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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.04.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 7.98
Rechtsgebiete: VermG, VwRehaG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a
VwRehaG § 1 Abs. 1 Satz 3
Leitsätze:

Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (§ 1 Abs. 8 Buchst, a VermG) lassen sich nicht über eine "verfassungskonforme Auslegung" des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG in den Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes einbeziehen.

Nr. 2 der Ersten Verordnung zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 (Richtlinien Nr. 1) vom 28. April 1948 erstreckte die Enteignung auch auf Vermögenswerte und Betriebsstätten des Unternehmens, die den deutschen Stellen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt waren ("vergessene Vermögenswerte").

Beschluß des 7. Senats vom 8. April 1998 - BVerwG 7 B 7.98 -

I. VG Leipzig vom 01.10.1997 - Az.: VG 3 K 1510/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 B 7.98 VG 3 K 1510/95

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am B. April 1998 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und Dr. Brunn

beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 1. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin, eine im Mineralöl- und Chemiebereich tätige Aktiengesellschaft, verlangt die Rückgabe ihrer in Sachsen gelegenen früheren Betriebe sowie verschiedener Grundstücke nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG). Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Restitution sei nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen, weil die Vermögenswerte teils im Zuge der Bodenreform, teils im Rahmen der Industrieenteignungen (SMAD-Befehle Nr. 124 und Nr. 64) entzogen worden seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete, auf alle drei in § 132 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe gestützte Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die Rechtssache hat nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Die Beschwerde wirft die Frage auf, "ob Anträge auf Rückgabe von Unternehmen und Grundstücken, die zwischen 1933 und 1990 konfisziert wurden, mit der schlichten Begründung abgelehnt werden können, das Vermögensgesetz gelte ausweislich des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, ohne zuvor die § 1 Abs. 6 und 7 VermG zu prüfen, die leges speciales zu der allgemeinen Vorschrift des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG sind". Diesem Vorbringen ist hinzuzufügen, daß die Klägerin sich erstmals im Beschwerdeverfahren auf die Regelungen des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG), jetzt geltend in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl I S. 1620), berufen und offenbar bis heute keinen Antrag gemäß § 9 VwRehaG gestellt hat und übrigens als juristische Person auch nicht stellen kann. Für derartige Sachverhalte liegt auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, daß Behörden und Gerichte keinerlei Anlaß haben, sich von Amts wegen mit Fragen einer Rehabilitierung zu befassen oder deswegen gar das Verfahren auszusetzen.

b) Grundsätzliche Bedeutung kommt auch nicht der weiter gestellten Frage zu, ob § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG die Rehabilitierung der "in § 1 Abs. 8 des Vermögensgesetzes erwähnten Fallgruppen" ausschließe. Eine Zulassung der Revision scheitert schon daran, daß diese Frage nach dem oben Ausgeführten in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre.

Im übrigen wäre die Frage bereits nach dem - von der Beschwerde selbst zitierten - Wortlaut der Bestimmung eindeutig zu bejahen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben nichts anderes. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung, wonach das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz auf die in § 1 Abs. 8 VermG erwähnten Fallgruppen keine Anwendung findet, lediglich klargestellt, daß der dort angeordnete Restitutionsaussehluß nicht auf dem Weg über eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung soll umgangen werden können (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SEDUnrecht, BTDrucks 12/4994, S. 23).

