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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.07.1999
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 2.99
Rechtsgebiete: GG, VermG


Vorschriften:

GG Art. 14
GG Art. 25
VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a
Leitsatz:

Die Bundesrepublik Deutschland muß für eine in der ehemaligen DDR vorgenommene und tatsächlich entschädigungslos gebliebene Enteignung von ausländischem Vermögen völkerrechtlich nicht in der Weise einstehen, daß sie die Enteignung rückgängig zu machen hat.

Beschluß des 7. Senats vom 1. Juli 1999 - BVerwG 7 B 2.99 -

I. VG Dresden vom 11.09.1998 - Az.: VG 6 K 2343/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 B 2.99 VG 6 K 2343/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 1. Juli 1999 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und Herbert

beschlossen:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. September 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 312 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Kläger, niederländische Staatsangehörige, machen vermögensrechtliche Ansprüche an einem Grundstück geltend, das von der ehemaligen DDR zunächst als ausländisches Vermögen verwaltet und später auf der Grundlage des Aufbaugesetzes enteignet wurde; die festgesetzte Entschädigung wurde mit den auf dem Grundstück lastenden Hypotheken verrechnet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es sei kein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 VermG erfüllt. Auch die Beschwerde, mit der die Kläger die Zulassung der Revision erreichen möchten, hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die als Revisionszulassungsgrund allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts setzt der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG (entschädigungslose Enteignung) einen hoheitlichen Eigentumszugriff voraus, der dadurch gekennzeichnet ist, daß bereits nach den einschlägigen Bestimmungen der ehemaligen DDR für Maßnahmen dieser Art eine Entschädigung generell ausgeschlossen war; dies treffe für Enteignungen nach dem Aufbaugesetz nicht zu, weil sie nach dem hierfür erlassenen Entschädigungsgesetz entschädigungspflichtig gewesen seien. Mit dieser Rechtsauffassung ist das Verwaltungsgericht der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats gefolgt, der die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG erstmals in seinem Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 16.93 - (BVerwGE 95, 284) in dem vom Verwaltungsgericht beschriebenen Sinne ausgelegt und zugleich festgestellt hat, daß es nach dieser Vorschrift nicht darauf ankommt, ob eine gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung dem Enteignungsbetroffenen im Einzelfall auch tatsächlich zugeflossen ist oder wegen staatlicher Verwaltung des Vermögens nicht ausgezahlt, mit anderen Forderungen verrechnet oder sonst der Verfügungsmacht des Eigentümers vorenthalten wurde. Die Kläger halten diese Rechtsprechung, soweit sie frühere Grundstückseigentümer mit ausländischer Staatsangehörigkeit betrifft, für unvereinbar mit den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind und den Gesetzen vorgehen; nach ihrer Ansicht reicht unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten schon die tatsächliche Entschädigungslosigkeit einer Enteignung aus, um einen Anspruch auf Rückgabe des enteigneten Gegenstands zu begründen.

