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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 9.01
Rechtsgebiete: VermG, Abkommen vom 13. Mai 1992


Vorschriften:

VermG § 2 Abs. 1 Satz 3
Abkommen vom 13. Mai 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche (BGBl II 1992, S. 1222)
Eine Rechtsnachfolge der Conference on Jewish Material Claims against Germany nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG ist ausgeschlossen, wenn der jüdische Berechtigte sich für eine Entschädigung im Rahmen des deutsch-amerikanischen Pauschalentschädigungsabkommens vom 13. Mai 1992 (BGBl II 1992, S. 1222) entschieden hat.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 9.01

Verkündet am 29. November 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Die Klägerin beansprucht die Feststellung ihrer vermögensrechtlichen Berechtigung an den früheren Kamerawerkstätten G. & T. sowie an dem Erlös aus dem Verkauf von zu diesem Unternehmen gehörenden Vermögenswerten.

Das Unternehmen wurde im Jahr 1938 von dem schweizer Bürger jüdischer Abstammung T. an den amerikanischen Staatsbürger N. veräußert, der im Jahr 1939 Grundstücke in Ni. erwarb und den Sitz der Firma dorthin verlegte. Während der Besatzungszeit wurde das Unternehmen von den sächsischen Behörden aufgrund der SMAD-Befehle Nr. 124 und 64 in Volkseigentum überführt. Das enteignete Unternehmen wurde später Teil eines VEB, der im Jahr 1990 in die P. D. GmbH umgewandelt wurde.

Mit Entscheidung vom 15. Mai 1981 sprach die "Foreign Claims Settlement Commission" der Vereinigten Staaten dem Vater des Beigeladenen zu 1, N., 30 000 Dollar Entschädigung für den Verlust der Fabrikanlage zu, lehnte aber Ansprüche wegen der Entziehung des Unternehmens ab, weil der Voreigentümer T. es unter Zwang verkauft habe. Deshalb wurde diesem ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 250 000 Dollar zuerkannt.

Im Jahr 1990 beantragten der Beigeladene zu 1 und dessen Bruder als Erben von N. die Rückübertragung des Unternehmens. Am 3. Juli 1991 verkaufte die P. D. GmbH das Unternehmen an die durch die Brüder inzwischen gegründeten Kamerawerke N. GmbH Dresden i.Gr. Gleichzeitig verkaufte die Vermögensverwaltungsgesellschaft der P. das Betriebsgrundstück an die Brüder zu gleichen Teilen.

Unter dem 22. Juli 1991 stellte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass der Beigeladene zu 1 und sein Bruder Berechtigte hinsichtlich der Kamerawerkstätten seien, und übertrug das Unternehmen an diese in zwei weiteren Bescheiden mit dem Hinweis zurück, dass die Übergabe bereits in Erfüllung des Kaufvertrages vollzogen sei und die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung mit Bestandskraft des Bescheides entfalle.

Ende 1992 meldete auch die Klägerin vermögensrechtliche Ansprüche auf das Unternehmen an. Das Landesamt lehnte den Antrag ab, weil der frühere Unternehmensinhaber T. in den USA vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht und sich im Rahmen des deutsch-amerikanischen Abkommens über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche vom 13. Mai 1992 für eine Entschädigung in den USA entschieden habe. Damit sei eine Rechtsnachfolge der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG ausgeschlossen.

Dagegen und zugleich gegen die zuvor zugunsten des Beigeladenen zu 1 und seines Bruders ergangenen Bescheide, die ihr nicht zugestellt worden waren, hat die Klägerin Klage erhoben, die sie auf Feststellung ihrer Berechtigung sowie eines Anspruchs auf Erlösauskehr gerichtet hat. Eine weitere Klage der Bundesrepublik Deutschland, die sich darauf berufen hatte, dass die vermögensrechtlichen Ansprüche des früheren Eigentümers T. nach Art. 3 Abs. 9 des Abkommens mit den USA auf sie übergegangen seien, ist inzwischen zurückgenommen worden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin sich nicht auf eine Rechtsnachfolge nach T. berufen könne. Zur Vermeidung einer doppelten Entschädigung müsse bei der Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG die Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Annahme eines Abfindungsbetrages in den USA nach Art. 3 Abs. 1 des deutsch-amerikanischen Abkommens über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche der Anmeldung eines Anspruchs nach dem Vermögensgesetz durch den unmittelbar Geschädigten gleichgestellt werden.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht dazu geltend, dass sie nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG Berechtigte sei, weil weder der Geschädigte T. noch die Bundesrepublik Deutschland fristgerecht einen Antrag nach dem Vermögensgesetz gestellt hätten. Eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift, wie sie das Verwaltungsgericht vornehme, sei nicht gerechtfertigt. Ein Grundsatz der Vermeidung einer doppelten Entschädigung aufgrund desselben Schädigungstatbestandes sei dem Vermögensgesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr sei es gerade im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG typisch, dass die Geschädigten bereits aufgrund früherer Gesetze Entschädigungen erhalten hätten. Derartige Entschädigungen seien nach Maßgabe der Bestimmungen des Vermögensgesetzes zurückzuzahlen oder anzurechnen.

Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigen die Ausführungen des angegriffenen Urteils.

II.

Die Revision ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn eine vermögensrechtliche Berechtigung der Klägerin und ein daraus folgender Anspruch auf Erlösauskehr scheiden aufgrund der Bestimmungen des durch Gesetz vom 21. Dezember 1992 ratifizierten Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche vom 13. Mai 1992 (BGBl II 1992, S. 1222) aus.

Da die Klägerin selbst nicht Geschädigte oder Rechtsnachfolgerin des Geschädigten ist, kann sie nur kraft der Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG Berechtigte sein. Nach dieser Vorschrift gilt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin, wenn jüdische Berechtigte oder deren Rechtsnachfolger oder die vorrangig als weitere Rechtsnachfolger geltenden Nachfolgeorganisationen des Rückerstattungsrechts keine Ansprüche anmelden. Auf diese Fiktion kann die Klägerin sich jedoch hier nicht berufen; insoweit gehen die Bestimmungen des erwähnten Abkommens als Spezialregelungen vor.

Nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 dieses Abkommens mussten sich Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika innerhalb einer von ihrer Regierung gesetzten Frist entscheiden, ob sie zur Befriedigung der nach dem US-Gesetz Nr. 94-542 festgestellten Ansprüche wegen vermögensschädigender Maßnahmen im Bereich der DDR eine Entschädigung aus dem für diesen Zweck von der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 2 des Abkommens zur Verfügung gestellten Gesamtentschädigungsbetrag annehmen oder innerstaatliche Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch nehmen wollten. Haben sie sich für eine Entschädigung im Rahmen des Abkommens entschieden, stehen ihnen nach dessen Art. 3 Abs. 6 Satz 2 keine Rechte in der Bundesrepublik Deutschland mehr zu; ihre Rechtstitel an den in das Entschädigungsverfahren einbezogenen Vermögenswerten gehen nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des Abkommens auf die Bundesrepublik Deutschland über. Diese Legalzession betrifft auch Ansprüche wegen Schädigungsmaßnahmen in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die nach der dem Abkommen zugrunde gelegten Praxis der Foreign Claims Settlement Commission von dem Entschädigungsverfahren nach dem genannten US-Gesetz erfasst wurden (vgl. Denkschrift zu dem Abkommen, Abschnitt Besonderes, Art. 1, BRDrucks 553/92, S. 13 f.). In Art. 3 Abs. 9 Satz 1 wird bestimmt, dass das Abkommen eine vollständige und abschließende Regelung und Abwicklung der Ansprüche von US-Bürgern darstelle, die sich nicht dafür entscheiden, innerstaatliche Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch zu nehmen.

Da der jüdische Voreigentümer T. sich nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanz hinsichtlich der hier umstrittenen Vermögenswerte für eine Entschädigung im Rahmen des Abkommens entschieden hat, kommt eine Rechtsnachfolge der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG nicht mehr in Betracht. Vermögensrechtliche Ansprüche des T., an die eine

solche Rechtsnachfolge anknüpfen könnte, sind aufgrund der Wahl erloschen.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Bundesrepublik Deutschland, auf die die Rechtstitel des T. nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des Abkommens übergegangen sind, keine Ansprüche (mehr) erhebt; denn die Bundesrepublik Deutschland ist keine Rechtsnachfolgerin des Geschädigten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG, an deren Stelle die Klägerin die vermögensrechtlichen Ansprüche einfordern darf. Die in Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des Abkommens geregelte Legalzession knüpft an die auf Kosten der Zessionarin durchgeführte Befriedigung des Geschädigten an; der Bundesrepublik Deutschland wird erlaubt, in der Art eines Rückgriffs anstelle des ursprünglich Berechtigten die Restitutionsansprüche geltend zu machen. Demgegenüber setzt die Rechtsnachfolgefiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG voraus, dass eine Wiedergutmachung zugunsten des Geschädigten bislang nicht stattgefunden hat; es soll verhindert werden, dass die Wiedergutmachung aufgrund unterlassener Antragstellung jüdischer Geschädigter oder deren Erben unterbleibt. Für eine solche Fiktion ist naturgemäß kein Raum, wenn eine Wiedergutmachung in der Art stattgefunden hat, wie der Geschädigte sie gewählt hat. Das steht im Einklang mit der abschließenden Wirkung, die sich das Abkommen in Art. 3 Abs. 9 Satz 1 VermG hinsichtlich der Regelung und Abwicklung der betreffenden Ansprüche beimisst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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