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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.06.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 27.97
Rechtsgebiete: VermG, VwGO


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 1 Satz 1
VermG § 5 Abs. 1 Buchst. c
VermG § 7
VwGO § 94
Leitsatz:

Ein Grundstück ist nicht im Sinne des § 5 Abs, 1 Buchst. c VermG im komplexen Siedlungsbau verwendet worden, wenn lediglich eine äußerlich abgegrenzte Mehrheit von Einfamilienhäusern mit den üblichen gemeinsamen Erschließungsmerkmalen (gemeinsame Ver- und Entsorgung; Erschließung durch dieselbe Straße) errichtet wurde. Erforderlich ist darüber hinaus die Entstehung einer Siedlung mit Gemeinschaftseinrichtungen und/oder gemeinschaftlich genutzten Flächen.

Urteil des 7. Senats vom 10. Juni 1998 - BVerwG 7 C 27.97 -

I. VG Schwerin vom 20.03.1997 - Az.: VG 3 A 1104/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 27.97 VG 3 A 1104/94

Verkündet am 10. Juni 1998 Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 1998 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Das Revisionsverfahren der Klägerin zu 5 wird eingestellt.

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 20. März 1997, soweit es die Grundstücke Gemarkung B , Flur 12, Flurstücke 52/5 und 52/6 betrifft, aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Von den bis zur Revisionsrücknahme entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin zu 5 sieben Neuntel mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen begehren als Erbinnen ihrer Mutter die Restitution von zwei Einfamilienhausgrundstücken nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG).

Die Mutter der Klägerinnen war Eigentümerin eines knapp 2 1/2 ha großen Grundstücks, das nach ihrer Flucht aus der DDR im Jahre 1953 auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 in Volkseigentum überführt wurde. Nach 1981 wurde eine unbebaute Teilfläche des enteigneten Grundstücks zum Zwecke der Bebauung parzelliert. Dabei entstanden u.a. die Grundstücke Gemarkung B. , Flur 12, Flurstücke 52/5, 52/6, 52/7, 52/11 (heute 52/17 und 52/18), 52/12, 52/13, 52/14, 52/15 und 52/16, die jeweils mit einem Einfamilienhaus bebaut wurden. Die neu errichteten Gebäude gingen mit Ausnahme der Gebäude auf den Flurstücken 52/5 und 52/6 unter Verleihung entsprechender Nutzungsrechte an den volkseigenen Grundstücken in das Eigentum der Beigeladenen zu 1 bis 3 und 6 bis 17 über, die jeweils nach 1989 das Grundstück hinzuerwarben. Das Einfamilienhaus auf dem Flurstück 52/5 ist an die Beigeladenen zu 18 und 19 vermietet. Diese haben das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 16. April 1991 von der damaligen Treuhandanstalt und heutigen Beigeladenen zu 20 erworben; der Vertrag ist bislang nicht im Grundbuch vollzogen worden. Auch das Flurstück 52/6 wurde von der Treuhandanstalt an die Mieter des Einfamilienhauses, die Beigeladenen zu 4 und 5, veräußert. Diese sind, nachdem der notarielle Veräußerungsvertrag vom Landrat des Landkreises R - D mit Bescheid vom 2. Januar 1992 genehmigt worden war, im Dezember 1992 als Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Die Klägerinnen haben gegen die ihnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. März 1997 bekanntgegebene Grundstücksverkehrsgenehmigung mit Sehreiben vom 23. März 1997 Widerspruch eingelegt, über den bislang nicht entschieden worden ist.

Auf den Restitutionsantrag der Klägerinnen stellte der Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bescheid vom 2. Februar 1993 fest, daß den Klägerinnen hinsichtlich aller genannten Grundstücke ein Entschädigungsanspruch zustehe. Die Rückgabe der Grundstücke lehnte er ab, weil diese im komplexen Siedlungsbau verwendet worden seien.

