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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 31.97
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, EG-AbfVerbrVO, EG-AbfRRL, AbfVerbrG, KrW-/AbfG


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 130 s
EG-Vertrag Art. 130 r
EG-AbfVerbrVO Art. 1
EG-AbfVerbrVO Art. 17
EG-AbfRRL Art. 1
EG-AbfRRL Art. 2
EG-AbfRRL Art. 3
AbfVerbrG § 2
KrW-/AbfG § 3
Leitsätze:

Die Abfalleigenschaft gebrauchter Kleidungsstücke, die für die Pappenproduktion aufgearbeitet werden sollen, entfällt nicht dadurch, daß diese Textilien zuvor zum Zweck der Veräußerung an den Verarbeitungsbetrieb von anderen gebrauchten Kleidungsstücken getrennt (aussortiert) worden sind.

Die aus Art. 17 EG-AbfVerbrVO in Verbindung mit der Entscheidung der EG Kommission vom 20. Juli 1994 folgende Pflicht, die Ausfuhr der auf der "Grünen Liste" verzeichneten Alttextilien in die Tschechische Republik und die Slowakei notifizieren zu lassen, ist mit primärem Gemeinschaftsrecht und mit dem Grundgesetz vereinbar.

Urteil des 7. Senats vom 19. November 1998 - BVerwG 7 C 31.97 -

I. VG Karlsruhe vom 12.03.1996 - Az.: VG 11 K 1021/95 - II. VGH Mannheim vom 04.02.1997 - Az.: VGH 10 S 1273/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 31.97 VGH 10 S 1273/96

Verkündet am 19. November 1998

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 1998 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Sailer und Herbert

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verbringung bestimmter Alttextilien in die Tschechische Republik und die Slowakei nach dem geltenden Abfallrecht notifizierungspflichtig ist.

Die Klägerin verwertet überwiegend von karitativen Organisationen gesammelte gebrauchte Kleidung. Die sog. Original-Sammelware wird in ihrem Betrieb sortiert und bestimmten Warengruppen zugeordnet. Dazu gehören zum einen die noch gebrauchsfähigen Kleidungsstücke (z.B. für Second-Hand-Geschäfte), zum anderen Stoffe, die für eine Verwendung in der Putzlappenindustrie geeignet sind, und schließlich die im vorliegenden Verfahren umstrittenen sog. Pappenlumpen und Halbtuche. Pappenlumpen werden für die Herstellung von Verpackungsmaterial oder von Fluting verwendet, einem Stoff, der als gewellte Zwischenlage von Wellpappe dient. Halbtuche werden zur Herstellung bestimmter Pappenprodukte eingesetzt. Die Aufarbeitung dieser Stoffe erfolgt in Europa - neben einem französischen Unternehmen - nur in zwei in der Tschechischen Republik und der Slowakei gelegenen Fabriken. Die Klägerin veräußert die Pappenlumpen und Halbtuche zu einem ihre Frachtkosten deckenden Preis an diese beiden Betriebe. Dort werden die Stoffe zerkleinert und zerkocht; dabei entstehen textile Fasern, die nach dem Absieben zusammen mit anderen Materialien für die Herstellung des Verpackungsmaterials, Flutings oder der sonstigen Pappenprodukte eingesetzt werden.

Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, bei den zum Export vorgesehenen Pappenlumpen und Halbtuchen handle es sich um Abfälle, deren Verbringung in die Tschechische Republik und in die Slowakei nach der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft EG-AbfVerbrVO - vom 1. Februar 1993 (ABl EG L 30, S. 1) notifizierungspflichtig sei. Derartige Alttextilien seien zwar in Anhang II zur EG-AbfVerbrVO ("Grüne Liste") aufgeführt, doch sei die Einfuhr in die beiden genannten Staaten auf deren Wunsch dem Notifizierungsverfahren unterworfen worden, das für Abfälle des Anhangs IV zur EG-AbfVerbrVO ("Rote Liste") gelte.

