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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 17.01
Rechtsgebiete: VwVfG, VwGO


Vorschriften:

VwVfG § 47
VwVfG § 48 Abs. 1
VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 1
1. Die Ausgangsbehörde ist zu einer isolierten Rücknahme des Widerspruchsbescheids nicht befugt.

2. Die Ausgangsbehörde kann nach § 48 Abs. 1 VwVfG die Sachentscheidung zurücknehmen, die durch den Ausgangsbescheid in der Fassung des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids gebildet wird. Kann sie keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Erkenntnisse für eine solche Rücknahme anführen, ist diese jedenfalls ermessenswidrig.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 17.01

Verkündet am 28. Februar 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2002 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6. Juni 2000 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und zu 2. Die Beigeladene zu 3 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung von Teilflächen eines Grundstücks an die Beigeladenen zu 1 und zu 2.

Eigentümer des Grundstücks war früher eine Erbengemeinschaft. Ihr gehörte neben den Beigeladenen zu 1 und zu 2 eine weitere Miterbin an. Diese ist inzwischen verstorben. Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 haben sie beerbt.

Da das damals noch unbebaute und als Gartenland genutzte Grundstück für ein Wohnbauvorhaben mit 128 Wohneinheiten in Anspruch genommen werden sollte, veräußerte es die Erbengemeinschaft durch notariellen Vertrag vom 29. November 1972 an das Eigentum des Volkes. Sie erhielt als Gegenleistung ein kleineres volkseigenes Grundstück sowie einen Wertausgleich in Geld.

Auf dem Grundstück wurden unter Einbeziehung benachbarter Grundstücke Wohngebäude mit insgesamt 128 Wohneinheiten errichtet. Hierfür wurde etwa ein Drittel des veräußerten Grundstücks genutzt.

Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 beantragten 1990 die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks, beschränkt auf die Teilflächen, die nicht für das Wohnbauvorhaben in Anspruch genommen waren. Sie machten geltend, sie seien seinerzeit darüber getäuscht worden, in welchem Umfang das von ihnen veräußerte Grundstück tatsächlich für das Wohnbauvorhaben benötigt worden sei.

Das Landratsamt Dresden (Amt zur Regelung offener Vermögensfragen) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 22. Oktober 1992 ab, weil die Beigeladenen zu 1 und zu 2 das Eigentum an dem Grundstück nicht aufgrund unlauterer Machenschaften verloren hätten. Zwar sei die Veräußerung des Grundstücks mit dem Hinweis erzwungen worden, anderenfalls werde das Grundstück nach dem Aufbaugesetz in Anspruch genommen werden. Dies habe aber den gesetzlichen Vorschriften entsprochen. Tatsächlich sei das Grundstück etwa zu einem Drittel bebaut worden, die anderen zwei Drittel seien ebenfalls für eine Bebauung vorgesehen gewesen.

Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1 und zu 2 stellte der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1994 fest, dass diese Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG seien und eine Rückübertragung der zurückverlangten Teilflächen nicht gemäß § 4 und § 5 VermG ausgeschlossen sei. Der Beklagte nahm an, die Beigeladenen zu 1 und zu 2 hätten ihr Eigentum durch unlautere Machenschaften verloren. Nach der Rechtslage in der DDR habe die Inanspruchnahme nur auf die tatsächlich benötigte Grundstücksfläche erstreckt werden dürfen. Weil die nach § 7 a VermG zu erstattende Gegenleistung noch zu ermitteln sowie die zurück zu übertragenden Teilflächen noch zu vermessen waren, verpflichtete der Beklagte das Landratsamt, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde erneut zu entscheiden.

Durch Bescheid vom 25. April 1995 übertrug das Landratsamt den Beigeladenen zu 1 und zu 2 das Eigentum an einer näher beschriebenen Teilfläche zurück, Zug um Zug gegen Rückübertragung des als Gegenleistung erhaltenen Grundstücks auf den Entschädigungsfonds und Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 4 335 DM an den Entschädigungsfonds.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin als Verfügungsberechtigte Widerspruch ein. Widerspruch legten ferner die Beigeladenen zu 1 und zu 2 ein, soweit das Landratsamt sie zur Rückübertragung des Grundstücks verpflichtet hatte, das sie seinerzeit als Gegenleistung erhalten hatten.