Die Klägerinnen haben nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben, mit der sie zuletzt die Rückgabe der Flurstücke 52/5 und 52/6 an die Erbengemeinschaft begehrt haben. Die Klägerin zu 5 hat mit ihrer Klage darüber hinaus auch die Rückgabe der übrigen genannten Grundstücke beansprucht.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerinnen stattgegeben und den Beklagten zur Rückübertragung der Flurstücke 52/5 und 52/6 an die Erbengemeinschaft verpflichtet; den weitergehenden Klageantrag der Klägerin zu 5 hat es abgewiesen. Zur Begründung des der Klage stattgebenden Teils seines Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klägerinnen seien Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes, weil das Grundstück ihrer Rechtsvorgängerin entschädigungslos enteignet worden sei. Der Rückübertragung der Flurstücke 52/5 und 52/6 stünden keine Restitutionsausschlußgründe entgegen. Insbesondere seien diese Grundstücke nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG im komplexen Siedlungsbau verwendet worden. Voraussetzung für eine solche Verwendung sei die dauerhafte Einbindung der Grundstücke in eine planerische und städtebauliche Einheit, die eine komplexe Vielfalt der Bebauung und sonstigen Nutzung aufweise. Daran fehle es hier. Über die räumlich benachbarte Bebauung hinaus sei für ein gegenseitiges Dienen der Grundstücke und eine einheitliche Gesamtplanung nichts erkennbar. Allein die gemeinsame Straße mit Wendeplatz verleihe der Bebauung kein komplexes Gepräge. Der Anspruch der, Klägerinnen auf Rückgabe des Flurstücks 52/6 sei nicht mit der Veräußerung dieses Grundstücks an die Beigeladenen zu 4 und 5 untergegangen, weil die rechtswidrig erteilte Grundstücksverkehrsgenehmigung vom 2. Januar 1992 noch nicht bestandskräftig sei. Ein restitutionsausschließender redlicher Erwerb der Beigeladenen zu 4 und 5 komme nach dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 nicht mehr in Betracht.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben der Beklagte und die Klägerin zu 5 Revision eingelegt. Die Klägerin zu 5 hat ihre Revision mit Schriftsatz vom 8. Juni 1998 zurückgenommen.

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Revision, mit der er die vollständige Abweisung der Klage erstrebt, geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG zu Unrecht verneint. Ein Grundstück sei bereits dann im Sinne dieser Vorschrift im komplexen Siedlungsbau verwendet worden, wenn die Siedlung - wie im vorliegenden Fall - aufgrund einer einheitlichen Gesamtplanung errichtet worden sei; gemeinsame Infrastruktureinrichtungen seien nicht erforderlich. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leide zudem an mehreren Verfahrensfehlern. Jedenfalls könne es hinsichtlich des Flurstücks 52/6 keinen Bestand haben, weil ein etwaiger Anspruch der Klägerinnen auf Restitution dieses Grundstücks mit dessen Veräußerung an die Beigeladenen zu 4 und 5 untergegangen sei.

Die Klägerinnen beantragen, die Revision des Beklagten zurückzuweisen. Sie sind der Ansicht, daß das Verwaltungsgericht ihrem Klageantrag zu Recht entsprochen hat.

Die Beigeladenen zu 4, 5, 18, 19 und 20 unterstützen das Vorbringen des Beklagten.

II.

Da die Klägerin zu 5 ihre Revision zurückgenommen hat, ist das Revisionsverfahren gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO teilweise einzustellen.

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt, soweit es den Beklagten zur Rückgabe der Grundstücke Gemarkung B , Flur 12, Flurstücke 52/5 und 52/6 an die Klägerinnen verpflichtet hat, Bundesrecht und ist daher in diesem Umfang aufzuheben. Da dem Senat eine abschließende Entscheidung über den Klageantrag der Klägerinnen nicht möglich ist, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1.a) Das Verwaltungsgericht ist aufgrund der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen zutreffend davon ausgegangen, daß der Rückgabe der genannten Grundstücke, hinsichtlich deren die Klägerinnen nach der Feststellung des Rechtsvorgängers des Beklagten im Bescheid vom 2. Februar 1993 Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG sind, nicht die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG entgegensteht.