Die Klägerin hat Klage erhoben und die Feststellung beantragt, daß die Lieferung von Pappenlumpen und Halbtuchen in die Tschechische Republik und die Slowakei nicht notifizierungspflichtig sei. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Harmlose Stoffe wie gebrauchte Kleidung seien von vornherein keine Abfälle. Zumindest entfalle die Abfalleigenschaft mit dem Aussortieren der Pappenlumpen und Halbtuche in ihrem Betrieb; die zur Verarbeitung geeigneten und zur Veräußerung vorgesehenen Sachen seien (Sekundär-)Rohstoffe geworden. Sollte es sich entgegen dieser Rechtsansicht um Abfälle zur Verwertung handeln, verstoße die Pflicht zur Notifizierung gegen höherrangiges Recht der Europäischen Union und gegen nationales Verfassungsrecht. Es sei nämlich mit dem Gleichheitssatz und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar, grüngelistete und damit grundsätzlich notifizierungsfreie Abfälle zur Verwertung allein auf Wunsch bestimmter Drittstaaten dem zeit- und kostenaufwendigen Notifizierungsverfahren nach Maßgabe der "Roten Liste" zu unterwerfen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. In den Gründen des Berufungsurteils ist ausgeführt:

Die Pappenlumpen und Halbtuche seien Abfälle zur Verwertung im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen Abfallrechts und des Abfallverbringungsgesetzes - AbfVerbrG - vom 30. September 1994 (BGBl I S. 2771). Die Fallgruppe Q 2016 des Anhangs I sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur auf Stoffe und Produkte mit einem gewissen Gefährdungspotential anwendbar. Die Klägerin entledige sich dieser Abfälle in einem Verwertungsverfahren nach R 202 des Anhangs II B zum Abfallverbringungsgesetz. Die Stoffe würden einer Verwertung in den Betrieben der ausländischen Käufer zugeführt, wo sie aufbereitet und danach zur Herstellung neuer Produkte verwendet würden. Aus § 204 Abs. 3 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - KrW-/AbfG - vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2705) ergebe sich nichts anderes; der Umgang mit den aussortierten Materialien in den Empfängerstaaten entspreche auch den Kriterien des Verwertungsbegriffs des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Der gemeinschaftsrechtliche Abfallbegriff müsse weit ausgelegt werden und erfasse auch solche Gegenstände und Stoffe, die einen Handelswert besäßen und für eine weitere Nutzung bestimmt seien. Die Verbringung der demnach als Abfall zu qualifizierenden Pappenlumpen und Halbtuche in die Tschechische Republik und die Slowakei sei gemäß Art. 17 EG-AbfVerbrVO in Verbindung mit der Entscheidung der Kommission vom 20. Juli 1994 zur Festlegung des Kontrollverfahrens gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates betreffend die Verbringung bestimmter Abfälle in bestimmte nicht der OECD angehörende Länder (ABl EG L 220, S. 15) notifizierungspflichtig. Das Notifizierungserfordernis stehe sowohl im Einklang mit dem EG-Vertrag als auch den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Es halte sich in dem durch Art. 130 r EG-Vertrag vorgegebenen Rahmen. Soweit Art. 2017 Abs. 1 und 3 EG AbfVerbrVO für die Anwendung des Kontrollverfahrens auf die Vorstellungen derjenigen Empfängerstaaten abhebe, für die der OECD-Beschluß nicht gelte, sei dies eine Umsetzung des in Art. 130 r EG-Vertrag enthaltenen Gebots zur umweltpolitischen Zusammenarbeit der Gemeinschaft mit Drittstaaten. Die Bestimmung stehe trotz der generellen Ungefährlichkeit von Abfällen der Grünen Liste im Einklang mit den inhaltlichen Grundsätzen und Zielen der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft, nämlich den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung. Abfälle der Grünen Liste, die im Gemeinschaftsgebiet nicht wirtschaftlich verwertet werden könnten und deren Beseitigung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei, fänden sich häufig in Drittstaaten wieder, wo ihre umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung nicht ohne weiteres gesichert sei; vor allem bestünde häufig die Gefahr illegaler Ablagerung bzw. der Inanspruchnahme von Deponiekapazitäten durch derartige aus dem Gemeinschaftsgebiet stammende Abfälle. Da somit sachliche, vertragskonforme Gründe dafür sprächen, die Ausfuhr von Abfällen sowohl der Roten als auch der Grünen Liste in nicht der OECD angehörende Drittstaaten einem Kontrollverfahren zu unterwerfen, liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Übermaßverbots und der Verhältnismäßigkeit seien nicht verletzt. Die mit dem Notifizierungsverfahren für Abfallexporteure verbundenen Nachteile wie der vermehrte Verwaltungsaufwand, erhöhte Lager- und Transportkosten, Sicherheitsleistung und Abgabenlast, stünden nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beschriebenen Zweck dieses Verfahrens, die in Rede stehenden Drittstaaten in ihrem Bemühen um eine wirksame Einfuhrkontrolle und gegebenenfalls eine umweltgerechte Entsorgung von Abfällen aus Gemeinschaftsländern zu unterstützen. Dies alles gelte in gleicher Weise für den Einwand der Klägerin, Art. 17 Abs. 1 und 3 AbfVerbrVO sei mit deutschem Verfassungsrecht unvereinbar.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.

