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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.03.1999
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 17.98
Rechtsgebiete: VermG, Verkaufsgesetz


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b
VermG § 4 Abs. 3 Buchst. a
VermG § 16 Abs. 3 Satz 1
Verkaufsgesetz vom 7. März 1990 § 1
Leitsatz:

Ein den Rückausnahmetatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG erfüllender Erwerb volkseigener Gebäude für Gewerbezwecke auf der Grundlage des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 setzt voraus, daß der Erwerber bei Vertragsabschluß privater Handwerker oder Gewerbetreibender war. Es bleibt offen, ob darüber hinaus auch Fälle erfaßt werden, in denen die Aufnahme eines Handwerks- oder Gewerbebetriebs bei Vertragsabschluß sichergestellt war.

Urteil des 7. Senats vom 25. März 1999 - BVerwG 7 C 17.98 -

I. VG Magdeburg vom 12.05.1998 - Az.: VG A 5 K 283/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 17.98 VG A 5 K 283/97

Verkündet am 25. März 1999

Gallin Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 1999 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer,Kley und Herbert

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. Mai 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten verfügte Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück K. M. Straße 30 in T. Auf dem 611 m großen Grundstück steht ein zweieinhalbgeschossiges Gebäude, in dem der Kläger eine Diskothek betreibt. Eigentümer des Grundstücks waren seit 1974 die Beigeladenen in ungeteilter Erbengemeinschaft. Das gemäß § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl I S. 615) unter staatlicher Verwaltung stehende Grundstück wurde 1981 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes der DDR unter Festsetzung einer Entschädigung enteignet und in Volkseigentum überführt.

Der Kläger war seit 1982 Leiter der im Erdgeschoß des Gebäudes befindlichen HO-Gaststätte. Mit Schreiben vom 9. Januar 1990 an den VEB Gebäudewirtschaft Qu. äußerte er den Wunsch nach einem Erwerb des Grundstücks mit der Begründung, die Gaststätte in private Gewerbetätigkeit übernehmen zu wollen; zu Wohnzwecken wolle er das Gebäude nicht nutzen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich im ersten Obergeschoß zwei vermietete Wohnungen sowie im Dachgeschoß ein weiteres zu Wohnzwecken genutztes Zimmer.

Nachdem die Beigeladene zu 1 dem beabsichtigten Verkauf widersprochen hatte, schlossen der Rat der Stadt T. und der Kläger am 19. März 1990 einen Kaufvertrag über das Gebäude auf dem streitbefangenen Grundstück. Der Kaufpreis betrug entsprechend der von einem Sachverständigen am 12. Februar 1990 erstellten Wertermittlung und dem darauf beruhenden Preisbescheid des Rates des Kreises vom 19. März 1990 28 070 M. Im Kaufvertrag heißt es, der Erwerber beabsichtige, "nach Freiwerden der Wohnungseinheit diese mit Zustimmung der Abteilung Wohnungspolitik des Rates der Stadt T. zu beziehen, um das Gebäude für eigene Wohnzwecke und zur Ausübung seiner Tätigkeit zu nutzen". Die Grundstücksverkehrsgenehmigung wurde am 7. Mai 1990 erteilt. An demselben Tag wurde der Kläger als Eigentümer in das Gebäudegrundbuch eingetragen. Zuvor hatte der Rat des Kreises dem Kläger mit Urkunde vom 26. April 1990 ein unbefristetes Nutzungsrecht an dem volkseigenen Grundstück verliehen, und zwar zur Nutzung "entsprechend seinen Wohnbedürfnissen". Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1990 kaufte der Kläger auch das volkseigene Grundstück zu einem - dem Preisbescheid des Rates des Kreises vom 22. Juni 1990 entsprechenden - Kaufpreis von 2 444 M.; eine Eintragung als Eigentümer im Grundbuch ist nicht mehr erfolgt.

Auf den Antrag vom 25. Juni 1990 erteilte der Rat der Stadt dem Kläger am 17. Juli 1990 auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der DDR vom 6. März 1990 (GBl I S. 138) die Gewerbeerlaubnis zur Eröffnung einer Gaststätte "Harzbräu". Am 28. September 1990 übernahm der Kläger die Gaststätte von der S. GmbH, die bis zu diesem Zeitpunkt als Rechtsnachfolgerin der HO Betreiberin der Gaststätte war. In der Folgezeit investierte der Kläger nach seinem Vortrag etwa 450 000 DM in das Gebäude. Die Räume im ersten Obergeschoß sind zu Gewerbezwecken, das ausgebaute Dachgeschoß ist als Wohnung vermietet.

