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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 2.08
Rechtsgebiete: AbwAG, WHG
Vorschriften:
AbwAG § 10 Abs. 3 | |
AbwAG § 10 Abs. 4 | |
AbwAG § 10 Abs. 5 | |
WHG § 18b Abs. 1 Satz 2 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 7 C 2.08
Verkündet am 26. Juni 2008
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 12. Dezember 2007 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, - unter Änderung seines Bescheids vom 11. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2004 - für den Bau des Nebensammlers Oberrothenbach, Altenburger Straße, südlicher Teil, entstandene Aufwendungen in Höhe von insgesamt 223 224,72 € mit der für die Einleitung der Zentralkläranlage Zwickau geschuldeten Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1999 zu verrechnen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Verrechnung von Aufwendungen für den Bau von Abwasserkanälen mit der Abwasserabgabe gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AbwAG.
Im Jahr 1999 errichtete der klagende Zweckverband einen Nebensammler in Form eines Trennsystems. Dieses besteht aus einem Schmutzwasser- und aus einem Niederschlagswasserkanal. Der Schmutzwasserkanal wurde an einen Hauptsammler angebunden, über den das Schmutzwasser zur Zentralkläranlage des Klägers geleitet wird. Das Niederschlagswasser einer Straße und von Anliegergrundstücken wird über den Niederschlagswasserkanal in einen Bach eingeleitet. Hierfür wurde eine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt. Die bislang vorhandene Mischkanalisation, mit der das gesamte Abwasser ungereinigt in ein Gewässer eingeleitet worden war, wurde stillgelegt.
Der Kläger beantragte daraufhin die Verrechnung der investiven Aufwendungen für den Neubau des Nebensammlers in Höhe von insgesamt 223 224,72 € mit der für die Einleitung aus der Zentralkläranlage geschuldeten Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1999.
Mit Bescheid des Beklagten vom 11. Februar 2004 wurden lediglich die Aufwendungen für den Neubau des Schmutzwasserkanals in Höhe von 95 303,08 € mit der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1999 verrechnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, für den Schmutzwasserkanal lägen die Voraussetzungen der Verrechnung gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AbwAG vor. Die Aufwendungen für den Niederschlagswasserkanal dagegen könnten nicht verrechnet werden, da durch ihn kein Abwasser einer Abwasserbehandlungsanlage zugeführt werde.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2004 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2007 abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine vollständige Verrechnung der investiven Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 4 AbwAG lägen nicht vor. Zwar habe der Kläger die bisher vorhandene Abwassereinleitung durch eine neue im Trennsystem errichtete Abwasseranlage ersetzt und damit - bezogen auf die vorhandene Einleitung - eine erhebliche Minderung der Schadstofffracht erreicht. Verrechnungsfähig seien aber nur Aufwendungen für solche Anlagen, die das Abwasser einer Abwasserbehandlungsanlage zuführten. Diese Voraussetzungen erfülle nur der Schmutzwasserkanal, nicht aber der Niederschlagswasserkanal. Eine einheitliche Betrachtung der im Trennsystem errichteten Abwasseranlage sei nicht vorzunehmen. Hierdurch werde zwar das Trennsystem gegenüber einem Mischsystem schlechter gestellt. Dies verstoße aber nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Zustimmung des Beklagten die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt: Gemäß § 10 Abs. 4 AbwAG könnten auch die Aufwendungen für die Errichtung des Niederschlagswasserkanals im Trennsystem verrechnet werden. Beim Trennsystem bildeten Niederschlagswasserkanal und Schmutzwasserkanal eine Anlage im Sinne des § 10 Abs. 4 AbwAG. Im Trennsystem sei die Zuführung von Schmutzwasser zu einer Kläranlage technisch und rechtlich nur möglich, wenn der Niederschlagswasseranteil separat abgeführt werde. Wäre ein Mischkanalsystem errichtet worden, wären die investiven Aufwendungen (auch die für den Bau von Regenrückhaltebecken) im vollen Umfang verrechnungsfähig gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung zwischen den Investitionen für ein Mischkanalsystem und denen für ein Trennkanalsystem gewollt habe.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Ergänzend führt er insbesondere aus, lägen mehrere Einleitungen in ein Gewässer vor, existierten auch mehre Anlagen im Sinne des Abwasserabgabengesetzes. Hier sei aus wasserwirtschaftlicher Sicht ein Trennsystem dem Mischsystem vorzuziehen. Beim Trennsystem sei häufig eine Versickerung des Niederschlagswassers besser als eine Einleitung in ein oberirdisches Gewässer.