Diese Vorschrift nennt als einen besonderen Anwendungsfall des in § 4 Abs. 1 VermG allgemein geregelten Rückgabehindernisses der Unmöglichkeit die Verwendung des beanspruchten Grundstücks oder Gebäudes im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau. Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat (Urteil vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 27.94 - BVerwGE i00, 77 [80 f.]; Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 20.96 - BVerwGE 102, 288 [291]; vgl. auch Urteil vom 7. November 1996 - BVerwG 7 C 24.96 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 11), muß eine sachgerechte Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG von dem gemeinsamen Zweck aller in § 5 Abs. 1 VermG geregelten besonderen Rückgabeausschlußtatbestände ausgehen, bestimmte rechtliche oder tatsächliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes nicht dadurch in Frage zu stellen, daß die früheren Eigentumsverhältnisse wiederbegründet werden. Dieser übergreifende Schutzzweck der Norm, der bereits in dem dieser Regelung zugrundeliegenden Eckwert Nr. 3 a der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 zum Ausdruck kommt, prägt auch das Verständnis des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG. Deshalb setzt dieser Ausschlußtatbestand voraus, daß das Grundstück oder Gebäude durch die darin genannten Maßnahmen des Wohnungs- oder Siedlungsbaus eine Änderung der Zweckbestimmung erfahren hat, die im öffentlichen Interesse aufrechterhalten werden soll. Die geänderte Zweckbestimmung liegt dabei in der Einbeziehung des Grundstücks oder Gebäudes in eine planerische und städtebauliche, durch eine komplexe Vielfalt der Bebauung und Nutzung gebildete Einheit, die nicht durch die Rückübertragung des in dieser Weise einbezogenen Anwesens gefährdet oder zerstört werden soll. Demgemäß bezieht sich das Attribut "komplex" in § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG, wie durch den Eckwert Nr. 3 a der Gemeinsamen Erklärung und die nachfolgende Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BTDrucks 11/7831, S. 7) bestätigt wird, sowohl auf den Begriff des Wohnungs- als auch auf denjenigen des Siedlungsbaus, wobei sich diese Begriffe nur durch die jeweilige Form des Wohnungsbaus - Geschoßbau oder Bau von Ein- oder Zweifamilienhäusern - unterscheiden. Beide Regelungsalternativen der Vorschrift zielen auf die Erhaltung der mit den Baumaßnahmen entstandenen besonderen planerischen und städtebaulichen Einheit ab. Allein die einheitliche Planung und Durchführung der Baumaßnahmen reicht mithin für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG nicht aus; erforderlich ist vielmehr die Entstehung eines das Ende der Baumaßnahmen überdauernden gesteigerten städtebaulichen Zusammenhangs aus Wohnbauten und sonstiger, dem gemeinschaftlichen Wohnen dienender Grundstücksnutzung (wie Abstands- und Verkehrsflächen, Gemeinschaftseinrichtungen, Grün- und Spielplätze usw.), der vernünftigerweise nicht trennbar ist.

Im vorliegenden Fall ist - was beim Bau von Einfamilienhaussiedlungen in der ehemaligen DDR der Regel entsprochen haben dürfte - die zu bebauende volkseigene Fläche in einzelne Baugrundstücke aufgeteilt worden; später sind die errichteten Häuser unter Verleihung entsprechender Nutzungsrechte am jeweiligen Grundstück in das persönliche Eigentum ihrer Bewohner übergegangen. Der Senat läßt offen, ob nicht in derartigen Fällen schon allein das Bestehen von individuellem Gebäudeeigentum die Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG hindert, ohne daß es noch auf die Feststellung einer besonderen städtebaulichen Einheit ankäme. Da nämlich jeder Gebäudeeigentümer berechtigt ist, sein Eigentum mitsamt dem zugehörigen Nutzungsrecht am Grundstück an einen beliebigen Erwerber zu veräußern (Art, 233 § 4 Abs. 1, Art. 231 § 5 Abs. 2 EGBGB), sind die Eigentumsverhältnisse innerhalb des Baugebiets ohnehin veränderlich; dies könnte für die Annahme sprechen, daß eine etwa bestehende besondere städtebauliche Einheit nicht des Schutzes des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG gegen die Rückgabe solcher Grundstücke an den früheren Eigentümer bedarf. Für die übrigen, allen Bewohnern der Siedlung gemeinsam dienenden Grundstücke mag sich unabhängig von § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG ein Restitutionsausschlußgrund aus § 5 Abs. 1 Buchst. a oder aus § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG ergeben.