Mit Bescheid vom 14. Juli 1993 übertrug der Beklagte das Eigentum an dem Grundstück an die Beigeladenen zurück, hob das dem Kläger verliehene Nutzungsrecht an dem Grundstück auf und setzte einen Ablösebetrag von 11 440 DM fest. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 25. März 1997 mit folgender Begründung zurück: Maßgebender Schädigungstatbestand sei die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG. Ein redlicher Erwerb des nach dem Stichtag des 18. Oktober 1989 erworbenen Gebäudes komme nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen der Rückausnahme in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG nicht gegeben seien. Der Kläger sei zum Erwerbszeitpunkt weder privater Handwerker noch Gewerbetreibender gewesen, so daß er das Gebäude nicht auf der Grundlage des § 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl I S. 157) erworben habe. Außerdem hätten die an dem Gebäudekauf Beteiligten subjektiv nicht in der Vorstellung gehandelt, daß es sich um einen unter das Verkaufsgesetz vom 7. März 1990 fallenden Vorgang gehandelt habe. Der Kläger sei überdies unredlich gewesen, weil er aufgrund eines Schreibens des VEB Gebäudewirtschaft vom 6. März 1990 nicht mehr mit der Möglichkeit eines Erwerbs habe rechnen dürfen.

Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht: Der Erwerb des Gebäudes falle unter die Vorschrift des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990. Ob die Vertragsparteien in Kenntnis dieses am Tag des Abschlusses des Kaufvertrages in Kraft getretenen Gesetzes gehandelt hätten, sei nicht entscheidend; es genüge, daß der Erwerb den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprochen habe. Er, der Kläger, habe als Gewerbetreibender das Gebäude zum Betrieb seiner Gaststätte erworben und hierauf seine Existenz gegründet. Für derartige Fälle sei die den Redlichkeitsschutz erweiternde Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG gerade in das Vermögensgesetz eingefügt worden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. Mai 1998 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Grundstück sei im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG gegen eine geringere Entschädigung enteignet worden, als sie Bürgern der früheren Deutschen Demokratischen Republik zugestanden habe. Die Rückübertragung des Eigentums an die Beigeladenen sei nicht durch die Vorschrift des § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen. Da der Kläger das Gebäude nach dem 18. Oktober 1989 ohne Zustimmung der Beigeladenen erworben habe, komme die Möglichkeit eines redlichen Erwerbs nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG gegeben seien. Daran fehle es, weil der Gebäudeerwerb nicht unter den Tatbestand des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 falle. Zwar sei das Gebäude an den Kläger für Gewerbezwecke, nämlich den beabsichtigten Betrieb einer Gaststätte, veräußert worden. Der Kläger sei im Zeitpunkt des Rechtserwerbs aber nicht Gewerbetreibender im Sinne des Gewerbegesetzes der DDR vom 6. März 1990 gewesen. Als Angestellter der HO habe er keine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 des Gewerbegesetzes ausgeübt. Mit Blick auf den Zweck des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990, in der damaligen Umbruchsphase die wirtschaftliche Eigeninitiative zu fördern, genüge zwar zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Gewerbetreibender" schon die Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, sofern die Erlaubnis nach dem Rechtserwerb erteilt und sodann alsbald mit der Gewerbeausübung begonnen worden sei. Der Kläger habe seine Gewerbeerlaubnis aber erst im Juni 1990 beantragt und sie im Juli 1990 erhalten. Auch habe zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs die Art des beabsichtigten Gewerbes noch nicht genau festgestanden. Fehle es somit an der Eigenschaft als "Gewerbetreibender", könne die Klage ungeachtet der Tatsache keinen Erfolg haben, daß sämtliche anderen Voraussetzungen des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 und des § 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 15. März 1990 (GBl I S. 158) vorgelegen hätten.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 verneint. Dieses Gesetz habe wie andere zu jener Zeit von der Volkskammer der DDR erlassene Gesetze die Schaffung und Förderung eines privatwirtschaftlichen Sektors in der damaligen DDR bezweckt. Deshalb habe § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 nicht nur die bereits tätigen Gewerbetreibenden, sondern auch solche Bürger der DDR erfassen wollen, die mit Hilfe des Erwerbs eines volkseigenen Gebäudes einen privaten Gewerbebetrieb erst hätten gründen wollen. Es habe mithin ausgereicht, daß ein Gebäude für Gewerbezwecke veräußert und sodann vom Erwerber hierfür genutzt worden sei. So verhalte es sich hier, weil er, der Kläger, bereits in seinem Kaufantrag vom 9. Januar 1990 bekundet habe, eine private Gaststätte in dem Gebäude betreiben zu wollen. Der Notartermin zum Abschluß des Gebäudekaufvertrages sei, wie auch vom Verwaltungsgericht festgestellt, bewußt auf den 19. März 1990 als den Tag des Inkrafttretens des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 festgelegt worden. Die mit dem Kauf verfolgte Absicht habe er in nahem zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb auch in die Tat umgesetzt. Schließlich sei er beim Erwerb auch redlich im Sinne von § 4 Abs. 3 VermG gewesen. Mit dem vom Beklagten erlassenen Rückübertragungsbescheid werde in rechtswidriger Weise in sein durch Art. 14 GG geschütztes Eigentumsrecht eingegriffen. Er, der Kläger, habe in das Gebäude etwa 450 000 DM investiert und überdies eine Grundschuld in Höhe von 265 000 DM aufgenommen; die von ihm betriebene Diskothek sei seine einzige Erwerbsquelle.

