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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.10.2004
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 7.04
Rechtsgebiete: VermG, VwVfG, VwGO, FGO, BRAGO, GG


Vorschriften:

VermG § 38 Abs. 2
VwVfG § 80 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2
FGO § 139
BRAGO § 12 Abs. 1
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 119 Abs. 1
GG Art. 28 Abs. 2
Wenn ein Anwalt bereits im Ausgangsverfahren tätig geworden ist, gehört zu den Kosten der Vertretung im Widerspruchsverfahren nur der Teil der Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, der durch das Widerspruchsverfahren verursacht worden ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 7.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley, Herbert, Krauß und Neumann ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 13. März 2003 wird aufgehoben.

Ferner wird der Bescheid des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 6. April 1998 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 29. Juni 1998 - insoweit aufgehoben, als die Höhe der erstattungsfähigen Kosten auf mehr als 878,83 DM (entspricht 449,34 €) festgesetzt wurde.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die teilweise Aufhebung eines Kostenfestsetzungsbescheids des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen.

Mit Bescheid vom 9. Mai 1996 lehnte die Klägerin einen vermögensrechtlichen Antrag der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen ab. Der dagegen von der Rechtsvorgängerin eingelegte Widerspruch hatte Erfolg. In dem Widerspruchsbescheid des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29. April 1997 wurde auch verfügt, dass die Klägerin die Auslagen der Widerspruchsführerin trägt. Zur Begründung wurde insoweit ausgeführt, wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen. Da der Widerspruch begründet sei, seien die Kosten für die Vertretung der Widerspruchsführerin im Widerspruchsverfahren von der Klägerin zu erstatten. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

1997 verstarb die Widerspruchsführerin und wurde von dem Beigeladenen allein beerbt.

Mit Beschluss des Landesamtes vom 24. Februar 1998 wurde der Gegenstandswert für das Widerspruchsverfahren auf 197 000 DM festgesetzt.

Anschließend machte Rechtsanwalt M., der die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen sowohl im vermögensrechtlichen Ausgangs- als auch im vermögensrechtlichen Widerspruchsverfahren vertreten hatte und der nunmehr den Beigeladenen vertrat, im Kostenfestsetzungsverfahren unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 197 000 DM folgende Kosten geltend:

- 1 448,40 DM 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Ziff. 1 BRAGO

- 40,00 DM Auslagen gemäß § 26 BRAGO

- 223,26 DM 15 % Mehrwertsteuer

----------------------------

1 711,66 DM

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Durch als Beschluss bezeichneten Kostenfestsetzungsbescheid des Landesamtes vom 6. April 1998 wurde die Höhe der erstattungsfähigen Kosten im Widerspruchsverfahren antragsgemäß festgesetzt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, 7,5/10 Geschäftsgebühr und damit die Mittelgebühr des § 118 Abs. 1 BRAGO könne gemäß § 12 Abs. 1 BRAGO in Ansatz gebracht werden, da sowohl Umfang als auch Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit dem in vergleichbaren Fällen üblichen Maß entsprochen hätten.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte, den Kostenfestsetzungsbescheid teilweise aufzuheben. Zur Begründung führte sie aus, die festgesetzte Geschäftsgebühr sei hälftig zu teilen, da die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen bereits im Ausgangsverfahren von Rechtsanwalt M. vertreten worden sei.

Mit Bescheid des Landesamtes vom 29. Juni 1998 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, den Kostenfestsetzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids insoweit aufzuheben, als die Höhe der erstattungsfähigen Kosten auf mehr als 878,83 DM festgesetzt worden sei, hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin Kosten im Umfang von 832,83 DM zu erstatten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Insbesondere fehle der Klägerin nicht die Klagebefugnis.

Die Klage sei jedoch insgesamt unbegründet. Der angegriffene Kostenfestsetzungsbescheid sei rechtmäßig. Die Auffassung der Klägerin, weil die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen sowohl im Ausgangs- als auch im Widerspruchsverfahren vertreten worden sei, sei der Gebührensatz nur zur Hälfte zu erstatten, gehe fehl. Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 VermG seien bei einem Erfolg des Widerspruchs die Anwaltskosten erstattungsfähig unabhängig davon, ob der Widerspruchsführer bereits im Ausgangsverfahren vertreten worden sei. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass - anders als bei einem sofortigen Erfolg eines Antragstellers im Ausgangsverfahren, wo eine Erstattung der Anwaltskosten nicht in Betracht komme (§ 38 Abs. 2 Satz 1 VermG) - bei einem Erfolg erst nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bereits eine mit besonderem Sachverstand ausgestattete Behörde eine für den Antragsteller negative Entscheidung getroffen habe. Vor diesem Hintergrund habe sich der Gesetzgeber für eine vollständige Erstattung der Rechtsanwaltskosten in diesem Falle entschieden. Hinzuweisen sei auch auf § 119 Abs. 1 BRAGO, wonach Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren eine Einheit bildeten.

Auch im Übrigen bestünden keine Bedenken gegen die Berechnung der zu erstattenden Kosten (insbesondere gegen die Annahme einer 7,5/10 Geschäftsgebühr).

Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei unstatthaft (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Die Revision gegen dieses Urteil hat der Senat insoweit zugelassen, als das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen hat.

Im Revisionsverfahren verfolgt die Klägerin ihren Hauptantrag weiter und rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts:

Habe der Antragsteller sowohl im Verfahren vor der Ausgangsbehörde als auch im Widerspruchsverfahren einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beigezogen, sei nach § 38 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VermG nur der Teil der Gebühren erstattungsfähig, der auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren entfalle. Einer entsprechenden Aufteilung der Gebühren stehe § 119 Abs. 1 BRAGO nicht entgegen. Die Vorschrift regele nur, wie die Gebühren des Rechtsanwalts zu bemessen seien, nicht aber deren Erstattungsfähigkeit.

Der Beklagte und der Beigeladene haben sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen § 38 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VermG angenommen, die Klägerin sei verpflichtet, dem Beigeladenen die Gebühren für dessen anwaltliche Vertretung in vollem Umfang zu erstatten. Zu erstatten sind aber nur die Kosten, die durch die Vertretung im Widerspruchsverfahren verursacht wurden. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes trägt ein Antragsteller (auch) im Vermögensrecht die Kosten seiner Vertretung im Ausgangsverfahren (§ 38 Abs. 2 Satz 1 VermG). Dies gilt auch dann, wenn sich dem Ausgangsverfahren ein Widerspruchsverfahren anschließt.

Die Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, die den Aufwand des Rechtsanwalts sowohl für das Ausgangs- als auch für das Widerspruchsverfahren abgilt, weil diese gebührenrechtlich eine Angelegenheit sind (§ 119 Abs. 1 BRAGO), ist deswegen aufzuteilen.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, soweit bereits eine Vertretung im Ausgangsverfahren stattgefunden habe, sei die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) bereits in diesem Verfahren entstanden. Die Gebühr könne nicht entsprechend der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren einerseits und im Widerspruchsverfahren andererseits aufgeteilt werden. Denn aus der Regelung in § 119 Abs. 1 BRAGO kann schon deswegen nicht gefolgert werden, auch die Aufwendungen für die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren seien zu erstatten, weil für die Entscheidung über die Erstattung allein § 38 Abs. 2 Satz 2 VermG und nicht § 119 Abs. 1 BRAGO maßgebend ist. Die Regelung in § 119 Abs. 1 BRAGO hat nur für die Gebührenforderung des Bevollmächtigten, nicht aber für die Frage Bedeutung, in welchem Maße die geforderten Gebühren zu erstatten sind. Deshalb steht § 119 Abs. 1 BRAGO auch nicht der Aufteilung der Gebühren nach § 118 BRAGO entsprechend der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren einerseits und im Vorverfahren andererseits entgegen. Die Regelung bewirkt lediglich, dass die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren nicht erneut Gebühren nach § 118 BRAGO auslöst, wenn derartige Gebühren bereits im Ausgangsverfahren entstanden sind.

Auch der Einwand, der Bevollmächtigte, der erst im Vorverfahren und nicht bereits im Verwaltungsverfahren tätig geworden sei, werde durch die volle Erstattung der durch seine Tätigkeit entstandenen Kosten besser gestellt, geht fehl. Durch die Entscheidung über die Erstattung wird nämlich die Gebührenforderung des Bevollmächtigten nicht beeinträchtigt. Er kann von seinem Auftraggeber auch den Teil der entstandenen Gebühren fordern, der nicht erstattet wird.

Die gleiche Rechtsauffassung wird für die insoweit inhaltsgleiche Bestimmung des § 139 FGO von den Finanzgerichten in ständiger Rechtsprechung vertreten (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 2. Dezember 1969, BFHE 97, 512; und BFH, Beschluss vom 11. Mai 1976, BFHE 119, 19).

Erstattungsfähig ist danach nur der Teil der Geschäftsgebühr, der auf die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren entfällt; denn nur dieser wurde durch das Widerspruchsverfahren verursacht. Es erscheint angemessen, die insgesamt angefallene Geschäftsgebühr je zur Hälfte dem Ausgangsverfahren und dem Widerspruchsverfahren zuzuordnen. Ein anderer Maßstab für die notwendige Aufteilung ist nicht ersichtlich. Der Gegenstand des Ausgangsverfahrens war derselbe wie der Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das erstinstanzliche Verfahren - insoweit unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts - und das Revisionsverfahren auf je 425,82 € (entspricht 832,83 DM) festgesetzt (§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 2, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG). Der Wert von Hauptantrag und Hilfsantrag waren nicht mehr zusammenzurechnen, weil das Urteil erster Instanz insgesamt aufgehoben und nur noch über den Hauptantrag entschieden ist.



Ende der Entscheidung

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