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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 187.00
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 74 | |
VwGO § 173 | |
ZPO § 239 Abs. 1 | |
ZPO § 246 Abs. 1 | |
ZPO § 249 Abs. 1 |
Beim Tod des Widerspruchsführers findet die Regelung des § 239 Abs. 1 ZPO jedenfalls insoweit Anwendung, als die Klagefrist des § 74 VwGO endet bzw. nicht zu laufen beginnt, sofern kein Prozessbevollmächtigter bestellt ist.
Beschluss des 8. Senats vom 14. November 2000 - BVerwG 8 B 187.00 -
I. VG Gera vom 30.05.2000 - Az.: VG 6 K 1087/95 GE -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 8 B 187.00 VG 6 K 1087/95 GE
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 14. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze und Postier
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 30. Mai 2000 wird dieses Urteil aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 52 400 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die Klage ist nicht verspätet, weil die Klagefrist des § 74 VwGO entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides zu laufen begann. Vielmehr war das Verfahren entsprechend § 239 ZPO wegen des Todes der Widerspruchsführerin unterbrochen.
Dabei kann zunächst dahinstehen, ob die §§ 239, 246 ZPO auch in einem Verwaltungsverfahren entsprechende Anwendung finden (vgl. dazu OVG Bremen, Beschluss vom 14. Februar 1984 - 1 BA 91/83 - NVwZ 1985, 917 einerseits und OVG Magdeburg, Urteil vom 25. November 1993 - 3 L 18/93 - NVwZ 1994, 1227 andererseits), weil die Widerspruchsführerin im Zeitpunkt ihres Todes durch einen Bevollmächtigten vertreten war und ein Aussetzungsantrag nicht gestellt wurde. Der Widerspruchsbescheid konnte daher wirksam an den Bevollmächtigten, dessen Vollmacht nach § 14 Abs. 2 VwVfG über den Tod hinaus galt, zugestellt werden. Mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids endete aber das Vorverfahren. Zugleich erledigte sich die Vollmacht, die sich nach dem im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Wortlaut nur auf das Verwaltungsverfahren bezog (vgl. dazu auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, § 14 Rn. 15).
Für die prozessuale Frist des § 74 VwGO gelten dagegen gemäß § 173 VwGO die Regelungen der §§ 239 Abs. 1, 249 Abs. 1 ZPO entsprechend. Danach war das Verfahren durch den Tod der Widerspruchsführerin unterbrochen mit der Folge, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört bzw. nicht beginnt. Auch wenn die zivilprozessualen Vorschriften voraussetzen, dass bereits ein Rechtsstreit anhängig ist (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, Übers. § 239 Rn. 1), muss bei der entsprechenden Anwendung auf den Verwaltungsprozess bei fristgebundenen Klagen eine Unterbrechung auch des noch nicht anhängigen Verfahrens angenommen werden, weil nur so dem Sinn der gesetzlichen Regelung (Stillstand des Verfahrens aus Fürsorgegründen bis zur Klärung der Rechtsnachfolge) Rechnung getragen werden kann. Da der Bevollmächtigte der Widerspruchsführerin - wie dargelegt - keine Vollmacht für den Verwaltungsprozess hatte, kommt hier die Regelung des § 246 Abs. 1 ZPO nicht zur Anwendung. Vielmehr begann die Klagefrist gemäß § 249 Abs. 1 ZPO erst nach Beendigung der Unterbrechung. Die Aufnahme des Verfahrens durch die Erben erfolgte durch den Schriftsatz vom 16. Juni 1996, der zugleich als Klage anzusehen ist, sodass die Klagefrist gewahrt ist.
Da sich das Verwaltungsgericht mit der Frage, ob die Klage begründet ist, bisher nicht befasst hat, kann das Urteil auch auf dem dargelegten Verfahrensfehler beruhen. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch und hebt das angefochtene Urteil ohne vorheriges Revisionsverfahren auf und verweist den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurück.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14 GKG.
Ende der Entscheidung
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