Der Beklagte und die Beigeladenen halten das verwaltungsgerichtliche Urteil für zutreffend. Der Oberbundesanwalt meint, die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG greife bereits dann ein, wenn ein volkseigenes Gebäude ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit faktisch auf der Grundlage des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 veräußert worden sei. Das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung gewinne erst im Rahmen der Redlichkeitsprüfung nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG Bedeutung.

II.

Die Revision ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Klage gegen den Rückübertragungsbescheid des Beklagten abgewiesen.

1. Die Beigeladenen waren durch die im Jahr 1981 erfolgte Enteignung und Überführung des Grundstücks in Volkseigentum von einer Schädigungsmaßnahme gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG ) betroffen und sind deshalb Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG. Gegen diese Annahme des Verwaltungsgerichts hat sich der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr gewendet.

2. Rechtsfehlerfrei hat das Verwaltungsgericht weiter angenommen, daß die Schädigung der Beigeladenen einen Anspruch auf Rückübertragung des entzogenen Vermögenswerts zur Folge hat, weil kein gesetzlicher Restitutionsausschlußgrund besteht (§ 3 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 4 und 5 VermG).

Der Kläger kann sich nicht auf den hier allein in Betracht kommenden Ausschlußtatbestand des redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 und 3 VermG) berufen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ist die Rückübertragung ausgeschlossen, wenn natürliche Personen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben haben. Die Möglichkeit eines restitutionsausschließenden redlichen Erwerbs von Grundstücken und Gebäuden läßt das Gesetz allerdings grundsätzlich nicht zu, wenn das dem Erwerb zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach dem 18. Oktober 1989 ohne Zustimmung des Berechtigten geschlossen worden ist (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VermG). So liegt es hier; denn der Kläger hat das Eigentum an dem Gebäude und das dingliche Nutzungsrecht an dem volkseigenen Grundstück erst im März bzw. April 1990 und ohne Zustimmung der Beigeladenen erworben. Eine der in § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 VermG aufgeführten, zur Grundregel des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG zurückführenden Ausnahmen von der Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VermG ist nicht gegeben. Der hier in Betracht zu ziehende Tatbestand des Buchstaben b, also der Erwerb auf der Grundlage des § 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl I S. 157), ist nicht erfüllt.

§ 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 eröffnete erstmals in der DDR die rechtliche Möglichkeit, volkseigene Gebäude für Gewerbezwecke an private Handwerker und Gewerbetreibende, die Bürger der DDR oder Ausländer mit ständigem Wohnsitz in der DDR waren, zu verkaufen. Nach § 1 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 15. März 1990 (GBl I S. 158) mußte es sich um Gebäude handeln, die durch Handwerker oder Gewerbetreibende für die Ausübung ihres Berufes oder ihrer Gewerbetätigkeit genutzt werden oder genutzt werden können; die Gebäude durften eine, im Ausnahmefall auch zwei Wohnungen enthalten (§ 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung). Die mit diesen Vorschriften bezweckte Förderung des bis dahin eher unerwünschten privaten Handwerks und Gewerbes war Teil eines Bündels gesetzlicher Maßnahmen, mit dem die DDR den Übergang von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer marktwirtschaftlich geprägten Ordnung einleitete. Beispielhaft hierfür sind die Verordnung über die Organisation des Handwerks der DDR vom 22. Februar 1990 (GBl I S. 150), das den Grundsatz der Gewerbefreiheit aufstellende Gewerbegesetz der DDR vom 6. März 1990 (GBl I S. 138) und das Gesetz über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 (GBl I S. 141) zu nennen.

