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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: BVerwG 7 CN 1.03
Rechtsgebiete: VwGO, 6. VwGOÄndG, BbgWG
Vorschriften:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2 | |
VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1 | |
6. VwGOÄndG Art. 10 Abs. 4 | |
BbgWG § 16 Abs. 5 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 7 CN 1.03
Verkündet am 19. Februar 2004
In der Normenkontrollsache
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 26. September 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass der Beschluss Nr. 84-13/81 des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 insoweit nichtig war, als er ein Trinkwasserschutzgebiet für das Wasserwerk Kleinmachnow festsetzte. Das Trinkwasserschutzgebiet ist während des Revisionsverfahrens durch § 13 Satz 2 der Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes Kleinmachnow vom 5. Januar 2004 (GVBl II S. 34) aufgehoben und durch eine neue Schutzgebietsfestsetzung ersetzt worden.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke R.-Straße 73 und 75, Flurstücke Nr. 16 und 31 der Flur 2, in K. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Beschlusses Nr. 84-13/81 vom 6. Mai 1981 und nach den Angaben des Antragstellers auch der neuen Schutzgebietsfestsetzung.
Der Beschluss vom 6. Mai 1981 über die "Festlegung von Schutzgebieten für die Wasserentnahme aus dem Grund- und Oberflächenwasser zur Trinkwassergewinnung" legte u.a. für das Wasserwerk Kleinmachnow Trinkwasserschutzzonen fest; die Schutzzone I betrug 5 m und die Schutzzone II 100 m, und zwar als Radius vom Brunnen aus gemessen. In dem Beschluss war darauf hingewiesen worden, dass das Kartenmaterial sowie die mit dem Beschluss festgelegten Nutzungsbeschränkungen, Verbote und Auflagen bei der Abt. Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Erholungswesen und beim Rechtsträger der Trinkwassergewinnungsanlage einzusehen seien.
Der Antragsteller hat - vor der Aufhebung des Trinkwasserschutzgebietes - am 27. Juni 2001 gemäß § 47 VwGO beantragt festzustellen, dass der Beschluss Nr. 84-13/81 des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 insoweit nichtig ist, als er ein Trinkwasserschutzgebiet für das Wasserwerk Kleinmachnow festsetzt. Der Normenkontrollantrag sei zulässig; er richte sich gegen einen Rechtsakt, der aus der Sicht des Normgebers, dem er zuzurechnen sei, Geltung beanspruche und dem der Normgeber auf der Grundlage des § 16 Abs. 5 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) vom 13. Juli 1994 (GVBl I S. 302) die Qualität einer Rechtsverordnung beimesse. Die Antragsfrist sei gewahrt. Der Kreistagsbeschluss sei zu keinem Zeitpunkt bekannt gemacht worden; jedenfalls sei eine Bekanntmachung nicht nachgewiesen. Sei die Veröffentlichung einer Rechtsnorm nicht nachgewiesen, werde die Antragsfrist nicht in Lauf gesetzt. Selbst wenn aber von einer Fristversäumung auszugehen sei, komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO in Betracht. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Dies ergebe sich ebenfalls daraus, dass der Kreistagsbeschluss entgegen dem rechtsstaatlichen Erfordernis, dass Rechtsvorschriften bekannt gemacht werden müssten, nicht veröffentlicht worden sei; auch sei die Schutzzone zu groß bemessen.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Er hält den Antrag für unzulässig, da er nicht innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des Art. 10 Abs. 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) gestellt worden sei. Zwar habe er keine Informationen darüber, ob der Kreistagsbeschluss bekannt gemacht worden sei. Der Text des Kreistagsbeschlusses mit seinem wesentlichen Inhalt sei dem Antragsteller aber mit Schreiben der unteren Wasserbehörde vom 6. Mai 1999 und vom 3. Juni 1999 übermittelt worden. Hierin liege eine Bekanntgabe der den Antragsteller betreffenden Regelungsinhalte des Beschlusses zur Bebaubarkeit der Grundstücke, was im Hinblick auf die besondere Überleitungssituation als "Bekanntmachung" im Sinne der genannten Vorschriften anzusehen sei. Die Antragsschrift sei bei Gericht erst nach Ablauf von zwei Jahren seit der Information des Antragstellers eingegangen.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Zwar sei der gegen den Beschluss des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 gerichtete Antrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 BbgVwGG statthaft. Er sei jedoch unzulässig, weil er nicht fristgemäß gestellt worden sei. In der Überleitungsvorschrift des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG sei bestimmt, dass für Rechtsvorschriften i.S. des § 47 VwGO, die vor dem 1. Januar 1997 bekannt gemacht worden seien, die Frist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit diesem Tag zu laufen beginne. Für den Beginn der Frist am 1. Januar 1997 sei es ohne Belang, dass der Antragsgegner die Bekanntmachung des Kreistagsbeschlusses nicht nachgewiesen habe und die Nachforschungen des Senats insoweit ergebnislos geblieben seien, so dass offen sei, ob eine Bekanntmachung überhaupt erfolgt sei. Entscheidend sei allein, dass ein etwaiger Bekanntmachungsakt nach DDR-Recht - wenn er denn stattgefunden habe - nur vor dem 1. Januar 1997 erfolgt sein könne. Auch wegen der vom Landesgesetzgeber in § 16 Abs. 5 BbgWG angeordneten Überleitung von Wasserschutzgebietsausweisungen als Rechtsverordnungen sei der Antragsteller gehalten gewesen, den Normenkontrollantrag innerhalb von zwei Jahren nach In-Kraft-Treten des 6. VwGOÄndG zu stellen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Antragsfrist komme nicht in Betracht, weil es sich um eine der Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht zugängliche Ausschlussfrist handele.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Antragstellers, der nach der Aufhebung der Trinkwasserschutzgebietsausweisung für das Wasserwerk Kleinmachnow seinen Antrag dahin umgestellt hat festzustellen, dass der Beschluss des Kreistages insoweit nichtig war, als er ein Trinkwasserschutzgebiet für das Wasserwerk Kleinmachnow festgesetzt hat. Den Antrag hat er wie folgt begründet: Er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Beschluss ungültig gewesen sei. Denn er beabsichtige, mit Blick auf die Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes Kleinmachnow vom 5. Januar 2004 Entschädigungsansprüche nach § 19 Abs. 3 WHG geltend zu machen; hierfür sei es von präjudizierender Wirkung, ob seine Grundstücke vor dem In-Kraft-Treten der Verordnung vom 5. Januar 2004 bereits als Teil eines Trinkwasserschutzgebietes mit Nutzungsverboten und -beschränkungen belastet gewesen seien. Er habe in der Vergangenheit einem Makler einen Generalauftrag zum Verkauf seiner Grundstücke in K. erteilt; für Grundstücke, die in ein Trinkwasserschutzgebiet einbezogen seien, sei aber nur ein erheblich geringerer Preis als für andere vergleichbare Grundstücke zu erzielen. Im Übrigen führt er zur Begründung der Revision aus: Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze die bundesrechtlichen Normen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG und des § 60 VwGO. Es komme auf den Nachweis einer Bekanntmachung des Kreistagsbeschlusses an; fehle es an einem Nachweis, könne dieser nicht durch die Erwägung ersetzt werden, dass die Bekanntmachung jedenfalls vor dem 1. Januar 1997 erfolgt sein müsse. Das Oberverwaltungsgericht habe auch zu Unrecht die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO verneint.
Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts. Für die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG spreche auch das mit der Gesetzesänderung verfolgte Ziel, Beeinträchtigungen der Rechtssicherheit durch eine zeitlich unbegrenzte Antragstellung zu vermeiden. Auch wenn dem Ansatz des Oberverwaltungsgerichts nicht gefolgt werde, sei der Normenkontrollantrag als unzulässig abzuweisen, da eine nicht veröffentlichte Vorschrift der DDR nicht in (bundesdeutsches) Landesrecht übergeleitet worden sei und daher nicht Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein könne.
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags aus Gründen angenommen, die Bundesrecht widersprechen.
Zwar ist die Auffassung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass der Beschluss des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sein kann (1). Die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Beschluss während des Revisionsverfahrens aufgehoben worden ist, soweit er ein Trinkwasserschutzgebiet für das Wasserwerk Kleinmachnow festsetzte; vielmehr hat der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der genannte Beschluss insoweit nichtig war (2). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO aufgrund der Überleitungsvorschrift des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG unabhängig von dem Nachweis einer Bekanntmachung mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 1. Januar 1997 zu laufen begonnen habe, ist jedoch mit Bundesrecht unvereinbar. Nach der Überleitungsvorschrift setzt der Fristbeginn am 1. Januar 1997 voraus, dass die Rechtsvorschrift bekannt gemacht worden ist. Da das Oberverwaltungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht abschließend aufgeklärt hat, ob der Beschluss des Kreistages bekannt gemacht worden ist, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden; es bedarf deshalb der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (3).
