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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.12.1997
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 161.97
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 171 Abs. 10
AO 1977 § 182 Abs. 1,
AO 1977 § 184 Abs. 1 und 3
AO 1977 § 351 Abs. 2
Leitsätze:

Verweist ein von einer Gemeinde im Auftrag des Finanzamts versandter Gewerbestuermeßbescheid darauf, die Gewerbesteuer sei an die in dem - gleichzeitig bekanntgegebenen - Gewerbesteuerbescheid bezeichnete Stelle zu zahlen, so bestimmt er damit die Hebeberechtigung der Gemeinde.

Infolge der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids sind Einwände des Steuerpflichtigen gegen die durch den Gewerbesteuermeßbescheid festgelegte Hebeberechtigung im Rahmen der Anfechtung des Gewerbesteuerbescheids unbeachtlich.

Ob allein die Mitteilung des Gewerbesteuermeßbescheids an die Gemeinde gemäß § 184 Abs. 3 AO eine derartige Bindungswirkung für das Folgebescheidsverfahren auch dann vermitteln könnte, wenn der Gewerbesteuermeßbescheid keine Regelung der Hebeberechtigung enthielte (vgl. BFHE 142, 544 ff.), bleibt offen.

Beschluß des 8. Senats vom 30. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 161.97

I. VG München vom 13.07.1995 - Az.: M 10 K 94.2236 II. VGH München vom 30.04.1997 - Az.: VGH 4 B 95.3261


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 161.97 VGH 4 B 95.3261

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. Dezember 1997 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Sailer und Golze beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 671 504 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung in der mit der Beschwerde bezeichneten Richtung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch leidet das Berufungsurteil unter den geltend gemachten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde hält - zusammengefaßt - für klärungsbedürftig,

ob ein Gewerbesteuermeßbescheid, den das Finanzamt an die Gemeinde zur gleichzeitigen Bekanntgabe mit ihrem Gewerbesteuerbescheid versandt hat und der - ohne ausdrückliche Nennung der Hebeberechtigung - als Steuergläubiger die im gleichzeitig bekanntgemachten Gewerbesteuerbescheid angegebene Gemeinde bezeichnet, die Frage der Hebeberechtigung mit Bindungswirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen regelt

bzw.

ob der Steuerpflichtige den Einwand der fehlenden Verbandskompetenz oder der fehlenden Hebeberechtigung der Gemeinde auch im Anfechtungsverfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid geltend machen kann.

Diese Fragen sind jedoch - jedenfalls für die hier zu beurteilende Sachverhaltskonstellation - durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 14. November 1984 - I R 151/80 - BFHE 142, 544 ff.) bereits geklärt. Dem Gewerbesteuermeßbescheid kommt als einem Grundlagenbescheid (vgl. § 171 Abs. 10 AO) unstreitig Bindungswirkung für Folgebescheide wie dem Gewerbesteuerbescheid zu, soweit im Meßbescheid Regelungen getroffen worden sind (§ 184 Abs. 1, § 182 Abs. 1 AO).

a) Festsetzungen im Gewerbesteuermeßbescheid sind - soweit sie nicht nichtig sind (§ 125 Abs. 1 und 2 AO) - nach dessen Unanfechtbarkeit auch dann verbindlich, wenn sie rechtswidrig sein sollten. Regelt ein - wie hier überdies bestandskräftig gewordener - Gewerbesteuermeßbescheid die Hebeberechtigung einer bestimmten Gemeinde, so steht diese Festsetzung nur noch unter dem Vorbehalt einer - fristgebundenen (vgl. § 189 Satz 3 AO) - Änderung in einem eventuellen Zerlegungs- oder Zuteilungsverfahren gemäß §§ 185 ff., 190 AO (Lenski/Steinberg, GewStG, § 14 Rn. 55 f.; Blümich-Gosch, EStG/KStG/GewStG, Band 4, § 4 GewStG, Rn. 9 und 11 sowie § 16 GewStG, Rn. 35 m.w.N.); im Anfechtungsverfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid sind Einwendungen gegen die Frage der Hebeberechtigung unbeachtlich (§ 351 Abs. 2 AO; vgl. BFH, Urteil vom 14. November 1984, a.a.O., S. 546). Die etwa fehlende Verbandskompetenz der im Meßbescheid bestimmten Gemeinde spielt schon deshalb keine Rolle, weil die Abgabenordnung bewußt keine besonderen Regelungen über die sogenannte Verbandszuständigkeit enthält (BFH, Urteil vom 14. November 1984 a.a.O.); im übrigen würde dieser Einwand - bezogen auf die fehlende Hebeberechtigung - nur die im Falle der Bestandskraft des Meßbescheids unerhebliche - Frage der Rechtswidrigkeit betreffen.