Mit Schreiben an das Landratsamt vom 26. Mai 1995 äußerte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen "grundsätzliche Zweifel" daran, dass ein Fall unlauterer Machenschaften vorliege. Das Bundesamt regte an, den Bescheid des Landratsamtes in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Mai 1994 gemäß § 48 VwVfG aufzuheben und gegebenenfalls nach Prüfung im Einzelnen bezeichneter Punkte den Restitutionsantrag neu zu bescheiden.

Durch "Abänderungsbescheid" vom 20. September 1995 hob das Landratsamt sowohl seinen Restitutionsbescheid vom 25. April 1995 als auch den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 2. Mai 1994 auf. Es stellte fest, sein ursprünglicher Bescheid vom 22. Oktober 1992 sei von dieser Entscheidung nicht betroffen. Zur Begründung führte das Landratsamt an: Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 hätten keinen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks. Die angedrohte Enteignung habe keine unlautere Machenschaft dargestellt. Es sei beabsichtigt gewesen, 128 Wohneinheiten zu errichten. Eine weitere Bebauung sei zu einem späteren Zeitpunkt geplant gewesen. Wenn bei einer Enteignung keine Willkür festzustellen sei, gelte dies erst recht für eine rechtsgeschäftliche Veräußerung.

Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 legten gegen den Abänderungsbescheid Widerspruch ein.

Der Beklagte entschied über sämtliche ihm vorliegenden Widersprüche durch Bescheid vom 1. Juli 1996. Er hob den Abänderungsbescheid des Landratsamtes vom 20. September 1995 insgesamt sowie dessen Restitutionsbescheid vom 22. Mai 1995 insoweit auf, als die Beigeladenen zu 1 und zu 2 zur Rückübertragung des als Gegenleistung erhaltenen Grundstücks verpflichtet wurden. Er verpflichtete die Beigeladenen zu 1 und zu 2 stattdessen, einen Betrag in Höhe von insgesamt 7 449 DM zu hinterlegen. Im Übrigen wies er die Widersprüche zurück.

Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 1. Juli 1996 begehrt.

Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil den Widerspruchsbescheid aufgehoben und zur Begründung angeführt: Der Abänderungsbescheid des Landratsamtes sei rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Beklagten hätten die Beigeladenen zu 1 und zu 2 keinen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks. Sie hätten das Eigentum nicht durch unlautere Machenschaften verloren. Ihre Berechtigung sei nicht bereits durch den Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1994 bestandskräftig festgestellt. Ihn habe die Klägerin seinerzeit mangels Beschwer noch nicht anfechten können. Jedenfalls habe das Landratsamt die Feststellung einer Berechtigung zu Recht zurückgenommen. Das Landratsamt sei für die Rücknahme des Widerspruchsbescheids zuständig. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei nicht verstrichen. Dem Landratsamt sei erst mit der Stellungnahme des Bundesamtes vom 26. Mai 1995 die eigene Zuständigkeit für eine Rücknahme des Widerspruchsbescheids bewusst geworden.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beigeladenen zu 1 und zu 2 ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Sie machen geltend: Das Verwaltungsgericht nehme zu Unrecht an, die Klägerin habe die Feststellung ihrer, der Beigeladenen, Berechtigung in dem ersten Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1994 mangels Beschwer nicht anfechten können. Der Widerspruchsbescheid stelle nicht nur die Berechtigung, sondern darüber hinaus auch fest, dass einer Rückübertragung Ausschlussgründe nach § 4 oder § 5 VermG nicht entgegen stünden. Das Landratsamt habe den Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1994 nicht nach § 48 VwVfG zurücknehmen dürfen. Es widerspreche dem Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens, wenn die Ausgangsbehörde den Widerspruchsbescheid aus denselben Gründen zurücknehme, welche die Widerspruchsbehörde für unzutreffend erachtet habe. Zudem sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG abgelaufen. Sie knüpfe nicht an die Erkenntnis der Zuständigkeit für die Rücknahme an. Davon abgesehen habe das Landratsamt nicht erst der Stellungnahme des Bundesamtes seine Zuständigkeit für eine Rücknahme des Widerspruchsbescheids entnehmen können. Die Stellungnahme treffe keine Aussage zur Zuständigkeit. Unter Verletzung rechtlichen Gehörs und des Überzeugungsgrundsatzes, aber auch in der Sache fehlerhaft nehme das Verwaltungsgericht an, unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG hätten nicht vorgelegen.