Soweit es den - im Streitfall allein interessierenden - Ausschlußgrund des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG betrifft, läge die aus der Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes folgende Umgehungswirkung auf der Hand. Denn die (entschädigungslosen) Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage waren wegen ihres konfiskatorischen Charakters "mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats schlechthin unvereinbar", so daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG immer dann erfüllt wären, wenn die Enteignungsfolgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken. Der Gesetzgeber hat mit der klarstellenden Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG also lediglich dem Art. 41 Abs. 3 des Einigungsvertrages (EV) Rechnung getragen, wonach die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen wird, die der durch Art. 41 Abs. 1 EV als Anlage III zum Bestandteil des Einigungsvertrages erhobenen Gemeinsamen Erklärung der heiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 widersprechen. Nach dem Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung sind nämlich Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) nicht mehr rückgängig zu machen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nicht verfassungskonform dahin auszulegen, daß die Fallgruppe des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG trotz des entgegenstehenden Wortlauts nicht von dem Geltungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgenommen wird. Die Klägerin hält eine solche Auslegung für erforderlich; weil die Erstreckung des Anwendungsausschlusses auf die genannten Fälle verfassungswidrig sei. Das ist unzutreffend. Die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes hätte, wie dargelegt, zur Folge, daß ein Großteil der seinerzeitigen Enteignungsentscheidungen als rechtsstaatswidrig aufzuheben oder entsprechende Feststellungen zu treffen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 4 VwRehaG) sowie die enteigneten Vermögenswerte nach dem Vermögensgesetz grundsätzlich zurückzuübertragen wären (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG in Verbindung mit § 1 Abs. 7 VermG). Dies wäre nichts anderes als die Herbeiführung von Restitutionen, die durch Anlage III, Eckwert 1, zum Einigungsvertrag und durch § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG - in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (BVerfGE 84, 90; 94, 12) - gerade ausgeschlossen werden sollten. An diesem auf der Hand liegenden Ergebnis vermögen auch die von der Beschwerde unternommenen Umdeutungsversuche, soweit sie überhaupt nachvollziehbar sind, nichts zu ändern. Der Senat sieht insoweit gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO von einer weiteren Begründung ab.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von den durch die Beschwerde bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

a) Die Beschwerde sieht eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 50.95 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 104 = VIZ 1997, 222) darin, daß das Verwaltungsgericht die Enteignungen im Zuge der Bodenreform als Legalenteignungen bezeichnet hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung dargelegt, daß das im wesentlichen erst später entwickelte und ausgestaltete Rechtsinstitut der Legalenteignung für die rechtliche Erfassung der damaligen Vorgänge ungeeignet sei, weil mit dem bloßen Inkrafttreten der Bodenreformverordnungen das für die Annahme einer besatzungshoheitlichen Enteignung notwendige Vollzugselement noch nicht verbunden gewesen sei. Es habe vielmehr einer weiteren Umsetzung der Bodenreformvorschriften durch staatliche Stellen im Sinne eines tatsächlichen Zugriffs auf den jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb bedurft, weil nur dann die vollständige und endgültige Verdrängung des früheren Eigentümers aus seinem Eigentum in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck gekommen sei. Diesen für die Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG maßgebenden Enteignungsbegriff (vgl. zusammenfassend den Beschluß des Senats vom 14. Januar 1998 - BVerwG 7 B 339.97 - VIZ 1998, 212 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts) hat das Verwaltungsgericht, wie die Urteilsgründe ergeben, seiner Entscheidung zugrunde gelegt und unter Hinweis auf die - soweit vorhanden - Aufteilungsprotokolle sowie auf andere, von der Klägerin selbst verfaßte Schreiben und Dokumente eine tatsächliche Umsetzung der Enteignungen noch vor dem Ende der Besatzungszeit bejaht. Demgegenüber ist die Bemerkung in den Urteilsgründen über den Charakter der Bodenreformenteignungen als Legalenteignung nicht entscheidungstragend; denn damit wird lediglich begründet, daß die jeweilige Enteignung nicht konkret bekanntgemacht werden mußte.

