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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: BVerwG 7 PKH 5.03
Rechtsgebiete: ZPO, VermG


Vorschriften:

ZPO § 322
VermG § 30 Abs. 1 Satz 2
Das Vermögensamt ist an das rechtskräftige Urteil eines Zivilgerichtes gebunden, das zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten ergangen ist und die Wirksamkeit eines zwischen diesen geschlossenen Vertrages über die einvernehmliche Rückgabe des Vermögenswertes (§ 30 Abs. 1 Satz 2 VermG) feststellt.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 PKH 5.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 14. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Neumann

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beigeladenen, ihnen für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 5. Februar 2003 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beigeladenen begehren Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht einen Restitutionsbescheid aufgehoben hat durch den der Beklagte den Beigeladenen ein Grundstück frei von Belastungen zurück übertragen hat.

Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen beantragte im Jahre 1990 die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks. Durch Teilbescheid vom 27. August 1992 stellte der Beklagte seine Berechtigung fest. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen schloss mit der Verfügungsberechtigten, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, am 29. September 1993 zum Zwecke der gütlichen Einigung einen notariellen Vertrag. In ihm übereignete die Rechtsvorgängerin der Klägerin das Grundstück in Erfüllung des Rückgabeanspruchs an den Rechtsvorgänger der Beigeladenen. Dieser verpflichtete sich, an die Rechtsvorgängerin der Klägerin für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen eine Entschädigung von 900 000 DM zu zahlen; diese Verpflichtung sollte durch Bestellung einer Grundschuld an dem übereigneten Grundstück gesichert werden. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen wurde am 19. April 1995 im Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks eingetragen; zugleich wurde zu Gunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Grundschuld über den Betrag von 900 000 DM eingetragen. Die Klägerin betrieb in der Folgezeit die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Vertrag. Die Beigeladenen erhoben vor dem Landgericht Frankfurt Klage gegen die Klägerin, mit der sie unter anderem beantragten, die Nichtigkeit des Vertrages festzustellen. Das Landgericht wies die Klage durch Urteil vom 14. November 1997 ab, das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beigeladenen durch Urteil vom 13. November 1998 zurück; der Bundesgerichtshof lehnte einen Antrag der Beigeladenen ab, ihnen für eine Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das Urteil des Landgerichts ist rechtskräftig.

Bereits vor Rechtskraft des Urteils hatte der Beklagte auf Betreiben der Beigeladenen das Restitutionsverfahren fortgesetzt. Durch den hier streitigen Bescheid vom 20. Oktober 1998 stellte er fest, dass die Beigeladenen einen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks haben, der durch den notariellen Vertrag vom 29. September 1993 weder erfüllt noch erledigt sei; er übertrug das Grundstück auf die Beigeladenen zurück, und zwar lastenfrei, insbesondere frei von der eingetragenen Grundschuld über 900 000 DM; schließlich stellte der Beklagte fest, die Klägerin habe gegen die Beigeladenen keinen Anspruch auf Wertausgleich nach § 7 Abs. 1 VermG oder auf Zahlung einer Geldsumme aus einem anderen Grunde. Der Beklagte nahm unter anderem an, das Verfahren auf Rückübertragung des Grundstücks sei nicht durch eine einvernehmliche Einigung der Beteiligten erledigt. Der insoweit abgeschlossene notarielle Vertrag vom 29. September 1993 sei sittenwidrig und deshalb nichtig; nichtig sei auch die Auflassung des Grundstücks an den Rechtsvorgänger der Beigeladenen, der deshalb bisher nicht Eigentümer des zurückzuübertragenden Grundstücks geworden sei.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid auf die Klage der Klägerin in den genannten Punkten aufgehoben. Es ist dabei davon ausgegangen, der Beklagte habe über den Restitutionsantrag nicht mehr entscheiden dürfen, weil die Rückgabe des Grundstücks durch den notariellen Vertrag vom 29. September 1993 zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Berechtigten einvernehmlich zustande gekommen sei (§ 30 Abs. 1 Satz 2 VermG). Sowohl der Beklagte als Verwaltungsbehörde als auch das Verwaltungsgericht seien an das rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts gebunden, nach dem der Vertrag wirksam sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Die Beigeladenen beantragen, ihnen Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu bewilligen.

II.

Der Antrag der Beigeladenen ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 ZPO). Die Revision wäre nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, welche die Beigeladenen ihr in dem Entwurf einer Beschwerdebegründung beimessen.

Die Beigeladenen wollen die Frage geklärt wissen, ob ein Vermögensamt einen Vertrag, in dem der Berechtigte und der Verfügungsberechtigte sich über die Rückgabe des Vermögenswertes an den Berechtigten einvernehmlich geeinigt haben, auch dann auf seine Wirksamkeit nachprüfen darf, wenn ein Zivilgericht in einem Rechtsstreit zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten den Vertrag durch rechtskräftiges Urteil als wirksam beurteilt hat.

Diese Frage beantwortet sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf deshalb nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.

Soweit die Beteiligten eines Zivilprozesses durch die Rechtskraft eines zwischen ihnen ergangenen Urteils gebunden sind, sind auch die Gerichte aller Gerichtszweige gebunden, wenn für sie der Gegenstand des Zivilprozesses eine Vorfrage bildet, von der ihre Entscheidung in einem Verfahren abhängt, dessen Beteiligte die Parteien des Zivilprozesses sind (Urteil vom 28. März 1963 - BVerwG II C 98.60 - BVerwGE 16, 36 <38>; für den umgekehrten Fall einer Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 1980 - II ZR 27/77 - BGHZ 77, 338 <341>; Urteil vom 10. Juni 1985 - II ZR 3/84 - BGHZ 95, 28 <35>; zur Bindung der Zivilgerichte an bestandskräftige Verwaltungsakte vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Juni 1998 - V ZR 43/97 - NJW 1998, 3055). Diese Bindung ergibt sich aus der Gleichordnung aller Gerichtszweige. Die rechtsprechende Gewalt ist trotz ihrer Aufspaltung in verschiedene Gerichtszweige als Einheit zu verstehen. Die einzelnen Zweige der Gerichtsbarkeit, auf die ihre Aufgaben verteilt sind, stehen gleichwertig neben einander. Die Entscheidung, die das Gericht eines Zweiges der Gerichtsbarkeit innerhalb seiner Zuständigkeit erlässt, ist für die Gerichte anderer Zweige jedenfalls insoweit bindend, als die Rechtskraft dieser Entscheidung unter den Parteien wirkt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Juli 1962 - III ZR 16/61 - DVBl 1962, 753).

Ebenso sind Verwaltungsbehörden als Träger staatlicher Hoheitsgewalt an eine rechtskräftige Entscheidung gebunden, die ein (Zivil-)Gericht als ein anderer Träger staatlicher Hoheitsgewalt im Rahmen seiner Zuständigkeit erlassen hat. Diese Bindung folgt aus der wechselseitigen Beachtlichkeit kompetenzgemäß erlassener hoheitlicher Akte; sie setzt nicht voraus, dass die Verwaltungsbehörde selbst an dem Zivilprozess beteiligt war und die Rechtskraft des Urteils sich schon aus diesem Grund auf sie erstreckt. Die Bindung besteht jedoch wie diejenige der Gerichte nur in den objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft des Urteils, und damit nur dann, wenn die durch die Rechtskraft gebundenen Parteien des Zivilprozesses Beteiligte des Verwaltungsverfahrens sind und die zwischen ihnen rechtskräftig entschiedene Frage vorgreiflich ist für die von der Verwaltungsbehörde zu treffende Entscheidung.

Nach der insoweit nicht angegriffenen Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Beklagte nach § 30 Abs. 1 Satz 2 VermG gehindert, über den Antrag auf vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks an die Beigeladenen noch zu entscheiden, soweit der Vertrag zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten wirksam war. Das Landgericht hat die auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages gerichtete Klage aus sachlichen Gründen abgewiesen; die Rechtskraftwirkung seines Urteils entspricht deshalb derjenigen eines Urteils, das die Wirksamkeit des Vertrages positiv feststellt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. April 1986 - IVb ZR 14/85 - NJW 1986, 2508). Zwischen den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens steht damit die Wirksamkeit des Vertrages rechtskräftig fest.

Die in diesem Zusammenhang weiter aufgeworfenen Fragen sind ebenfalls nicht klärungsbedürftig.

Zwar handelt es sich bei dem Anspruch auf Rückübertragung eines Vermögenswertes nicht um einen privatrechtlichen Anspruch, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch. Einigen sich der Berechtigte und der Verfügungsberechtigte außerhalb des Verwaltungsverfahrens über die Rückgabe des Vermögenswertes an den Berechtigten, handelt es sich bei einer hierzu geschlossenen Vereinbarung um einen privatrechtlichen Vertrag, über dessen Wirksamkeit die Zivilgerichte zu entscheiden haben. Aus § 38a Abs. 2 Satz 3 VermG folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift ist das Verwaltungsgericht Gericht im Sinne des § 1062 ZPO, wenn die Beteiligten in den Fällen des § 6 Abs. 1 VermG und des § 6b VermG beantragt haben, die Entscheidung oder bestimmte Entscheidungen statt durch die Behörde durch ein Schiedsgericht nach § 38a VermG treffen zu lassen, und die Behörde diesem Antrag nach § 31 Abs. 6 VermG entsprochen hat. In diesen Fällen bleiben die Rückübertragung oder ihre Modalitäten streitig; die Entscheidung des Schiedsgerichts tritt an die Stelle der Entscheidung der Behörde. Das ist nicht vergleichbar einer Einigung der Beteiligten außerhalb des Verwaltungsverfahrens. Aus der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte als Gericht im Sinne des § 1062 ZPO kann deshalb nichts dafür hergeleitet werden, eine solche Vereinbarung der Beteiligten müsse der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegen.

Es liegt auf der Hand, dass die Behörde nicht ohne weiteres gemäß § 31 Abs. 5 Satz 3 VermG einen der Einigung entsprechenden Bescheid erlassen kann, soweit die Einigung zwischen dem Berechtigten und Verfügungsberechtigten Ansprüche Dritter berührt. Darum geht es hier aber nicht. Das Landgericht hat in seinem rechtskräftigen Urteil in der Verpflichtung des Berechtigten, an den Verfügungsberechtigten 900 000 DM Entschädigung zu zahlen, keine Vereinbarung über einen Wertausgleich nach § 7 Abs. 1 VermG gesehen, der nach Ansicht der Beigeladenen nicht dem Verfügungsberechtigten, sondern dem Entschädigungsfonds zustünde.

Ende der Entscheidung

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