Der Beklagte hält die Revision für begründet. Er schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beigeladenen zu 1 und zu 2 an.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen. Sie macht geltend: Unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG könne auch die Ausgangsbehörde einen Bescheid der Widerspruchsbehörde zurücknehmen. Die Voraussetzungen einer solchen Rücknahme hätten vorgelegen. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei gewahrt. Das Landratsamt habe zwar den zurückgenommenen Widerspruchsbescheid von vornherein für rechtswidrig gehalten. Diese Auffassung sei aber erst durch die Stellungnahme des Bundesamtes vom 26. Mai 1995 zur gefestigten Überzeugung erstarkt. Sie habe damit dem Landratsamt die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids verschafft. Im Übrigen habe erst diese Stellungnahme dem Landratsamt die Kenntnis von der Zuständigkeit zur Rücknahme vermittelt. In der Sache habe das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, die Beigeladenen zu 1 und zu 2 hätten das Eigentum an dem streitigen Grundstück nicht aufgrund unlauterer Machenschaften verloren. Der Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1996 sei darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil er einen Wertausgleich nach § 7 a VermG in Geld zu Gunsten des Entschädigungsfonds festsetze. Der Beklagte hätte stattdessen anordnen müssen, dass die Beigeladenen zu 1 und zu 2 das seinerzeit als Gegenleistung erhaltene Grundstück an sie - die Klägerin - herauszugeben hätten. Jedenfalls hätten die Beigeladenen zu 1 und zu 2 nicht den seinerzeitigen Wert des Austauschgrundstücks, sondern dessen heutigen Verkehrswert zu entrichten.

II.

Die Revision der Beigeladenen zu 1 und zu 2 ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts konnte die Klägerin die bestandskräftig gewordene Feststellung der Berechtigung nicht mehr anfechten. Das Verwaltungsgericht durfte deshalb nicht in der Sache nachprüfen, ob die Beigeladenen zu 1 und zu 2 Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG sind (1). Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, das Landratsamt Dresden habe den Widerspruchsbescheid jedenfalls rechtmäßig zurückgenommen, ist mit § 1 des Vorläufigen Verwaltungsverfahrensgesetzes für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfG) vom 21. Januar 1993 (GVBl S. 74) i.V.m. § 48 VwVfG nicht vereinbar (2). Die Klage muss vielmehr abgewiesen werden, weil der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 1. Juli 1996 die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (3).

1. Im vermögensrechtlichen Verfahren kann die Berechtigung des Antragstellers als Teilentscheidung festgestellt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1994 Gebrauch gemacht.

Diese Teilentscheidung entfaltet auch gegenüber verfahrensbeteiligten Dritten die Rechtswirkung, die der Sicherung des Zwischenergebnisses dient, nämlich eine Bindungswirkung, die nur durch ihre Anfechtung zu beseitigen ist (BVerwG, Urteil vom 13. April 2000 - BVerwG 7 C 84.99 - BVerwGE 111, 129, 132). Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid nicht angefochten; damit ist die Teilentscheidung bestandskräftig geworden.

Die abweichende Auffassung des Verwaltungsgerichts verkennt, dass mit dem Widerspruchsbescheid nicht nur das Vorliegen eines Schädigungstatbestandes, sondern auch das Fehlen von Ausschlussgründen nach § 4, § 5 VermG ausdrücklich festgestellt wurde. Eine abschließende Entscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 und zu 2 hing nur noch von der Ermittlung der nach § 7 a VermG zu erstattenden Gegenleistung und von der Vermessung der zurück zu übertragenden Teilfläche ab. Dass diese Teilfläche auf die Beigeladenen zu 1 und zu 2 zurück zu übertragen ist, war hingegen in dem Widerspruchsbescheid abschließend geregelt.

