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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.11.1998
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 211.98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 2 Satz 1
Leitsatz:

Läßt sich trotz bestehender greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte nicht abschließend aufklären, ob das Eigentum an dem restitutionsbelasteten Grundstück nur treuhänderisch übergehen sollte, so trifft den Erwerber die materielle Beweislast für die Nichterweislichkeit der Erlangung "vollwertigen" Eigentums (im Anschluß an den Beschluß vom 16. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 163.95 - Buchholz 112 § 4 VermG Nr. 22).

Beschluß des 8. Senats vom 2. November 1998 - BVerwG 8 B 211.98 -

I. VG Dessau vom 14.07.1998 - Az.: VG A 3 K 137/97 -


BVerwG 8 B 211.98 VG A 3 K 137/97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 2. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und Krauß

beschlossen:

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 14. Juli 1998 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 177 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Beigeladenen hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch liegen die gerügten Verfahrensmängel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

Die allein aufgeworfene Frage,

welche Partei die materielle Beweislast für die Redlichkeit eines Eigentumserwerbs ... trägt, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob eine Treuhandabrede zwischen den Parteien eines Kaufvertrages getroffen wurde,

ist nicht klärungsbedürftig. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, daß die Unerweislichkeit der für die Redlichkeit des Erwerbs (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG) maßgebenden Umstände zu Lasten des Erwerbers geht (Beschluß vom 16. Oktober 1995 BVerwG 7 B 163.95 Buchholz 112 § 4 VermG Nr. 22 = VIZ 1996, 92 <93>). Die materielle Beweislast für den Anspruchsausschlußgrund des redlichen Erwerbs trifft aus den auch für das Vermögensgesetz geltenden allgemeinen Grundsätzen danach denjenigen, der aus dem Restitutionsausschluß für sich günstige Rechtsfolgen herleitet (vgl. auch Beschluß vom 1. November 1993 BVerwG 7 B 190.93 Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 11 = VIZ 1994, 73). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 16. Oktober 1995, a.a.O.) hervorgehoben, daß Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte zunächst den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermitteln müssen (§ 86 Abs. 1 VwGO) und Beweislastentscheidungen erst nach erfolgloser Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten zulässig sind. Insbesondere mit Blick auf den Restitutionsausschluß wegen redlichen Erwerbs hat es Beweislastentscheidungen überdies von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß "überhaupt greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit des Erwerbs bestehen, die aber für eine Überzeugungsbildung der Behörde oder des Gerichts nicht ausreichen" (a.a.O.). Damit sind entgegen der Ansicht der Beschwerde auch die Maßstäbe für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 VermG bei treuhänderischem Erwerb des streitigen Grundstücks (vgl. hierzu Urteil vom 19. Januar 1995 BVerwG 7 C 42.93 BVerwGE 97, 286 <289 ff.>) vorgegeben.

Die Treuhandabrede schließt einen anspruchsvernichtenden redlichen Erwerb aus, weil das danach erlangte Eigentum nur formal, nämlich "treuhänderisch", übergehen sollte. Bestehen konkrete Anhaltspunkte hierfür, lassen sie sich jedoch nicht vollständig aufklären, so verbleibt es in gleicher Weise bei dem Restitutionsanspruch des Berechtigten wie bei unredlichem Erwerb "vollwertigen" Eigentums.

Da sich die Beigeladene gegenüber dem Restitutionsanspruch der Kläger auf redlichen Erwerb beruft, nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts aber Anhaltspunkte für eine den Eigentumswechsel einschränkende Treuhandvereinbarung bestehen, trägt sie nach den dargelegten Grundsätzen hierfür und damit auch für die Erlangung "vollwertigen" Eigentums die materielle Beweislast, wenn sich die maßgeblichen tatsächlichen Umstände nicht vollständig aufklären lassen. Damit wird dem Erwerber nicht etwa wie die Beschwerde meint der Nachweis einer negativen Tatsache aufgebürdet; denn es genügt, wenn er die "greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte" für ein bloßes Treuhandgeschäft nachhaltig erschüttert. Derartige konkrete Anhaltspunkte hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu Lasten der Beigeladenen angenommen, ohne daß diese im übrigen weitere Beweisanträge gestellt hätte. Nicht richtig ist auch wie im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ergänzend zu bemerken ist die Rüge der Beschwerde, die Kläger hätten "erstmals in der Klageschrift" eine Treuhandabrede behauptet (vgl. demgegenüber bereits Schreiben der Kläger vom 15. März 1992 und 24. Oktober 1993 an das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen).

2. Die Revision kann auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen werden.

a) Die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) scheitert schon daran, daß die anwaltlich vertretene Beigeladene im Verhandlungstermin keine entsprechenden Beweisanträge auf Vernehmung bestimmter weiterer Zeugen sowie auf Beiziehung der Akte eines früheren Verfahrens gestellt und nicht dargetan hat, daß sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung die nunmehr vermißten Aufklärungsmaßnahmen hätten aufdrängen müssen. Bezüglich der unterbliebenen Aktenbeiziehung gibt die Beschwerde außerdem nicht an, welche tatsächlichen entscheidungserheblichen Erkenntnisse sich aus der ihrer Ansicht nach beizuziehenden Akte eines früheren Verfahrens an dem die Beigeladene ebenfalls beteiligt war und die sie deshalb kennt ergeben hätten und warum sie diese vermeintlich relevanten tatsächlichen Umstände nicht selbst im Verhandlungstermin zur Sprache gebracht hat.

b) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO seiner Entscheidung einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt, greift ebenfalls nicht durch. Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vor, es habe den Vortrag der Kläger zu Unrecht als schlüssig und substantiiert angesehen und damit in Widerspruch stehende Aussagen der Kläger nicht hinreichend gewürdigt. Dieses Vorbringen stellt schon im Ansatz nicht die tatsächliche Grundlage des Urteils, sondern lediglich die Richtigkeit der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht in Frage. Abgesehen davon, daß die Angriffe der Beschwerde nur auf einzelne, für die rechtliche Beurteilung des Restitutionsanspruchs nebensächliche Details zielen, ist die Frage der Beweiswürdigung jedoch in der Regel dem materiellen Recht zuzuordnen und damit einer Verfahrensrüge entzogen, solange sie nicht gegen die Denkgesetze verstößt (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 BVerwG 4 C 28.89 BVerwGE 84, 271 <272>). Eine derartige Denkgesetzverletzung macht die Beschwerde selbst nicht geltend; vielmehr setzt sie lediglich der gerichtlichen Würdigung des Sachverhalts eine eigene entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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