Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.04.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 3.97
Rechtsgebiete: VermG, BGB


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG
BGB § 747 Satz 2
BGB § 749 Abs. 1
BGB § 752
BGB § 753
Leitsatz:

Hat der staatliche Verwalter an der Veräußerung eines gemeinschaftlichen Gegenstandes durch die Bruchteilsgemeinschaft nur mitgewirkt, ohne das Geschäft selbst zu betreiben, ist der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG nicht erfüllt.

Urteil des 7. Senats vom 28. April 1998 - BVerwG 7 C 3.97 -

I. VG Weimar vom 28.10.1996 - Az.: VG 6 K 1731/95.We


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 3.97 VG 6 K 1731/95.We

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung am 28. April 1998 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley Dr. Brunn und Postier

für Recht erkannt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 28. Oktober 1996 wird mit Ausnahme der darin ausgesprochenen Verfahrenseinstellung aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger beansprucht die Feststellung seiner Berechtigung hinsichtlich der ideellen Hälften zweier früherer Hausgrundstücke in S. nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -.

Frühere Eigentümer dieser Grundstücke waren der Kläger und seine Schwester je zur Hälfte; ihre Mutter war jeweils nießbrauchsberechtigt. Da der Kläger im Jahre 1960 aus der DDR geflohen war, wurde für seine Eigentumsanteile im Jahre 1967 gemäß § 1 der Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 der Rat der Stadt S. zum Treuhänder bestellt. Mit notariellen Verträgen vom 31. Juli 1969 und 2. April 1970 veräußerten die Schwester des Klägers und der Treuhänder unter Abgeltung des Nießbrauchs die beiden Grundstücke für 32 600 M und 14 900 M an den Rat der Stadt. Aufgrund der gleichzeitig erklärten Auflassung wurden die Grundstücke in Volkseigentum umgeschrieben. In den folgenden Jahren wurden sie im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus und der Rekonstruktion der Innenstadt neu überbaut, neu vermessen und mit anderen Flächen zu einem Grundstück vereinigt.

Im Oktober 1990 beantragte der Kläger die Rückübertragung seiner Eigentumsanteile, hilfsweise die Gewährung einer Entschädigung. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab: Zwar seien die Miteigentumsanteile durch einen staatlichen Verwalter an einen Dritten veräußert worden; dadurch sei jedoch kein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG verwirklicht worden, weil der Verwalter im Interesse aller am Verkauf Beteiligten gehandelt habe, ohne daß die Initiative für das Rechtsgeschäft nachweisbar von ihm ausgegangen sei.

Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend gemacht hatte, daß weder seine Schwester noch seine Mutter ihre Rechte freiwillig, sondern wegen der angesichts des niedrigen Mietzinses zu hohen Instandsetzungskosten aufgegeben hätten, wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zurück. Es stellte sich ebenfalls auf den Standpunkt, daß die Veräußerung durch den Verwalter kein teilungsbedingtes Unrecht fortgesetzt habe. Vielmehr habe sich der Verwalter an einem Verkauf beteiligt, der auf einen wirtschaftlichen Druck zurückzuführen sei, dem alle DDR-Bürger gleichermaßen ausgesetzt gewesen seien. Insoweit komme auch die Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG nicht in Betracht, weil die Grundstücke bis auf das Nießbrauchsrecht und den Treuhandvermerk nicht belastet gewesen seien. Schließlich gebe es auch keine Anhaltspunkte für eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, die er nachträglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung seiner vermögensrechtlichen Berechtigung im Umfang seiner früheren Eigentumsanteile beschränkt hat. Über sein bisheriges Vorbringen hinaus hat er geltend gemacht, daß das Verkaufsgeschäft nur auf Druck der Stadt S. erfolgt sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und dazu im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG, weil seine Eigentumsanteile durch den staatlichen Verwalter veräußert worden seien. Für die Erfüllung dieses Schädigungstatbestandes sei kein "aktives Tun" des Verwalters erforderlich. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm, der keine besonderen Anforderungen an die Handlungsform stelle, und den Motiven des Gesetzgebers reiche die bloße Mitwirkung eines nach der Anordnung Nr. 2 bestellten Verwalters an einer Veräußerung aus.

