Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.04.2008
Aktenzeichen: BVerwG 6 P 6.08
Rechtsgebiete: BPersVG, ArbGG


Vorschriften:

BPersVG § 83
BPersVG § 86
ArbGG § 85 Abs. 2
Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die auf Abbruch des Verfahrens einer Personalratswahl beim Bundesnachrichtendienst gerichtet ist, fehlt es am Verfügungsgrund.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 P 6.08

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 14. April 2008 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn, Büge und Vormeier

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, über welchen der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG und § 937 Abs. 2 ZPO), hat keinen Erfolg. Dem Begehren mit den Anträgen,

1. den Beteiligten zu 1 zu verpflichten, die am 29. Februar 2008 eingeleitete Personalratswahl abzubrechen und eine neue Personalratswahl anzusetzen,

2. den Beteiligten zu 2 zu verpflichten, zur Durchführung der Neuwahl einen neuen Wahlvorstand einzusetzen,

fehlt es an dem insoweit erforderlichen Verfügungsgrund (§ 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO). Es steht nicht zu besorgen, dass Rechte des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden oder dass ihm wesentliche Nachteile drohen, wenn die einstweilige Verfügung ausbleibt.

Als Berufsverband des öffentlichen Dienstes steht dem Antragsteller das Recht zu, sich nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie der dazu ergangenen Wahlordnung an der Personalratswahl zu beteiligen und - im Erfolgsfall - auf die Personalratstätigkeit aktiv Einfluss zu nehmen. In diesem Recht sieht sich der Antragsteller beeinträchtigt durch die Entscheidung des Beteiligten zu 1 vom 19. März 2008, den für die Gruppe der Arbeitnehmer unter dem Stichwort "Gemeinsam sind wir stark" eingereichten Wahlvorschlag als ungültig zurückzuweisen. Er beanstandet diese Entscheidung unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen meint er, der im Wahlvorschlag unter laufender Nummer 5 aufgeführte Bewerber sei entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 für die Wahl zum Personalrat der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes wahlberechtigt und wählbar. Zum zweiten wirft er dem Beteiligten zu 1 vor, den Wahlvorschlag nicht so rechtzeitig zurückgegeben zu haben, dass die Einreichung eines neuen, gültigen Wahlvorschlages noch vor Fristablauf möglich gewesen wäre.

Beide Gesichtspunkte können in einem nach Maßgabe von § 25 BPersVG eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren geltend gemacht werden. Greifen sie durch, so führt dies zum Erfolg der Wahlanfechtung. Bei der daraus resultierenden Neuwahl steht es dem Antragsteller frei, von seinem Wahlvorschlagsrecht erneut Gebrauch zu machen. Freilich tritt die gestaltende Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung, mit welcher eine Personalratswahl für ungültig erklärt wird, erst mit deren Rechtskraft ein. Im "gewöhnlichen" personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren mit bis zu drei gerichtlichen Instanzen kann zu diesem Zeitpunkt die vierjährige Amtszeit des Personalrats schon fast abgelaufen sein. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch anders. Aufgrund der speziellen Regelung für den Bundesnachrichtendienst in § 86 Nr. 14 Satz 1 BPersVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Wahlanfechtung in erster und letzter Instanz. Der Senat sieht sich in der Lage, über eine derartige Wahlanfechtung innerhalb weniger Monate nach dem Wahltermin zu entscheiden. Dies setzt freilich voraus, dass der jeweilige Antragsteller innerhalb kurzer Frist - bestenfalls noch innerhalb der Wahlanfechtungsfrist - zu seinen Anfechtungsgründen erschöpfend vorträgt, so dass auch den übrigen Beteiligten kurze Äußerungsfristen zugemutet werden können. Wird aber eine Personalratswahl bereits wenige Monate nach dem Wahltermin rechtskräftig für ungültig erklärt, so erhalten alle Personen und Institutionen, die mit Wahlvorschlägen beim Wahlvorstand gescheitert waren, mit der durchzuführenden Neuwahl die Gelegenheit, für den ganz überwiegenden Teil der laufenden Amtszeit wieder auf die Personalratstätigkeit Einfluss zu nehmen.