Der Beklagte und der Oberbundesanwalt halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht die im Betrieb der Klägerin aussortierten Pappenlumpen und Halbtuche als Abfall qualifiziert (1) und deren Verbringung in die Tschechische Republik und in die Slowakei als notifizierungspflichtig angesehen (2).

1. Die im Betrieb der Klägerin eingehende sog. Original-Sammelware ist Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 KrW-/ AbfG. Gebrauchte, vom bisherigen Besitzer nicht mehr verwendete und an eine Sammel-Organisation abgegebene Kleidungsstücke fallen unter die Abfallgruppe Q 14 des Anhangs I zum KrW-/AbfG ("Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden"); eines Rückgriffs auf den Auffangtatbestand Q 16 bedarf es nicht. Der Besitzer hat sich dieser beweglichen Sachen durch Aufgabe der Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung entledigt. Der Zwischenschritt des Einsammelns und Weitergebens der Kleidungsstücke durch die Sammel-Organisation ändert an der rechtlichen Einstufung als Abfall nichts.

Die Abfalleigenschaft der in der Original-Sammelware enthaltenen Kleidungsstücke und Textilreste entfällt nicht durch das von der Klägerin vorgenommene Aufteilen in verschiedene Fraktionen. Das gilt jedenfalls für die hier in Rede stehende Fraktion der Pappenlumpen und Halbtuche. Da diese Stoffe zur Ausfuhr aus der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind, ist der Abfallbegriff des Abfallverbringungsrechts der EU maßgebend, der sich freilich im Ergebnis nicht vom nationalen deutschen Abfallbegriff unterscheidet. Die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft - EG-AbfVerbrVO - vom 1. Februar 1993 (ABl EG L 30, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 120/97 vom 20. Januar 1997 (ABl EG L 22, S. 14), bestimmt den Begriff des Abfalls nicht selbst, sondern nimmt in Art. 2 Buchst. a Bezug auf Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle EG AbfRRL - (ABl EG Nr. L 194 S. 47), geändert durch die Richtlinie 91/156/EWG vom 18. März 1991 (ABl EG Nr. L 78 S. 32). Danach sind "Abfall" alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß. Der - weder in der EG-AbfRRL noch in der EG-AbfVerbrVO definierte - Ausdruck "sich entledigen" bezieht sich auf die Vorgänge und Verfahren der "Beseitigung" und "Verwertung" eines Stoffes oder Gegenstandes, wie sie - beispielhaft und daher nicht abschließend - in den Anhängen II A und II B zur EG-AbfRRL aufgeführt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - Rs C-129/96 - NVwZ 1998, 385 <386> = ZUR 1998, 26 <27>). Wer also eine bewegliche Sache in diesem Sinne "beseitigt" oder "verwertet", läßt mit der Beendigung des konkreten Beseitigungs- oder Verwertungsvorgangs auch die Abfalleigenschaft des Stoffes entfallen.

Danach ist das bloße Aussortieren der Pappenlumpen und Halbtuche im Betrieb der Klägerin kein eigenständiges Verwertungsverfahren im Sinne des Anhangs II B zur EG-AbfRRL, mit dem die dem Erzeuger oder Besitzer von Abfällen obliegende Verwertungspflicht erfüllt würde. Es handelt sich vielmehr nur um einen ersten Teilschritt im Zuge der beabsichtigten Verwertung, nämlich die Bereitstellung des hierfür geeignet erscheinenden Materials. Aus den Pappenlumpen und Halbtuchen sollen durch eine entsprechende Aufarbeitung textile Fasern zur Herstellung verschiedener Pappenprodukte gewonnen werden. Diese Fasern sind der rückzugewinnende organische Stoff im Sinne des Verwertungsverfahrens R 3 des Anhangs II B zur EG-AbfRRL. Wann dieser Verwertungsvorgang rechtlich als abgeschlossen anzusehen und damit die durch die Aufarbeitung entstandenen Stoffe aus dem Abfallregime entlassen sind, kann hier offenbleiben.

An der Einstufung als Abfall ändert auch die Tatsache nichts, daß die Klägerin für die aussortierten Pappenlumpen und Halbtuche einen (die Frachtkosten deckenden) Veräußerungserlös erzielt. Da auch die Verwertung von Abfällen Teil des Wirtschaftsgeschehens ist, schließt der bloße Umstand, daß Stoffe Gegenstand eines Rechtsgeschäfts oder einer Notierung in amtlichen oder privaten Kurszetteln sein können, deren Abfalleigenschaft nicht aus (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 1997 - Rs. C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95 ZUR 1997, 267). Sowohl das europäische als auch das deutsche Abfallrecht wollen im Interesse der Schonung der natürlichen Ressourcen die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder von Energie aus dafür geeigneten Abfällen befördern (vgl. beispielhaft Art. 3 Abs. 1 Buchst. b EG-AbfRRL). Um dies sicherzustellen, soll der betreffende Stoff so lange den spezifischen Anforderungen des Abfallrechts an eine ordnungsgemäße und schadlose, möglichst ressourcenschonende Verwertung unterliegen, bis der Verwertungserfolg eingetreten ist. Ob auf dem Weg zu diesem Verwertungserfolg Veräußerungsgeschäfte stattfinden, ist grundsätzlich ohne Belang.

2. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Beklagten und dem Verwaltungsgericht die Notifizierungspflicht für die Verbringung der Pappenlumpen und Halbtuche in die Tschechische Republik und die Slowakei als mit höherrangigem Recht vereinbar angesehen.

Die Pflicht zur Notifizierung dieser Abfälle folgt aus Art. 17 Abs. 1 und 3 EG-AbfVerbrVO in Verbindung mit der Entscheidung der Kommission vom 20. Juli 1994 zur Festlegung des Kontrollverfahrens gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates betreffend die Verbringung bestimmter Abfälle in bestimmte nicht der OECD angehörende Länder (ABl EG L 220, S. 15). Die Slowakei war nicht Mitglied der OECD; die Tschechische Republik ist zwar zum 1. Januar 1997 der OECD beigetreten, hat aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den OECD-Ratsbeschluß vom 30. März 1992 noch nicht in nationales Recht umgesetzt mit der Folge, daß sie bis dahin nicht als OECD-Land im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EG-AbfVerbrVO anzusehen ist. Entsprechend den von beiden Staaten der Kommission mitgeteilten Wünschen wurde mit der genannten Kommissionsentscheidung die Ausfuhr sämtlicher in Anhang II zur EG AbfVerbrVO ("Grüne Liste") aufgeführten Abfälle - dazu zählen auch Textilabfälle - dem für Abfälle des Anhangs IV zur EG AbfVerbrVO ("Rote Liste") vorgesehenen Notifizierungsverfahren unterworfen. Diese Regelung des EG-Abfallverbringungsrechts ist sowohl mit primärem Gemeinschaftsrecht als auch mit dem Grundgesetz vereinbar.

Wie bereits der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, hat der Rat mit Art. 17 Abs. 1 und 3 EG-AbfVerbrVO von seiner ihm durch Art. 130 s EG-Vertrag eingeräumten Befugnis zur Rechtsetzung auf dem Gebiet der Umweltpolitik Gebrauch gemacht und sich dabei in dem durch Art. 130 r EG-Vertrag gesteckten Rahmen gehalten. Der erkennende Senat nimmt auf diese Ausführungen des Berufungsurteils Bezug und hebt lediglich noch einmal die Vorschrift des Art. 130 r Abs. 4 Satz 1 EG-Vertrag hervor. Danach arbeiten die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten in Ausfüllung der umweltpolitischen Zielsetzung des Art. 130 r Abs. 1 EG-Vertrag ("Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme") im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammen. Zu dieser umweltpolitischen Zusammenarbeit gehört auch die Durchführung von Kontrollverfahren für den Export der aus dem Gebiet der Europäischen Union stammenden Abfälle, wenn ein nicht der EU und der OECD angehörendes Empfängerland solche Kontrollen verlangt.

Richtig ist, daß damit das Gemeinschaftsrecht den Exporteuren grüngelisteter Abfälle größere Beschränkungen auferlegt, als wenn dieselben Abfälle in einen Mitgliedstaat der EU oder der OECD ausgeführt würden. Denn in einem solchen Fall ist die Ausfuhr grundsätzlich ohne vorherige Notifizierung zulässig (vgl. Art. 1 Abs. 3 und Art. 11 EG-AbfVerbrVO). Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten sowohl der EU als auch der OECD ihrerseits aus Gründen des Umweltschutzes und der öffentlichen Gesundheit für Abfälle der "Grünen Liste" eine Überwachung wie bei den in der "Gelben" oder "Roten Liste" aufgeführten Abfällen verlangen (vgl. Art. 1 Abs. 3 Buchst. d EG-AbfVerbrVO bzw. Anlage 1 Abschnitt II. 6 des OECD-Ratsbeschlusses C <92> 39 vom 30. März 1992). Räumen also sowohl die EU als auch die OECD ihren Mitgliedstaaten die Befugnis ein, für Importe in das eigene Staatsgebiet ein höheres Kontrollniveau zu verlangen, so ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen dies im Verhältnis zu Drittstaaten unzulässig sein sollte. In allen diesen Fällen respektiert das EU-Recht die Einschätzung des betreffenden Staates, daß die Einfuhr bestimmter Abfälle in das eigene Land mit größeren Umwelt- und Gesundheitsproblemen verbunden ist als dies in der generalisierenden, besondere Gegebenheiten in einzelnen Staaten außer acht lassenden Einstufung der Abfälle in den Anhängen II bis IV zur EG-AbfVerbrVO zum Ausdruck kommt. Dabei liegt auf der Hand, daß das EU-Abfallverbringungsrecht die Wünsche des Empfängerlandes ohne eigene Prüfung übernehmen darf, weil die Beurteilung der maßgebenden Verhältnisse allein dem betreffenden Staat zukommt. Da zudem die Notwendigkeit der Überwachung letztlich auf Aktivitäten im jeweiligen Ausfuhrstaat zurückgeht, ist es sachgerecht, daß das EU-Recht diesem die Kontrolle auferlegt und sich nicht - wie es offenbar die Klägerin für geboten hält - auf den Standpunkt zurückzieht, der Empfängerstaat möge die von ihm für erforderlich gehaltenen Maßnahmen selbst treffen.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die von der Klägerin beanstandete Notifizierungspflicht als eine sachgerechte, mit dem im Gemeinschaftsrecht geltenden Gleichheitssatz vereinbare Regelung für besonders gelagerte Sachverhalte. Ebensowenig sind der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung verletzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im einzelnen dargelegt, daß die mit der Durchführung eines Notifizierungsverfahrens verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu dem hochrangigen umweltpolitischen Zweck dieses Verfahrens stehen und daß auch kein anderes gleichwertiges, weniger belastendes Kontrollverfahren zur Verfügung steht. Der erkennende Senat nimmt auf diese Ausführungen im Berufungsurteil Bezug. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof weiter dargelegt, daß das nationale deutsche Verfassungsrecht keine weitergehenden Anforderungen als die genannten gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze aufstellt; auch diese Ausführungen macht sich der erkennende Senat zu eigen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß kein Anlaß besteht, im Revisionsverfahren der Frage nachzugehen, ob sich die Rechtslage mit Blick auf die Tschechische Republik geändert haben könnte. Wie bereits erwähnt, ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, daß dieser Staat bei Erlaß des Berufungsurteils den OECD-Ratsbeschluß vom 30. März 1992 noch nicht durch den Erlaß entsprechender nationaler Rechtsvorschriften umgesetzt hatte. Welches Recht in einem anderen Staat gilt, ist im Wege der Tatsachenfeststellung zu ermitteln (vgl. § 173 VwGO in Verbindung mit § 293 ZPO). Dem Revisionsgericht ist deshalb gemäß § 137 Abs. 2 VwGO die Prüfung der Frage verwehrt, ob und ggf. welche abfallrechtlichen Vorschriften die Tschechische Republik nach Erlaß des Berufungsurteils erlassen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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