Unabhängig von der soeben aufgeworfenen Problematik ist § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG im Streitfall deswegen unanwendbar, weil die umstrittenen Flurstücke 52/5 und 52/6 weder untereinander noch mit den benachbarten Flurstücken Gemeinsamkeiten aufweisen, die sie als Bestandteil einer gegenüber Restitutionsentscheidungen zu schützenden besonderen städtebaulichen Einheit erscheinen lassen. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der auf dem enteigneten Grundstück in den Jahren nach 1981 entstandenen Siedlung lediglich um eine äußerlich abgegrenzte Mehrheit von Einfamilienhäusern mit den üblichen gemeinsamen Erschließungsmerkmalen (gemeinsame Ver- und Entsorgung; Erschließung durch dieselbe Straße mit Wendeplatz und Stichweg). Solche Merkmale begründen keine engeren städtebaulichen Zusammenhänge, als sie auch sonst häufig zwischen benachbarten Grundstücken mit gleicher Nutzungsart bestehen; sie können vielmehr ebensogut auch durch eine sukzessive Bebauung der Grundstücke entstanden sein. Es fehlt daher an einem "komplexen" Siedlungsbau im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG. Die vom Beklagten gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen stellen dieses Ergebnis nicht in Frage. Denn der Beklagte macht mit diesen Rügen nicht geltend, daß die Einfamilienhäuser in einem stärkeren als dem genannten Maße städtebaulich miteinander verbunden sind, also eine "komplexe" Siedlung mit Gemeinschaftseinrichtungen und/oder gemeinschaftlich genutzten Flächen bilden.

b) Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht angenommen, daß die von den Klägerinnen beanspruchte Restitution nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Zwar läßt sich wegen der Aufteilung und Bebauung einer Teilfläche des enteigneten Grundstücks und dem damit verbundenen redlichen Erwerb an mehreren einzelnen Baugrundstücken der vor der Enteignung bestehende Zustand nicht mehr insgesamt wiederherstellen. Doch schließt der Umstand, daß Teile des enteigneten Grundstücks von Restitutionsausschlußgründen erfaßt werden, die Rückgabe der restlichen Grundstücksflächen nicht aus (vgl. Beschluß vom 22. September 1997 - BVerwG 7 B 157.97 - ZOV 1997, 443 = VIZ 1998, 35). Ebensowenig sind die Anwendungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG hinsichtlich der hier umstrittenen beiden (Teil-)Grundstücke deswegen erfüllt, weil diese Grundstücke zum Zeitpunkt der wiedergutzumachenden Schädigung noch nicht erschlossen und bebaut waren. Anders als bei der Rückgabe von Unternehmen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VermG) ist bei der Rückgabe von Grundstücken nicht zu prüfen, ob der zurückzugebende Vermögenswert mit dem entzogenen wirtschaftlich vergleichbar ist. Auch der Umstand, daß ein entzogenes Grundstück bebaut wurde, führt nicht zum Ausschluß der Rückgabe, sondern nur zur Pflicht des ehemaligen Grundstückseigentümers, die hierdurch bewirkte Wertsteigerung bei der Rückgabe auszugleichen (§ 7 VermG). Selbst wenn zu befürchten wäre, daß § 7 VermG keinen angemessenen Ausgleich der Wertsteigerung zuläßt, dürfte die nach den übrigen Vorschriften des Gesetzes gebotene Restitution nicht aus diesem Grund unterbleiben (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 20.96 - a.a.O. S. 294).

2. Gleichwohl kann die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rückgabe der beiden Einfamilienhausgrundstücke keinen Bestand haben, weil der Anspruch auf Rückgabe des Flurstücks 52/6 mit der Veräußerung dieses Grundstücks an die Beigeladenen zu 4 und 5 erloschen ist (a) und weil das Verwaltungsgericht über die Rückgabe des Flurstücks 52/5 nicht ohne Rücksicht auf eine etwaige Verpflichtung der Klägerinnen zum Wertausgleich nach § 7 VermG entscheiden durfte (b).