Die im Zuge dieser beginnenden Privatisierung der DDR-Wirtschaft getätigten Käufe restitutionsbelasteter Immobilien durch private Handwerker und Gewerbetreibende auf der Grundlage von § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 sollten mit der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 22. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) eingefügten Bestimmung § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG nachträglich gesichert werden: War der Erwerb im Vertrauen auf die damalige Gesetzeslage in redlicher Weise erfolgt, ist eine Rückübertragung an den Berechtigten ungeachtet der Stichtagsvorschrift ausgeschlossen. In diesem Sinne handelt es sich um eine vergangenheitsorientierte investive Vorfahrtregelung (vgl. BTDrucks 12/2944, S. 42 und 51), mit der ein ähnliches Ergebnis wie mit den zukunftsorientierten Regelungen des Investitionsgesetzes vom 23. September 1990 (BGBl II S. 889, 1157) und des Investitionsvorranggesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1286) erzielt werden soll. Dieser Vertrauensschutz ist freilich entgegen der Ansicht des Oberbundesanwalts nur gerechtfertigt, wenn das Erwerbsgeschäft tatsächlich "auf der Grundlage" des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 in Verbindung mit der Durchführungsverordnung erfolgt ist, wenn also die grundlegenden tatbestandlichen Erwerbsvoraussetzungen erfüllt waren. Dazu zählt, daß der Käufer zum berechtigten Erwerberkreis gehörte und daß es sich um ein vom Gesetz erfaßtes Erwerbsobjekt handelte (vgl. zu letzterem BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 BVerwG 7 C 6.96 Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 34, S. 79 <82> = VIZ 1996, 711 <712>; Urteil vom 19. November 1998 BVerwG 7 C 5.98 ).

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die Veräußerung des volkseigenen Gebäudes an den Kläger durch den Kaufvertrag vom 19. März 1990 nicht durch § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 gedeckt war. Zwar war dieses Gesetz am Tag des Vertragsschlusses im Gesetzblatt verkündet worden und damit in Kraft getreten (vgl. § 8 Abs. 1). Richtig ist auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts, daß es nicht darauf ankommt, ob die Vertragsparteien was der Kläger unter Hinweis auf die vom Verwaltungsgericht eingeholte Äußerung der Notarin H. behauptet bereits in Kenntnis der geänderten Gesetzeslage gehandelt haben. Für die Heranziehung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG ist maßgebend, ob die Voraussetzungen des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 bei Vertragsschluß objektiv vorgelegen haben. Dies war nicht der Fall. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt weder privater Handwerker noch Gewerbetreibender, sondern bei der HO angestellter Leiter einer Gaststätte. Unter Gewerbe war nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gewerbegesetzes vom 6. März 1990 jede auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit zu verstehen, die mit der Absicht ausgeübt wurde, Gewinn zu erzielen. Eine solche selbständige Tätigkeit hat der Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren erst am 28. September 1990 mit der Übernahme der Gaststätte von der bisherigen Betreiberin, der S. GmbH als Rechtsnachfolgerin der HO, aufgenommen; bis zu diesem Zeitpunkt war er als Objektleiter bei der S. GmbH beschäftigt.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts erfaßt § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 allerdings auch Personen, die zum Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts ihre Absicht, eine Tätigkeit als privater Handwerker oder Gewerbetreibender aufzunehmen, noch nicht in die Tat umgesetzt hatten. Der erkennende Senat kann offenlassen, ob die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus so verstanden werden kann oder ob der DDR-Gesetzgeber durch die Schaffung der Erwerbsmöglichkeit nur die erlaubnisfreie (vgl. § 16 Abs. 2 des Gewerbegesetzes) Weiterführung bereits tätiger Betriebe unter den sich abzeichnenden rechtlichen und wirtschaftlichen Veränderungen unterstützen wollte. Eine Einbeziehung künftiger Handwerker und Gewerbetreibender in den Anwendungsbereich des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 wäre jedenfalls nur unter der Voraussetzung zu erwägen, daß bei Abschluß des Kaufvertrages die Aufnahme des Betriebs in dem betreffenden Gebäude in sachlicher und zeitlicher Hinsicht sichergestellt war. Für den Erwerb volkseigener Ein- und Zweifamilienhäuser ist eine vergleichbare Tatbestandsvoraussetzung ausdrücklich normiert worden: An Erwerber, die das Gebäude zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht schon bewohnten, durfte nur verkauft werden, wenn die künftige persönliche Nutzung des Wohnraums gewährleistet war (vgl. § 4 der Durchführungsverordnung zum Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 15. März 1990).