b) Im vorliegenden Fall bestimmt der Gewerbesteuermeßbescheid die Hebeberechtigung der beklagten Gemeinde. Der in ihm enthaltene Hinweis, die Gewerbesteuer sei "nur an die im Gewerbesteuerbescheid bezeichnete Stelle zu zahlen", bringt unter den gegebenen besonderen Umständen mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß die beklagte Gemeinde J. hebeberechtigt sei. Denn das Finanzamt hat diesen Gewerbesteuermeßbescheid nicht etwa selbständig und unabhängig von dem Gewerbesteuerbescheid versandt, sondern hat ihn gemäß § 184 Abs. 3 AO an die Gemeinde zur Bekanntgäbe an den Steuerpflichtigen weitergeleitet, so daß - wie offenbar beabsichtigt - beide Bescheide dem Steuerpflichtigen durch die Gemeinde gleichzeitig bekanntgegeben worden sind. Damit war sichergestellt, daß der Empfänger des Gewerbesteuermeßbescheids nicht im Unklaren sein konnte, welche Gemeinde nach der Regelung des Meßbescheids Steuergläubiger sein sollte (vgl. Lenski/Steinberg, a.a.O., § 14 Rn. 26; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Februar 1981 - I 283, 383/79 - EFG 1981, S. 640 f.; vgl. zur Streitfrage, ob die Angabe des Steuergläubigers notwendiger Bestandteil des Gewerbesteuermeßbescheids ist: Glanegger/Güroff, GewStG, 3. Aufl., § 14 Rn. 2 und Hübschmann/Hepp/Spitaler-Boeker, AO/FGO, § 184 AO Rn. 62 einerseits, Lenski/Steinberg, a.a.O., § 14 Rn. 26 und Blümich-Hofmeister, a.a.O., § 14 GewStG, Rn. 17 andererseits, jeweils m.w.N.).

c) Da der bestandskräftige Gewerbesteuermeßbescheid im vorliegenden Fall eine Bestimmung über den Steuergläubiger und damit über die Hebeberechtigung enthält, wäre in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, ob ein Meßbescheid, der weder ausdrücklich noch aus der Sicht des Empfängers durch Auslegung feststellbar die Hebeberechtigung einer bestimmten Gemeinde festlegt, allein wegen der verwaltungsinternen Mitteilung gemäß § 184 Abs. 3 AO auch gegenüber dem Steuerpflichtigen Bindungswirkung mit der Folge des Ausschlusses entsprechender Einwände im Folgeverfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid vermitteln könnte (vgl. zum Streitstand: BFH, Urteil vom 14. November 1984, a.a.O.; FG München, Urteil vom 9. Dezember 1987 - I 25/83 G - EFG 1988, S. 381 <382>; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Boeker, a.a.O., § 184 AO, Rn. 58 und 62; Blümich-Gosch, a.a.O., § 4 GewStG, Rn. 11; Glanegger/Güroff, a.a.O., § 4, Rn. 1). Die in dieser Richtung von der Beschwerde aufgeworfenen und - wie dargelegt streitigen - Fragen sind im Rahmen des vorliegenden Verfahrens mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig und rechtfertigen deshalb die Zulassung der Revision nicht. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. November 1984 (a.a.O.) im Sinne einer derartigen Bindungswirkung zu verstehen sein sollte und ob dem für solche Fallkonstellationen gefolgt werden könnte.

2. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

a) Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verstoßen, daß es den Wortlaut des Meßbescheids und des Steuerbescheids nicht geprüft, damit den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht ermittelt und deshalb verkannt habe, daß die Hebeberechtigung der Gemeinde J. erst im Folgebescheid - und nicht schon im Meßbescheid festgelegt worden sei. Dieser Einwand richtet sich aber in Wahrheit gegen die materiellrechtliche Richtigkeit des Berufungsurteils, nicht gegen die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtshofs und bezeichnet deshalb keinen Verfahrensmangel. Im übrigen verkennt die Beschwerde, daß dem Berufungsgericht nur dann ein Fehler im Verfahren vorzuwerfen ist, wenn es auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung zu einem anderen Vorgehen verpflichtet gewesen wäre. Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil der Verwaltungsgerichtshof - ob zu Recht oder zu Unrecht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich - für die Bindungswirkung und den daraus resultierenden Ausschluß entsprechender Einwände im Folgeverfahren entscheidend auf die Mitteilung gemäß § 184 Abs. 3 AO abgestellt und deshalb der ausdrücklichen Regelung der Hebeberechtigung im Meßbescheid selbst keine Bedeutung beigemessen hat (BU S. 6 f.).

b) Die Ablehnung des Beweisantrages im Verhandlungstermin war entgegen der Ansicht der Beschwerde ebenfalls nicht verfahrensfehlerhaft. Auch insoweit ist von der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts auszugehen. Danach kam es auf die unter Beweis gestellte Ermittlung der Betriebsstätte des Klägers nicht an, weil der Verwaltungsgerichtshof diese Frage mit der bestandskräftigen Bestimmung der Hebeberechtigung im Gewerbesteuermeßbescheid bzw. in dessen Mitteilung gemäß § 184 Abs. 3 AO als bereits unanfechtbar entschieden angesehen hat. Das räumt letztlich die Beschwerde selbst ein, wenn sie - zutreffend - erwähnt, die Ablehnung des Beweisantrages sei nur dann fehlerhaft, wenn man - anders als das Berufungsgericht - "davon ausgehe, daß durch die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO weder eine Bindungswirkung des Gewerbesteuermeßbescheids hinsichtlich der Entscheidung über die Hebebefugnis der Beklagten noch eine Begründung einer solchen Hebeberechtigung durch Grundlagenbescheid und Mitteilung erfolgte".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.



Ende der Entscheidung

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