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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.03.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 21.97
Rechtsgebiete: GG, VermG, AnmVO, VwGO
Vorschriften:
GG Art. 20 Abs. 3 | |
VermG § 30 Abs. 1 Sätze 1 und 5 | |
VermG § 30 a Abs. 1 Satz 1 | |
AnmVO § 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 | |
VwGO § 117 Abs. 1 Satz 2 |
Ein Antrag nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht der Schriftform.
Urteil des 7. Senats vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 21.97 -
I. VG Chemnitz vom 07.11.1996 - Az.: 2 VG K 1356/94 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 7 C 21.97 VG 2 K 7356/94
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. März 1998 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert und Dr. Brunn
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 7. November 1996 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I.
Der Kläger beansprucht für sich und seine mit ihm in ungeteilter Erbengemeinschaft verbundene Schwester die Rückgabe landwirtschaftlich genutzter Flächen nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Dazu machte er im behördlichen Verfahren geltend, daß er und seine Schwester im Jahre 1988 nur das Hofgrundstück des geerbten landwirtschaftlichen Anwesens an die Beigeladenen hätten verkaufen wollen; infolge einer Täuschung durch das Staatliche Notariat sei jedoch der gesamte Hof einschließlich der landwirtschaftlich genutzten Flächen veräußert worden.
Der Beklagte lehnte den Rückgabeantrag als unzulässig ab, weil der Anspruch erst mit einem am 8. Februar 1993 eingegangenen Schreiben und damit nach Ablauf der Frist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG (31. Dezember 1992) angemeldet worden sei.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es hat sich zu dem Einwand des Klägers, er habe bereits im Jahre 1992 bei entsprechenden Vorsprachen im Landratsamt mündlich die Rückgabe des Landes beantragt, auf den Standpunkt gestellt, Anträge nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG könnten nur schriftlich gestellt werden. Das ergebe sich aus der in § 30 Abs. 1 Satz 5 VermG angeordneten Gleichsetzung von Anmeldungen nach der Anmeldeverordnung mit Anträgen nach dem Vermögensgesetz. Auch eine Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Anmeldefrist komme nicht in Betracht, weil die gerichtliche Beweisaufnahme nicht ergeben habe, daß die Säumnis auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen sei, und weil unabhängig davon auch das schutzwürdige Vertrauen der Beigeladenen in den Bestand ihrer Verfügungsbefugnis nicht nachträglich erschüttert werden dürfe.
Mit seiner durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beruft sich darauf, daß die Bestimmungen des Vermögensgesetzes keine besondere Form für einen Antrag nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG vorsähen.
Der Beklagte und der Oberbundesanwalt verteidigen die Ausführungen des angegriffenen Urteils.
II.
Die Revision ist begründet. Das formgültig zustande gekommene Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht, weil es zu Unrecht die Schriftform für einen Antrag nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG verlangt. Da die tatrichterlichen Feststellungen für eine Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch nicht ausreichen, muß der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.
1. Das angegriffene Urteil weist keinen zu seiner Aufhebung führenden formellen Fehler auf. Zwar finden sich unter der Rechtsmittelbelehrung auf S. 24 nur die Unterschriften von zwei der drei Berufsrichter, die an der Entscheidung mitgewirkt haben. Der den Entscheidungsverbund abschließende Streitwertbeschluß ist aber auf S. 25 von allen drei Richtern unterschrieben worden. Dies kann nur so verstanden werden, daß auch der dritte Richter mit seiner einmaligen Unterzeichnung des gesamten Schriftstücks dessen Inhalt vollständig billigen wollte. Ein Verstoß gegen § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt daher nicht vor.
2. Das Urteil leidet an einem Verstoß gegen materielles Bundesrecht; denn das Verwaltungsgericht hätte den geltend gemachten Anspruch nicht deswegen verneinen dürfen, weil der Kläger vor Ablauf der Ausschlußfrist keinen schriftlichen Antrag auf Rückübertragung der Flurstücke gestellt hat. Ein solches Formerfordernis regelt das Vermögensgesetz nicht. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Ansprüche nach diesem Gesetz bei den zuständigen Behörden mittels Antrag geltend zu machen. Über die Form des Antrages schweigt das Gesetz. Insoweit sind nach § 31 Abs. 7 VermG die subsidiären Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts heranzuziehen, und zwar für das hier maßgebliche Jahr 1992 unmittelbar die des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -, weil das vorläufige Verwaltungsverfahrensgesetz für den Freistaat Sachsen - SächsVwVfG - vom 21. Januar 1993 (GVBl S. 74) erst am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist. Ein generelles Formerfordernis für Anträge sieht aber auch das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht vor.
Versuche, die Notwendigkeit der Schriftform für einen Antrag nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG aus § 30 Abs. 1 Satz 5 VermG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 der Anmeldeverordnung - AnmVO - herzuleiten, sind ebenso verfehlt wie eine Berufung auf die Natur der Sache. Es liegt auf der Hand, daß die in § 30 Abs. 1 Satz 5 VermG vorgenommene Gleichsetzung einer Anmeldung nach der Anmeldeverordnung mit einem Rückgabeantrag nach dem Vermögensgesetz eine für die Annahme eines solchen Formerfordernisses notwendige ausdrückliche Verweisung des Vermögensgesetzes auf die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 AnmVO nicht ersetzen kann. Dasselbe gilt für die spiegelbildliche Gleichstellung, die § 2 Abs. 3 AnmVO vornimmt. Da diese Regelung an einen nach § 3D VermG gestellten Antrag anknüpft, können ihr nicht zusätzliche Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Antragstellung selbst entnommen werden.
Der Versuch des Verwaltungsgerichts, die Notwendigkeit der Schriftform daneben mit den Besonderheiten des Rückgabeverfahrens zu begründen, hält ebenfalls einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist ein schriftlicher Beleg über Datum und Gegenstand des Rückgabebegehrens wegen der Wirkungen eines solchen Antrages, insbesondere wegen der dadurch nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG ausgelösten Verfügungssperre, in höchstem Maße zweckmäßig. Die notwendige dokumentarische Sicherheit erfordert jedoch nicht zwangsläufig einen schriftlichen Antrag; sie kann auch dadurch hergestellt werden, daß die Behörde über das mündlich vorgetragene Begehren eine Niederschrift oder einen Vermerk fertigt. In diesem Sinne ist auch die Vorschrift des § 31 Abs. 2 VermG zu verstehen. Unabhängig davon ist zu beachten, daß Formvorschriften Ordnungsvorschriften sind, die der Rechtssicherheit dienen. Sie müssen aus dem Gesetzestext eindeutig und klar erkennbar sein (vgl. BVerfGE 4, 31 <37> für Fristvorschriften). Es ist daher in aller Regel mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar, sie aus dem Sinn und Zusammenhang von Rechtsnormen oder gar mit Hilfe von Zweckmäßigkeitserwägungen zu gewinnen.
3. Da das angegriffene Urteil auf dem festgestellten Rechtsverstoß beruht, muß es aufgehoben werden. Die Sache ist nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Sachaufklärung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses bisher offengelassen hat, ob der Kläger - wie er behauptet - bereits im Jahr 1992 mündlich die Rückgabe des umstrittenen Landes beantragt hat.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 70 000 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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