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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.04.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 11.01
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, GenG


Vorschriften:

VwGO § 54
ZPO § 41
GenG § 17
Leitsatz:

Ein Richter ist als Genosse einer Genossenschaft im Rechtsstreit um die Rückgabe eines Grundstücks nach dem Vermögensgesetz nicht kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen.

Beschluss des 8. Senats vom 18. April 2001 - BVerwG 8 B 11.01 -

I. VG Berlin vom 24.10.2000 - Az.: VG 9 A 176.94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 11.01 VG 9 A 176.94

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und Postier

beschlossen:

Tenor:

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 24. Oktober 2000 wird aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 350 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet. Zwar reichen die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht aus, um die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, doch der Sache kommt die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

1. Die Klägerin rügt eingangs ihrer Beschwerde eine gesetzwidrige Besetzung des Verwaltungsgerichts, weil beide ehrenamtliche Richter, die an der fraglichen Entscheidung mitgewirkt hätten, ihre Mitglieder seien. Sie schließt daraus, dass es sich um Gerichtspersonen handele, die in ihrer Sache kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen gewesen seien.

Die Besetzungsrüge ist unbegründet. Zwar sind beide ehrenamtliche Richter Mitglied der klagenden Genossenschaft, der eine - nach Angaben der Klägerin - mit einer Beteiligung von einem Geschäftsanteil, der andere mit 109 Anteilen. Aber kraft Gesetzes sind sie von der Ausübung des Richteramts nicht ausgeschlossen gewesen.

Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 1 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

In der vorliegenden Restitutionssache sind die Richter nicht selbst Partei; denn Partei (Klägerin) ist die eingetragene Genossenschaft als juristische Person (§ 17 GenG, § 61 Nr. 1 VwGO). Die Richter sind im Aktivprozess ihrer Genossenschaft auch in Bezug auf den Streitgegenstand nicht Mitberechtigte. Sie kommen nicht neben der Klägerin als Berechtigte für die Rückübertragung des streitigen Grundstücks in Betracht. Eine unmittelbare Rechtsbeziehung zur Streitsache besteht für sie nicht (zu den Motiven des Gesetzes RGZ 7, 311, 312). Zwar würde sich das Vermögen der Genossenschaft im obsiegenden Fall durch Übertragung von Eigentum an dem Grundstück vermehren, auch haben die Genossen einen Anspruch auf Gewinnverteilung nach dem Verhältnis der Geschäftsguthaben der Genossen zum Schluss des vorangegangenen Geschäftsjahrs (§ 19 GenG; das Statut sieht keinen Ausschluss der Gewinnverteilung vor), doch ein nur mittelbares Interesse am Rechtsstreit der Partei stellt keine "Mitberechtigung" dar. Einer weiter ausdehnenden Auslegung ist dieser Begriff wegen des erschöpfenden Charakters der Ausschlussvorschriften von § 41 ZPO nicht zugänglich (BGH, NJW 1991, 425). Ob die Darlegung der Beschwerde, die Klägerin sei ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden, die Ablehnung der Richter gemäß § 54 VwGO, § 43 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt hätte, bedarf keiner Erörterung, weil sie einen solchen Antrag nicht gestellt hat (§ 54 VwGO, § 43 ZPO). Auf die Mitgliedschaft hatte der Vorsitzende der Kammer in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

2. Den weiteren Vorwurf, das Verwaltungsgericht hätte den dargelegten Sachverhalt nicht vollständig berücksichtigt, hat die Beschwerde nicht näher erläutert. Unzureichend ist ferner die Rüge, gebotenes rechtliches Gehör sei versagt worden, weil das Verwaltungsgericht in seinen Urteilsgründen nicht erläutert habe, weswegen es dem Sachvortrag zur Funktionsnachfolge nicht gefolgt sei. Das Verwaltungsgericht muss nicht jeden rechtlichen Gesichtspunkt, auf den es seine Entscheidung letzthin stützt, den Beteiligten vorab zur Erörterung gestellt haben (Beschluss vom 30. Oktober 1987 - BVerwG 2 B 85.87 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 20 S. 1 <2> m.w.N.).

3. Die Rechtssache hat indes die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ein Revisionsverfahren kann Gelegenheit geben, die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine Vereinigung Nachfolgeorganisation im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 VermG einer im Jahre 1935 aufgelösten Verbrauchergenossenschaft ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13, 14 GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 19.01 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.

Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Ende der Entscheidung

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