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 63.96 - (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20 S. 27 f.) dargelegt hat, erlischt der Restitutionsanspruch, wenn über das Eigentum an dem zurückzugebenden Vermögenswert wirksam verfügt worden ist; an die Stelle des Anspruchs auf Rückgabe tritt der Anspruch auf Auskehr des Erlöses (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Das gilt auch dann, wenn das Rechtsgeschäft wegen der Anmeldung des Restitutionsanspruchs gemäß § 3 Abs. 3 VermG unerlaubt war. Denn die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG ist aus Gründen der Investitionsförderung und der Sicherheit des Grundstücksverkehrs nicht als gesetzliches Verbot, sondern lediglich als schuldrechtliche Verpflichtung im Innenverhältnis zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Berechtigten ausgestaltet (Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 63.96 a.a.O.). Die damalige Treuhandanstalt hat mit dem notariellen Vertrag vom 16. April 1991 wirksam zugunsten der Beigeladenen zu 4 und 5 über das Flurstück 52/6 verfügt. Dieser Vertrag ist mit Bescheid vom 2. Januar 1992 nach § 1 und § 2 Abs. 1 der damals geltenden Grundstücksverkehrsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1991 (BGBl I S. 1000) - GVVO - vom Landrat des Landkreises R. -D genehmigt worden. Mit Eintragung der Beigeladenen zu 4 und 5 im Grundbuch im Dezember 1992 hat sich der Rechtserwerb vollendet und ist der Restitutionsanspruch der Klägerinnen erloschen.

Trotzdem ist die Klage hinsichtlich des Flurstücks 52/6 nicht abzuweisen. Denn die Klägerinnen haben gegen den Bescheid vom 2. Januar 1992, nachdem er ihnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. März 1997 bekanntgegeben worden war, mit Schreiben vom 23. März 1997 Widerspruch eingelegt. Dieser Widerspruch kann mangels eines redlichen Erwerbs der Beigeladenen zu 4 und 5 (vgl. Beschluß vom 20. Juni 1995 - BVerwG 7 B 117.95 - Buchholz 112 § 4 VermG Nr. 19) gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 der derzeit geltenden Grundstücksverkehrsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2182, 2221) - GVO - zum Wiederaufleben des erloschenen Restitutionsanspruchs führen. Nach diesen Bestimmungen hat die Aufhebung einer zu Unrecht erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht die Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrags und des darauf beruhenden, durch Eintragung im Grundbuch bewirkten Eigentumsübergangs zur Folge, sondern führt nur zu einer schuldrechtlichen Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts unter Wiederaufleben des mit dem Eigentumsübergang entfallenen Restitutionsanspruchs, indem der Erwerber zur Rückübereignung an den Verfügungsberechtigten, u.U. auch unmittelbar an den früheren Eigentümer, verpflichtet wird. In Anbetracht dieser Rechtslage hat das Gericht, wie gleichfalls in dem genannten Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 63.96 - (a.a.O. S. 30) ausgeführt ist, regelmäßig - und so auch hier - den Restitutionsprozeß gemäß § 94 VwGO auszusetzen, bis über den Widerspruch bestandskräftig entschieden ist.

Die Grundstücksverkehrsgenehmigung vom 2. Januar 1992 ist nicht mit der Folge der Unanwendbarkeit des § 7 GVO wegen Versäumung der Widerspruchsfrist bestandskräftig geworden. Denn die Klägerinnen haben von dieser Genehmigung erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 1997 Kenntnis erhalten und alsbald danach gegen sie Widerspruch erhoben. Sie müssen sich nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) so behandeln lassen, als sei ihnen die Grundstücksverkehrsgenehmigung bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1994, in dem die vorangegangene Eintragung der Beigeladenen zu 4 und 5 im Grundbuch erwähnt ist, bekanntgegeben worden, so daß ihr Widerspruch vom 23. März 1997 wegen Versäumung der Jahresfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO als verspätet anzusehen wäre. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, läßt sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Obliegenheit des Baunachbarn, gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb der Jahresfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch zu erheben (Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294; Beschluß vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85; Beschluß vom 17. Februar 1989 - BVerwG 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87), nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn die Klägerinnen haben bereits mit der rechtzeitigen Erhebung der vorliegenden Klage deutlich gemacht, daß sie trotz der ihnen bekannten Veräußerung des Flurstücks 52/6 auf dessen Rückgabe bestanden. Es war daher mit Gewißheit zu erwarten, daß sie nach der Bekanntgabe der Grundstücksverkehrsgenehmigung hiergegen Widerspruch einlegen würden, um den Rechtsfolgen der Veräußerung entgegenzuwirken. Anders als der untätige Nachbar im Baurecht haben sie somit nicht den Eindruck erweckt, als würden sie sich mit dem von der Behörde genehmigten Geschehen abfinden (vgl. auch Beschluß vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - a.a.O. S. 90). Davon abgesehen besteht zwischen ihnen und den Beigeladenen zu 4 und 5 kein Rechtsverhältnis, das mit dem vom Bundesverwaltungsgericht in den genannten Entscheidungen hervorgehobenen "nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis" vergleichbar wäre.