Wegen des zu erwartenden nur begrenzten Zeitraums zwischen einer Personalratswahl beim Bundesnachrichtendienst und der Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung sieht es der Senat nicht als notwendig an, eine "Abbruchverfügung" in dem vom Antragsteller gewünschten Sinn schon dann zu erlassen, wenn ein geltend gemachter Wahlanfechtungsgrund bei summarischer Prüfung durchgreift; letzteres wird für sonstige Personalratswahlen sowie für den vergleichbaren Fall der Betriebsratswahl von Teilen der Rechtsprechung angenommen (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 4 B 10280/00.OVG - PersR 2000, 123; LAG Berlin, Beschluss vom 7. Februar 2006 - 4 TaBV 214/06 - NZA 2006, 509; a.A. VGH München, Beschluss vom 13. März 1996 - 17 PC 96.160 - PersR 1996, 443; zurückhaltend bis ablehnend: Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, Anhang VII zu K § 83 Rn. 65 ff.; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 25 Rn. 25; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004, § 83 Rn. 25g; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 83 Rn. 98). Eine derartige Abbruchverfügung birgt Nachteile und Risiken. Sie stellt einen erheblichen Eingriff in das laufende Wahlverfahren dar, der den bisher mit der Wahl verbundenen Aufwand vollständig oder weitgehend entwertet. Mit ihr wird vorweggenommen, was eigentlich erst mit einem erfolgreichen Wahlanfechtungsverfahren zur Hauptsache erreichbar ist. Wegen der knappen zur Verfügung stehenden Zeit ist typischerweise der Erkenntnisstand des Gerichts vorläufig und seine Prüfung summarisch. Eine auf dieser Grundlage ergangene einstweilige Verfügung kann nicht verhindern, dass die Personalratswahl später gleichwohl erfolgreich angefochten wird. Solches kann etwa der Fall sein, wenn sich die vorläufige Auffassung des Gerichts im Verfahren zur Hauptsache nicht bestätigt oder dort erstmals geltend gemachte oder bekannt gewordene Wahlanfechtungsgründe durchgreifen.

Dass diese Risiken nicht nur abstrakter Natur sind, belegt gerade der vorliegende Fall. Schließt man sich der Auffassung an, dass die Zurückweisung des Wahlvorschlages durch den Beteiligten zu 1 verspätet war, und ergeht auf dieser Grundlage eine einstweilige Verfügung, die auf Abbruch des bisherigen und Einleitung eines neuen Wahlverfahrens gerichtet ist, so ist damit noch nicht die Frage geklärt, ob der Beteiligte zu 1 überhaupt berechtigt war, den Wahlvorschlag wegen fehlender Wahlberechtigung des unter laufender Nummer 5 angeführten Kandidaten zurückzuweisen. Dies hängt wiederum mit der Frage zusammen, ob die Dienststellenabgrenzung hier nach Maßgabe von § 86 Nr. 1 BPersVG zutreffend erfolgt ist. Letzteres ist die eigentliche Grundfrage des vorliegenden Wahlverfahrens. Sie könnte auch dann, wenn die begehrte einstweilige Verfügung erginge, mit der späteren Wahlanfechtung aufgeworfen werden. Diese unter den Mitgliedern des Beteiligten zu 1 offenbar kontrovers diskutierte Frage (vgl. Protokoll über dessen 5. Sitzung am 20. Februar 2008 zu Nr. 5) kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch mit Rücksicht auf die Erläuterungen, die der Beteiligte zu 3 im Schreiben vom 21. Februar 2008 dem Beteiligten zu 1 dazu gegeben hat, weder nach der einen noch nach der anderen Seite eindeutig beantwortet werden. Dies muss dem Wahlanfechtungsverfahren vorbehalten bleiben, in welchem die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden und die abschließende rechtliche Würdigung erfolgt. Daran wird deutlich, dass nur das Wahlanfechtungsverfahren geeignet ist, in Bezug auf die streitige Personalratswahl Rechtsfrieden zu schaffen.

Die vorstehenden Ausführungen stellen nicht infrage, dass eine einstweilige Verfügung nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur dann ergehen kann, wenn schwerwiegende Mängel zur Nichtigkeit der Wahl führen. Ein derartiger Wahlfehler steht hier aber nicht in Rede. Auch der Sonderfall eines rechtsmissbräuchlichen, willkürlichen Vorgehens des Wahlvorstandes, wie er vom Landesarbeitsgericht Hamburg in seinem vom Antragsteller zitierten Beschluss vom 26. April 2006 - 6 TaBV - (NZA-RR 2006, 413) behandelt wird, liegt hier nicht vor.

Fehlt es nach alledem für den auf Abbruch des bisherigen und Einleitung eines neuen Wahlverfahrens gerichteten Antrag zu 1 am Verfügungsgrund, so gilt dasselbe für den darauf bezogenen, auf Einsetzung eines neuen Wahlvorstandes gerichteten Antrags zu 2.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück