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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 9.04
Rechtsgebiete: VermG, EGBGB, BEG
Vorschriften:
VermG § 1 Abs. 6 | |
VermG § 2 Abs. 1 Satz 3 | |
VermG § 2 Abs. 1 Satz 4 | |
VermG § 31 Abs. 1 c | |
EGBGB Art. 25 Abs. 1 | |
BEG § 181 Abs. 1 | |
BEG § 181 Abs. 2 |
Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Erbberechtigung nach einem jüdischen Verfolgten nicht ohne Erbschein nachweisbar ist, hat das Verwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § 181 Abs. 2 Satz 1 BEG die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 7 C 9.04
Verkündet am 9. Dezember 2004
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley, Herbert, Krauß und Neumann
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Oktober 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I.
Die Klägerin beansprucht die Rückgabe eines Grundstücks in Dresden, das dem polnischen Staatsangehörigen jüdischer Herkunft Jakob D. gehörte und auf der Grundlage der Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates beschlagnahmt wurde. Der zuletzt in Karlsbad wohnende Jakob D. wurde durch Beschluss des Kreisgerichts Warschau vom 9. Februar 1987 mit Wirkung vom 31. Januar 1946 für tot erklärt. Durch Beschluss vom 14. April 1987 stellte dasselbe Gericht fest, dass die Beigeladene zu 1 den Nachlass des Verstorbenen als gesetzlicher Erbe erworben habe. Ein 1986 getroffener Beschluss des Rats der Stadt Dresden über die Enteignung des Grundstücks auf der Grundlage des Baulandgesetzes wurde nicht vollzogen. Die Klägerin meldete 1991 vermögensrechtliche Ansprüche nach dem verstorbenen Grundstückseigentümer an. Das Generalkonsulat der Republik Polen in Leipzig ersuchte den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden mit Schreiben vom 24. Juni 1991, die Grundbucheintragung der Beigeladenen zu 1 als Eigentümerin zu veranlassen.
Mit Bescheid vom 19. Januar 1998 wurde das Grundstück an die Beigeladene zu 1 zurückübertragen. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Die Beigeladene zu 1 sei nicht Berechtigte, weil nach der Rechtsprechung der Rückerstattungsgerichte das gesetzliche Erbrecht eines Staates nach dem Verfolgten dem Zweck der Wiedergutmachung an der betroffenen Verfolgtengruppe widerspreche. Außerdem fehle es an einer wirksamen Anmeldung für die Beigeladene zu 1 und am Nachweis ihrer Erbenstellung.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und der Klage stattgegeben: Es könne offen bleiben, ob die Beigeladene zu 1 einen wirksamen Rückgabeantrag gestellt und ihre Erbenstellung nach dem verfolgten Eigentümer nachgewiesen habe; denn sie sei nicht Berechtigte. Ein Staat könne nicht im Wege des gesetzlichen Fiskuserbrechts Rechtsnachfolger eines jüdischen Verfolgten i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG geworden sein. Eine solche Rechtsnachfolge verbiete sich nach dem Zweck des § 1 Abs. 6 VermG, Vermögensverluste eines Verfolgten durch Rückgabe des Vermögenswerts an ihn oder seine Verfolgtengruppe wieder gutzumachen. Aus § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG ergebe sich nichts anderes. Zwar werde diese Vorschrift allgemein dahin verstanden, dass der deutsche Staat, in dessen jüngster Geschichte sich das wieder gutzumachende Unrecht ereignet habe, nicht begünstigt werden solle. Diese Auslegung erlaube aber keine Rückschlüsse auf das Verständnis des Begriffs des Rechtsnachfolgers i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG.
Gegen das Urteil hat die Beigeladene zu 1 die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie führt zur Begründung aus: Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG schließe nur den deutschen Staat von der Rechtsnachfolge nach einem jüdischen Verfolgten i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG aus. Es sei sinnwidrig, auch diejenigen Staaten auszuschließen, die für die Verfolgung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus nicht verantwortlich seien. Das gelte insbesondere für den polnischen Staat, dessen Bürger Hauptleidtragende der nationalsozialistischen Herrschaft gewesen seien. Außerdem werde Art. 14 GG verletzt, wenn der Beigeladenen zu 1 ihr nach polnischem Erbrecht erworbenes Eigentum an dem Grundstück durch Rückübertragung an die Klägerin entzogen werde.
Die Beklagte teilt die Ansicht der Beigeladenen zu 1, dass mit der in § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG verwendeten Formulierung "der Staat" nur die Bundesrepublik Deutschland gemeint sei. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision der Beigeladenen zu 1 hat mit dem Ergebnis Erfolg, dass das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen wird. Zwar hat das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 6 VermG vorliegt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde das Grundstück auf der Grundlage der Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940 (RGBl I S. 1270) beschlagnahmt. Eine solche Beschlagnahme ist, wie im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2000 - BVerwG 8 B 60.00 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 6) im Einzelnen dargelegt ist, als Entziehung des Vermögens durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen anzusehen. Bundesrechtswidrig ist jedoch die Annahme des Verwaltungsgerichts, der polnische Staat könne nicht gesetzlicher Erbe eines jüdischen Verfolgten sein (1). Ob sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt, kann der Senat nicht entscheiden, weil die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bisher nicht getroffen worden sind (2).
1. Das angegriffene Urteil begegnet entgegen der Ansicht der Revision mit Blick auf das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Rückübertragungsverpflichtung, die der Rückabwicklung rechtlich missbilligter Erwerbsvorgänge während der nationalsozialistischen Zeit dient, ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Als solche ist sie in Bezug auf ein im Beitrittsgebiet gelegenes Grundstück schon deswegen nicht zu beanstanden, weil die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der DDR unterblieben und der Gesetzgeber nicht gehindert war, diese Lücke zu schließen, nachdem sich die Möglichkeit hierzu im Zuge der Wiedervereinigung ergeben hatte (Beschluss vom 11. März 1997 - BVerwG 7 B 78.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 107). Das angegriffene Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, da die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Vermögensgesetzes ergibt, dass auch ein ausländischer Fiskuserbe Rechtsnachfolger eines jüdischen Verfolgten sein kann.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG gilt in Ansehung der Ansprüche nach dem Vermögensgesetz die klagende Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. (im Folgenden: JCC) als Rechtsnachfolger, soweit Ansprüche von jüdischen Berechtigten i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG oder deren Rechtsnachfolgern nicht geltend gemacht werden. Dasselbe gilt, soweit "der Staat" Erbe oder Erbeserbe eines jüdischen Verfolgten i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG ist (§ 2 Abs. 1 Satz 4 VermG). Die Regelung betrifft zwei Fallgruppen: Satz 3 bestimmt die JCC im Wege der Fiktion als Rechtsnachfolger jüdischer Berechtigter, soweit von diesen oder ihren Rechtsnachfolgern keine Ansprüche geltend gemacht werden (unbeanspruchtes Verfolgtenvermögen). Satz 4 betrifft die Fälle, in denen es zur Zeit des Erbfalls keine natürlichen Erben gab mit der Folge, dass der Staatsfiskus Erbe des jüdischen Berechtigten geworden ist (erbenloser Verfolgtennachlass); durch diese Vorschrift wird der Staat von der erbrechtlichen Rechtsnachfolge ausgeschlossen und an seiner Stelle die JCC als Rechtsnachfolger fingiert.
Für die Frage, ob ein ausländischer Fiskuserbe Rechtsnachfolger eines jüdischen Berechtigten sein kann, ist hiernach sedes materiae § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG. Das angegriffene Urteil unterstellt als wahr, dass die Beigeladene zu 1 ihre Stellung als gesetzlicher Erbe des Jakob D. hinreichend dargelegt habe. Unter dieser Voraussetzung wäre die Beigeladene zu 1 gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG Rechtsnachfolger des jüdischen Berechtigten. Das Verwaltungsgericht gelangt zu dem gegenteiligen Standpunkt deshalb, weil es den Begriff des Rechtsnachfolgers im Sinne dieser Vorschrift dahin einschränkt, dass ein kraft gesetzlichen Erbrechts erbberechtigter Staat nicht Rechtsnachfolger eines jüdischen Berechtigten sein könne. Für eine solche einschränkende Auslegung gibt das Gesetz indessen keinen Anlass. Sähe man den Ausschluss des erbberechtigten Staatsfiskus von der Rechtsnachfolge schon in § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG begründet, hätte das zur Folge, dass § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG, der eine Rechtsnachfolge des Staates ausdrücklich ausschließt, leer liefe. Dem Gesetzgeber eine solche überflüssige Regelung zu unterstellen, wäre umso weniger verständlich, als § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 VermG zeitgleich durch Art. 1 Nr. 2 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes (2. VermRÄndG) vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) in das Vermögensgesetz eingefügt wurden, um die Rechtslage klarzustellen. Angesichts dessen muss davon ausgegangen werden, dass den beiden Sätzen je für sich ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt, der sich nicht unter Vernachlässigung des Wortlauts hinweginterpretieren lässt.
b) Das gesetzliche Regelungskonzept erlaubt keinen Zweifel daran, dass sich der Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Vorschrift für den Ausschluss des deutschen Staates von der Erbfolge nach einem jüdischen Verfolgten entschieden und ausländische Fiskuserben in diese Rechtsfolge nicht einbezogen hat.
In der Erläuterung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz (BTDrucks 11/7831, S. 4) heißt es zu § 2 Abs. 1 in der damaligen, im Wesentlichen mit dem heute geltenden § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG übereinstimmenden Fassung, bei der entsprechenden Anwendung des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 6 sei der Begriff des Rechtsnachfolgers weit auszulegen und die Nachfolgeorganisation im Sinne der Rückerstattungsgesetzgebung als Rechtsnachfolger anzusehen, soweit keine natürlichen Erben vorhanden seien (erbenloses Vermögen) oder Ansprüche von diesen nicht geltend gemacht würden (unbeanspruchtes Vermögen). Zur Begründung wird betont, es entspreche "nicht dem Zweck der in § 1 Abs. 6 getroffenen Regelung, in diesen Fällen den Fiskus des Staates zu begünstigen, in dessen jüngster Geschichte sich das wieder gutzumachende Unrecht ereignet hat". Das kann nur so verstanden werden, dass die Bundesregierung die Rechtsnachfolgefiktion zugunsten der JCC in Fällen, in denen keine natürliche Person Erbe des jüdischen Berechtigten ist, auf das Fiskuserbrecht des deutschen Staates beschränkt wissen wollte. Im Sinne dieser Erläuterung wurde die Rechtslage im Rahmen des 2. VermRÄndG klargestellt. Die Einfügung der Sätze 3 und 4 des § 2 Abs. 1 VermG entsprach der Empfehlung des Rechtsausschusses (BTDrucks 12/2944, S. 6), der die im Regierungsentwurf vorgesehene, nahezu wörtlich mit der genannten Erläuterung übereinstimmende Fassung sprachlich verändert hat, ohne damit in der Sache abzuweichen (a.a.O., S. 50).
Dieses Verständnis steht mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG in Einklang. Die Regelung betrifft in erster Linie die Fälle, in denen keine natürlichen Erben festgestellt werden konnten und deshalb der Fiskus im Wege des gesetzlichen Erbrechts Erbe geworden ist. Sie erfasst auch die Fälle, in denen ein Staat durch testamentarische Verfügung als Erbe eingesetzt wurde. Die Formulierung, dass die JCC als Rechtsnachfolger gilt, wenn "der" Staat Erbe eines jüdischen Verfolgten ist, lässt sich dahin verstehen, dass damit nur der deutsche Staat gemeint ist; sonst hätte es nahe gelegen, von "einem" Staat oder von "Staaten" zu sprechen.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gibt zugleich Aufschluss über ihren Zweck. Er besteht darin, nach Art einer Erbunwürdigkeitsbestimmung den deutschen Staat als Erbe oder Erbeserbe eines jüdischen Verfolgten auszuschließen. Ebenso wie in der Fallgruppe des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG, die alle übrigen Fälle von Ansprüchen nach § 1 Abs. 6 VermG betrifft, in denen von den jüdischen Verfolgten oder ihren Rechtsnachfolgern keine Anträge auf Rückübertragung oder Entschädigung gestellt wurden, gilt die JCC nach Satz 4 als Rechtsnachfolgerin, damit nicht im Widerspruch zum Wiedergutmachungszweck der Fiskus des deutschen Staates begünstigt wird. Dafür, dass ausländische Fiskuserben ausgeschlossen werden sollten, gibt es keinen Anhaltspunkt im Gesetz.
Insbesondere findet sich kein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber anstelle des gewählten Erbunwürdigkeitskonzepts eine Regelung mit dem Ziel treffen wollte, das nationalsozialistische Unrecht an erbenlosen jüdischen Verfolgten generell durch Rückführung entzogenen Vermögens an die Verfolgtengruppe wieder gutzumachen. Eine Regelung zu wählen, die auch ausländische Fiskuserben ausgeschlossen hätte, wäre der Gesetzgeber nicht gehindert gewesen. Allerdings lässt sich dem Gesetz anhand der üblichen Auslegungsregeln nicht entnehmen, dass ein Alternativkonzept dieses Inhalts beabsichtigt war. Ein solches Ergebnis kann auch nicht im Wege einer erweiternden Auslegung gewonnen werden, die über Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift hinweggeht. Einer erweiternden Auslegung steht entgegen, dass keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Die Vorschrift und die Gesetzesmaterialien geben auch nicht andeutungsweise etwas dafür her, dass es dem Gesetzgeber um die Zusammenführung sowohl des unbeanspruchten als auch sämtlichen erbenlosen Verfolgtenvermögens bei der JCC gegangen sein und er das Ziel einer damit angestrebten Begünstigung der jüdischen Gemeinschaft nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht haben könnte. Vielmehr spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber die bei dem möglichen Alternativkonzept sich aufdrängende Überlegung, ob zwischen ausländischen Verfolger- und Opferstaaten unterschieden werden sollte, überhaupt nicht angestellt hat, gegen eine auf den Ausschluss auch ausländischer Fiskuserben gerichtete Wiedergutmachungsregelung.
c) Der sachlichen Beschränkung des § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 VermG auf den Ausschluss einer Rechtsnachfolge des deutschen Staates stehen die alliierten Rückerstattungsregelungen und die hierzu ergangene Rechtsprechung, die bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedergutmachung der Vermögensverluste jüdischer Verfolgter heranzuziehen sind, nicht entgegen. Das ORG Berlin hat in seinem Urteil vom 19. Juni 1958 (RzW 1958, 353) die Auffassung vertreten, dass die Rückerstattungsregelungen eine Erbfolge des Fiskus ausschließen, und zwar nicht nur des inländischen. Die Ausschließung des fiskalischen Erbrechts in den Rückerstattungsgesetzen diene nicht der "Bestrafung" des Reichs, sondern der Wiedergutmachung des Unrechts an den Verfolgten dadurch, dass entzogenes Vermögen dem Verfolgten oder der Verfolgtengruppe, der er angehörte, wieder zugeführt werde. Damit verbiete sich die Erbfolge jedes inländischen oder ausländischen Fiskus, weil eine solche Rechtsnachfolge nicht dem Zweck der Wiedergutmachung an dem Verfolgten oder seiner Gruppe dienen würde (a.a.O., S. 354). Nach dem vom ORG Berlin angewendeten Art. 9 Abs. 2 Buchst. b REAO sollen die Nachfolgeorganisationen entzogenes Vermögen beanspruchen, wenn das Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ohne Hinterlassung eines durch letztwillige Verfügung eingesetzten Erben oder eines erbberechtigten Ehegatten oder sonstigen Verwandten verstorben ist oder stirbt.
Die Vorschrift entspricht der Sache nach dem Art. 10 Satz 1 USREG. Danach ist "im Falle des § 1936 BGB ... Erbe eines Verfolgten hinsichtlich des gesamten Nachlasses an Stelle des Staates eine von der Militärregierung zu bestimmende Nachfolgeorganisation". Diese Formulierung lässt noch deutlicher als § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG erkennen, dass die Regelung ausschließlich auf das Fiskuserbrecht des deutschen Staates zielt. Der Gedanke, dass ein ausländischer Fiskuserbe einbezogen sein könnte, findet sich auch nicht in den zeitgenössischen Kommentaren des Rückerstattungsrechts (s. Godin, Rückerstattungsgesetze, 2. Aufl. 1950, Art. 10 USREG Anm. 1; Kubuschok/Weißstein, Rückerstattungsrecht, 1950, S. 108; vgl. auch Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, 1974, S. 263 f.). Das Urteil des ORG Berlin hindert eine auf den Ausschluss des deutschen Staates von der Rechtsnachfolge beschränkte Auslegung schon deswegen nicht, weil das Vermögensgesetz eine Regelung getroffen hat, die in dieser Hinsicht von den Rückerstattungsgesetzen abweicht. Während nach dem Rückerstattungsrecht allein das gesetzliche Fiskuserbrecht ausgeschlossen war, geht das Vermögensgesetz einen Schritt weiter, indem es auch testamentarischen Verfügungen zugunsten des deutschen Staates die rechtliche Wirkung abspricht. Davon abgesehen bedeutet die in Nr. 4 Buchst. c der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 (BGBl II S. 1386) gegenüber den Drei Mächten eingegangene Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Wiedergutmachung nationalsozialistischer Unrechtsmaßnahmen im Beitrittsgebiet nicht, dass bei der entsprechenden Anwendung des Vermögensgesetzes gemäß § 1 Abs. 6 VermG jede Abweichung von alliiertem Rückerstattungsrecht ausgeschlossen ist (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 7 C 19.94 - BVerwGE 98, 261 <265 ff.>). Eine allgemeine Rechtsüberzeugung des Inhalts, dass ausländische Staaten aus Gründen der Wiedergutmachung von der Erbfolge nach jüdischen Verfolgten ausgeschlossen sein müssten, ist weder für die Zeit der Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze noch in der Gegenwart ersichtlich.
2. Ob der geltend gemachte Rückübertragungsanspruch der Beigeladenen zu 1 zusteht, kann der Senat nicht beurteilen, weil das Verwaltungsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Es hat offen gelassen, ob die Beigeladene zu 1 den Anspruch bei der zuständigen Behörde ordnungsgemäß angemeldet und die Erbberechtigung nach Jakob D. hinreichend dargelegt hat. Während nach dem Akteninhalt nicht zu bezweifeln ist, dass die Beigeladene zu 1 ihren Anspruch rechtzeitig angemeldet hat, lässt sich die Frage ihrer Erbberechtigung ohne tatsächliche Klärung nicht beantworten; das zwingt zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht.
Das im Tatbestand des angegriffenen Urteils erwähnte Schreiben des Generalkonsulats der Republik Polen in Leipzig vom 24. Juni 1991 an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden lässt sich bei einer Auslegung, die nicht am Wortlaut haften bleibt, ohne weiteres als Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche auf das Grundstück verstehen. Mit dem Schreiben ersuchte das Generalkonsulat den Oberbürgermeister unter Hinweis auf den noch im Grundbuch eingetragenen polnischen Staatsangehörigen Jakob D., die Grundbucheintragung der Republik Polen zu veranlassen. Dem Antwortschreiben des Oberbürgermeisters vom 6. September 1991 ist zu entnehmen, dass das Schreiben des Generalkonsulats vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 30 a Abs. 1 VermG eingegangen ist. Da es an die Stadtverwaltung des Belegenheitsorts und damit an die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der Anmeldeverordnung i.d.F. vom 11. Oktober 1990 (BGBl I S. 2162) zuständige Behörde gerichtet war, ist es als rechtzeitig gestellter Rückübertragungsantrag zu verstehen (vgl. Urteil vom 21. Juni 2001 - BVerwG 7 C 4.00 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 26 S. 31 <34>).
Demgegenüber bedarf die Erbberechtigung der Beigeladenen zu 1 näherer Klärung. Zwar bestimmt sich die Erbfolge nach einem polnischen Staatsangehörigen grundsätzlich nach polnischem Recht (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Dieses Erbstatut ist für alle Fragen des materiellen Erbrechts maßgeblich. Dazu gehört auch das gesetzliche Fiskuserbrecht, soweit das Erbstatut nicht als öffentlich-rechtliches Aneignungsrecht ausgestaltet ist. Ist die zuletzt genannte Voraussetzung erfüllt, was das Verwaltungsgericht zu klären haben wird, ist das polnische Erbstatut im Inland unbeachtlich und das deutsche Fiskuserbrecht gemäß § 1936 BGB maßgeblich (vgl. zum Ganzen Birk, in: MünchKomm-BGB, 3. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 176; Heldrich, in: Palandt, BGB, 60. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 10 m.w.N.).
In formeller Hinsicht unterliegt der Nachweis einer Erbenstellung der Beigeladenen zu 1 deutschem Recht. Gemäß § 2369 Abs. 1 BGB kann für Nachlassgegenstände, die sich im Inland befinden, die Erteilung eines Erbscheins verlangt werden, wenn es - wie hier - nach dem Erbstatut an einem für die Erbscheinserteilung zuständigen deutschen Nachlassgericht fehlt (Birk a.a.O., Rn. 328); dabei kann unterstellt werden, dass der Beschluss des Kreisgerichts Warschau vom 14. April 1987 als Erbschein zu werten ist, da das deutsche Nachlassgericht bei der Erteilung eines gegenständlich beschränkten Fremdrechtserbscheins an einen ausländischen Erbschein nicht gebunden ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 1098 f., II 3 a.E.; Heldrich a.a.O., Rn. 22). § 31 Abs. 1 c VermG verweist für den Nachweis der Erbberechtigung auf die entsprechende Anwendung des § 181 BEG. Nach dessen Absatz 1 soll von der Vorlage eines Erbscheins abgesehen werden, wenn die Erbberechtigung auch ohne Vorlage eines Erbscheins nachweisbar ist. Die Vorschrift soll den nach § 1 Abs. 6 VermG Berechtigten den Nachweis der Erbberechtigung erleichtern. Abweichend hiervon ist in § 181 Abs. 2 Satz 1 BEG bestimmt, dass das Nachlassgericht auf Antrag des Erben einen Erbschein für den geltend gemachten Anspruch zu erteilen hat, wenn die zuständigen Behörden die Vorlage eines Erbscheins verlangen.
Hiernach wird das Verwaltungsgericht von der Beigeladenen zu 1 in entsprechender Anwendung des § 181 Abs. 2 BEG die Vorlage eines gegenständlich beschränkten Fremdrechtserbscheins zu verlangen haben, bevor es die Klage gegen den Rückübertragungsbescheid abweist. Zwar hat das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen von der Vorlage eines Erbscheins durch die Beigeladene zu 1 offenbar deswegen abgesehen, weil es deren Erbberechtigung durch die Beschlüsse des Kreisgerichts Warschau vom 9. Februar und vom 14. April 1987 für erwiesen gehalten hat. Das Verwaltungsgericht ist an den behördlichen Verzicht auf einen Fremdrechtserbschein aber nicht gebunden. Anders als im Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz stehen sich im Verfahren nach dem Vermögensgesetz regelmäßig und auch hier mehrere Anspruchskonkurrenten gegenüber, über deren Berechtigung die Behörde zu entscheiden hat. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Erbberechtigung eines von ihnen nicht ohne Vorlage eines Erbscheins i.S.d. § 181 Abs. 1 BEG nachweisbar ist, ist die gerichtliche Nachprüfung geboten, ob die Behörde zu Recht vom Verlangen eines Erbscheins abgesehen hat. Solche Anhaltspunkte sind nach dem bislang unwidersprochen gebliebenen Inhalt der Klagebegründung vom 14. Oktober 2003 hier gegeben.
Ende der Entscheidung
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