2. Ebenfalls rechtsirrig ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die auf § 48 VwVfG (hier: i.V.m. § 1 SächsVwVfG) gestützte Rücknahme des Widerspruchsbescheids durch den Änderungsbescheid des Landratsamts Dresden vom 20. September 1995 sei rechtmäßig erfolgt. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil das Landratsamt sich darauf beschränkt hat, nur den Widerspruchsbescheid des Beklagten zurückzunehmen. Der Abänderungsbescheid stellt in seiner Nummer 3 ausdrücklich fest, der Ausgangsbescheid vom 22. Oktober 1992 werde von der Aufhebung nicht betroffen. Er schließt mit dem Hinweis, infolge der Aufhebung des Widerspruchsbescheids habe die Widerspruchsbehörde über den Widerspruch der Beigeladenen zu 1 und zu 2 gegen den Ausgangsbescheid vom 22. Oktober 1992 erneut zu entscheiden.

Zu einer solchen isolierten Aufhebung nur des Widerspruchsbescheids ist die Ausgangsbehörde nicht befugt.

Der Widerspruchsbescheid hat eine doppelte Funktion. Zum einen schließt er das Rechtsbehelfsverfahren ab. Als verfahrensbeendende Entscheidung über den Widerspruch verbraucht er diesen Rechtsbehelf. Er beseitigt den Suspensiveffekt, der mit dem Widerspruch verbunden war, trifft eine eigenständige Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens und eröffnet den Weg zum Verwaltungsgericht. Zum anderen enthält der Widerspruchsbescheid eine Sachentscheidung über den Regelungsgegenstand des Ausgangsbescheids. Der Widerspruchsbescheid bestätigt oder ändert diese Regelung. Ändert der Widerspruchsbescheid den Ausgangsbescheid, bilden beide Bescheide zusammen die einheitliche Sachentscheidung über den Verfahrensgegenstand. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO drückt dies dahin aus, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt seine Gestalt durch den Widerspruchsbescheid findet.

In seiner Funktion als verfahrensabschließende Entscheidung steht der Widerspruchsbescheid nicht zur Disposition der Ausgangsbehörde. Für die Beendigung des Widerspruchsverfahrens durch Erlass eines Widerspruchsbescheids ist allein die Widerspruchsbehörde zuständig. Diese Zuständigkeit kann nicht mit Abschluss des Widerspruchsverfahrens auf die Ausgangsbehörde übergehen. Sie kann nicht das abgeschlossene Widerspruchsverfahren wieder eröffnen, indem sie isoliert den Widerspruchsbescheid zurücknimmmt.

b) Der als Rücknahme nur des Widerspruchsbescheids rechtswidrige Abänderungsbescheid lässt sich nicht gemäß § 1 SächsVwVfG i.V.m. § 47 VwVfG in einen Bescheid umdeuten, durch den der Bescheid des Landratsamtes vom 22. Oktober 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 2. Mai 1994 gemäß § 1 SächsVwVfG i.V.m. § 48 VwVfG zurückgenommen wird. Der Senat kann offen lassen, ob eine solche Umdeutung schon an der Andersartigkeit der Rechtsfolgen scheitert (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Eine Umdeutung ist jedenfalls deshalb nicht möglich, weil auch eine Rücknahme des Ausgangsbescheids vom 22. Oktober 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Mai 1994 rechtswidrig wäre (§ 47 Abs. 1 VwVfG).

Die Ausgangsbehörde kann allerdings grundsätzlich nach § 48 Abs. 1 VwVfG die Sachentscheidung zurücknehmen, die durch den Ausgangsbescheid in der Fassung des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids gebildet wird. Die Ausgangsbehörde ist für den Erlass der Sachentscheidung zuständig und damit auch für deren Rücknahme. Daran ändert sich nichts, wenn die Sachentscheidung Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens und eines Widerspruchsbescheids war, unabhängig davon, ob der Widerspruchsbescheid die schon von der Ausgangsbehörde getroffene Sachentscheidung bestätigt oder ob erst der Widerspruchsbescheid der Sachentscheidung der Ausgangsbehörde die maßgebliche Gestalt gibt. Auch der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids wird der Ausgangsbehörde zugerechnet. Ihre Zuständigkeit ist nur für die Dauer des Widerspruchsverfahrens durch die Zuständigkeit (auch) der Widerspruchsbehörde überlagert. Mit dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens, also spätestens mit Ablauf der Rechtsmittelfrist, ist wieder allein die Ausgangsbehörde für die Sachentscheidung und damit auch für deren Rücknahme zuständig.