Da somit die vom Verwaltungsgericht angeordnete Rückgabe des Flurstücks 52/6 nicht der Rechtslage entspricht und der Senat wegen des anhängigen Widerspruchsverfahrens über das Begehren der Klägerinnen nach Rückgabe dieses Grundstücks nicht abschließend-entscheiden kann, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird den zurückverwiesenen Rechtsstreit solange auszusetzen haben, bis über den Widerspruch der Klägerinnen gegen den Bescheid vom 2. Januar 1992, der im Hinblick auf die vorliegende Anmeldung eines Restitutionsanspruchs nach § 1 Satz 2 GVVO i.V.m. § 6 Abs. 2 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1990 (BGBl I S. 2162) nicht hätte erteilt werden dürfen, bestandskräftig entschieden ist.

b) Soweit das Verwaltungsgericht die Rückgabe des Flurstücks 52/5 angeordnet hat, ist zwar weder ein Rückgabehindernis ersichtlich noch - mangels Eintragung der Beigeladenen zu 18 und 19 im Grundbuch - der Restitutionsanspruch der Klägerinnen durch Veräußerung erloschen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht jedoch übersehen, daß die Klägerinnen möglicherweise gemäß § 7 VermG wegen der Bebauung des Flurstücks 52/5 bei dessen Rückgabe zur Leistung eines Wertausgleichs verpflichtet sind. Da in den Fällen des § 7 VermG nur eine inhaltlich eingeschränkte Restitutionsentscheidung ergehen darf, ist die Frage nach einem vom Restitutionsberechtigten zu leistenden Wertausgleich nicht allein im Verwaltungsverfahren zu prüfen, sondern muß auch vom Gericht berücksichtigt werden, wenn es die Behörde zum Erlaß einer solchen Entscheidung verpflichten will (vgl. Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 45.94 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17 S. 35 f.). Ob die Klägerinnen wegen der Bebauung des Flurstücks 52/5 gemäß § 7 VermG ausgleichspflichtig sind, läßt sich aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts weder bejahen noch verneinen. Insbesondere ist bislang nicht festgestellt, in welchem Jahr das Flurstück bebaut wurde; auf dem Zeitpunkt der Bebauung kommt es für den Wertausgleich deswegen an, weil nach § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG von dem nach den Sätzen 1 und 2 ermittelten Wertausgleich jährliche Abschläge von 8 v.H. vorzunehmen sind mit der Folge, daß für Investitionen, die vor mehr als 12 1/2 Jahren getätigt wurden, überhaupt kein Wertausgleich zu leisten ist (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 20.96 - a.a.O. S. 294). Hiernach kann das Urteil des Verwaltungsgerichts auch hinsichtlich des Flurstücks 52/5 keinen Bestand haben; vielmehr ist die Sache auch insoweit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses Gelegenheit erhält, die Prüfung der Voraussetzungen für einen Wertausgleich nach § 7 VermG nachzuholen. Im Falle der Aufhebung der Grundstücksverkehrsgenehmigung vom 2. Januar 1992 wird das Verwaltungsgericht dieselbe Prüfung auch für das Flurstück 52/6 vorzunehmen haben.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin zu 5 beruht auf § 155 Abs. 2 und 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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