1. Der Normenkontrollantrag gegen den Beschluss des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 ist statthaft. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO können Gegenstand des Normenkontrollverfahrens im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften sein, sofern das Landesrecht dies bestimmt; eine solche Öffnungsklausel enthält § 4 Abs. 1 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes i.d.F. vom 22. November 1996 (GVBl I S. 317). Von dem Normcharakter des Beschlusses vom 6. Mai 1981 ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung auszugehen, da der Landesgesetzgeber in § 16 Abs. 5 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) vom 13. Juli 1994 (GVBl I S. 302) die Fortgeltung der auf der Grundlage des Wassergesetzes der DDR vom 2. Juli 1982 für die öffentliche Trinkwasserversorgung festgelegten oder aufrechterhaltenen Trinkwasserschutzgebiete als Rechtsverordnungen bestimmt hat; nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gilt diese Regelung auch für den Beschluss vom 6. Mai 1981. Ob der Kreistagsbeschluss - auf der Grundlage des § 16 Abs. 5 BbgWG oder des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EV - wirksam in Landesrecht übergeleitet worden ist, ist dagegen eine Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags.
Der Statthaftigkeit des Normenkontrollverfahrens steht nicht entgegen, dass strittig ist, ob die Norm bekannt gemacht worden ist; denn es geht darum, Zweifel an der Gültigkeit einer Norm zu klären, die aus der Sicht des Normgebers Geltung für sich beansprucht (Beschluss vom 2. Juni 1992 - BVerwG 4 N 1.90 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 66 S. 104 f.).
2. Die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach § 13 Satz 2 der Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes Kleinmachnow vom 5. Januar 2004 (GVBl II S. 34) das mit Beschluss Nr. 84-13/81 vom 6. Mai 1981 des Kreistages Potsdam für das Wasserwerk Kleinmachnow festgesetzte Wasserschutzgebiet aufgehoben worden ist. Zwar geht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von dem Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift aus. Ist die angegriffene Norm während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, bleibt dieser aber zulässig, wenn der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedarf es nicht (Beschluss vom 2. September 1983 - BVerwG 4 N 1.83 - BVerwGE 68, 12 <14 f.>). Die Antragsbefugnis besteht hier fort. Der Antragsteller macht geltend, dass er durch die Schutzgebietsfestsetzung in der Vergangenheit an der Bebauung der Grundstücke gehindert worden sei und diese durch die Einbeziehung in das Trinkwasserschutzgebiet erheblich an Wert verloren hätten.
Der Antragsteller hat ferner ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Norm ungültig war, weil die angestrebte Feststellung präjudizierende Wirkung für in Aussicht genommene Entschädigungsansprüche haben kann und der Antragsteller eine Entschädigungsklage ernsthaft beabsichtigt. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er mit Blick auf die Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes Kleinmachnow vom 5. Januar 2004 Entschädigungsansprüche nach § 19 Abs. 3 WHG geltend machen wolle. Hierfür sei es von präjudizierender Wirkung, ob seine Grundstücke bereits vor dem In-Kraft-Treten der Verordnung vom 5. Januar 2004 als Teil eines Trinkwasserschutzgebietes mit Nutzungsverboten und -beschränkungen belastet waren. Die ernsthafte Absicht zur Erhebung einer Entschädigungsklage kann einem Antragsteller regelmäßig nicht abgesprochen werden, der bereits einen Normenkontrollantrag gegen die Schutzgebietsfestsetzung wegen der damit verbundenen Nutzungsverbote und -beschränkungen erhoben hat. Sie wird hier dadurch unterstützt, dass der Antragsteller, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, einem Makler den Generalauftrag zur Veräußerung seiner Grundstücke in K. erteilt und bereits in dem Normenkontrollantrag auf die erheblichen Wertminderungen für die Grundstücke hingewiesen hat. Auch kann der Senat nicht feststellen, dass eine Entschädigungsklage unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt aussichtslos ist. Hierfür bedarf es keiner eingehenden Bewertung des Vorbringens der Beteiligten zur Begründetheit oder Unbegründetheit einer solchen Klage. Das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung würde nur dann entfallen, wenn es auf der Hand läge, dass die Rechtsverfolgung aussichtslos ist (vgl. Beschluss vom 2. September 1983 - BVerwG 4 N 1.83 - BVerwGE 68, 12 <15 f.>). Dies ist nicht der Fall.
3. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme, dass der Normenkontrollantrag nicht fristgemäß gestellt worden sei, auf Gründe gestützt, die mit § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG nicht vereinbar sind. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Normenkontrollantrag innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Nach Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG beginnt die Frist für Rechtsvorschriften, die vor dem 1. Januar 1997 bekannt gemacht worden sind, mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes, also am 1. Januar 1997, zu laufen.
a) Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG setzt für den Fristbeginn voraus, dass die Rechtsvorschrift bekannt gemacht worden ist; die bloße "Unterstellung einer Bekanntmachung" löst entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts den Fristbeginn nicht aus. Denn der Wortlaut des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG bietet dafür keinen Anhaltspunkt; die Formulierung "bekannt gemacht sind" meint vom Wortsinn her eine tatsächliche Bekanntmachung. Nur diese Auslegung trägt auch dem Zweck des Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO Rechnung, das nicht nur ein objektives Prüfungsverfahren ist, sondern zugleich auch dem Rechtsschutz des Einzelnen dient. Der Rechtsschutzzweck würde verfehlt, wenn die Frist zu laufen beginnen würde, obwohl ein Antragsteller von der Norm mangels tatsächlicher Bekanntmachung keine Kenntnis haben konnte. Dies wäre mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar (BVerfGE 10, 264 <267 f.>; stRspr). Gegen die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung spricht auch folgende Erwägung: Wenn es eine vergleichbare Situation nach dem In-Kraft-Treten des 6. VwGOÄndG geben würde, also für eine erst nach dem 1. Januar 1997 beschlossene Rechtsvorschrift nicht mehr feststellbar wäre, ob sie bekannt gemacht worden ist, wäre auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zu fragen, an welches Datum dann der Fristbeginn anknüpfen sollte. In diesem Fall kann - mangels eines festen Datums wie in der Überleitungsvorschrift - das Ergebnis nur sein, dass die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht zu laufen begonnen hat. Von dem Regelungsmodell des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO weicht aber die Überleitungsvorschrift nicht ab. Auch sie hat zur Voraussetzung, dass die Rechtsvorschrift bekannt gemacht worden ist. Dies spricht dafür, dass auch nach der Überleitungsvorschrift die Zwei-Jahres-Frist nicht zu laufen begonnen hat, wenn eine Bekanntmachung nicht feststellbar ist. Da es sich hierbei nur um Ausnahmefälle handeln wird, bleibt das gesetzgeberische Ziel unberührt, eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit durch ein zeitlich unbegrenztes Antragsrecht zu vermeiden (vgl. BTDrucks 13/3993, S. 10; ebenso der Gesetzentwurf des Bundesrates, BTDrucks 13/1433, S. 9 f.). Zudem würde es ohne eine Bekanntmachung an einer ausreichenden Grundlage fehlen, auf der sich Vertrauen auf den Bestand der Norm bilden kann.
Auch die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, dass eine Bekanntmachung nur vor dem 1. Januar 1997 erfolgt sein konnte und nicht mehr nachgeholt werden könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Gesichtspunkt, dass eine Bekanntmachung als Teil des Normsetzungsverfahrens nicht mehr nachgeholt werden kann, ist für die Ausgangsfrage, ob auf eine Fiktion oder die tatsächliche Bekanntmachung abzustellen ist, ohne Aussagekraft. Denn er führt nicht notwendig zur Annahme einer Bekanntmachungsfiktion.
b) Als Bekanntmachung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG reicht die Vornahme einer Handlung seitens des Normgebers aus, die potentiell Antragsbefugten die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Geltungsanspruch der Norm verschafft. Die vorgenommene Handlung muss dabei nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung entsprechen (vgl. Beschluss vom 10. April 1996 - BVerwG 4 NB 8.96 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 114 S. 63 zur Drei-Monats-Frist des Art. 13 Nr. 1 Satz 1 InvWoBauLG; ebenso Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 36; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, Nomos-Kommentar zur VwGO, § 47 Rn. 251 c). Denn die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Vorschrift kann auch durch eine fehlerhafte Bekanntmachung eröffnet werden. Diese Anforderungen an den Beginn der Frist, die sich unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG ergeben, gelten auch für Rechtsvorschriften, die in der DDR erlassen worden sind. Hierbei ist nicht maßgebend, ob und inwieweit in der DDR eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Festsetzung eines Trinkwasserschutzgebietes bestand. Denn die Bekanntmachung im Sinne der genannten Vorschriften zielt allein auf die Antragsfrist für einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO.
Der Lauf der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist durch die individuelle Information des Antragstellers über den Inhalt des Beschlusses des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 nicht ausgelöst worden. Mit der Bekanntmachung einer Rechtsvorschrift ist gemeint, dass der Allgemeinheit und nicht nur einzelnen Betroffenen in verlässlicher Weise Kenntnis von der Norm verschafft wird. Allenfalls wäre zu erwägen, ob der Antragsteller sein Antragsrecht dadurch verwirkt hat, dass er nicht innerhalb von zwei Jahren nach der ihm Anfang Juni 1999 zugegangenen Information des Landrats über den Beschluss vom 6. Mai 1981 einen Normenkontrollantrag gestellt hat. Für eine Verwirkung reicht allerdings der Zeitablauf nicht aus. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343>; Urteil vom 12. Dezember 2002 - BVerwG 7 C 22.02 - Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 16). Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich.
Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Antragsteller sei wegen der vom Landesgesetzgeber in § 16 Abs. 5 BbgWG angeordneten Überleitung von Wasserschutzgebietsausweisungen als Rechtsverordnungen gehalten gewesen, den Normenkontrollantrag innerhalb von zwei Jahren nach In-Kraft-Treten des 6. VwGOÄndG zu erheben, geht fehl. Unabhängig davon, welcher Rechtsgehalt der landesrechtlichen Vorschrift des § 16 Abs. 5 BbgWG zukommt, wäre für die Annahme des Oberverwaltungsgerichts jedenfalls Voraussetzung, dass das Gesetz selbst oder eine Anlage zu dem Gesetz die Beschlüsse über die Festlegung von Wasserschutzgebieten, die als Rechtsverordnungen fortgelten sollen, benennt und zumindest die Fundstelle angibt, anhand derer sich der Bürger über die Existenz und den Inhalt der Festsetzungen orientieren kann. Beides fehlt. Auch in der Begründung zu dem Gesetzentwurf finden sich derartige Angaben nicht.
c) Nach diesen rechtlichen Maßstäben kommt es für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags darauf an, ob der Beschluss vom 6. Mai 1981 über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für das Wasserwerk Kleinmachnow bekannt gemacht worden ist. Anhaltspunkte dafür, welche Handlungen geeignet waren, den Geltungsanspruch des Beschlusses des Kreistages Potsdam vom 6. Mai 1981 nach außen kundzutun, können sich daraus ergeben, welche Formen der Bekanntmachung in der DDR für derartige Beschlüsse in Betracht kamen. Auch wenn es sich nicht um eine ordnungsgemäße Bekanntmachung gehandelt haben muss, geben die Vorschriften Hinweise darauf, welche Arten der Bekanntmachung (orts-)üblich waren und deshalb erwarten ließen, dass sie die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Beschluss verschafften.
Nach § 12 der Verordnung über die Festlegung von Schutzgebieten für die Wasserentnahme aus dem Grund- und Oberflächenwasser zur Trinkwassergewinnung vom 11. Juli 1974 (GBl DDR I S. 349) waren die Beschlüsse über die Festlegung von Wasserschutzgebieten in ihrem wesentlichen Inhalt vom örtlichen Rat öffentlich bekannt zu geben. § 12 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung sah vor, dass Bürgern, die berechtigte Interessen geltend machten, je nach dem Vertraulichkeitsgrad Einsicht in die Unterlagen zu gewähren war; hiermit dürfte vor allem die Einsicht in das Kartenwerk gemeint sein. Dem Betroffenen waren "Auszüge aus dem Beschluss" zu übergeben (§ 12 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung). Nach dem Kommentar zu § 5 der 3. Durchführungsverordnung zum Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (GBl DDR I S. 487), der im Wesentlichen § 12 Abs. 1 der o.a. Verordnung vom 11. Juli 1974 entsprach, erfolgte die öffentliche "Bekanntgabe" des Beschlusses im Mitteilungsblatt des Rates, in den Informationsblättern, in der Bezirks-/Ortspresse, mittels Aushang in den Gemeinden. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Gebiete, soweit das erforderlich und speziell geregelt ist, in der Öffentlichkeit als Trinkwasserschutzgebiete durch Schilder zu kennzeichnen waren (Kommentar zum Wasserrecht der DDR, herausgegeben vom Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft und von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR, 1987, S. 230 f.).
Als Handlung, die den Geltungsanspruch der Norm nach Außen kundgetan und damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Geltungsanspruch der Rechtsvorschrift verschafft hat, würde eine der in den Erläuterungen zu § 5 der 3. Durchführungsverordnung zum Wassergesetz genannten Möglichkeiten ausreichen, also z.B. der Aushang in den Gemeinden oder die Mitteilung in der Bezirks-/Ortspresse. Auch würde es die Voraussetzungen einer Bekanntmachung i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG erfüllen, wenn das Gebiet in der Öffentlichkeit durch Schilder als Trinkwasserschutzgebiet gekennzeichnet worden ist. Auch dies konnte Betroffenen einen Hinweis darauf geben, dass für das Wasserwerk Kleinmachnow ein Trinkwasserschutzgebiet festgesetzt ist, und sie veranlassen, sich über die genaue Ausweisung des Schutzgebietes und damit ihre Betroffenheit durch Einsicht in die Unterlagen Kenntnis zu verschaffen. Der Beschluss vom 6. Mai 1981 enthielt den Hinweis, dass das Kartenmaterial sowie die mit dem Beschluss festgelegten Nutzungsbeschränkungen, Verbote und Auflagen bei der Abteilung Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Erholungswesen des Rates des Kreises und beim Rechtsträger der Trinkwassergewinnungsanlage einzusehen waren. Dafür, dass entsprechende Kennzeichnungen im Schutzgebiet im Allgemeinen vorgenommen worden sind, kann auch § 13 Abs. 2 der Verordnung über die Festlegung von Schutzgebieten vom 11. Juli 1974 sprechen. Danach musste der Maßnahmeplan, der in Verbindung mit dem Beschluss über die Festlegung des Wasserschutzgebietes vom Rat des Bezirkes oder Kreises zu beschließen war, insbesondere auch Angaben über den "Umfang der Kennzeichnungen im Schutzgebiet" enthalten.
Feststellungen dazu, ob und welche Handlungen vorgenommen worden waren, um auch nur potentiell Betroffenen die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Beschluss zu verschaffen, hat das Oberverwaltungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht getroffen. Diese Feststellungen werden nachzuholen sein. Denn die Möglichkeiten einer Aufklärung sind durch die Mitteilung des Antragsgegners, dass er keinen Nachweis über die Bekanntmachung des Kreistagsbeschlusses erbringen könne, und die erfolglosen Nachfragen des Oberverwaltungsgerichts beim Kreisarchiv des Landrates des Landkreises P. nicht erschöpft. So hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 2. September 2002 darauf hingewiesen, dass, soweit das Oberverwaltungsgericht dies für entscheidungserheblich halten sollte, noch ein entsprechendes Auskunftsersuchen an den Landkreis P. zu richten wäre, ob entsprechende Hinweisschilder im Gemeindegebiet zur lokalen Kennzeichnung des Trinkwasserschutzgebietes aufgestellt worden waren. Auch hat der Antragsgegner in dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zwei Personen benannt, die als Zeugen dafür in Betracht kommen können, ob eine Bekanntmachung des Beschlusses erfolgt ist. Beide Zeugen haben in der damaligen Trinkwasserschutzzonen-Kommission des Kreises mitgearbeitet. Einer der beiden Zeugen gehörte dem Rat des Kreises (Abteilung Geologie) an. Zwar enthält der Schriftsatz des Antragsgegners vom 3. Mai 2002 den Vermerk, zusätzliche Erkenntnisse oder Unterlagen hätten sich aus der Befragung dieser Personen nicht ergeben. Wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert hat, handelte es sich aber lediglich um eine telefonische Nachfrage und bezog sich diese nicht speziell auf die einzelnen Arten einer Bekanntmachung.
Ende der Entscheidung
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