Das Landratsamt durfte aber den eigenen Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids nicht zurückzunehmen, weil es über keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Erkenntnisse für eine solche Rücknahme verfügte. In einem solchen Fall ist die Rücknahme stets ermessenswidrig; angesichts dessen kann offen bleiben, ob unter dieser Voraussetzung nicht schon die Befugnis der Ausgangsbehörde zur Rücknahme fehlt.

Die Ermächtigung zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen ist der Ausgangsbehörde nicht zu dem Zweck eingeräumt, die von der Widerspruchsbehörde als rechtswidrig beanstandete Rechtsauffassung nachträglich doch noch durchzusetzen. Im Verhältnis der Ausgangsbehörde zur Widerspruchsbehörde bestimmt die Widerspruchsbehörde, wie über den Restitutionsantrag zu entscheiden ist. Können keine neuen, bisher nicht berücksichtigten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte angeführt werden, hat es aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch des Vertrauensschutzes begünstigter Dritter mit dieser Entscheidung sein Bewenden.

Das Landratsamt Dresden hat die Aufhebung des Widerspruchsbescheids nicht auf neue tatsächliche oder rechtliche Erkenntnisse gestützt. Solche Erkenntnisse ergaben sich namentlich nicht aus der Stellungnahme des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen. Das Bundesamt hatte ohne Kenntnis der Akten und ohne abschließende Prüfung des Sachverhalts - wie in der Stellungnahme ausdrücklich hervorgehoben ist - bloße Hinweise zur Beurteilung des Falles gegeben, die nicht über das hinausgingen, was im Ausgangsbescheid des Landratsamtes und in dem zugehörigen Widerspruchsbescheid des Beklagten erörtert war. Das Landratsamt hat den eigenen Ausgangsbescheid in der nunmehr maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheids allein aus den Gründen als rechtswidrig beurteilt, die es bereits in seinem Ausgangsbescheid angeführt und die der Beklagte in dem maßgeblichen Widerspruchsbescheid nicht geteilt hatte.

3. Der streitige Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 1. Juli 1996 verletzt die Klägerin auch nicht insoweit in ihren eigenen Rechten, als er unter Zurückweisung der weitergehenden Widersprüche den Restitutionsbescheid des Landratsamtes vom 22. Mai 1995 mit der Maßgabe bestätigt, dass die Beigeladenen zu 1 und zu 2 als herauszugebende Gegenleistung nach § 7 a Abs. 2 VermG einen Betrag in Höhe von insgesamt 7 400 DM zu hinterlegen haben.

Die herauszugebende Gegenleistung steht nicht der Klägerin, sondern nach § 7 a Abs. 2 Satz 4 VermG dem Entschädigungsfonds zu. Die Gegenleistung ist aus dem Staatshaushalt der Deutschen Demokratischen Republik erbracht worden. Das im Tausch übereignete Grundstück, im Vertrag ausdrücklich als Naturalentschädigung nach dem Entschädigungsgesetz bezeichnet, stand in Volkseigentum. Der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung war lediglich Rechtsträger. Die Entschädigung in Geld ist zwar vom Rat der Stadt Radebeul und damit aus Mitteln gezahlt worden, die einer örtlichen Gebietsverwaltung zugewiesen waren; diese waren jedoch als solche Teil des zentral geführten einheitlichen Staatshaushaltes.

Da der Anspruch auf Herausgabe der Gegenleistung nicht der Klägerin, sondern dem Entschädigungsfonds zusteht, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte die Herausgabe dieser Gegenleistung nach Art und Höhe zutreffend geregelt hat. Durch eine insoweit möglicherweise rechtswidrige Entscheidung kann die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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