Eine in einem Revisionsverfahren zu klärende Frage des revisiblen Rechts mit grundsätzlicher Bedeutung wird mit diesem Vorbringen nicht aufgeworfen. Die Kläger gehen unausgesprochen davon aus, daß ihr Rechtsvorgänger für den Verlust des Eigentums an dem umstrittenen Grundstück entgegen den Anforderungen des Völkerrechts, das die entschädigungslose Enteignung des Vermögens von ausländischen Staatsangehörigen verbietet, von der ehemaligen DDR tatsächlich keine Entschädigung erlangt hat und daß die Bundesrepublik Deutschland für diesen Rechtsverstoß der DDR in der Weise völkerrechtlich einstehen muß, daß sie die Enteignung des Grundstücks rückgängig zu machen hat. Bereits die erste Annahme der Kläger begegnet Bedenken, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei der Enteignung des umstrittenen Grundstücks eine Entschädigung festgesetzt und mit bestehenden Hypotheken verrechnet wurde und der Rechtsvorgänger der Kläger hierdurch möglicherweise nicht nur von der dinglichen Hypothekenhaftung, sondern darüber hinaus auch von der zugehörigen persönlichen Schuld befreit worden ist. Jedenfalls trifft die zweite Annahme der Kläger nicht zu. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 24. Februar 1998 - BVerwG 7 B 42.98 - (VIZ 1998, 327) im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt hat, können Enteignungen auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR nicht der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet werden, weil sich deren Staatsgewalt nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich auf das seinerzeitige Gebiet der Bundesrepublik beschränkte. Eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne eines Einstehenmüssens für rechtswidrige Hoheitsmaßnahmen der DDR besteht daher nicht. Auch in der Literatur zum Völkerrecht herrscht Einigkeit darüber, daß im Falle des Untergangs eines Staates, zu dem es mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990 gekommen ist, der Nachfolgestaat nicht für Verletzungen des Völkerrechts durch den früheren Staat haftet, mithin völkerrechtliche Schadensersatz- oder Wiedergutmachungsansprüche, die sich gegen den untergehenden Staat richten, mit dessen Untergang ebenfalls ersatzlos untergehen (vgl. etwa Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 1010, 1016 ff.; Gloria/Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl. 1990, § 25 Rn. 24; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 9. Aufl. 1997, Rn. 1409 f.). Angemerkt wird lediglich, daß mit dem Übergang des Vermögens des untergegangenen Staates auf den Nachfolgestaat zugleich auch etwaige noch unerfüllte Entschädigungsverpflichtungen auf diesen übergehen (Seidl-Hohenveldern, a.a.O., Rn. 1410 a; Verdross/Simma, a.a.O., §§ 1011, 1018; Gloria/Epping, a.a.O. § 25 Rn. 21). Doch führt diese Erwägung allenfalls zu einem Anspruch des ehemaligen Eigentümers auf Nachzahlung der ausstehenden Entschädigung, nicht aber zu einem Anspruch auf Rückgabe des enteigneten Vermögensgegenstands, wie er mit der vorliegenden Klage geltend gemacht wird. Aus diesem Grunde hat der Senat in dem schon erwähnten Beschluß vom 24. Februar 1998 - BVerwG 7 B 42.98 - (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt, daß das Völkerrecht keine Pflicht der Staaten kennt, der von einem anderen Staat vorgenommenen entschädigungslosen Enteignung die Anerkennung zu versagen (ebenso Seidl-Hohenveldern a.a.O. Rn. 1491). Diese Feststellung wird durch den Untergang des Enteignungsstaates - hier der DDR - nicht erschüttert und trifft daher auch für denjenigen Staat zu, der - wie die Bundesrepublik Deutschland - die Gebietsnachfolge dieses Staates angetreten und dessen Vermögen übernommen hat.

Soweit die Kläger die Rechtsprechung des Senats zu § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG über ihre völkerrechtlichen Einwände hinaus auch mit dem Hinweis auf den Grundsatz des ordre public (Art. 6 EGBGB) und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG in Frage stellen, zeigen sie ebenfalls keine (verfassungs-)rechtliche Problematik auf, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt hat (vgl. BVerfGE 84, 90 <122 f.>; BVerfGE 94, 12 <47>; Beschluß vom 9. Dezember 1997, VIZ 1998, 203), standen den von Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone oder in der DDR Betroffenen vor der Wiedervereinigung keine durchsetzbaren Eigentumspositionen mehr zu, denen die Bundesrepublik Deutschland durch die Gewährung eines Rückgabeanspruchs hätte Rechnung tragen müssen.

2. Ebensowenig kommt dem Rechtsstreit im Hinblick auf den Schädigungstatbestand der unlauteren Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) grundsätzliche, d.h. über den vorliegenden Streitfall hinausweisende Bedeutung zu. Es liegt auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, daß die Nichterreichung des von der Enteignungsbehörde angegebenen Enteignungszwecks für sich allein den Vorwurf der unlauteren Machenschaften nicht begründen kann; vielmehr läßt sich dieser Umstand je nach Lage der Dinge allenfalls als ein Indiz dafür verwenden, daß der angegebene Enteignungszweck von Anfang an nur vorgeschoben war. Der Senat hat ferner bereits entschieden (Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - BVerwGE 104, 186 <190>), daß ein Verfahrensverstoß - hier die von den Klägern beanstandete Nichtbeteiligung des früheren Grundstückseigentümers am Enteignungsverfahren - nur dann eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn er den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum überhaupt erst ermöglichen sollte, wofür hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nichts ersichtlich ist. Abgesehen davon setzen sich die Kläger nicht mit dem Umstand auseinander, daß das umstrittene Grundstück bei seiner Enteignung als ausländisches Vermögen unter staatlicher Verwaltung stand, weshalb nach den damaligen Rechtsvorschriften nicht der Eigentümer, sondern an seiner Stelle der staatliche Verwalter am Verfahren zu beteiligen war. Die Frage, ob sich eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG auch aus dem Zusammenspiel verschiedener Umstände ergeben kann, ist im Grundsatz ohne weiteres zu bejahen. Sie ist im übrigen in aller Regel nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls zu beantworten und demgemäß einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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