b) Auch die von der Beschwerde behauptete Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 9.96 - (ZOV 1997, 125 = VIZ 1997, 220) ist nicht gegeben. Die Rüge bezieht sich auf folgende Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil: Soweit deutsche Stellen einzelne betriebliche Vermögenswerte der Klägerin, insbesondere Grundstücke, vor dem Ende der Besatzungszeit noch nicht "entdeckt" und deshalb erst nach dem 7. Oktober 1949 erfaßt haben sollten, ändere dies nichts an dem besatzungshoheitlichen Charakter der diese Vermögenswerte betreffenden Enteignungsmaßnahmen. Dies ergebe sich aus Nr. 2 der von der Deutschen Wirtschaftskommission erlassenen "Ersten Verordnung zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 (Richtlinien Nr. 1)" vom 28. April 1948 (ZVOB1 Nr. 15 S. 141; abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach, Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Bd. I, 2. Aufl., Nr. 2.4.10.1). Diese Bestimmung habe mit ihrem Inkrafttreten und damit vor dem Ende der Besatzungszeit die Wirkung einer Unternehmensenteignung auf das gesamte betrieblichen Zwecken dienende Vermögen und auf alle in wirtschaftlichen Zusammenhang untereinander stehende Betriebsstätten dieses Unternehmens erstreckt. Einer zusätzlichen Erfassung der betreffenden Vermögenswerte und eines selbständigen Enteignungsaktes habe es nicht mehr bedurft; ein späterer grundbuchrechtlicher Vollzug sei eine bloße technische Abwicklung der Enteignung gewesen. Demgegenüber meint die Klägerin, daß in solchen Fällen die Enteignung erst mit einem konkreten Zugriff bewirkt worden sei und aus diesem Grunde der besatzungshoheitliche Charakter bei den nach dem 7. Oktober durch deutsche Stellen geschehenen Zugriffen verneint werden müsse.

Zu Unrecht sieht die Beschwerde in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts einen Widerspruch zu den Aussagen in dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses Urteil befaßt sich mit der Enteignung eines in Sachsen gelegenen Grundstücks, auf das erstmals nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 in der Weise tatsächlich zugegriffen wurde, daß es im Jahre 1961 unter Bezugnahme auf die Konzernverordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 10. Mai 1949 in Volkseigentum umgeschrieben wurde. Für diesen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die Enteignung im Sinne der in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck gekommenen endgültigen und vollständigen Verdrängung des Eigentümers erstin der tatsächlichen Inanspruchnahme des Grundstücks im Jahr 1961 und nicht bereits in dem Inkrafttreten der genannten Konzernverordnung gesehen. Diese Verordnung habe nämlich nur für das Gebiet von Berlin (Ost) gegolten und deshalb keine enteignende Wirkung auf in der sowjetischen Besatzungszone belegene Vermögenswerte entfalten können. Zu der im Streitfall interessierenden Frage, welche rechtliche Bedeutung die Richtlinien Nr. 1 für Umfang und Zeitpunkt einer Enteignung haben, äußert sich das Urteil vom b. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 9.96 - a.a.O. dagegen nicht. Vielmehr weist es gerade darauf hin, daß die Richtlinien Nr. 1 ebenso wie der ihnen zugrundeliegende SMAD-Befehl Nr. 64 nicht in Berlin (Ost), sondern nur in der sowjetischen Besatzungszone gegolten hätten (ebenso bereits BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 7 C 55.96 - BVerwGE 101, 201 <203>), so daß es auf die in diesen Richtlinien angeordnete Erstreckungswirkung nicht ankomme.

