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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 40.07
Rechtsgebiete: BBergG
Vorschriften:
BBergG § 58 Abs. 1 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am 13. Dezember 2007
BVerwG 7 C 40.07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann und Guttenberger
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 7. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, durch den das beklagte Landesbergamt ihm Maßnahmen zur Rekultivierung eines Tagebaues aufgegeben hat.
Die WiD-Bau GmbH ist Inhaberin einer bergrechtlichen Bewilligung für die Aufsuchung und Gewinnung von Kies und Kiessand in dem Bewilligungsfeld Etzelbach-Ost. Das Bergamt Gera ließ durch Bescheid vom 24. März 1993 den Haupt- und Abschlussbetriebsplan für den Kiestagebau Etzelbach der WiD-Bau GmbH zu. Er sah vor, den Tagebau unmittelbar nach der Gewinnung des Kieses zu verfüllen und wieder als landwirtschaftliche Nutzfläche zu gestalten. Er war zunächst auf 2 Jahre befristet. Die WiD-Bau GmbH beendete die Förderung von Kiessand Ende August 1994. Das Bergamt Gera verlängerte die Geltungsdauer des Haupt- und Abschlussbetriebsplans in der Folgezeit mehrmals, weil die WiD-Bau GmbH geltend machte, ihr stehe derzeit geeignetes Material zur Verfüllung des Tagebaues nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung.
Durch Beschluss vom 15. September 2003 eröffnete das Amtsgericht Gera das Insolvenzverfahren über das Vermögen der WiD-Bau GmbH. Es bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Seinerzeit war die Rekultivierung des Tagebaues noch nicht abgeschlossen. Durch Bescheid vom 19. November 2003 ordnete das beklagte Landesbergamt gegenüber dem Kläger an, die im Haupt- und Abschlussbetriebsplan vorgesehenen, aber noch ausstehenden Maßnahmen auszuführen.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten durch das angefochtene Urteil antragsgemäß aufgehoben: Der Kläger könne nicht nach § 58 Abs. 1 BBergG als Verantwortlicher in Anspruch genommen werden. Er habe durch seine Bestellung zum Insolvenzverwalter nicht die Stellung eines Unternehmers im Sinne dieser Bestimmung erlangt. Er habe den Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt.
Der Beklagte hat mit Zustimmung des Klägers die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt, mit der er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Er macht geltend: Der Insolvenzverwalter sei verantwortliche Person im Sinne des § 58 Abs. 1 BBergG. Bei juristischen Personen seien verantwortliche Personen auch die nach Gesetz zur Vertretung berechtigten Personen. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person sei allein der Insolvenzverwalter zu deren wirksamer Vertretung berechtigt. Der Geschäftsführer einer GmbH verliere mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen der Gesellschaft zu verfügen, es zu verwalten sowie darüber einen Rechtsstreit zu führen. Damit sei es ihm rechtlich unmöglich, ordnungsrechtliche Anordnungen zu erfüllen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend führt er aus: Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde die betroffene juristische Person nicht aufgelöst. Der Geschäftsführer einer GmbH vertrete diese gerichtlich und außergerichtlich, auch wenn seine gesetzliche Vertretungsbefugnis während des Insolvenzverfahrens inhaltlich beschränkt sei.
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2003 aufgehoben. Der Beklagte durfte dem Kläger nicht die Maßnahmen aufgeben, die zur Rekultivierung des Tagebaues in dem Haupt- und Abschlussbetriebsplan vorgesehen, von der Insolvenzschuldnerin aber noch nicht erledigt waren. Der Kläger ist nicht verantwortliche Person im Sinne des § 58 BBergG.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BBergG kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen zur Durchführung des Bundesberggesetzes zu treffen sind. Diese Anordnungen sind in erster Linie gegen die verantwortlichen Personen im Sinne des § 58 BBergG zu richten. Diese Bestimmung hat Vorrang gegenüber landesrechtlichen Vorschriften über die allgemeine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit.
1. Verantwortlich für die Erfüllung der Pflichten aus zugelassenen Betriebsplänen sind nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG der Unternehmer sowie bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen.
a) Der Kläger ist als Insolvenzverwalter über das Vermögen der WiD-Bau GmbH nicht Unternehmer im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG. Unternehmer ist nach § 4 Abs. 5 BBergG eine natürliche oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, die das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen oder das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche während und nach diesen Tätigkeiten auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts treffen diese Voraussetzungen auf den Kläger nicht zu. Die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung der Kiessande ist bereits Ende August 1994 und damit lange vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden. Der Kläger hat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Arbeiten ausgeführt oder ausführen lassen, die dem Wiedernutzbarmachen der Oberfläche gedient haben.
Unternehmer im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG ist allein die WiD-Bau GmbH. Sie hat die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung des Bodenschatzes auf eigene Rechnung betrieben und die Arbeiten zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche teilweise ausgeführt. Der Kläger hat mit seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter zwar die Befugnis erlangt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 InsO). Das Bundesberggesetz knüpft die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit in § 58 Abs. 1 BBergG aber nicht an die tatsächliche Sachherrschaft oder die Verfügungsbefugnis über Grundstücke und Anlagen, die zu dem Betrieb gehören. Maßgeblich ist allein die Ausübung bergbaulicher Tätigkeiten im Sinne des § 4 Abs. 5 BBergG. Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 58 Abs. 1 BBergG ist damit der Verhaltenshaftung des allgemeinen Ordnungsrechts vergleichbar.
b) Der Kläger ist nicht im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG die nach Gesetz zur Vertretung der WiD-Bau GmbH berechtigte Person.
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG können bei einer GmbH behördliche Anordnungen unmittelbar gegenüber dem Geschäftsführer ergehen und die zur Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen des Verwaltungszwangs gegen diesen gerichtet werden. § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG begründet eine eigene verwaltungsrechtliche Haftung des Geschäftsführers neben der Haftung der Gesellschaft als Unternehmerin.
Wer gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person ist, ergibt sich aus dem einschlägigen Gesellschaftsrecht, auf das § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG verweist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Insolvenzverwalter nicht Vertreter des Schuldners, sondern Partei kraft Amtes. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt die Organstellung der Organe einer juristischen Person unberührt. Die Organe bleiben bestehen, nehmen aber nur solche Kompetenzen wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03 - juris). Schon danach ist der Kläger als Insolvenzverwalter nicht gesetzlicher Vertreter der WiD-Bau GmbH.
Dieses Ergebnis entspricht unabhängig davon dem Zweck des § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG. Ist - wie hier - eine juristische Person Unternehmer, parallelisiert § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG die verwaltungsrechtliche Haftung der Gesellschaft und ihrer Organe. Der Geschäftsführer einer GmbH wird der GmbH für die Haftung gleich gestellt, weil er die Person ist, die die unternehmerische Tätigkeit verantwortlich leitet. Die Vorschrift knüpft an die betrieblich-unternehmerische Verantwortung und die damit einhergehende Einflussmöglichkeit an. Demgemäß trifft den Unternehmer bzw. die vertretungsberechtigten Personen eine umfassende Verantwortung (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Bundesberggesetz BTDrs. 8/1315, S. 114). Die Geschäftsführer der WiD-Bau GmbH sind verantwortliche Personen im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG, weil die Gesellschaft unter ihrer Leitung im Sinne des § 4 Abs. 5 BBergG bergbaulich tätig geworden ist. Ihre sich daraus ergebende eigenständige verwaltungsrechtliche Haftung fällt nicht deshalb weg, weil über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die Geschäftsführer bleiben vielmehr für die noch ausstehenden Restarbeiten verwaltungsrechtlich ebenso verantwortlich wie das Unternehmen selbst.
Eine verwaltungsrechtliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 58 Abs. 1 BBergG als Unternehmer und als gesetzlicher Vertreter der Insolvenzschuldnerin könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn die Gemeinschuldnerin unter seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin bergbaulich tätig gewesen wäre und dadurch die jetzt noch zu erfüllenden Pflichten ausgelöst hätte.
2. Der Kläger ist nicht verantwortliche Person im Sinne des § 58 Abs. 2 BBergG. Nach dieser Vorschrift ist verantwortliche Person auch der Inhaber der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung, wenn der Betrieb eingestellt ist. Hier ist zum einen der Betrieb nicht eingestellt, weil die dafür erforderliche vollständige Erfüllung des Haupt- und Abschlussbetriebsplans noch aussteht. Zum anderen ist Inhaberin der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung weiterhin die Insolvenzschuldnerin, solange der Kläger als Insolvenzverwalter und damit Verfügungsbefugter die Berechtigung nicht durch Veräußerung verwertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Ende der Entscheidung
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