Diese Erwerbsvoraussetzung war im Fall des Klägers nicht gegeben. Zwar hatte er schon im Januar 1990 seinen Wunsch bekundet, die Gaststätte privat zu führen. Über diese Absichtserklärung hinaus bestanden aber bei Abschluß des Kaufvertrages am 19. März 1990 keine objektiven Anhaltspunkte für eine hinreichend sicher bevorstehende Übernahme der HO-Gaststätte in private Regie. Vielmehr vermietete der Kläger nach dem Erwerb des Gebäudes zunächst einmal die Gaststättenräume an die bisherige Betreiberin weiter. Die nach § 3 des Gewerbegesetzes in Verbindung mit der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 8. März 1990 (GBl I S. 140) erforderliche Gewerbeerlaubnis beantragte er sodann erst drei Monate nach Vertragsschluß; mehr als ein halbes Jahr dauerte es schließlich bis zur Übernahme des Gaststättenbetriebes. Wie ungewiß die Aufnahme eines privaten Gewerbes bei Abschluß des Kaufvertrages noch war, wird ferner dadurch bestätigt, daß auch die beiden maßgebenden Erwerbsdokumente keinen Hinweis auf eine bevorstehende Übernahme des Gaststättenbetriebs enthielten. Im Kaufvertrag vom 19. März 1990 war lediglich von einer Nutzung des Gebäudes "für eigene Wohnzwecke und zur Ausübung seiner (sc. des Klägers) Tätigkeit" die Rede, während das Nutzungsrecht an dem volkseigenen Grundstück laut Urkunde vom 26. April 1990 dem Kläger die Nutzung "entsprechend seinen Wohnbedürfnissen" gestattete. All dies macht deutlich, daß der Kläger bei Vertragsschluß nicht zu dem durch § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 berechtigten Erwerberkreis gehörte, sondern daß im Vordergrund zunächst der Erwerb des Eigentums an dem Gebäude stand.

3. Die angefochtenen Behördenbescheide und das sie bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts sind auch insoweit bundesrechtlich nicht zu beanstanden, als der Beklagte das dem Kläger verliehene Nutzungsrecht aufgehoben hat. Dingliche Nutzungsrechte sind mit dem die Rückübertragung anordnenden Bescheid aufzuheben, wenn der Nutzungsberechtigte bei Begründung des Nutzungsrechts nicht redlich im Sinne des § 4 Abs. 3 VermG gewesen ist (§ 16 Abs. 3 Satz 1 VermG). Der erkennende Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Vorschrift bereits dann anzuwenden ist, wenn wie hier das Nutzungsrecht nach dem 18. Oktober 1989 erworben wurde, ohne daß ein Rückausnahmetatbestand im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a - c VermG erfüllt ist. Denn der Kläger ist als unredlich im Sinne des Regelbeispiels des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG anzusehen.

Der Erwerb des Gebäudes und damit auch des akzessorischen dinglichen Nutzungsrechts an dem volkseigenen Grundstück stand, wie ausgeführt, nicht im Einklang mit den zum Zeitpunkt des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften. Der Kläger hätte dies auch wissen müssen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist mit fahrlässiger Unkenntnis gleichbedeutend und ist somit erfüllt, wenn der Erwerber bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt den Rechtsverstoß hätte erkennen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 BVerwG 7 C 4.93 BVerwGE 95, 108 <115>). Das war hier der Fall. Dabei ist davon auszugehen, daß bei Erwerbsvorgängen nach dem Rücktritt des Staatsratsvorsitzenden Honecker am 18. Oktober 1989 und der damit eingeleiteten Veränderung der politischen und rechtlichen Verhältnisse an die Sorgfaltspflicht im allgemeinen höhere Anforderungen als für die Zeit davor zu stellen sind. Dem Kläger mußte klar sein, daß er sich auf ein risikobehaftetes Geschäft eingelassen hatte. Von den staatlichen Stellen hatte er unterschiedliche Äußerungen zur Zulässigkeit eines Erwerbs erhalten, nachdem sich die Beigeladene zu 1 gegen eine Veräußerung gewandt hatte. Schon aus diesem Grund war erhöhte Vorsicht angebracht. Unterstellt man zugunsten des Klägers, er habe den Gebäudekaufvertrag bereits in Kenntnis des am Tag des Vertragsschlusses in Kraft getretenen Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 abgeschlossen, mußte es sich ihm aufdrängen, daß er die Erwerbsvoraussetzungen nicht erfüllte. Erst recht wäre von einer fahrlässigen Unkenntnis des Rechtsverstoßes auszugehen, wenn dem Kläger das Inkrafttreten des den Erwerb volkseigener Gebäude durch private Gewerbetreibende erstmals ermöglichenden Verkaufsgesetzes nicht bekannt gewesen sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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