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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 5.02
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 30 a Abs. 1 Satz 1
Ein noch vor In-Kraft-Treten der Anmeldeverordnung durch Abschluss eines Kaufvertrages erfülltes und daher zunächst nicht weiter verfolgtes Rückgabebegehren ist jedenfalls dann als ein die Ausschlussfrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG wahrender Antrag anzusehen, wenn es an die - später - nach § 2 Abs. 2 AnmVO zuständige Behörde gerichtet war.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 5.02

Verkündet am 28. Februar 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2002 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. August 2000 und der Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. April 1997 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, das Grundstück A.straße ... in Berlin-K. an den Kläger mit der Maßgabe zurückzuübertragen, dass im Rahmen der Rückgabe noch über einen vom Kläger zu leistenden Wertausgleich zu befinden ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe:

I.

Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines mit einem Wohnhaus und einem Werkstattgebäude bebauten Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -.

Der Kläger veräußerte dieses Anwesen im Mai 1988 an den Magistrat von Berlin. Im Juni 1988 reiste er aus der DDR aus. Das Grundstück wurde in Volkseigentum überführt; zum Rechtsträger wurde die Versorgungseinrichtung des Ministerrates der DDR (VEM) bestimmt. Tatsächlich nutzte das Ministerium für Staatssicherheit das Grundstück für konspirative Zwecke.

Nach dem Fall der Mauer bemühte sich der Kläger um die Rückübertragung des Anwesens und erklärte im Februar 1990 gegenüber dem Magistrat von Berlin die Anfechtung des Kaufvertrages, weil seine Ausreise vom Verkauf des Grundstücks abhängig gemacht worden sei. Nachdem die VEM die Rechtsträgerschaft auf den Rat des Stadtbezirks Berlin-K. übertragen hatte, verkaufte dieser das Grundstück am 14. Mai 1990 an den Kläger. Im Kaufvertrag wurde darauf hingewiesen, dass mit dem Verkauf eine Rückübertragung auf den Voreigentümer erfolge und der Kaufpreis aus den Mitteln des Verkaufserlöses desselben Grundstücks aus dem Jahre 1988 stamme. Am 16. Dezember 1992 wurde der Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Dagegen erwirkte die Treuhandanstalt einen Widerspruch, der am 12. Oktober 1993 im Grundbuch eingetragen wurde.

Mit Vermögenszuordnungsbescheid vom 17. November 1994 stellte die Präsidentin der Treuhandanstalt fest, dass das Grundstück als ehemaliges Vermögen des Ministeriums für Staatssicherheit in das Eigentum der Beigeladenen übergegangen und sein Erwerb durch den Kläger unwirksam sei. Die dagegen erhobene Klage des Klägers wurde rechtskräftig abgewiesen.

Zuvor hatte mit einem am 15. April 1994 beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen eingegangenen Schreiben der Kläger die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks beantragt und dazu geltend gemacht, dass er mit Rücksicht auf den vor In-Kraft-Treten der Anmeldeverordnung und des Vermögensgesetzes durchgeführten Rückkauf bisher keinen Antrag beim Vermögensamt gestellt habe; der seinerzeit abgeschlossene Vertrag müsse aber in einen solchen Antrag umgedeutet werden. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Rückübertragungsantrag ab, weil der Kläger die am 31. Dezember 1992 endende Antragsfrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG versäumt habe.

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und dazu ausführt: Der Kläger habe erstmals nach Ablauf der Antragsfrist vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht. Eine Anmeldung im Sinne der Anmeldeverordnung habe er nicht vorgenommen. Dies sei erst ab 15. Juli 1990 möglich gewesen. Der Vertrag mit dem Rat des Stadtbezirks K. über den Rückerwerb des Grundstücks sei jedoch schon vorher abgeschlossen worden. Es könne offen bleiben, ob die Säumnis auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen sei; denn in jedem Fall würde eine Berücksichtigung des verspäteten Antrages den Zweck des § 30 a VermG verfehlen, den baldigen Abschluss der vermögensrechtlichen Verfahren herbeizuführen.

Mit seiner Revision gegen dieses Urteil verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks weiter. Er beruft sich darauf, dass ihm bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nachsicht wegen der Säumnis gewährt werden müsse, weil sie auf staatlichem Fehlverhalten beruhe und der Zweck der Fristbestimmung gewahrt bleibe. Das Fehlverhalten liege darin, dass ihm das Grundstück zurückverkauft worden sei, obwohl der Veräußerer nicht verfügungsberechtigt gewesen sei. Da er selbst der Investor sei, der auf dem Grundstück seinen Handwerksbetrieb wieder aufgenommen habe, würde die Berücksichtigung seines verspäteten Antrages dem gesetzgeberischen Ziel, Investitionshemmnisse zu beseitigen, nicht zuwiderlaufen.

Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen die Ausführungen des angegriffenen Urteils.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht; denn der Kläger hat die Rückübertragung seines Grundstücks rechtzeitig beantragt. Da der Verlust des Vermögenswerts auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zu beurteilen ist, muss der Klage stattgegeben werden.

Nach § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG können auf Grundstücke gerichtete vermögensrechtliche Rückübertragungsansprüche nach dem 31. Dezember 1992 nicht mehr angemeldet werden. Diese Frist, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine materiellrechtlich wirkende Ausschlussfrist ist (vgl. Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <42 ff.>), hat der Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Verfahrensbeteiligten nicht versäumt. Zwar hat er sich erst im April 1994 und damit mehr als ein Jahr nach Fristablauf beim Amt für offene Vermögensfragen gemeldet und ausdrücklich Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend gemacht. Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen erstmaligen Antrag; vielmehr ist er der Sache nach auf sein Rückgabebegehren zurückgekommen, das er schon im Februar 1990 an den Magistrat von Berlin gerichtet hatte. Bereits damals hatte er sich zur Begründung auf den seinerzeitigen Veräußerungszwang berufen, also auf einen Sachverhalt, der von § 1 Abs. 3 der Anmeldeverordnung - AnmVO - erfasst wird und die Tatbestandsvoraussetzungen einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt. Das Vermögensgesetz gab es allerdings im Februar 1990 ebenso wenig wie die Anmeldeverordnung und es trifft zu, dass nach § 3 Satz 1 AnmVO Anmeldungen erst ab dem 15. Juli 1990 eingereicht werden konnten. Daraus lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht schließen, dass frühere Rückübertragungsbegehren nicht als Anmeldungen im Sinne des § 2 AnmVO oder Anträge im Sinne des § 30 Abs. 1 VermG zu betrachten sind. Vielmehr versteht es sich von selbst, dass solche Begehren, wenn über sie bei In-Kraft-Treten der genannten Normen noch nicht entschieden worden war, als Anmeldung im Sinne der Anmeldeverordnung oder - später - nach § 30 Abs. 1 Satz 5 VermG als vermögensrechtlicher Rückgabeantrag zu behandeln waren (vgl. Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band II, B 140, § 3 AnmVO, Rn. 6). War dem Rückübertragungsbegehren - wie im Falle des Klägers - zu diesem Zeitpunkt bereits entsprochen worden, stellt sich die Rückgabe aber im Nachhinein als unwirksam heraus, muss über den nicht verbrauchten und damit noch anhängigen Antrag erneut entschieden werden, nunmehr nach den jetzt anwendbaren Vorschriften des Vermögensrechts. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie ebenfalls hier - das Begehren bei der Behörde eingereicht worden war, die später auch nach § 2 Abs. 2 AnmVO zuständig war.

Gegen die Annahme einer solchen Identität von ursprünglichem und neu gestelltem Begehren des Klägers spricht auch nicht die Regelung des § 6 Abs. 8 VermG. Danach kann die Anpassung einer nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzes der DDR vom 7. März 1990 (GBl I S. 141) durchgeführten Unternehmensrückgabe an die Vorschriften des Vermögensgesetzes verlangt werden. Insoweit werden frühere Unternehmensrückgabebegehren einem vermögensrechtlichen Unternehmensrückgabeantrag gleichgestellt. Die Beschränkung der Regelung auf Unternehmensrückgaben bedeutet jedoch nicht, dass im Falle der Einzelrestitution eine solche Gleichsetzung des früheren Begehrens mit einem vermögensrechtlichen Antrag nicht in Betracht kommt. Der begrenzte Anwendungsbereich der Vorschrift erklärt sich vielmehr daraus, dass es im Falle der vorweggenommenen Einzelrestitution im Regelfall keinen Anpassungsbedarf an das neue Recht gab; insbesondere gab es - anders als bei der Unternehmensrückgabe - keine gesetzliche Restitutionsregelung, die durch die Vorschriften des Vermögensgesetzes abgelöst worden ist.

Der demzufolge rechtzeitig gestellte Rückübertragungsantrag des Klägers ist auch begründet. Da das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass der Kläger den Vermögenswert im Zusammenhang mit seiner Ausreise veräußert hat, streitet eine nach den Regeln des Anscheinsbeweises zu erschütternde Vermutung dafür, dass der Eigentumsverlust auf unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zurückzuführen ist (vgl. Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310 <313 f.>; stRspr). Damit kann der Senat insoweit eine abschließende Sachentscheidung treffen, obwohl das Verwaltungsgericht sich mit der Frage, ob ein Schädigungstatbestand verwirklicht ist, nicht befasst hat.

Die Verpflichtung zur Rückübertragung kann der Senat jedoch nicht uneingeschränkt aussprechen, weil bisher keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Investitionen in den Vermögenswert vorgenommen worden sind, für die der Kläger Zug um Zug gegen die Rückgabe des Grundstücks Wertausgleich nach § 7 VermG leisten müsste. Der Beklagte hat daher - der vom Senat im Entscheidungstenor getroffenen Anordnung entsprechend - gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 VermG in dem von ihm zu erlassenen Rückübertragsbescheid darüber zu befinden, ob und in welcher Höhe eine solche Zahlungspflicht des Klägers besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 45.94 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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