II
Die Revision ist zulässig (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO) und begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht zwar die Zulässigkeit der Klage und die Voraussetzungen für eine Verrechnung der Abwasserabgabe mit Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AbwAG bejaht (vgl. 1.). Zu Unrecht hat es aber angenommen, die Abwasserabgabe könne nur mit den Aufwendungen für den Bau des Schmutzwasserkanals und nicht auch mit denen für den Bau des Niederschlagswasserkanals verrechnet werden (vgl. 2.).
1. a) Die Verpflichtungsklage ist statthaft, denn die Entscheidung über eine Verrechnung erfolgt durch Verwaltungsakt. Die Möglichkeit, eine unterbliebene Verrechnung im Rahmen der Anfechtung eines Abgabenbescheids geltend zu machen, schließt auch das Rechtsschutzbedürfnis nicht aus (vgl. Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 9 C 4.04 - BVerwGE 123, 292 = Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 9).
b) Die Voraussetzungen einer Verrechnung der für das Veranlagungsjahr 1999 für die Einleitung aus der Zentralkläranlage des Klägers geschuldeten Abwasserabgabe mit Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AbwAG liegen vor:
Gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AbwAG können Aufwendungen für die Errichtung von Anlagen, die das Abwasser vorhandener Einleitungen einer Abwasserbehandlungsanlage zuführen, die den Anforderungen des § 18b WHG entspricht, mit der für die in den drei Jahren vor der Inbetriebnahme der Anlage insgesamt geschuldeten Abgabe verrechnet werden, wenn bei den Einleitungen insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht zu erwarten ist. Unter diesen Voraussetzungen können sogenannte "Umschlussinvestitionen" verrechnet werden.
Hier wurde eine vorhandene Einleitung - nämlich die bisherige Einleitung von Abwasser über ein Mischkanalsystem in ein Gewässer - aufgegeben. Das Schmutzwasser, das bisher auf diese Weise eingeleitet worden war, wird nunmehr einer Kläranlage, die den Anforderungen des § 18b WHG entspricht, zugeführt.
Dass nur ein Teil des Abwassers der Zentralkläranlage des Klägers zugeführt wird, schließt die Anwendbarkeit von § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AbwAG nicht aus. Der Wortlaut von § 10 Abs. 4 AbwAG ist zwar insoweit nicht eindeutig. Die Vorschrift nennt "das Abwasser", was auf das gesamte bisher eingeleitete Abwasser hinweist, ordnet aber die entsprechende Geltung von § 10 Abs. 3 AbwAG an. Gemäß § 10 Abs. 3 AbwAG sind auch punktuelle Verbesserungsmaßnahmen - beispielsweise hinsichtlich nur eines zu behandelnden Abwasserstroms - verrechnungsfähig. Aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich aber, dass auch Investitionen für die Überleitung eines Teils des Abwassers verrechnungsfähig sind. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann es technisch und wirtschaftlich durchaus geboten sein, nur Teilströme der bisherigen Einleitung einer zentralen Abwasserbehandlungsanlage zuzuführen. Dies gilt nicht nur für die hier in Rede stehende Überleitung von Schmutzwasser bei einer im Trennsystem errichteten Kanalisation. Vielmehr können auch (gegenwärtig noch) unzureichende Kapazitäten beispielsweise eines Hauptsammlers oder einer Abwasserbehandlungsanlage (vorerst) nur die Überleitung eines Teilstroms zulassen. Wird hierdurch die Schadstofffracht insgesamt gemindert, entspricht es dem Sinn und Zweck der Vorschrift, einen Anreiz für die Schadstofffracht mindernde Investitionen zu schaffen und auch eine solche Investition als verrechnungsfähig anzusehen (ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 8. Dezember 2005 - OVG 12 A 11009/05 - juris).
