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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.12.1998
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 41.97
Rechtsgebiete: PartG-DDR


Vorschriften:

PartG-DDR § 20 b Abs. 1 bis 3
Leitsatz:

Die Treuhandverwaltung nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR bewirkt eine hoheitliche Verstrickung des Parteialtvermögens und begründet das Recht der Treuhänderin, die Zugehörigkeit eines Gegenstands zu diesem Vermögen auch gegenüber einem mit der Partei nicht verbundenen Dritten durch Verwaltungsakt festzustellen.

Urteil des 7. Senats vom 10. Dezember 1998 - BVerwG 7 C 41.97 -

I. VG Berlin vom 09.05.1994 - Az.: VG 26 A 601.92 - II. OVG Berlin vom 22.11.1996 - Az.: OVG 3 B 8.94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 41.97 OVG 3 B 8.94

Verkündet am 10. Dezember 1998

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1998 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley und Herbert

für Recht erkannt:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 1996 wird aufgehoben, soweit darin die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Mai 1994 zurückgewiesen worden ist. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird auch insoweit aufgehoben.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Spende der Beigeladenen zu 2 an die Klägerin in Höhe von 75 Millionen M/DDR der Treuhandverwaltung nach dem Gesetz über Parteien und andere politische Vereinigungen (PartG-DDR) unterliegt.

Die Klägerin wurde im Februar 1990 in der DDR gegründet und ab 1. März 1990 dort als rechtsfähige Religionsgemeinschaft anerkannt. Am 28. Mai 1990 beschloß das Präsidium der Beigeladenen zu 2, der Klägerin 75 Millionen M/DDR zu spenden. Der Vorsitzende der Klägerin erhielt am 31. Mai 1990 einen Verrechnungsscheck in dieser Höhe. Am 6. Juni 1990 legte er ihn der kontoführenden Bank der Klägerin vor; am selben Tage wurde der Betrag der Klägerin gutgeschrieben. Infolgedessen wies ihr Konto ein Guthaben von 75 000 499,28 M/DDR auf. Mit Bescheid vom 14. Januar 1992 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, daß ein inzwischen umgerechneter Betrag von 37 500 000 DM auf diesem Konto nebst Zinsen als Vermögen der Beigeladenen zu 2 der treuhänderischen Verwaltung unterliege und nach § 20 b Abs. 1 PartG-DDR Verfügungen über diesen Betrag nur mit ihrer der Beklagten Zustimmung wirksam seien.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren und nachdem der umstrittene Betrag auf Veranlassung der Beklagten auf ein Treuhandkonto überwiesen worden war, hat die Klägerin Klage auf Aufhebung der Bescheide und Herausgabe des vereinnahmten Geldes erhoben. Das Verwaltungsgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie auf Herausgabe des Geldes gerichtet war, und das Rechtsmittel im übrigen zurückgewiesen. Das Urteil ist mit seinem klageabweisenden Teil rechtskräftig geworden. Die Zurückweisung der Berufung im übrigen hat das Oberverwaltungsgericht im wesentlichen wie folgt begründet: Das Verwaltungsgericht habe dem Anfechtungsantrag zu Recht stattgegeben, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für die gegenüber der Klägerin getroffenen Feststellung fehle; denn sie sei wie im Urteil im einzelnen dargelegt wird keine mit der Beigeladenen zu 2 verbundene juristische Person. Der Bescheid sei auch nicht unabhängig davon deswegen rechtmäßig, weil die Verfügungsbefugnis über den umstrittenen Betrag erst mit Eintritt der Erfüllung nach § 76 Abs. 2 ZGB, also mit Gutschrift des Geldbetrages auf dem Konto der Klägerin auf diese übergegangen sei. Damit habe dieser bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz zwar noch zum Vermögen der Beigeladenen zu 2 gehört. Dieser Umstand rechtfertige das Vorgehen der Beklagten jedoch nicht, denn diese sei gegenüber Dritten auf die zivilrechtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche verwiesen. Hoheitlich handeln dürfe sie auf der Grundlage des gesetzlich angeordneten öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnisses nur gegenüber dem in § 20 b PartG-DDR genannten Adressatenkreis; Dritten gegenüber habe die kraft Gesetzes eintretende treuhänderische Verwaltung nur privatrechtliche Auswirkungen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nicht die Form einer Treuhandverwaltung wählen dürfen, sondern eine Beschlagnahme des Altvermögens oder ähnliches anordnen müssen.

Mit ihrer Revision gegen diesen Teil des Urteils macht die Beklagte geltend: Die gesetzlich angeordnete Treuhandverwaltung habe nicht nur privatrechtliche Auswirkungen, sondern begründe durch die Übertragung der Verwaltungsbefugnisse auf eine Behörde unmittelbar eine öffentlich-rechtliche Verstrickung der in § 20 b Abs. 2 PartG-DDR bezeichneten Vermögenswerte. An dieser Wirkung ändere auch die unter Verstoß gegen § 20 b Abs. 1 PartG-DDR erfolgte Weitergabe der kraft Gesetzes sequestrierten Vermögensgegenstände an Dritte nichts. Auch diesen gegenüber werde der Treuhänder durch die Vorschrift des § 20 b Abs. 2 PartG-DDR ermächtigt, die gesetzlich begründete Verstrickung durch Verwaltungsakt festzustellen. Die Auffassung, solche Maßnahmen seien nur gegenüber dem Adressatenkreis des § 20 b Abs. 2 PartG-DDR zulässig, verkenne Inhalt und Bedeutung der Norm. Sie knüpfe, anders als § 20 a Abs. 2 und 3 PartG-DDR, nicht an personen-, sondern vermögensbezogene Merkmale an. Adressaten der danach zulässigen hoheitlichen Maßnahmen seien daher die Besitzer von Vermögenswerten im Sinne dieser Vorschrift. Die durch die Änderung des Parteiengesetzes eingeführten Regelungen hätten eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme und Sicherung des gesamten Parteivermögens gewährleisten sollen. Dementsprechend erfasse § 20 a Abs. 2 und 3 PartG-DDR das gesamte am Stichtag bestehende Parteivermögen, auch wenn es weggegeben worden sei. Dazu passe es nicht, wenn § 20 b Abs. 2 PartG-DDR in seinem Anwendungsbereich hinter dem von § 20 a Abs. 2 und 3 PartG-DDR gesteckten Rahmen zurückbliebe.

Die Klägerin verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils und steht auf dem Standpunkt, daß das Zivilrecht ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stelle, den Sicherungszweck des § 20 b Abs. 2 PartG-DDR gegenüber Dritten zu gewährleisten.

Die Beigeladene zu 1 macht sich in vollem Umfange die Revisionsbegründung zu eigen. Der Oberbundesanwalt unterstützt ebenfalls die Auffassung der Beklagten, daß es sich bei der treuhänderischen Verwaltung um eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstreuhand handele, die auch an Dritte weitergegebene Vermögenswerte des Parteialtvermögens erfasse.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht, soweit darin die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Die Klage muß auch insoweit abgewiesen werden; denn die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

Die Beklagte durfte nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR gegenüber der Klägerin feststellen, daß der auf deren Konto überwiesene Spendenbetrag der treuhänderischen Verwaltung unterliegt. Nach dieser Vorschrift wird zur Sicherung von Vermögenswerten von Parteien oder ihnen verbundenen Organisationen deren Vermögen, das am 7. Oktober 1989 bestanden oder seither an die Stelle dieses Vermögens getreten ist, unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Bei dem umstrittenen Betrag handelt es sich um solches Parteialtvermögen (1), und die in § 20 b Abs. 2 PartG-DDR angeordnete Treuhandverwaltung ermächtigt die Beklagte dazu, dies auch mit bindender Wirkung gegenüber nicht mit der Partei verbundenen Dritten und damit gegenüber der Klägerin festzustellen (2).

1. Der Spendenbetrag stammte unstreitig aus dem Vermögen der Beigeladenen zu 2, das am 7. Oktober 1989 bestanden hatte. Diese Eigenschaft als Parteialtvermögen hat er weder durch die Aushändigung des Schecks an den Vorsitzenden der Klägerin noch durch die Gutschrift des Geldes auf deren Konto verloren.

Wie der Senat bereits in seinem im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangenen Beschluß vom 7. November 1997 ausgeführt hat, handelt es sich bei der Übergabe eines Schecks nicht um die Abtretung einer Guthabenforderung des Scheckausstellers gegen seine Bank zugunsten des Schecknehmers, sondern um eine mit der Ausstellerhaftung verbundene Anweisung an die bezogene Bank, den Scheckbetrag zu Lasten des Scheckausstellers zu zahlen. Die Hingabe des Schecks durch die Beigeladene zu 2 hat daher noch keine endgültige Vermögensveränderung zu ihren Lasten bewirkt. Eine solche Veränderung hätte erst mit der Gutschrift des Scheckbetrages auf dem Konto der Klägerin eintreten können. Diese Gutschrift konnte jedoch hier das Vermögen der Beigeladenen zu 2 nicht mehr schmälern, weil sie erst am 6. Juni 1990 stattfand; denn mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz am 1. Juni 1990 griff die Verfügungssperre des § 20 b Abs. 1 PartG-DDR und darüber hinaus nach Abs. 2 dieser Vorschrift die Treuhandverwaltung über das Parteialtvermögen. Dies hatte zur Folge, daß die Verfügungsbefugnis über dieses Vermögen auf die unabhängige Kommission nach § 20 b Abs. 3 PartG-DDR und später - nach Maßgabe der Anlage II, Kap. II, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 1 Buchst. d zum Einigungsvertrag auf die seinerzeit noch als Treuhandanstalt bezeichnete Beklagte überging.

Der umstrittene Geldbetrag war auch nicht dadurch aus dem Parteialtvermögen ausgeschieden, daß sich infolge der Anweisung die bisherige Forderung der Beigeladenen zu 2 gegen ihre Bank in eine Forderung der Klägerin gegen deren Geldinstitut umgewandelt hatte und diese zudem auf einem Konto geführt wurde, auf dem sich bereits ein Guthaben der Klägerin befand. Eine solche, allein diese zivilrechtlichen Vorgänge in den Blick nehmende Betrachtungsweise wird nicht der Zielsetzung des § b Abs. 2 PartG-DDR gerecht. Diese Vorschrift ist wie der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt hat (vgl. Urteil vom 11. März 1993 BVerwG 7 C 15.92 BVerwGE 92, 196 <199>) vor dem Hintergrund ihres Zwecks, das materiell rechtsstaatswidrig erlangte Altvermögen zu sichern und an die früher Berechtigten zurückzuführen oder für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung zu stellen, nach wirtschaftlichen Kriterien auszulegen. Das bedeutet, daß die Treuhandverwaltung über Bar- oder Buchgeld der Partei nicht aufgrund bloßer zivilrechtlicher Umwandlungsvorgänge erlischt, sondern solange weiterbesteht, wie der betroffene Geldbetrag unabhängig von seiner zivilrechtlichen Verkörperung hinreichend individualisierbar ist, um ihn der Partei noch zuordnen zu können. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn er sich auf einem Konto befindet, auf dem er wie hier noch ohne weiteres auszumachen ist.

2. Die gesetzlich angeordnete Treuhandverwaltung erlaubte es der Beklagten auch, gegenüber der Klägerin bindend festzustellen, daß der auf deren Konto geführte Spendenbetrag zum Parteialtvermögen gehörte.

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts handelt es sich bei der Verwaltungsbefugnis der Beklagten nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR nicht um eine Treuhand im herkömmlichen Sinne, die dem hoheitlich eingesetzten Treuhänder nur erlaubt, anstelle der "Zwangstreugeberin" die dieser zustehenden Rechte hinsichtlich des Treugutes auszuüben. Vielmehr bewirkt sie eine Verstrickung des Treugutes mit der Folge, daß die Beklagte als zuständiger Verwaltungsträger berechtigt ist, diese Verstrickung und die ihr damit zustehenden hoheitlichen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse gegenüber jedermann in der Form eines feststellenden Verwaltungsakts geltend zu machen. Daß mit den Vorschriften des Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz eine solche von der Person eines eigentlich Berechtigten unabhängige und damit eigenständige hoheitliche Beziehung zwischen dem Treuhänder und dem Treugut begründet wird, ergibt sich vorrangig aus dem Zweck, daneben aber auch aus der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses. Die Tätigkeit des Treuhänders nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR ist nicht auf die Wahrnehmung eines tatsächlichen oder auch nur wohlverstandenen Interesses der Partei oder verbundenen Organisation ausgerichtet; er soll im Gegenteil nach Sicherstellung des Vermögens dafür sorgen, daß es zum Zwecke der Wiedergutmachung an die früheren Berechtigten zurückgegeben oder falls dies nicht möglich ist gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt wird. Nur soweit es nachweislich rechtsstaatlich erworben ist, soll es der Partei oder verbundenen Organisation wieder zur Verfügung gestellt werden (vgl. Anlage II zum Einigungsvertrag, a.a.O.). Die Treuhandverwaltung kommt daher einer der endgültigen Vermögensentziehung vorausgehenden und sie vorbereitenden Beschlagnahme gleich, die mit den entsprechenden hoheitlichen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen hinsichtlich der betroffenen Gegenstände einhergehen muß; denn es wäre insbesondere nicht mit dem Sicherungszweck des § 20 b Abs. 2 PartG-DDR zu vereinbaren, verwiese man die Beklagte auf die Rechte, die der aus der Verfügungsbefugnis verdrängten Partei oder verbundenen Organisation zivilrechtlich zustehen. Die Bedeutung, die der Gesetzgeber diesem Sicherungszweck beimißt, findet ihren sinnfälligen Ausdruck darin, daß er einen Träger öffentlicher Verwaltung mit den Treuhandaufgaben betraut hat, der ohne Beleihung und ohne die Zwischenschaltung weiterer staatlicher Institutionen im Rahmen seiner Zuständigkeiten unmittelbar tätig werden kann. Die hoheitlichen Befugnisse, die der Beklagten hinsichtlich des Treuguts eingeräumt sind, umfassen daher zugleich auch das Recht, sie im Wege des Verwaltungsakts gegenüber Dritten festzustellen. Dient die gesetzlich angeordnete Verstrickung des Parteialtvermögens der Sicherung einer effektiven Wiedergutmachung geschehenen Unrechts, muß dies folgerichtig mit dem Recht des Treuhänders verbunden sein, die öffentlich-rechtliche Bindung des Treuguts selbst mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit zur Geltung zu bringen. Andernfalls würde der Zweck der gesetzlichen Regelung unterlaufen, den einfachen und damit schnellen Zugriff auf diese Vermögenswerte zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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