Mit seiner durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine fehlerhafte Auslegung des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setze dieser Tatbestand ein eigenständiges Handeln des staatlichen Verwalters voraus. Daran fehle es hier. Nach den zum Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches könne jeder Miteigentümer jederzeit die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft verlangen. Wenn in einem solchen Fall die Veräußerung des gemeinschaftlichen Gegenstandes durch einen staatlichen Verwalter zusammen mit einem Miteigentümer erfolge, könne nicht von einem Betreiben des Geschäfts durch den staatlichen Verwalter gesprochen werden, wie es das Bundesverwaltungsgericht für die Erfüllung des Schädigungstatbestandes verlange.

Der Kläger verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils. Er verweist darauf, daß die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Auseinandersetzung einer ungeteilten Erbengemeinschaft betreffe, während es sich hier um eine einfache Gemeinschaft von Miteigentümern handele, bei der jeder Miteigentümer über seinen Anteil an dem gemeinschaftlichen Gegenstand verfügen könne. Es habe daher nicht einmal einer "passiven" Mitwirkung des Treuhänders bedurft, wenn seine - des Klägers - Schwester ihren Miteigentumsanteil an die Stadt S. hätte verkaufen wollen. Im übrigen bleibe er dabei, daß seine Schwester zu dem Rechtsgeschäft gezwungen worden sei. Dieser Sachverhalt müsse geklärt werden, falls der Senat der Rechtsauffassung des Revisionsführers folge.

II.

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht, weil die ihm zugrundeliegende Auslegung des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG dem Zweck dieses Schädigungstatbestandes nicht gerecht wird. Da die bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts für eine abschließende Sachentscheidung nicht ausreichen, muß der Rechtstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO unter Aufhebung des angegriffenen Urteils an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, sieht das Gesetz die Veräußerung eines Vermögenswerts durch den staatlichen Verwalter als eine zur Restitution führende Schädigungsmaßnahme an, weil dadurch das mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung begonnene Unrecht fortgesetzt und vertieft wurde. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst, c VermG setzt daher ein eigenständiges Handeln des staatlichen Verwalters voraus, das auf den Entzug des Eigentums gerichtet sein muß (grundlegend Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 7 C 14.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 93; zuletzt Urteil vom 18. November 1997 - BVerwG 7 C 65.96 - VIZ 1998, 147 = ZOV 1998, 67). Der staatliche Verwalter muß sich gewissermaßen des Eigentums bemächtigt haben, um es den Dritten zu übertragen. Daran fehlt es, wenn er sich dem rechtsgeschäftlichen Willen anderer an dem Veräußerungsgeschäft notwendig Beteiligter unterordnet, wie etwa bei dem vom Senat entschiedenen Fall einer bloßen Mitwirkung an dem durch eine Erbengemeinschaft getätigten Verkauf eines Nachlaßgegenstandes zum Zwecke der Erbauseinandersetzung (Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 7 C 14.96 -, a.a.O.). Solche Handlungen können dem staatlichen Verwalter nicht als eigenes Unrecht zugerechnet werden.

Dieselben Grundsätze gelten für eine sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches richtende Veräußerung eines gemeinschaftlichen Gegenstandes durch eine Bruchteilsgemeinschaft, wenn an dem Rechtsgeschäft ein staatlicher Verwalter als Treuhänder eines Eigentumsanteils beteiligt ist. Auch über einen solchen Gegenstand im Ganzen können die Teilhaber wie bei einer zur gesamten Hand gehaltenen Sache nach § 747 Satz 2 BGB nur gemeinschaftlich verfügen. Jeder Teilhaber hat allerdings grundsätzlich das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft nach § 749 Abs. 1 BGB zu verlangen, was - wenn eine Teilung in Natur nach § 752 BGB nicht möglich ist - nach § 753 BGB zum Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes führt. Der staatliche Verwalter kann sich daher einem Verkaufsverlangen anderer Teilhaber ebensowenig entziehen wie bei der Auseinandersetzung einer Gesamthandsgemeinschaft. Auch in diesen Fällen kann ihm daher der Verkauf nur dann als Unrecht zugerechnet werden, wenn er das Geschäft selbst betrieben hat.

Das Verwaltungsgericht hätte daher der Klage nicht allein deswegen stattgeben dürfen, weil der staatliche Verwalter für den Kläger an dem Veräußerungsgeschäft beteiligt war. Es hätte vielmehr prüfen müssen, ob das Veräußerungsgeschäft maßgeblich auf die Initiative des staatlichen Verwalters zurückging oder ob der Wunsch der übrigen Teilhaber zu dem Verkauf geführt hat. Da insoweit bisher keine Feststellungen getroffen worden sind, muß der Rechtstreit zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück