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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.04.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 4.97
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 2 und 3
Leitsatz:

Zur Restitution eines landwirtschaftlichen Anwesens wegen Eigentumsverzichts nach § 1 Abs. 2 VermG (Hofstelle) und nach § 1 Abs. 3 VermG (dazugehörige landwirtschaftliche Flächen) <Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung>.

Urteil des 7. Senats vom 28. April 1998 - BVerwG 7 C 4.97 -

I. VG Magdeburg vom 06.08.1996 - Az.: VG 7 A 370/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 4.97 VG 7 A 370/94

Verkündet am 28. April 1998

Gallin Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7, Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1998 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Dr. Brunn und Postier

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 6. August 1996 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG), mit dem ein landwirtschaftliches Anwesen an den Beigeladenen zurückübertragen worden ist.

Das ca. 10 ha große Anwesen besteht aus Äckern, Wald und Wiesen sowie einer ein selbständiges Buchgrundstück bildenden, ca. 9 800 qm großen Hofstelle (Flur 4, Flurstück 400/1), die mit einem sechs Wohnungen umfassenden Wohnhaus, Stallungen und Wirtschaftsgebäuden bebaut ist. Es stand seit 1952 im Eigentum des Beigeladenen. Seit 1960 wurde der Hof mit Ausnahme des Wohnhauses von der LPG E. genutzt. Das vermietete Wohnhaus blieb in der Verwaltung des Beigeladenen, der an einem anderen Ort als Genossenschaftsbauer tätig war.

Am 15. Februar 1977 verzichtete der Beigeladene gegenüber dem Rat des Kreises K. (M.) auf das Eigentum an dem Anwesen. Der Rat des Kreises genehmigte den Verzicht mit Beschluß vom 23. November 1977. Zum Rechtsträger des volkseigenen Anwesens wurde der Rat der Gemeinde E. bestimmt, der das Wohnhaus in den Jahren 1980 bis 1986 mit einem Kostenaufwand von mehr als 60 000 M instand setzte und modernisierte.

Der im Jahre 1990 gestellte Rückübertragungsantrag des Beigeladenen wurde mit Bescheid des früheren Landkreises G. vom 21. Juli 1993 abgelehnt. Auf den Widerspruch des Beigeladenen hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1994 den Bescheid vom 21. Juli 1993 auf und übertrug das Anwesen unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 und 3 VermG an den Beigeladenen zurück.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. August 1996 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beigeladene sei rückgabeberechtigt, weil seine Grundstücke Maßnahmen im Sinne von § 1 VermG ausgesetzt gewesen seien. Das Flurstück 400/1 sei als ein selbständiges Grundstück im Rechtssinne Gegenstand eines Eigentumsverzichts wegen bevorstehender Überschuldung nach § 1 Abs. 2 VermG gewesen. Das darauf errichtete Wohnhaus sei zum Verzichtszeitpunkt in starkem Maße, insbesondere im Bereich der Schornsteine, Öfen und Fenster, instandsetzungsbedürftig gewesen. Der unaufschiebbar notwendige Instandsetzungsaufwand habe, wie sich aus den tatsächlichen Aufwendungen des Rates der Gemeinde E. ab 1980 ergebe, den Einheitswert des Grundstücks von 3 800 M bei weitem überstiegen. Dieser Aufwand sei nicht durch einen Kredit zu finanzieren gewesen. Die Mieteinnahmen hätten kaum zur Deckung der laufenden Kosten ausgereicht. Der Beigeladene sei auch hinsichtlich der übrigen zu seinem Anwesen gehörigen Grundstücke Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes. Denn der Rat des Kreises K. (M.) habe ihn zum Verzicht auf sein gesamtes Anwesen gezwungen. In der Verknüpfung der Genehmigung mit einem umfassenden Eigentumsverzicht sei eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zu sehen. Jedenfalls könne die Schädigung nach § 1 Abs. 2 VermG nicht hinweggedacht werden, ohne daß die weitere Schädigung entfalle.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 27. Oktober 1994 weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Überschuldungslage festgestellt. Da nur ein Grundstück im Grundbuch eingetragen gewesen sei, habe dessen gesamter Einheitswert von 19 000 M angesetzt werden müssen. Von den Instandsetzungsaufwendungen des Rates der Gemeinde E. dürften nur solche Beträge berücksichtigt werden, die alsbald nach dem Eigentumsverzicht ausgegeben worden seien. Das Verwaltungsgericht sei bei der Feststellung der Reparaturbedürftigkeit und drohenden Unbewohnbarkeit des Gebäudes verfahrensfehlerhaft von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Dasselbe gelte, soweit das Verwaltungsgericht die Ursächlichkeit zwischen dem Eigentumsverzicht und einer wirtschaftlichen Zwangslage bejaht habe. Es habe verkannt, daß der Beigeladene aus persönlichen Gründen auf sein Eigentum verzichtet habe. Schließlich habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, daß es der Frage nicht nachgegangen sei, ob die Restitution wegen Widmung des Grundstücks für den Gemeingebrauch ausgeschlossen sei. Ein Teil des Flurstücks 400/1 werde als öffentlicher Parkplatz genutzt.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie halten das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin als treuhänderische Verwalterin der Eigentumsrechte an volkseigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen im Besitz einer LPG (§ 3 der 3. DVO/TreuhG) zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 7 C 26.95 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 11) zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Restitutionsbescheid vom 27. Oktober 1994 ist rechtmäßig. Der Beigeladene kann die Rückübertragung der umstrittenen Grundstücke verlangen, weil diese Grundstücke schädigenden Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG ausgesetzt waren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Das ergibt sich für das Grundstück Flurstück 400/1 (Hofstelle) aus § 1 Abs. 2 VermG und für die übrigen in Volkseigentum übergegangenen Flurstücke aus § 1 Abs. 3 VermG.

1. Gemäß § 1 Abs. 2 VermG gilt das Vermögensgesetz auch für bebaute Grundstücke und Gebäude, die aufgrund nicht kostendeckender Mieten und dadurch eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Überschuldung durch Enteignung, Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden. Diese Regelung eröffnet nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BVerwGE 98, 87 <89 f.> und Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 7 C 47.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 78) einen Anspruch auf Rückübertragung, wenn sich die infolge der Eigentums- und Mietenpolitik der DDR latent vorhandene Gefahr der Überschuldung von Mietwohngrundstücken zu einer konkreten ökonomischen Zwangslage verdichtet hatte, die ein weiteres Festhalten an dem Eigentum als wirtschaftlich sinnlos erscheinen ließ, so daß der Eigentümer als Ausweg aus dieser Zwangslage den Eigentumsverzicht, die Schenkung oder die Erbausschlagung gewählt hat. Gegenstand der Schädigung nach § 1 Abs. 2 VermG ist das Grundstück im Rechtssinne, also ein bestimmter Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als selbständiges Grundstück eingetragen war; denn allein das Buchgrundstück war beleihbar und konnte deshalb im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG überschuldet sein (vgl. Urteil vom 22. August 1996 - BVerwG 7 C 74.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 85). Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, daß das Flurstück 400/1 in dem maßgeblichen alten, nicht mehr zugänglichen Grundbuch von Groß E. Band 15 Blatt 297 als selbständiges Grundstück eingetragen war. Da diese Feststellung von der Klägerin weder mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden ist noch zum Inhalt der Verwaltungsvorgänge in Widerspruch steht, ist sie für den erkennenden Senat verbindlich (§ 137 Abs. 2 VwGO). Wie sich aus dem bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Grundbuchauszug vom 17. August 1976 ergibt, lastete das in Abteilung III des Grundbuchs eingetragene Grundpfandrecht von 900 Goldmark nur auf einem Teil des damaligen Anwesens des Beigeladenen, nämlich auf dem Grundstück "lfd. Nr. 2", das in der - leeren - Spalte 1 des Bestandsverzeichnisses keine Entsprechung findet. Das läßt darauf schließen, daß der Grundstücksbestand bei der Anlegung des neuen Grundbuchblatts im Jahre 1970 nicht korrekt nach Grundstücksnummern untergliedert übertragen wurde.

a) Das Verwaltungsgericht ist mit Blick auf das Grundstück Flurstück 400/1 zutreffend von einer die Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG rechtfertigenden Überschuldungslage ausgegangen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwGE 98, 87 <90>; Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 7 C 47.94 - a.a.0.) war ein Grundstück überschuldet, wenn die ihm zuzuordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten Zeitwert der Immobilie überschritten haben und wenn diese vorhandenen Schulden nicht innerhalb zumutbarer Zeit durch den zu erwartenden Mietertrag gedeckt werden konnten. Infolge der gesetzlichen Gleichstellung der "unmittelbar bevorstehenden" mit der "eingetretenen" Überschuldung sind bei der Gegenüberstellung von Zeitwert und Verbindlichkeiten fiktiv auch diejenigen Aufwendungen zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Eigentumsaufgabe zur Sicherung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen wären, aber vom Eigentümer aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden. Da es in der DDR keinen freien Grundstücksverkehr für Mietwohnhäuser gab, in dem sich marktgerechte Verkehrswerte hätten herausbilden können, entspricht der in die Bilanz einzustellende Zeitwert dem Wert, zu dem das Grundstück seinerzeit im Wege der Beleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können. Die Feststellung der Überschuldung ist dann erleichtert, wenn der anzusetzende Reparaturaufwand den Einheitswert des Grundstücks erheblich übersteigt; dies folgt aus dem Umstand, daß Kredite üblicherweise höchstens bis zum Einheitswert bewilligt wurden (vgl. BVerwGE 98, 87 <98 f.>; Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 7 C 47.94 - a.a.0.).

Nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt war das auf dem Flurstück 400/1 errichtete Mietwohnhaus zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts des Beigeladenen derart reparaturbedürftig, daß seine Bewohnbarkeit akut gefährdet war. Diese Feststellung hat das Verwaltungsgericht aufgrund der Angaben des Beigeladenen, der Stellungnahme des Rats der Gemeinde E. vom 27. September 1976 sowie des Umstandes getroffen, daß in der Zeit von September 1976 bis zur Übernahme in Volkseigentum Ende 1977 fünf der sechs Mieter das Mietverhältnis kündigten und auszogen. Den anstehenden Reparaturaufwand hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die nachgewiesenen tatsächlichen Aufwendungen der Gemeinde E. allein in den Monaten Oktober und November 1980 auf mindestens 8 646,14 M beziffert. Hiernach erwies sich das in Rede stehende Grundstück gemessen an seinem Einheitswert von 3 800 M als eindeutig überschuldet. Die Überschuldung war auch dauerhaft; insbesondere war nicht zu erwarten, daß mit Hilfe eines Bruttomietertrags von - günstigstenfalls - monatlich 164,50 M die einzugehenden Verbindlichkeiten in angemessener Zeit hätten zurückgeführt werden können.

Die von der Klägerin gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Reparaturbedürftigkeit und drohenden Unbewohnbarkeit des Gebäudes erhobenen Verfahrensrügen sind nicht begründet. Sie macht hierzu geltend, das Verwaltungsgericht habe bei der Würdigung der Stellungnahme des Rates der Gemeinde E. vom 27. September 1976 unberücksichtigt gelassen, daß diese Stellungnahme im Zusammenhang mit einer von der Gemeinde gewünschten Übertragung der Rechtsträgerschaft an die LPG E. abgegeben worden sei; außerdem sei darin nicht die Notwendigkeit von sofortigen Baumaßnahmen am Grundstück festgestellt worden. Mit diesem Vorbringen verkennt die Klägerin die Grenzen, die dem Revisionsgericht bei der Überprüfung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts gesetzt sind. Das Revisionsgericht ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts durch eine eigene Würdigung zu ersetzen; vielmehr darf es diese Würdigung nur begrenzt, nämlich insbesondere daraufhin überprüfen, ob das Tatsachengericht gegen allgemeine Grundsätze der Beweiswürdigung, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen hat (vgl. BVerwGE 47, 330 <361>; 81, 74 <76> m.w.N.). Das Vorbringen der Klägerin läßt keinen derartigen Verstoß erkennen. Namentlich ist ihm nicht zu entnehmen, daß das Verwaltungsgericht den Inhalt der Stellungnahme vom 27. September 1976 nicht vollständig oder unrichtig zur Kenntnis genommen hat. Immerhin ist in dieser Stellungnahme von der "Aufrechterhaltung der Wohnbarkeit des Hauses" die Rede, zu der es eines "Besitzerwechsels" bedürfe. Überdies weist der Beklagte zutreffend darauf hin, daß der Rat der Gemeinde E. gerade vor dem Hintergrund der erstrebten Übernahme der Rechtsträgerschaft durch die LPG E. keinen Grund hatte, den Allgemeinzustand des Gebäudes in seiner Stellungnahme schlechter darzustellen, als er tatsächlich war.

Auch die Angriffe, die die Klägerin gegen den vom Verwaltungsgericht angenommenen Leerstand des Gebäudes richtet, können ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen. Das gilt ungeachtet der Frage, ob diese Annahme des Verwaltungsgerichts, wie die Klägerin geltend macht, mit dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge unvereinbar ist. Denn das Verwaltungsgericht hat den Leerstand des Gebäudes nur als ein zusätzliches Indiz für die Reparaturbedürftigkeit des Gebäudes herangezogen und diese Feststellung in erster Linie auf die Angaben des Beigeladenen und die Stellungnahme des Rats der Gemeinde vom 27. September 1976 gestützt, die einen unmittelbaren Schluß auf den Zustand des Gebäudes zulassen und daher das Ergebnis seiner Beweiswürdigung selbständig tragen. Demnach würde ein etwaiger Irrtum des Verwaltungsgerichts bei der Ermittlung der Vermietungssituation die allein entscheidungserhebliche Feststellung der Reparaturbedürftigkeit des Gebäudes nicht in Frage stellen.

b) Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG sind gleichfalls erfüllt.

War - wie hier - ein Mietwohngrundstück dauerhaft überschuldet, so darf nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwGE 98, 87 <98>; Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 7 C 47.94 - a.a.0.) im Regelfall unterstellt werden, daß die Überschuldung auf nicht kostendeckenden Mieten aus dem Zeitraum vor dem Eigentumsverlust beruht. Anders kann es sich ausnahmsweise dann verhalten, wenn in der Vergangenheit erforderliche Instandsetzungsarbeiten trotz vorhandener finanzieller Deckung unterblieben waren. Eine derartige Ausnahmesituation hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt; es ist im Gegenteil davon ausgegangen, daß die dem Beigeladenen zugeflossenen Mieten kaum ausreichten, um die laufenden Ausgaben zu decken.

Das Verwaltungsgericht hat ferner ohne Verfahrensverstoß angenommen, daß der Beigeladene wegen der Überschuldung auf sein Eigentum am Grundstück verzichtet hat. Zwar geht das angefochtene Urteil nicht im einzelnen auf die Motivation des Beigeladenen ein. Einer solchen Klärung bedurfte es jedoch nicht; denn bei dauerhafter Überschuldung spricht eine Vermutung dafür, daß diese Überschuldung bestimmendes oder wesentlich mitbestimmendes Motiv für die Eigentumsaufgabe war (vgl. BVerwGE 98, 87 <99 f.>). Tatsachen, die diese Vermutung im Streitfall entkräften könnten, sind nicht ersichtlich. Solche Tatsachen ergeben sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht aus der Vorlage zum Beschluß des Rates des Kreises K. (M.) über die Genehmigung des Eigentumsverzichts vom 23. November 1977, wonach der Beigeladene seinen Verzicht gegenüber der Behörde damit begründet hatte, daß er Eigentümer eines anderen landwirtschaftlichen Anwesens sei und nicht am Ort wohne. Da nämlich die Überschuldung die Genehmigung des Eigentumsverzichts gefährden konnte, hatte der Eigentümer kein Interesse daran, diesen Umstand als Motiv für seinen Verzicht offenzulegen (vgl. BVerwGE 98, 87 <100>).

2. Das Eigentum an den übrigen zu seinem landwirtschaftlichen Anwesen gehörigen Flurstücken hat der Beigeladene infolge einer unlauteren Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) verloren.

Wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, befand sich der Beigeladene infolge der Überschuldung des Grundstücks Flurstück 400/1 in einer ökonomischen Zwangslage, der er nur durch den Verzicht auf sein Eigentum entgehen konnte. Nach den weiteren von der Klägerin nicht beanstandeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Rat des Kreises K. (M.) sich diese Zwangslage zunutze gemacht, indem er von dem Beigeladenen auch den Verzicht auf seine übrigen Flurstücke verlangte. Der den Beigeladenen treffende und vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 VermG mißbilligte Zwang zum Eigentumsverzicht wurde mithin seitens der Genehmigungsbehörde auf die übrigen Flurstücke ausgedehnt. Daraus folgt, daß der Beigeladene zu dem Verzicht auf diese Flurstücke, der in der Rechtsordnung der DDR nicht vorgesehen war, im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG genötigt wurde und daher auch insoweit rückgabeberechtigt ist (vgl. Urteil vom 23. Januar 1997 - BVerwG 7 C 2.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 101).

3. Die Rückgabe des Grundstücks Flurstück 400/1 ist nicht deswegen ganz oder teilweise ausgeschlossen, weil - wie die Klägerin schließlich geltend macht - eine Teilfläche dieses Grundstücks als Parkplatz dem Gemeingebrauch gewidmet wäre (§ 5 Abs. 1 Buchst. b VermG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts enthält keine Feststellungen, die diese Annahme tragen könnten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, daß es bestehenden tatsächlichen Anhaltspunkten für einen Restitutionsausschluß nach § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nicht nachgegangen ist. Zwar hat die Gemeinde E. im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 6. September 1994 darauf hingewiesen, daß sich auf dem Flurstück 400/1 ein Parkplatz befinde, der bei Beerdigungen von den Besuchern der auf dem Nachbargrundstück errichteten Trauerhalle zum Abstellen ihrer Fahrzeuge genutzt werde. Die Gemeinde hat jedoch, nachdem der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1994 die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG mangels allgemeiner Zugänglichkeit des Parkplatzes verneint hatte, diesen Einwand in ihrer später zurückgenommenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid nicht weiterverfolgt. Auch die Klägerin hat sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht auf den Restitutionsausschlußgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG berufen. Unter diesen Umständen war das Verwaltungsgericht zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht verpflichtet; denn die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO findet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dort ihre Grenze, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlaß zur Aufklärung bietet (Beschluß vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 9 B 405.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212 m.w.N.). Der nach dem Hinweis der Gemeinde allenfalls in Betracht zu ziehende Umstand, daß das Flurstück 400/1 gelegentlich von Besuchern der Trauerhalle als Parkplatz genutzt wird, reicht zur Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG offenkundig nicht aus (vgl. zum Begriff des Gemeingebrauchs in dieser Vorschrift BVerwGE 100, 70 <75 f.>). Die Klägerin hat selbst im Revisionsverfahren nicht vorgetragen, daß das Flurstück 400/1 nach Durchführung entsprechender Baumaßnahmen der Allgemeinheit als Verkehrseinrichtung zur Verfügung gestellt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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