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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 42.98
Rechtsgebiete: GG, EGBGB, VermG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 25
EGBGB Art. 6
VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a und b
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3
VwGO § 133 Abs. 3 Satz 3
Leitsatz:

Verfassungsrecht verlangt nicht, daß faktisch entschädigungslos gebliebene Enteignungen in der DDR, die Vermögenswerte deutscher Staatsangehöriger betrafen, als wiedergutmachungspflichtiger Zugriff auf den enteigneten Vermögensgegenstand zu bewerten sind.

Beschluß des 7. Senats vom 24. Februar 1998 - BVerwG 7 B 42.98

I. VG Leipzig vom 15.08.1997 - Az.: VG 1 K 1229/94


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 B 42.98 VG 1 K 1229/94

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 24. Februar 1998 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und Kley

beschlossen:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. August 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 856 DM festgesetzt.

Gründe

Die Kläger beanspruchen nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG - die Rückübertragung eines Grundstücks, das seinerzeit für bergbauliche Zwecke enteignet wurde. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Enteignung weder entschädigungslos im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG gewesen noch gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG gegen eine geringere Entschädigung durchgeführt worden sei, als sie Bürgern in der früheren DDR zugestanden habe; ebensowenig habe dem Eigentumszugriff eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zugrunde gelegen.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die von ihnen geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1). Soweit sich die Kläger nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen, genügt ihr Vorbringen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer solchen Rüge (2). Schließlich liegt auch der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 gerügte Verfahrensverstoß nicht vor (3).

1. Die Kläger meinen, die Rechtsprechung des Senats zu § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG (grundlegend BVerwGE 95, 284), auf deren Anwendung das angegriffene Urteil beruhe, beachte nicht hinreichend allgemeine Grundsätze des Völkerrechts nach Art. 25 GG sowie die ordre-public-Klausel des Art. 6 Satz 2 EGBGB i.V.m. Art. 14 GG.

Der Hinweis der Beschwerde auf die Völkerrechtswidrigkeit einer entschädigungslosen Enteignung von Ausländern führt schon deshalb nicht weiter, weil keiner der drei Kläger eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. Angesichts dessen will die Beschwerde offenbar geltend machen, die Bundesrepublik Deutschland sei nach den Maßstäben des Grundgesetzes gehalten, für eigentumsentziehende Handlungen der DDR, die mit einer nach den Maßstäben des Völkerrechts unzureichenden Entschädigung verbunden waren, jedenfalls gegenüber solchen deutschen Staatsangehörigen umfassend einzustehen, die - wie die Klägerin zu 3 - im Zeitpunkt der Enteignung ihren Wohnsitz in der alten Bundesrepublik Deutschland hatten. Diese Fragestellung verkennt zunächst, daß das Völkerrecht keine Pflicht der Staaten kennt, entschädigungslosen Enteignungen die Anerkennung zu versagen; sie verfehlt überdies die rechtliche Lage zum Zeitpunkt der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung, beginnend mit seinem Urteil vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90 <122 f.>; zuletzt bestätigt mit Kammerbeschluß vom 24. September 1997 - 1 BvR 647/91 v.a. - VIZ 1998, 101 - sowie mit Beschluß vom 9. Dezember 1997 - 1 BvR 1611/94 - S. 14 des amtl. Abdrucks), klargestellt, daß Enteignungen im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR nicht der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet werden können, weil deren Staatsgewalt sich nicht nur tatsächlich, sondern auch staatsrechtlich auf das seinerzeitige Gebiet der Bundesrepublik beschränkte. Eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne eines Einstehenmüssens für etwaige aus ihrer Sicht rechts- oder verfassungswidrige Hoheitsmaßnahmen in der SBZ oder DDR bestand daher nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus darauf hingewiesen, daß die Entschädigungslosigkeit einer Enteignung oder ein ihr sonst nach inländischer Gerechtigkeitsvorstellung anhaftender Mangel für sich allein nicht ausreicht, um ihr aufgrund des Vorbehalts zugunsten des ordre public die Wirksamkeit abzusprechen, soweit Objekte im Territorium des enteignenden Staates betroffen sind (BVerfGE a.a.O. S. 123 f.). Ein verfassungsrechtlicher Zwang, faktisch entschädigungslos gebliebene Enteignungen in der DDR vermögensrechtlich als wiedergutmachungspflichtigen Zugriff auf den enteigneten Vermögenswert zu bewerten, besteht demnach nicht.

2. Unzulässig ist die Rüge der Kläger, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche daneben von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG ab. Die Kläger arbeiten insoweit keinen der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden Rechtssatz heraus, der im Widerspruch zu einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz steht. Vielmehr begründen sie ihre Rüge ausschließlich mit dem Hinweis, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG verneint, weil es fälschlicherweise davon ausgegangen sei, daß der Ministerratsbeschluß vom 28. Juli 1977 die Entschädigungsberechnung beeinflußt habe. Mit der Behauptung eines solchen Subsumtionsfehlers wird eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan.

3. Auch die im Anschluß daran erhobene Sachaufklärungsrüge greift nicht durch. Sie knüpft daran an, daß nach Auffassung der Kläger der erwähnte Ministerratsbeschluß Anwendung gefunden hat. Damit leitet die Beschwerde aus einem Umstand Ermittlungspflichten des Gerichts ab, der nicht Grundlage der angegriffenen Entscheidung ist und daher auch nicht Maßstab für den Umfang der nach § 86 Abs. 1 VwGO gebotenen Sachaufklärung sein kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.



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