Durch die Errichtung der neuen Anlage trat insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht ein. Die Schadstofffracht des Schmutzwassers verringerte sich - ausgedrückt in Schadeinheiten - um ca. 89 %. Folglich verringerte sich auch die Schadstofffracht des gesamten Abwassers (also von Schmutz- und Niederschlagswasser zusammen) ganz erheblich.
Die Aufwendungen wurden hier nicht mit der Abwasserabgabe für die weggefallene Einleitung, sondern mit der für die Abwasserbehandlungsanlage, der das Abwasser nunmehr zugeführt wird, verrechnet. Dies ist zulässig (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 9 C 13.03 - BVerwGE 120, 27 = Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 8).
Die neue Anlage wurde am 20. September 1999 in Betrieb genommen. Eine Verrechnung erfolgte mit der für das Jahr 1999 geschuldeten Abgabe. Auch dies ist zulässig. Die Möglichkeit der Verrechnung von Aufwendungen mit der für die drei Jahre vor der Inbetriebnahme geschuldeten Abgabe wird als "Bauphasenprivileg" bezeichnet. Der Investitionsaufwand für bestimmte Maßnahmen soll schon vor deren Wirksamkeit, nämlich bereits während der auf drei Jahre geschätzten Bauzeit, mit der in diesem Zeitraum anfallenden Abwasserabgabe verrechnet werden können (vgl. u.a. Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 4.03 - Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 6 S. 9 <13>, BVerwGE 119, 258). Damit soll vermieden werden, dass der Einleiter während der Bauzeit finanziell doppelt belastet wird, nämlich durch die Investitionskosten einerseits und die (noch) hohe Abwasserabgabe andererseits. Dem würde es widersprechen, wenn hier die 1999 angefallenen Investitionskosten nicht mit der Abwasserabgabe für das Jahr 1999 verrechnet werden könnten. Deshalb muss hier nicht auf das Kalenderjahr abgestellt werden. Vielmehr umfassen die drei Jahre vor der Inbetriebnahme den Zeitraum vom 20. September 1996 bis zum 19. September 1999. Im Übrigen ergibt sich die Zulässigkeit der Verrechnung hier aus der für das Beitrittsgebiet geltenden Sonderregelung des § 10 Abs. 5 AbwAG.
2. Bundesrecht verletzt dagegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Abwasserabgabe könne nur mit den Aufwendungen für den Bau des Schmutzwasserkanals und nicht mit den gesamten Aufwendungen für den Bau des Nebensammlers (bestehend aus einem Schmutzwasser- und einem Niederschlagswasserkanals) verrechnet werden. Denn der Nebensammler ist eine Anlage im Sinne des § 10 Abs. 4 AbwAG. Der technische Sprachgebrauch, der von einem Sammler spricht, stimmt also mit dem Gesetz, das auf eine Anlage abstellt, überein. Bei einer Entwässerung im Trennsystem bilden Schmutzwasser- und Niederschlagswasserkanal eine Anlage. Diese führt Abwasser einer vorhandenen Einleitung einer Abwasserbehandlungsanlage zu.
Das Abwasserabgabengesetz definiert den Begriff "Anlage" genauso wenig wie das Wasserhaushaltsgesetz. Abwasserkanäle sind zweifellos "Anlagen" im Sinne des § 10 Abs. 4 AbwAG und "Abwasseranlagen" im Sinne des § 18b WHG. Dass bei einer Entwässerung im Trennsystem Schmutzwasser- und Niederschlagswasserkanal eine Anlage bilden, ergibt sich aus Folgendem:
Wer die Abwasserkanalisation für ein Gebiet plant, muss sich zwischen einem Mischsystem oder einem System, bei dem das Niederschlagswasser getrennt vom Schmutzwasser beseitigt wird (Trennsystem), entscheiden.
