Gericht würde die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten, weil sie das vom Gesetzgeber vorgegebene System aus typisierenden Spezialtatbeständen in Satz 2 und korrigierender Erfassung atypischer Sachverhalte in Satz 1 durchbrechen würde.

Darüber hinaus kann in dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages und der damit verbundenen Chance der späteren Erlangung eines Dauerarbeitsplatzes mangels einer diesbezüglichen ausdrücklichen Schutzentscheidung des Gesetzgebers auch deswegen kein hinreichender Grund für die Zurückstellung gesehen werden, weil sich die Auslegung der Generalklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG am Inhalt der Sondertatbestände in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG ausrichten muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind als Maßstab zur Bestimmung des für eine Zurückstellung nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG erforderlichen Grades der besonderen Härte die in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 3 aufgeführten Sondertatbestände heranzuziehen (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1997 a.a.O. S. 50 f. = BVerwGE 105, 276 <280>). Es ist daher nicht möglich, eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG unter Voraussetzungen anzunehmen, deren Gewicht hinter den Anforderungen der im nachfolgenden Satz geregelten Sondertatbestände zurückbleibt. Im vorliegenden Zusammenhang ist zu Vergleichszwecken die Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 a.E. WPflG in den Blick zu nehmen, wonach eine besondere Härte in der Regel vorliegt, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde. Der Gesetzgeber sieht demnach die Erlangung eines Ausbildungsplatzes, die unter den heutigen Bedingungen auf ähnliche Schwierigkeiten stößt wie die Erlangung eines Dauerarbeitsplatzes, als in besonderem Maße schutzwürdig an; gleichwohl begnügt er sich zur Annahme einer wehrdienstbedingten besonderen Härte nicht mit der bloßen Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, sondern stellt den Wehrpflichtigen nur unter der Voraussetzung von der Wehrpflicht frei, dass ihm der Ausbildungsplatz nahezu gewiss ist. Demgemäß muss auch die Zurückstellung nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ausscheiden, wenn der Wehrpflichtige lediglich eine Chance hat, von seinem Arbeitgeber im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Zu verlangen ist vielmehr in Anlehnung an die Anforderungen in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 a.E. WPflG, dass der Dauerarbeitsplatz dem Wehrpflichtigen unter der Voraussetzung, dass er seine Arbeitsleistung bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses planmäßig erbringt, rechtsverbindlich zugesagt ist oder dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein ähnlich hoher Grad an Gewissheit für die erstrebte Dauerbeschäftigung besteht (vgl. zur Arbeitsplatzzusage im Anschluss an eine Weiterbildung: Beschluss vom 9. Oktober 2001 a.a.O.). Diese Anforderungen sind regelmäßig - und auch hier - nicht erfüllt, wenn sich der Wehrpflichtige erst noch in einem Auswahlverfahren durchsetzen muss, weil die Zahl der zu vergebenden Arbeitsplätze die Bewerberzahl übersteigt.

c) Verfassungsrechtliche Erwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Ein befristet beschäftigter Wehrpflichtiger mit der Chance auf die Umwandlung seines Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wird durch seine Einberufung vor der Entscheidung des Arbeitgebers über die Vergabe des Dauerarbeitsplatzes nicht in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

Ein Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) wäre in den in Rede stehenden Fällen von vornherein nicht gegeben oder jedenfalls offenkundig mit diesem Grundrecht vereinbar, wenn den Belangen des Wehrpflichtigen mittels der Regelungen des Gesetzes über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz - ArbPlSchG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2001 (BGBl I S. 253) abgeholfen werden könnte. Dieses Gesetz schützt den Wehrpflichtigen auf mannigfache Weise gegen diskriminierende Eingriffe des Arbeitgebers in das Arbeitsverhältnis wegen des Wehrdienstes. Vom Schutzbereich nach Maßgabe der Regelungen in § 2 ArbPlSchG erfasst sind: die ordentliche Kündigung während und nach Ableistung des Grundwehrdienstes, die außerordentliche Kündigung sowie die Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis nach Berufsausbildung. In Fällen der vorliegenden Art könnte der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 ArbPlSchG eröffnet sein. Eine gefestigte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte dazu, ob der Wehrpflichtige - etwa mit Blick auf in § 2 Abs. 5, § 6 Abs. 3 ArbPlSchG enthaltene Rechtsgedanken (vgl. dazu Sahmer/ Busemann, Arbeitsplatzschutzgesetz, § 6 Rn. 23 ff., 27; Ascheid, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2006, § 6 ArbPlSchG Rn. 11) - einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Umfang des auf den Wehrdienst entfallenden Zeitraums und anschließender diskriminierungsfreier Entscheidung über die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hat, liegt jedoch, soweit ersichtlich, nicht vor.

Dessen ungeachtet verstößt § 12 Abs. 4 WPflG in der hier vorgenommenen Auslegung nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Berufsfreiheit wird durch die gesetzlichen Bestimmungen über die allgemeine Wehrpflicht eingeschränkt, welche in Art. 12a GG ihrerseits eine verfassungsrechtliche Grundlage finden. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zur Gewährung einer Wehrdienstausnahme kann nur in solchen (Härte-)Fällen bestehen, deren Anerkennung wegen der jeweils betroffenen Grundrechtsposition unumgänglich ist (vgl. Urteil vom 19. Januar 2005 - BVerwG 6 C 9.04 - BVerwGE 122, 331 <339> = Buchholz 448.0 § 21 WPflG Nr. 49 S. 9). Danach ist der Gesetzgeber nicht gehalten, eine Zurückstellung bereits wegen einer bloßen beruflichen Chance vorzusehen. Bei der verfassungsrechtlichen Verbürgung der allgemeinen Wehrpflicht ist mitgedacht, dass durch den Wehrdienst berufliche Chancen junger Männer verloren gehen können, die im Zeitpunkt ihrer Einberufung häufig noch in ungesicherten beruflichen Verhältnissen leben. Eine berufliche Chancen einschließende Zurückstellungspflicht wäre dagegen geeignet, die effektive Durchsetzung der allgemeinen Wehrpflicht nicht unerheblich zu erschweren. Es genügt daher, wenn es der Gesetzgeber ermöglicht, solche Wehrpflichtigen in befristeten Arbeitsverhältnissen zurückzustellen, denen durch die Heranziehung zum Wehrdienst ein verbindlich zugesagter oder aus anderen Gründen ähnlich gewisser Dauerarbeitsplatz verloren geht. Das ist durch § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG gewährleistet, wie oben dargelegt wurde.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) - auch unter dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtigkeit - liegt ebenfalls nicht vor. Der Wehrpflichtige, der aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis heraus zum Grundwehrdienst einberufen wird und deswegen seine Chance auf Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis nicht nutzen kann, wird zwar gegenüber seinen männlichen Mitbewerbern benachteiligt, die keinen Wehrdienst leisten müssen. Dies findet jedoch seine sachliche Rechtfertigung in den Bestimmungen über die Wehrdienstausnahmen. Soweit - wie im Fall des Klägers - keine Wehrdienstausnahmen vorliegen, müssen die Wehrersatzbehörden zur Wahrung der verfassungsrechtlich gebotenen Wehrgerechtigkeit möglichst alle verfügbaren Wehrpflichtigen zum Wehrdienst heranziehen (vgl. Urteil vom 19. Januar 2005 a.a.O. S. 339 bzw. S. 9).

3. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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