Geht somit die Abweichungsrüge an dem Inhalt des herangezogenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vorbei, kommt eine Zulassung der Revision auch dann nicht in Betracht, wenn man das Vorbringen der Beschwerde in eine Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO umdeutet. Sinngemäß stellt die Beschwerde die Frage, ob einzelne Vermögenswerte eines enteigneten Unternehmens, deren Existenz den maßgebenden deutschen Stellen zum Zeitpunkt der Unternehmensenteignung nicht bekannt war, erst dann im Sinne einer endgültigen und vollständigen Verdrängung des Eigentümers entzogen worden sind, wenn sie "entdeckt" und tatsächlich für das Volkseigentum in Anspruch genommen wurden. Diese Frage ist aber an Hand der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und der bisher vorliegenden Rechtsprechung entsprechend der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung zu verneinen, ohne daß es dazu erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde die Klägerin bezüglich aller ihrer in Sachsen belegenen Betriebe auf der Grundlage des sächsischen Volksentscheides vom 30. Juni 1946 und der dazugehörigen, durch den SMAD-Befehl Nr. 64 bestätigten Enteignungslisten enteignet. Gegenstand und Umfang solcher Unternehmensenteignungen wurden durch die bereits erwähnten Richtlinien Nr. 1 präzisiert. So bestimmte Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinien, daß sich die Enteignung wirtschaftlicher Unternehmungen auf das gesamte den betrieblichen Zwecken dienende Vermögen erstreckte. Im Streitfall war damit alles zu den Betrieben der Klägerin gehörende Vermögen von der Enteignung erfaßt. Weiter bestimmte Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien Nr. 1 für Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten, von denen bisher nicht jede ausdrücklich enteignet worden war, daß die Enteignung auch hinsichlich aller anderen Unternehmensteile zu gelten hatte, die in wirtschaftlichem Zusammenhang untereinander standen. Sollte es sich daher im Fall der Klägerin so verhalten haben, daß nicht alle Betriebsstätten in den Enteignungslisten verzeichnet gewesen waren, hätte dies an der Enteignung auch dieser Betriebsstätten nichts geändert.

Zu Unrecht wendet die Klägerin dagegen ein, daß die Erstreckungswirkung der Nr. 2 der Richtlinien Nr. 1 bei "vergessenen", d.h, den deutschen Stellen zum damaligen Zeitpunkt unbekannten Vermögenswerten nicht habe eintreten können, sondern eine Enteignung erst zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zugriffs auf die mittlerweile entdeckten Vermögenswerte angenommen werden dürfe. Die auf die SMAD-Befehle Nr. 124 und Nr. 64 zurückgehenden Enteignungen von Industriebetrieben bezogen, sich auf das Unternehmen als sachliche und wirtschaftliche Gesamtheit. Das stellt Nr. 2 der Richtlinien Nr. 1 klar, derzufolge grundsätzlich alle dem betreffenden enteigneten Unternehmen zuzuordnenden Vermögenswerte einschließlich aller wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsstätten von der Enteignung erfaßt wurden. Der Eigentümer des Unternehmens war deshalb aus seinem Eigentum im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verdrängt und damit enteignet, sobald die staatlichen Stellen auf das Unternehmen als solches zugegriffen hatten (zur vergleichbaren Regelung der sog. Richtlinien Nr. 3 über das "sonstige Vermögen" vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 C 42.96 - VIZ 1997, 350). Ob sich dieser Zugriff bereits hinsichtlich aller zur Unternehmenseinheit gehörenden Vermögenswerte nach außen erkennbar manifestiert hatte, oder ob bestimmte Vermögenswerte noch unbekannt und deshalb zunächst noch nicht zugunsten des Volkseigentums in Anspruch genommen waren, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, daß sich der Eigentümer hinsichtlich seines als Gesamtheit anzusehenden Unternehmens als enteignet betrachten mußte, wie dies bei der Klägerin durch die Inanspruchnahme wesentlicher Teile ihres Unternehmens der Fall war. Insofern verhält es sich nicht anders als bei der nach den Vorschriften der Bodenreform erfolgten Enteignung landwirtschaftlicher Betriebe. Für diese Fälle hat der beschließende Senat bereits entschieden, daß der Zugriff auf Teilflächen genügt, um die Enteignung des gesamten Betriebes als durchgeführt anzusehen (BVerwG, Beschluß vom 26. Juni 1996 - BVerwG 7 B 149.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 81 - VIZ 1996, 580).

3. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vor. Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft seine örtliche Zuständigkeit gemäß § 52 VwGO angenommen. Mit dieser Rüge ist die Klägerin im Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen (§ 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17 a Abs. 5 GVG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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