Beim Mischsystem werden Schmutz- und Niederschlagswasser in einem Kanal gesammelt und über diesen einem Klärwerk zugeleitet. Es müssen dann Vorkehrungen getroffen werden, damit bei starken Niederschlägen die Kanalisation nicht überlastet wird und überläuft und damit nicht zu viel Wasser auf einmal dem Klärwerk zugeführt wird. Dies geschieht insbesondere durch den Bau von Regenrückhaltebecken (die große Mengen Niederschlagswasser aufnehmen können und meist zusätzlich über einen erlaubten Regenüberlauf verfügen).
Beim Trennsystem dagegen wird das Schmutzwasser in einen Schmutzwasserkanal geleitet, der über Regenauslässe und Regenrückhaltebecken systembedingt nicht verfügt. Das Regenwasser wird entweder in einem Niederschlagswasserkanal gesammelt, durch den dieses in der Regel ohne weitere Vorbehandlung in ein Gewässer eingeleitet wird, oder es wird versickert. Auch eine Versickerung setzt bauliche Maßnahmen (z.B. Straßengräben) voraus.
Beide Systeme haben Vor- und Nachteile, über die die Träger der Abwasserbeseitigung und die Wasserrechtsbehörden im Einzelfall zu entscheiden haben. Der Beklagte selbst trägt hierzu vor, es sei heute wasserwirtschaftliches Ziel, nicht behandlungsbedürftiges Niederschlagswasser nicht zusammen mit dem Schmutzwasser einer Abwasserbehandlungsanlage zuzuführen. Nach einer Verwaltungsvorschrift solle Kläranlagen kein Wasser zugeführt werden, dessen Verschmutzungsgrad geringer sei als der im Ablauf der Kläranlage geforderte. Nicht behandlungsbedürftig in diesem Sinne seien in der Regel Abflüsse von Dach- und Hofflächen sowie von Wohnstraßen und Fußwegen. Um solche handelt es sich hier. Deshalb entspricht die vom Kläger gewählte getrennte Erfassung des Regenwassers der wasserwirtschaftlichen Zielsetzung. Eine Entwässerung im Mischsystem dagegen würde dieser Zielsetzung widersprechen.
Mit Bau des Schmutzwasser- und des Niederschlagswasserkanals wird also ein einheitliches Abwasserbeseitigungskonzept für ein Gebiet verwirklicht. Er ist das Ergebnis einer einheitlichen Planung. Dies genügt zwar nicht für die Annahme einer einheitlichen Anlage.
Hinzu kommt aber, dass nur der Bau des Niederschlagswasser- und des Schmutzwasserkanals gemeinsam es ermöglichten, eine vorhandene Einleitung aufzugeben. Die Einleitung von Abwasser über den Niederschlagswasserkanal ohne den Bau des Schmutzwasserkanals wäre rechtlich nicht möglich, da die Einleitung aus einem Kanal wasserrechtlich nicht erlaubnisfähig ist, wenn darin auch Schmutzwasser fließt. Beim Bau nur eines Schmutzwasserkanals wäre es ebenfalls nicht möglich gewesen, die vorhandene Einleitung aufzugeben. Das Niederschlagswasser würde dann entweder wild abfließen, was mit den Pflichten des Trägers der Abwasserbeseitigung nicht vereinbar wäre, oder es würde in den dafür nicht vorgesehenen Schmutzwasserkanal gelangen. Dieser würde dann bei Niederschlägen ständig überlaufen. Dies wäre auch rechtlich unzulässig und nicht hinnehmbar, denn damit würden die beim Bau zu beachtenden allgemein anerkannten Regeln der Technik verletzt (vg. hierzu § 18b Abs. 1 Satz 2 WHG). Genauso wenig wie es bei einer Mischkanalisation möglich ist, das Abwasser ohne Bau eines Regenrückhaltebeckens oder vergleichbarer Einrichtungen einer Kläranlage zuzuleiten, ist es beim Trennsystem möglich, nur einen Schmutzwasserkanal zu errichten und über diesen allein das Schmutzwasser der Kläranlage zuzuführen. Nur Schmutzwasser- und Niederschlagswasserkanal zusammen bilden hier somit eine den allgemeinen Regeln der Technik entsprechende Einheit, über die Abwasser einer Kläranlage zugeführt wird. Damit sind sie technisch eine Einheit. Aus den gleichen Gründen handelt es sich bei dem Bau eines Sammlers auch wirtschaftlich um eine einheitliche Investition.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dabei unerheblich, ob eine oder mehrere Einleitungen in ein Gewässer vorliegen. Auch beim Mischsystem erfolgen mehrere Einleitungen, wenn Regenrückhaltebecken über einen erlaubten Regenüberlauf verfügen, ohne dass dies für den Anlagenbegriff irgendeine Bedeutung hat.
Auch der Bau des Niederschlagwasserkanals führt somit zur Verringerung der Schadstoffeinleitungen in ein Gewässer. Denn nur durch dessen Bau ist es möglich geworden, das in dem Gebiet anfallende Schmutzwasser mittels eines Schmutzwasserkanals dem Klärwerk zuzuführen.
Wären dagegen Niederschlagswasser- und Schmutzwasserkanal getrennte Anlagen im Sinne des § 10 Abs. 4 AbwAG, könnten nur Investitionen in den Schmutzwasserkanal mit der Abwasserabgabe verrechnet werden. Bei einer Entwässerung im Mischsystem können dagegen alle Investitionen - z.B. auch der allein der Niederschlagsentwässerung dienende Bau von Regenrückhaltebecken - verrechnet werden. Weder der Entstehungsgeschichte, noch dem Sinn und Zweck, noch der Systematik des Gesetzes lässt sich irgendetwas dafür entnehmen, dass die Verrechnungsmöglichkeiten bei einer Entwässerung im Trennsystem und einer im Mischsystem unterschiedlich sein sollen. Vielmehr will § 10 Abs. 4 AbwAG Investitionen in Baumaßnahmen, die durch eine Zuleitung zu einem modernen Klärwerk die Gewässerbelastung verringern, anstoßen. Von der Abwasserabgabe soll eine Anreizwirkung zur Durchführung entsprechender Gewässerschutzmaßnahmen ausgehen (vgl. BTDrucks 12/4272 S. 1 und 7 und Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 9 C 13.03 - a.a.O.). Der Anreiz, der hiervon ausgehen soll, würde nicht vollständig erreicht, wenn beim Trennsystem nur ein Teil der Investitionen verrechnungsfähig wäre. Auch würde dadurch ein Anreiz geschaffen, eine Mischkanalisation zu errichten (wegen der vollen Verrechnungsfähigkeit) und nicht ein Trennsystem (wegen der nur teilweisen Verrechnungsfähigkeit). Es spricht aber nichts dafür, dass das Abwasserabgabengesetz eine Lenkung in diese Richtung erzielen will. Sonst würde hier eine Lenkung hin zu einem wasserwirtschaftlich schlechteren System erfolgen.
Ohne Bedeutung ist dabei, ob es wasserwirtschaftlich noch besser gewesen wäre, das Niederschlagswasser zu versickern. Hätte sich der Kläger hierfür entschieden, wären bauliche Maßnahmen, die eine Versickerung ermöglichen, ebenfalls notwendig gewesen, um die vorhandene Einleitung aufzugeben. Auch diese wären dann grundsätzlich Teil einer Anlage im Sinne des § 10 Abs. 4 AbwAG. Hat sich der zur Abwasserbeseitigung Verpflichtete dagegen für eine Einleitung in ein oberirdisches Gewässer entschieden, ist allein im wasserrechtlichen Verfahren zu prüfen, ob diese erlaubt werden kann. Liegt die Erlaubnis vor, ist davon auszugehen, dass die Maßnahme wasserwirtschaftlich sinnvoll und damit grundsätzlich auch verrechnungsfähig ist.
Weil - wie dargelegt - die übrigen Voraussetzungen der Verrechnung vorliegen, ist der Beklagte verpflichtet, die Aufwendungen für den Bau des Nebensammlers insgesamt mit der für das Veranlagungsjahr 1999 für die Zentralkläranlage des Klägers geschuldeten Abwasserabgabe zu verrechnen. Dass diese insgesamt 223 224,72 € betragen, ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts und ist unter den Beteiligten nicht streitig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Ende der Entscheidung
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